Selbsthilfegruppe-sinnvoll?

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Schlumpffine
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Selbsthilfegruppe-sinnvoll?

Beitrag von Schlumpffine »

Hallo in die Runde,
mich beschäftigt gerade das Thema "Selbsthilfegruppen"
Um meine kleinen Dämonen besser im Griff haben zu können, habe ich mir überlegt eine Selbsthilfegruppe zu eröffnen.
Meine Hoffnung ist, durch einen regen konstruktiven Austausch, ähnlich wie hier im Forum, Anregungen /Hilfen zu bekommen bzw. geben zu können.
Dazu habe ich mehere Gruppen besucht, um Erfahrungen zu machen und ggf. meine Erwartungen an die Realität anzupassen.
Meine persönliche Vorstellung war, sich- ähnlich wie im Klinikalltag -kontruktiv mit den Hintergründen und "Problemen" einer Depression auseinandersetzen zu können. Über "Hilfsmittel" wie Achtsamkeit,ABC-Methode, Skills,Therapieverfahren. Medikamente zu diskutieren und Informationen über Behördengängen und deren Herausforderungen zu sprechen. Aber auch Spaziergänge und ggf.ein bißchen Balsam für die Seele zu geben/bekommen.
Leider bin ich auf den Boden der Realität angekommen.
Gefunden habe ich sehr viele nette und liebe Menschen,die betütelt, in Arm genommen werden wollten und teilweise im Selbstmitleid versunken sind.
Viele, die gesagt haben, "Ich war in der Klinik und habe nicht verstanden was sie von mir wollten und "gebracht" hat es auch nichts" und der Aufenthalt sinnlos.
Für mich viel erschreckender war, das ca.90 % - subjektiv betrachtet- kaum oder gar nicht an sich selber arbeiten wollten, sich keine-wenn auch kleine- Ziele setzten und in der Vermeidung versanken.
Auch wenn ich keine Therapeutin, habe ich doch einige Einblicke in Therapieverfahren (CBASP/Schematherapie) gewonnen, die mir persönlich sehr geholfen und meine Sichtweise auch verändert haben.
Jetzt frage ich mich,
-ob eine weitere Teilnahme an solchen Gruppen sinnvoll ist, da ich persönlich weit ,weit entfernt auf einem anderen Planeten lebe, was die Arbeit an sich selber betrifft.
- ob Selbsthilfegruppen sinnvoll sind, wenn "unangenehme" Themen anstehen.
- die Teilnehmer stark flukturieren und keine "Struktur" vorhanden ist.
Mir ist durchaus bewußt, das eine Selbsthilfegruppe eine Therapie nicht ersetzen, aber ergänzen kann. Nur in welcher Form?
Ich kann meine Dämonen (Mßbrauch/Gewalt) die ich in der Kindheit/Jugend kennengelernt habe nicht ignorieren ,aber bekämpfen und so den Leidensdruck mindern.
Nun frage ich mich, hat es Sinn eine Selbsthilfegruppe zu eröffnen, wenn ein Großteil der potentiellen TN nicht an sich arbeiten möchte?
Vielen Dank für Eure Gedanken
LG Kerstin :roll:
Zuletzt geändert von Schlumpffine am 18. Mär 2023, 17:10, insgesamt 1-mal geändert.
Gartenkobold
Beiträge: 2054
Registriert: 9. Jul 2020, 09:26

Re: Selbsthilfegruppe-sinnvoll?

Beitrag von Gartenkobold »

