Führerscheinentzug wegen Depression

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LincolnL
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Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von LincolnL »

Hey,
nachdem ich mitte 2022 für 10 Tage wegen Depression in einer Psychiatrie war möchte mir die Fahrerlaubnisbehörde meinen Führerschein entziehen. Daher wollte ich mal fragen ob irgendwer hier Erfahrungen damit hat und mir vielleicht Tipps zum Umgang geben kann? Vielleicht eine Idee wohin ich mich noch wenden kann um Unterstützung zu bekommen? Gleichzeitig wollte ich auch auf diese "Gefahr" aufmerksam machen.

Vor kurzem wurde über meinen Fall in der Frankfurter Rundschau berichtet. Ich verlinke den Artikel mal, die Gesamtsituation ist dort relativ gut wiedergegeben. Im Artikel wird auch gesagt, dass eine Sprecherin der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, diese noch nie von einem solchen Fall gehört hat - auch nicht im Forum. Das wollte ich hiermit gleich ändern.

Hier nochmal eine Zusammenfassung:
Ich war 10 tage in der Psychatrie, erst freiwillig dann auf gerichtliche Anordnung. Über das Gericht erfuhr die Fahrerlaubnisbehörde davon und forderte mich auf ein fachärztliches Gutachten bei einer MPU Stelle anfertigen zu lassen. In dieser Situation versuchte ich mich von diversen Stellen beraten zu lassen. Die Anwälte mit denen ich im Kontakt war sagten, dass liege im Ermessenspielraum der Fahrerlaubnisbehörde. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe sagte per E-Mail, dass sie damit keine Erfahrungen haben. Auch der sozialpsychatrische Dienst und der Bundesverband Psychatrie Erfahrener gaben an keine Erfahrungen damit zu haben. Die Fahrerlaubnisbehörde selbst ist aufgrund von Personalmangel sehr schwer zu erreichen und wirkte kaum gesprächsbereit uaf mich.

Schließlich habe ich das Gutachten dann erstellen lassen. Die Kosten dafür betrugen knapp 1250€. Für mich als Studenten viel Geld.

Die Gutachterin kam dabei leider nach wenigen Minuten bereits zu folgendem Schluss:
Die Krankheitseinsicht und Behandlungsmotivation waren in unzureichendem Maße erkennbar.
Ich selbst muss sagen, dass ich diese Einschätzung kaum nachvollziehen kann und als unhaltbar empfinde. Immerhin habe ich monatelang um Behandlung bemüht und mich auch initial freiwillig in eine geschlossene Station einer Psychiatrie begeben. Ohne Krankheitseinsicht würde ich dies wohl kaum tun.

Zudem wurde mir zu keiner Zeit etwas anderes als eine "mittelgradige Depressive Episode" diagnostiziert. Weshalb dies meine Kraftfahreignung so grundlegend Einschränken soll ist mir nicht klar. Eine psychose lag nicht vor.

Auch alle meine behandelnden Ärzte hätten die Einschätzung aus dem Gutachten nicht so getroffen, äußern sich jedoch aufgrund fehlender verkehrsmedizinischer Expertise nicht offiziell dazu.

Ansonsten hier noch als Warnung: Bei mir war es so, dass ich auf der kippe Stand ob ich doch freiwillig in der Psychatrie bleibe, oder ob ich dem nicht zustimme und dies dann angeordnet wird. Die Ärztin hat mir jedoch auch nach mehrmaliger Nachfrage nicht sagen können, welchen praktischen Unterschied es macht. Hätte ich gewusst, dass dies dazu führt, das stellen wie die Fahrerlaubnisbehörde davon Erfahren, hätte ich mich wahrscheinlich anders entschieden und hätte versucht die gerichtliche Anordnung zu vermeiden. Falls euch das also mal passiert, könnt ihr das dann in eurer Entscheidung mit berücksichtigen.
Deheteleef
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Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Deheteleef »

Hi Lincoln,

einen Rat habe ich leider nicht für dich, aber danke für die ausführliche Info.
Deine Mitteilung ist ein Hammer!!

