Neue Arbeitsstelle in fremder Stadt mit Depression

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Abendsegler
Beiträge: 15
Registriert: 31. Jan 2023, 22:57

Neue Arbeitsstelle in fremder Stadt mit Depression

Beitrag von Abendsegler »

Hallo, guten Abend,

bevor ich mich entschlossen habe, hier zu schreiben, habe ich nachgeschaut, ob es Tipps zu den Themen gibt.
Im Ansatz ja, aber nichts, was mir weiter geholfen hat. Also dachte ich mir, ich bitte schriftlich um Anregungen.

Beruflich bedingt bin ich gen Niederrhein gewandert (Vollzeit). Der Job ist ok.
Bislang habe ich keine Wohnung gefunden, da es hier schwierig ist.

Nun zu meiner Frage: Gibt es unter euch vielleicht Menschen mit ähnlichen Erfahrungen:
Neuer Job, Gästewohnung, allein, keine Kontakte - bis auf die im Job - und dazu der Kampf gegen das "Hochkommen der Depression"?
Ich bin der Typ "Zähne zusammen beißen und durch". Ich pack das in der Regel, auch wenn ich schon den einen oder anderen Moment hatte, wo es, zum Glück in den heimischen vier Wänden, zu negativen Gedanken kam und ich dachte: Das schaffe ich nicht mehr.
Aber da ich das seit meiner Jugend mache, reiße ich mich danach zusammen und - genau - beiße die Zähne zusammen und mache weiter.
Momentan bröckelt mein "Kampfgeist" und ich möchte am liebsten kündigen und ganz schnell wieder nach Hause, wo ich aktuell lediglich am Wochenende bin.

Im Internet finde ich immer das Gleiche (Freunde und Bekannte, Sportvereine, positiv denken, Unterstützung suchen, Telefonseelsorge usw.) und dachte, vielleicht habt ihr noch weitere bzw. andere Tipps, was ich machen kann, um "den schwarzen Hund an der kurzen Leine zu halten".

Was kann ich abends machen außer TV oder Internet, um die Depression zu ertragen?
Es gibt keine "Neu-in-Hast-Du-Nicht-Gesehen"-Gruppen oder auch keine Stammtische.
Sport geht nicht, da ich kein Auto habe, um da hin zu kommen.
In dieser Gegend - preiswerte Unterkunft - möchte ich nach 20 Uhr auch nicht mehr draußen sein.
Mit Yoga und ähnlichem kann ich nichts anfangen. Ich habe einige Kurse mitgemacht. Die Angebote waren nicht so meins.

Ich bekomme im Frühling leider verstärkt Depressionen. In der Vergangenheit war ich in meiner gewohnten Umgebung.
Diesmal ist alles anders und ich suche grade nach Möglichkeiten, damit zurecht zu kommen. Im Job schleicht "der Hund" auch schon rum.

Für Anregungen und Tipps bedanke ich mich im Voraus.

Viele Grüße,
Abendsegler
Lavendel64
Beiträge: 543
Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Neue Arbeitsstelle in fremder Stadt mit Depression

Beitrag von Lavendel64 »

Liebe/r Abendsegler,
erst einmal ein warmes Willkommen. Ich kann dir so direkt auch nicht helfen, eher mit allgemeinen Tipps.

Ich bin ähnlich gestrickt wie Du, "geht nicht gibts nicht" und "reiss Dich zusammen". Das geht lange gut, man ist dieses Schema ja gewohnt und fällt immer dahin zurück. Hast Du einmal daran gedacht, Dir psychologische Hilfe zu holen? Mein Arzt sagte einmal zu mir: Warum wollen Sie es sich schwer machen und allein bewältigen, wenn es Menschen gibt, die Ihnen helfen können?
Ich habe in der Tagesklinik gelernt, mit mir selber etwas netter umzugehen. Mal zu schauen, 'wie geht es mir, was brauche ich jetzt'? Und ja, es ist schwierig, Therapeuten zu finden, aber wer dran bleibt, schafft es auch irgendwann. Es gibt ambulante Stellen, die Dir weiterhelfen können. Telefonseelsorge hast Du schon angesprochen, es gibt Beratungsstellen und oft kann auch die Krankenkasse weiterhelfen.

