Glaubenssätze, Introjekte und der Umgang damit

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ben1
Beiträge: 1379
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Glaubenssätze, Introjekte und der Umgang damit

Beitrag von ben1 »

Liebe Alle

finds sehr interessant und zielführend, sich mal mit seinen Glaubenssätzen und Introjekten zu beschäftigen - wo die herkommen, welche Grundlage und was für Auswirkungen sie haben.

Ich denke die typischen (grausamen) Glaubenssätze (Du bist nicht gut genug. Du bist unerwünscht. Du bist eine Last ...) werden in der frühen Kindheit gelernt - und da man damals von direkten Bezugspersonen völlig abhängig war, waren das lebensbedrohliche Botschaften. Nun hat unser kindliches Ich da eine Meisterleitung vollbracht - es hat Strategien entwickelt, um diese Glaubenssätze handeln zu können, bspw. "sei perfekt", "mach Dich unsichtbar", "tu alles für andere" usw.

Wichtig finde ich 2 Sachen
1) Der Glaubenssatz hat NIX mit Dir als Person zu tun, sondern sagt nur viel über die Überforderung und das Versagen Deiner Bezugspersonen aus! Ein kleines Kind KANN nicht schuldig sein! In einer anderen Umgebung/ Familie wäre genau dieselbe Person mit Empathie und Stolz empfangen worden!
2) Die damals genialen Strategien (ich denke, man muss diese Kreativität und den Überlebenswillen des kleinen Kindes unbedingt würdigen!) hindern uns heute daran, unser ureigenstes Leben zu führen.

Die gute Nachricht - alles, was gelernt wurde, kann auch umgelernt werden! Wenns auch eine Zeit lang dauert, wenn auch Rückschläge dabei sind - aber es geht.

Wichtig meiner Meinung nach ist es, sich erst mal die eigenen Glaubenssätze in Erinnerung zu rufen - und dann, immer wenn man sich wieder bei einer "alten Lösungsstrategie" erwischt, mal den Autopiloten auszuschalten und zu überlegen, was ich denn HEUTE machen könnte, welche Möglichkeiten ich heute habe - und das ich heute halt nicht mehr in Lebensgefahr bin, wenn ich nicht so reagiere, wie sonst immer. Helfen können dabei Fragen wie

- Ist der Glaubenssatz überhaupt wahr?
- Muss ich so reagieren, wie ich sonst immer reagiert habe?
- Was passiert mit meinem Leben, wenn ich immer so reagiere, wie bisher?
- Was wäre, wenn es den Glaubenssatz gar nicht gäbe in meine Leben?
- Welcher Satz würde statt dessen besser passen?

So können wir uns Stück für Stück frei machen von den Introjekten. Und wir kriegen wieder Handlungsspielraum - ich kann mich im Einzelfall durchaus "angepasst" verhalten, wenn ich das möchte - aber der Autopilot ist nicht mehr aktiv.

Freu mich über Gedanken dazu

beste Grüße

Ben
Pummelchen
Beiträge: 1629
Registriert: 2. Sep 2015, 17:21

Re: Glaubenssätze, Introjekte und der Umgang damit

Beitrag von Pummelchen »

Hallo Ben,

danke für deinen interessanten Beitrag. Ich habe ehrlich gesagt noch nie was von Introjekt Psychologie gehört. Ich denke auch das es nicht so einfach ist umzudenken, aber es lohnt sich sicher das üben um sich von negativen Gefühlen und Gedankenmuster vielleicht zu lösen. Oft ist es ja einem gar nicht bewußt was alles dazu beigetragen hat, dass wir psychisch erkrankt sind.
Wird das nur von speziellen Psychotherapeuten angeboten?

Wünsche dir alles Gute!! Liebe Grüße Pummelchen
Schlumpffine
Beiträge: 381
Registriert: 3. Mai 2020, 18:29

Re: Glaubenssätze, Introjekte und der Umgang damit

Beitrag von Schlumpffine »

Hallo ben1,
wenn Du Dich den Glaubensätzen näher beschäftigen möchtest, ist die ABC-Methode nach Albert Ellis und eine Schematherapeutische Ausrichtung sicher sinnvoll.
Viele deiner Glaubensätze sind aber nicht mehr in deiner Erinnerung präsent- wohl aber die Vermeidungsstrategien.
Lg Schlumpffine
Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Konfuzius
Worte haben die Macht zu zerstören und zu heilen. Wenn Worte sowohl wahr als auch freundlich sind, können sie unsere Welt verändern. “~ Buddha
ben1
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Glaubenssätze, Introjekte und der Umgang damit

Beitrag von ben1 »

Hallo Pummelchen

Introjektion ist eigentlich das schlucken „des Ganzen“, ohne vorher das Objekt zu zerkleinern bzw. anzupassen. Und die Psychologie hat das als Begriff übernommen für Vorstellungen, Urteile, Meinungen usw. die wir uns völlig ohne sie zu reflektieren (einfach, weil wir viel zu jung waren und das auch nicht konnten) einverleibt haben und die noch heute unser Leben prägen.

Und (vielen Dank an Schlumpffine für die Ergänzung) wir haben da Vermeidungsstrategien oder Lösungsstrategien entwickelt, um mit diesen teils furchtbaren Introjekten umgehen zu können.

Über diese Lösungsstrategien, die wir heute noch leben (bspw. Perfektionismus) können wir die ursprünglichen Introjekte zumindest näherungsweise für uns definieren. Und mit dem Hinterfragen dieser Introjekte (die - wie ich schon geschrieben habe - viel weniger mit uns und unserer Leistung, als viel mehr mit unseren (überforderten) Bezugspersonen zu tun haben), können wir uns auch nach und nach von unseren toxischen Lösungsstrategien lösen.

ABC und Schematherapie gehen genau in die Richtung. Ich finde, eine lohnende Überlegung

Beste Grüße

Ben
ben1
Beiträge: 1379
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Glaubenssätze, Introjekte und der Umgang damit

Beitrag von ben1 »

Liebe Brigitte

Vielen Dank für Dein Posting - Du liegst damit goldrichtig.

Ich denke, es ist beinahe ein Reflex, eigene Bezugspersonen sofort (intuitiv) zu verteidigen bzw. deren Verhalten zu relativieren oder einzuordnen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das sehr zielführend ist.

Es geht mir hier nicht um "Eltern-Bashing" - lassen wir mal die Motive und deren eigene Sozialisation außen vor - was geschehen ist, ist geschehen! Und das muss nicht relativiert, erklärt, verharmlost oder sonst was werden! Wir haben die Konsequenzen zu tragen!

Ich mach mal eine sehr drastische Metapher: Wenn
ich von einem Autofahrer überfahren werde und daraufhin Querschnittsgelähmt bin, kann es erleichternd sein, zu wissen, das er in Panik sein Kind ins Krankenhaus fahren wollte - das ändert aber erst mal nichts an meiner Situation, mit der ich mich auseinandersetzen muss! Das sollte getrennt betrachtet werden - sonst wird die Querschnittslähmung nämlich auf komische Weise relativiert oder gar bagatellisiert.

Ich hege keinen Groll gegen meine Eltern (sind beide schon gestorben) - und nehme mir dennoch das Recht heraus, meine von Ihnen "verpflanzten" Glaubenssätze kritischst zu hinterfragen und einen neuen Umgang damit zu lernen. Auch der Autofahrer (im o.g. Beispiel) hat es nur gut gemeint - ok, kann ich nachvollziehen - und dennoch macht das mein Leiden keinen Deut leichter oder einfacher.

Was denkst Du/ denkt Ihr zu diesem Gedanken

Ben
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