Mein Führerschein ist für mich äußerst wichtig; ich lebe auf dem Dorf.
Ein Führerschein-Entzug wegen Depris wäre für mich ganz schlimm. Also mein Arzt- und Therapeut weiß, dass ich regelmäßig mit dem Auto unterwegs bin. Auch nach Spanien usw. Er hat da keine Bedenken.

Also aus deinem Post kann man wirlich lernen. Nicht mit den Depris Reklame machen und immer freiwillig in die Klappse. Nun habe ich eine Krankenhaus- Zusatzversicherung. Muss ich rein, bekomme ich ein Einzelzimmer und werde täglich vom Chefarzt betreut. Ich denke, da würde keine Mitteilung an die Behörden geschickt.

Dein Post ist wirklich erschreckend und ich hoffe, du kommst da gut wieder raus. Auch jeden Fall ganz lieben Dank, dass du uns informiert hast.
Man sollte öfter einen Mutausbruch haben!
DieNeue
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Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von DieNeue »

Hallo Lincoln,

das ist ja wirklich eine krasse Geschichte. Für mich wäre ein Führerscheinentzug auch furchtbar.

War die Gutachterin denn Psychiaterin/Psychologin? Vom Jobcenter kenne ich es, dass die auch fachfremde Ärzte Gutachten ausstellen lassen, die keine Ahnung von den Krankheiten haben.

Mit Führerscheinentzug habe ich keine Erfahrung. Ich weiß nur, dass man bei einigen Medikamenten nicht Auto fahren sollte, weil sie müde machen können. Ärzte haben mich dazu allerdings nie aufgeklärt, stand halt in der Packungsbeilage.
In dem Zussmmenhang wollte ich mal meine Fahrtauglichkeit prüfen lassen und habe auch einen Arzt in einem Klinikum gefunden, der das macht. Weiß aber nicht mehr, wo das war. Hab es dann aber doch nicht gemacht, war zu weit weg. Aber weiß nicht, ob das so ein Gutachter gewesen wäre wie der, bei dem du warst. Ansonsten würde ich vielleicht zu einem anderen Arzt gehen und das nochmal prüfen lassen.

Ich finde es auch eine Frechheit, dass du auch noch dafür zahlen sollst, dass man dir den Führerschein entzieht. Als wäre das nicht schon schlimm genug. Und zwei Jahre ist echt lang. Es würden ja schon ein paar Monate reichen, nach denen erneut geprüft wird.
Und dieses Wort "freiwillig" ist ja ein Witz... entweder Sie gehen freiwillig in die Psychiatrie oder wir zwingen sie, entweder Sie geben freiwillig den Führerschein ab oder wir zwingen Sie und Sie müssen auch noch zahlen... haha.

Kannst du die Akte bei der Führerscheinstelle oder das Gutachten anfordern? Ansonsten würden mir noch der ADAC oder Fahrschulen einfallen, die man anfragen könnte, ob die Erfahrung mit sowas haben oder wissen, wer da helfen kann.

Alles Gute und liebe Grüße,
DieNeue
Schlumpffine
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Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Schlumpffine »

Hallo, in die Runde.
Ja, die Information von LincolnL war war sehr informativ, aber leider nicht ganz neu, da wichtige Informationen fehlen.
Jede Person, die sich unter Medikamenteneinfluss- also Ibuprofen,Hustenssaft ,Herz-, Diabetesmedikamente o.ä.- an das Steuer setzt, ist in Gefahr seinen Führerschein zu verlieren. Bei Kenntnis einer "eingeschränkten" Fahrtüchtigkeit ist die Behörde ggf. von Amts wegen zum Einschreiten verpflichtet.Auch andere Krankheiten,Bspw. Schlafapnoe,können unbehandelt zum Entzug des Führerscheins führen.
Ja,auch die Einnahme von Psychopharmaka kann dazu führen.
Vielen Menschen ist das leider nicht bewußt.
Ich kann d.h. nur zu einer SACHLICHEN Diskussion mahnen.
Zitat:
§ 2 Absatz 4 Straßenverkehrsgesetz (StVG) definiert, welche Bedingungen gegeben sein müssen, damit eine Fahreignung festgestellt werden kann:

Geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. Ist der Bewerber auf Grund körperlicher oder geistiger Mängel nur bedingt zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet, so erteilt die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis mit Beschränkungen oder unter Auflagen, wenn dadurch das sichere Führen von Kraftfahrzeugen gewährleistet ist.
LG Schlumpffine
Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Konfuzius
Worte haben die Macht zu zerstören und zu heilen. Wenn Worte sowohl wahr als auch freundlich sind, können sie unsere Welt verändern. “~ Buddha
Schlumpffine
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Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Schlumpffine »

Hallo LincolnL,
ich bin keine Juristin, kann Dir aber aus eigener Erfahrung leider nur wenig Hoffnung machen.
Du musst nachweisen, das DU geeignest bist ein KFZ zu führen.
Zitat:Die Krankheitseinsicht und Behandlungsmotivation waren in unzureichendem Maße erkennbar.
Damit meint der Gutachter, du bist ungeignet ein KFZ zu führen. Das ist jetzt zu erschüttern.
Zuletzt geändert von Schlumpffine am 7. Feb 2023, 09:56, insgesamt 1-mal geändert.
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Deheteleef
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Registriert: 7. Nov 2022, 17:01

Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Deheteleef »

Also Escitalopram (nehme ich) sollte im Allgemeinen die Fahrtüchtigkeit nicht beeinträchtigen.
Ich sollte vielleicht mal versuchen, meine 10mg-Dosis zu reduzieren. Spreche ich nächstes mal mit meinem Doc durch.
@Schlumpffine
Wenn jeder, der die von dir aufgezählten Medis einnimmt, die Finger vom Steuer ließe und darüber hinaus auch die Personen mit Restalkohol und Resthaschisch, ja dann wären die Straßen bald deutlich leerer. Ja ist schlimm, ich glaube hier gibt es eine enorme Grauzone.

Ich denke auch, jede/r sollte selber in sich gehen und nicht fahren, wenn er/sie sich fahruntüchtig fühlt.Kann ja auch nur tageweise sein.

https://www.test.de/medikamente/wirksto ... ram-w1050/" onclick="window.open(this.href);return false;
Im letzten Absatz wird die Fahrtüchtigkeit erwähnt.
Man sollte öfter einen Mutausbruch haben!
SonneundDunkenheit
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Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Ich denke, dass es im Interesse ALLER Verkehrsteilnehmer sein sollte, daß sich niemand hinters Steuer setzt, der dafür auf Grund notwendiger Medikamente oder Erkrankungen nicht fahrtauglich ist. Fahren mit (zu viel) Restalkohol oder unter Drogen geht aus meiner Sicht auch nicht.
Im Eingang der Diskussion ging es aber nicht um ein einzelnes Medikament, sondern um deutlich mehr.
Ich denke, es gehört eben auch die Wahrnehmung der Eigenverantwortung im Interesse aller Verkehrsteilnehmer zur Pflicht eines Fahrzeughalter dazu. Nehme ich Medikamente, die mich überdurchschnittlich müde machen o.ä., dann kann es eben sein, dass Autofahren zur Selbst - und (noch unverantwortlicher) Fremdgefährdung führen können.
Was genau schockiert dich Magic?
Erst kürzlich fand irgendein bundesweiter Kongress statt, wo es darum ging, dass Fachärzte ihrer Sorgfaltspflicht mehr nachkommen sollen und Patienten, die sie (aus medizinische Sicht) für fahruntauglich halten, an die entsprechenden Behörden melden sollten. Für den Einzelnen ist das ein heftiger Eingriff ins persönliche Leben, aber ich denke jetzt mal an die Menschen, die zur falschen Zeit am falschen Ort zum Opfer von Selbstüberschätzung oder fehlender Einsicht geworden sind.
Ich selbst habe meinen Führerschein aus medizinischen Gründen bereits seit 20 Jahren nicht mehr genutzt. Vielleicht wäre es noch eine Weile gut gegangen, vielleicht aber auch nicht.... natürlich muss man sich umstellen, aber das müssen sich andere Menschen ja auch.
Pfadi
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Registriert: 23. Sep 2019, 16:30

Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Pfadi »

Hallo in die Runde,

wir sollten versuchen, die Frage der Fahrtüchtigkeit hier nicht zu verallgemeinern und zu Torschlusshandlungen, wie dem Absetzen nötiger Medikamente, zu neigen.