Die Tagesklink hat mir viele Möglichkeiten gezeigt, mit der Depression umzugehen, sie zu verstehen ... das war sehr intensiv, hat mir aber geholfen, mich nicht mehr so ausgeliefert zu fühlen. Ich erkenne Trigger und kann schauen, wie ich die Tiefs abfange. Funktioniert meistens, aber nicht immer. Manchmal hilft tatsächlich nur aussitzen, bzw sich über eine Krankschreibung für einige Tage rauszuziehen.

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
Reziprok
Beiträge: 192
Registriert: 9. Mär 2023, 07:51

Re: Neue Arbeitsstelle in fremder Stadt mit Depression

Beitrag von Reziprok »

Hi Abendsegler,

ich kenne das: Wegen Job umziehen, neuer Ort, dort keine Leute kennen, habe ich mehrmals mitgemacht in meinem Leben. Schön ist das nicht. Und ja, so was kann Depressionen hervorrufen oder befördern. Habe ich selbst erlebt.

Jetzt aber ein praktischer Vorschlag bzgl. möglicher Freizeitgestaltung um Leute kennenzulernen, sogar in Verbindung mit dem leidvollen Thema Depressionen:

Kennst Du das Bündnis gegen Depression e.V? Dieses Bündnis bietet mitunter in Deiner Nähe Aktivitäten an, an denen Du teilnehmen könntest. Würdest dabei andere von Depressionen Betroffene kennenlernen.

Schau mal hier nach:

https://www.deutsche-depressionshilfe.d ... s-buendnis

Dort links in der Navigation unter dem Menüpunkt "Regionale Angebote": Dort Deinen Ort oder Landkreis raussuchen und nachschauen, ob dort irgendwelche Aktivitäten angeboten werden. Vielleicht gibt es dort "nur" eine Beratung, aber vielleicht würde die Dir ja auch weiterhelfen.

Ich weiß nur nicht, ob die möglicherweise dort angebotenen Aktivitäten für Dich erreichbar sind, weil Du geschrieben hast, dass Du kein Auto hast und deswegen nicht zum Sport kommen könntest.

In meinem Wohnort bietet das Bündnis gegen Depression jeden Monat mehrere Aktivitäten an, an denen ich teilweise teilnehme.

Viele Grüße

Reziprok
Abendsegler
Beiträge: 15
Registriert: 31. Jan 2023, 22:57

Re: Neue Arbeitsstelle in fremder Stadt mit Depression

Beitrag von Abendsegler »

Hallo Lavendel 64 und Reziprok,

vielen Dank für eure Antworten und den Hinweis auf die Seite der DD-Hilfe.

Mit 17 Jahren merkte ich, dass etwas nicht stimmt und mir ging es nicht gut. Mit 18 Jahren war ich bei einem Psychiater. Er hat eine Depression diagnostiziert. Familiär gab und gibt es Depressionen. Wahrscheinlich ist es zum Teil genetisch bedingt. Dazu kommen noch Erlebnisse.
Die Diagnose gab es in den 90ern. Der Arzt riet zu einem Klinikaufenthalt, den ich nach dem Abitur durchgeführt habe. Dort gab es aber keine konkrete Therapie. Es waren viele Patienten und alle hatten ihre Themen. Ich fühlte mich da nicht wohl und habe in den Gruppensitzungen nicht viel gesagt. Einzelgespräche gab es kaum. Ich hatte auch kein Vertrauen zu den Psychologen.

Der Psychologe, bei dem ich in den 2000ern gewesen bin, meinte, dass nicht jede Klinik hilfreich sei.
Er hatte gesagt, dass er nicht speziell helfen könne, da er keine Ausbildung zum Trauma-Therapeuten hätte. Ich finde, er hat mir dennoch etwas geholfen. Ich bin da mit Untergewicht und Ängsten aufgetaucht. Im Laufe der Therapie wurde es besser. Die Depression war nicht speziell thematisiert worden.
Das Trauma ist halt da. Millionen von Menschen haben etwas erlebt, was sie ihr Leben lang begleitet. Ich komme damit klar. Ich bin erwachsen und die Erfahrungen bzw. Erlebnisse waren in der Kindheit und Jugend, so wie bei vielen Menschen.