Hallo Schlumpffine,

hier gibt es zwei Selbsthilfegruppen (bestimmt auch ein paar mehr, ich meine ein Zentrum für Selbsthilfe hier in der Stadt). Die eine Gruppe war groß 10-15 TN. Die Treffen liefen so ab, dass man Kaffee trank, Karten spielte, Karten bastelte und den Kuchen verputzte, den wer mitgebracht hatte. Über psychische Themen wurde wenig gesprochen, ab und an fand ein gemeinsamer Ausflug statt. Womit ich nicht klar kam - das Arbeitsleben wurde fast komplett ausgeklammert, weil die meisten Mitglieder nicht erwerbstätig waren.
Themen die jüngere Leute betreffen z.B. ADs und Sexualität waren uninteressant (obwohl das auch ein Klischee ist, denn das ist bestimmt auch in höherem Alter relevant) oder Depression in der Partnerschaft, oder verschiedene Therapieformen.
Ich konnte nicht so viel damit anfangen. ABER es gab noch eine kleinere Gruppe, 3-4 feste Leute, da ging es um die Themen: Therapeutensuche, Rhea-Beantragung, Medikamente, Grübelstopp. Die Gruppe hat mich weiter gebracht, wir haben Adressen getauscht und rufen uns selten (während Corona konnte die Gruppe nicht statt finden) an, bleiben in Kontakt.
ABC-Methode, Schematherapie...wäre dort allerdings auch unbekannt. Dafür eine Selbsthilfegruppe zu finden, könnte schwer sein.
Vielleicht "sortiert" es sich? Die Teilnehmer, denen hauptsächlich das Erleben von Gemeinschaft wichtig ist gehen in die entsprechende Gruppe und die Teilnehmer, die mehr Veränderung anstreben gehen in eine andere Gruppe? Die Fluktuation in der kleinen Gruppe war dann nicht so hoch. Ab und an kam jemand Neues, der länger dabei blieb und seine Ideen und Themen einbrachte, wenn es ihm zusagte oder in die andere Gruppe ging, wenn er überwiegend basteln oder Karten spielen wollte.
Es hat sich dann von alleine so gefügt, dass Leute mit ähnlichen Anspruch an die Gruppe sich zusammen fanden.

LG Gartenkobold
SonneundDunkenheit
Beiträge: 694
Registriert: 25. Jul 2021, 09:24

Re: Selbsthilfegruppe-sinnvoll?

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Hallo Schlumpfine,

ich würde sofort in deine Selbsthilfegruppe kommen. Ehrlich.

Deine Vorstellungen kann ich sehr gut nachvollziehen, aber ich fürchte es bräuchte ein Zugangsverfahren damit Menschen zusammen kommen, die ähnliche Wünsche und Ziele wie du haben.

Viele Menschen gehen aus der Einsamkeit oder einer aktuellen Verzweiflung/ Hilflosigkeit heraus in SHG. Wollen schnelle Hilfe, die es aber so nicht gibt.

Eine SHG ersetzt keinesfalls Therapie und das Beherrschen der Dämonen ist verdammt schwer. Ich glaube dies ist dir bewusst. Wer übernimmt die Verantwortung, wenn ein TN zu tief am Problem arbeitet und die Kontrolle verliert/ instabil zum Ende des Treffen ist?

Ich habe sehr lange mit mir gerungen ob ich in eine SHG gehe auch weil ich eher nichts von meinen Traumata einfach so preisgeben würde. Seit ca. 9 Monaten gehe ich in eine offene Gruppe, die sich 2x im Monat trifft. Es gibt einen Stamm an TN und immer wieder Neue, viele kommen nur einmal. Im Stamm ist auch medizinischen Fachpersonal. Das hat Wissen zur Wirkungsweise von AD's.
Meine Erwartungen an diese Gruppe waren ganz anders als die Realität ist, sein kann. Ich sehe es jetzt als unverbindliches Treffen. Es ist für mich eine Übung Menschen "auszuhalten" und 2h gedanklich mehr oder weniger am Thema Depression zu bleiben. Es gibt keine festen Themen/ festen Ablauf und oft droht es ins kollegialen Jammern abzurutschen. Ich bin kein Mensch der jammert, hinterfrage viel und bin in der Lage, die Perspektive zu wechseln. Zudem habe ich berufsbedingt einen sehr hohen Erfahrungsschatz bezüglich möglicher Hilfen. Anfangs war ich ziemlich provokant, weil mich das unreflektierte Jammern von einem Teil der TN verdammt genervt hat. Damit kann aber nicht jeder umgehen. Mittlerweile halte ich mich deutlich mehr zurück und höre eher zu. Wenn es mich rappelt oder es zu absurd wird, äußere ich mich.