Da es mir auch in den vergangenen Jahren nicht immer gut ging, bin ich erneut zum Psychiater gegangen, wo mir dann gesagt wurde, dass ich eine (schwere) Depression hätte und Behandlung nötig sei. Das war es dann aber auch. Der Arzt meinte: "Das ist wie Diabetes, das werden Sie nicht mehr los." Im Grunde genommen hatte er ja recht.

Vor einiger Zeit habe ich auch bei einer Beratungsstelle einen Termin gemacht (Krisengespräch), auf den ich zwei Monate gewartet habe.
Ich finde das normal, denn aktuell sucht laut Medienberichten zufolge jeder zweite Mensch psychologische Hilfe.
In dem Gespräch hieß es, dass ich eine Klinik aufsuchen soll. Daraufhin habe ich in der Klinik angerufen und erfahren, dass es dort keine Termine gäbe. Ist halt so. Also Zähne zusammen beißen und durch.

Telefonseelsorge habe ich einmal online probiert. In der Antwort hieß es, dass ich raus gehen und mir Freunde suchen soll.
Das war in der Pandemie etwas schwierig. Ich fand es davor schon nicht einfach. Die Leute sind teils distanziert und reserviert, haben ihren festen Freundeskreis.

Ich habe hier in dem Forum schon einige Beiträge gelesen, dass es für viele Menschen schwer ist, Hilfe zu finden. Ich suche keinen Therapieplatz, da ich bereits einen hatte. In der Therapie haben wir über einiges gesprochen. Das war es. Viele Menschen bekommen gar nicht erst die Chance, weil es einfach zu wenige Anlaufstellen gibt. Somit hatte ich damals Glück. Es ist ohnehin fraglich, ob alle Menschen Hilfe in ihrem Leben bekommen, wenn sie an einer Depression oder anderen psychischen Erkrankungen leiden.

Ich suche nun "Hilfe zur Selbsthilfe", die ich hier im Forum finde, wie zum Beispiel mit dem Thema "Startschwierigkeiten am Morgen", "Ordnung machen" usw. Das finde ich gut.

Aktuell steht die Depression wieder näher neben mir. Ich möchte keinen Arzttermin und auch kein Gespräch. Ich weiß, dass die Antwort lauten wird:
Gehen Sie in eine Klinik. Und dort hieß es ja, es gibt keinen Termin.
Also muss ich schauen, was ich tun kann. Demzufolge werde ich mir die Seite, die hier genannt wurde, ansehen. Vielleicht gibt es dort weitere Tipps und eventuell Aktivitäten.

Nochmals vielen Dank für eure Antworten.

Viele Grüße,
Abendsegler
Nopsi
Beiträge: 27
Registriert: 4. Aug 2023, 19:37

Re: Neue Arbeitsstelle in fremder Stadt mit Depression

Beitrag von Nopsi »

April ist schon etwas her, ich bin relativ neu hier und lese mich gerade erst durch und bin hier hängen geblieben.
Auch ich habe bereits vor vielen Jahren zwei Gesprächstherapien und einen stationären Psychiatrieaufenthalt durchlebt und habe da auch keine Lust mehr dauf. Selbsthilfe suche ich auch. Auf der Arbeit beiße ich mich auch durch (u.a. weil es einer meiner wenigen Kontaktplätze zu anderen Menschen ist und wegen der finanziellen Situation die halt bedeutend schlechter würde bei Langzeit AU und das ist bei mir ein Trigger). Cool fände ich eine Abendklinik: halt wie Tagesklinik, nur abends, dass man tagsüber arbeiten kann und abends einen Ort zum Austausch. Die offiziellen SHG hier sind tagsüber , keine Abends. Kapiere ich nicht. Ich denke darüber nach, wenn ich etwas stabiler bin, eine eigene SHG.
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