Ich habe auch oft das Gefühl auf einem anderen Planeten zu leben bzw. eine andere Sichtweise auf die Dinge zu haben. Dennoch habe ich für mich entschieden weiter zu den Treffen zu gehen (ohne Erwartungen) und es als Übung in Bezug auf Zuhören, dosiert antworten und....zu nehmen. Neben den festen Treffen aller zwei Wochen, gibt es zusätzliche Freizeitangebote. Da ich mich selbst sehr gut beschäftigen kann und Smalltalk nicht zu meinen Stärken gehören, mache ich einen großen Bogen darum.

Ich wünsche dir, dass du deine Vorstellungen ansatzweise umsetzen kannst wenngleich ich denke dass es zu ambitioniert ist.

Sonnige Grüße von SonneundDunkelheit
Zuletzt geändert von SonneundDunkenheit am 19. Mär 2023, 08:10, insgesamt 1-mal geändert.
Schlumpffine
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Re: Selbsthilfegruppe-sinnvoll?

Beitrag von Schlumpffine »

hallo,
danke für Eure wertvollen Rückmeldungen.Ich sehe schon, dass ich meine Erwartungshaltung nach unten korrigieren muss.
Auch in persönlichen Gesprächen hat sich der Trend schon angedeutet.Jetzt muss ich schauen, wie ich damit umgehe, da Smalltalk und Gespräche über das Wetter nicht mein Fall sind. Das eine Selbsthilfegruppe keine Therapie ersetzt ist mir klar und auch nicht beabsichtigt.
Meine Vorstellung geht eigenlich mehr in Richtung "Hobby", also man ist an einem Thema interessiert, sucht und findet Informationen und Gleichgesinnte. Je nach Gusto kann/wird die Informationsdichte größer oder kleiner aufgebaut und hinterfragt.
Auch außerhalb der Depression gibt es sicherlich viele Felder, die man bearbeiten kann und auch muss-Stichwort: Geld,Behörde etc.
Noch mal danke für Eure Rückmeldungen und Wünsche.
LG Schlumpffine
Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Konfuzius
Worte haben die Macht zu zerstören und zu heilen. Wenn Worte sowohl wahr als auch freundlich sind, können sie unsere Welt verändern. “~ Buddha
DieNeue
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Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Selbsthilfegruppe-sinnvoll?

Beitrag von DieNeue »

Hallo Schlumpffine,

vielleicht wäre eine Veranstaltungsreihe/Kurs zu den Themen mit anschließenden Workshops/Gesprächsrunden eher was? Grade wenn so viele da sind, die nicht verstanden haben, was die in der Klinik von ihnen wollten, könnte vielleicht eine Einführung in die Themen wie ABC-Analyse, Achtsamkeit, Therapieverfahren usw. sinnvoll sein.
Bei uns gibt es so eine Art Psychoedukationsgruppe beim SpDi. Das macht ein Sozialarbeiter, glaube ich.
Eine Gruppe nur zum Jammern wäre auch nicht mein Ding, aber Leute zu finden, die vom Wissen her auf einem ähnlichen Stand sind, ist wahrscheinlich auch nicht so einfach. Aber vielleicht könnte man über so einen Kurs/Veranstaltungsreihe die Leute erstmal grob auf einen Stand bringen und wenn gewünscht Themen vertiefen und zusätzlich/später evtl. auch Spaziergänge/Unternehmungen o.ä. machen.
Evtl. könnte es gut sein, wenn das Ganze ein Mitarbeiter vom SpDi o.ä. leitet/moderiert, der könnte auch eingreifen, falls es jemandem zu schlecht gehen sollte oder wenn "zu viel gejammert" wird und der Versuch einer Lösung aus dem Blickfeld gerät.

Liebe Grüße,
DieNeue
Katerle
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Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Selbsthilfegruppe-sinnvoll?

Beitrag von Katerle »

Ne Selbsthilfegruppe ist schon sinnvoll. Es kommen ja verschiedene Leute zusammen. Anfangs steht sowieso erstmal das untereinander Kennenlernen im Vordergrund, wenn sich einige neu zusammenfinden. Alles andere wird sich ergeben, Diskussionen, gemeinsame Aktivitäten, Hilfestellungen usw.

LG Katerle
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