Wir kennen wahrscheinlich alle die Diskussion nach dem Absturz des Germanwings Flugzeugs.

Es wäre fatal, wenn wir uns notwendiger Heilbehandlung entziehen, weil wir nun alle um unseren Führerschein bangen. Jeder Fall ist anders.

Gruß

Pfadi
Deheteleef
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Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Deheteleef »

Dass bei bestimmter Medikation vorübergehend das Fahren untersagt werden kann/soll, ist nicht zu beanstanden.
Aber gleich den Führerschein abgeben, das ist zweifelhaft.

5,2 Millionen Menschen litten 2022 unter Depressionen.
8,5 Millionen Diabetiker leben in Deutschland.
1,4 Millionen Alkoholiker.
19,2 % der Deutschen sind über 70 Jahre.

Ich könnte noch weitere Risikogruppen finden.Sollen die alle ihren Lappen abgeben??
Das Risiko gehört zum Leben dazu.Man kann sich auch nur noch Zuhause verkriechen und selbst dann kann man umkommen (Brand, Erdbeben, CO2).

Es gäbe aber eine Möglichkeit diese ganze Problematik einzugrenzen. So wie in anderen Staaten auch, könnte man auch in Deutschland den Führerschein grundsätzlich nur auf Zeit ausstellen (so wie auch z.B bei Personenbeförderungsscheinen).Nach einem Ultimo müsste man dann einen Test zur Verlängerung ablegen.
Macht man das nicht, wäre die Fahrerlaunbis automatisch erloschen.
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Gertrud Star
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Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Gertrud Star »

Krass.

Für mich liest sich das so:
Freiwillig in die Klinik gegangen. Dort ein falsches Wort gesagt. Tablettenschachtel aufgebraucht - vielleicht ein Chaot oder jemand der den Nachschub auf den letzten Drücker besorgt.
Und schon ist der Führerschein weg.

Ich selber beziehe ja Sozialhilfe. Was die Kosten für diese MPU umgerechnet auf den Regelsatz laut Sozialgesetzbuch bedeutet, grob gerechnet:
knapp 2,5 Monate den ganzen Monatsbedarf (außer Miete), oder den Strom für 20 Monate, oder die Ernährung für mehr als 8 Monate, oder 40 Monate lang den gesamten Bedarf für Kleidung/Schuhe, oder geschätzt 24 Monate den gesamten Ansparbedarf für Hausrat, Möbel, Elektrogeräte. Was den Anteil Bildung darin angeht, wäre der Betrag wohl für 2 Personen für ein ganzes Leben durch diese "Strafe" gestrichen.
Und das nur wegen Übereifer von Personen, die durch Amt mächtig sind.

Der Führerschein wäre bei mir also aus finanziellen Gründen für immer weg. Wer steht dafür gerade? Der Kranke alleine muss die Folgen tragen, und deshalb wird ihm die Verantwortung ganz allein zugesprochen. Fach- und Amtsleute sind ja fehlerfrei, also muss der Fehler ganz alleine im Verhalten des Patienten liegen.

Ich krieg nen Hals. Studenten haben ja meist auch "keine" Kohle.

Ich spekuliere mal weiter:
Ich selber als Armutsbetroffene wäre jung und in dieser Situation.
Da wäre selbst das Studium futsch auch wegen Armut, denn diese Belastung kann locker in eine Depression führen, wenn sie nicht den Hauptanteil daran haben kann. Das wäre dann auch noch Klassismus also Diskriminierung von Armen dazu, zusätzlich zur Diskriminierung von Depressiven.

Hmpffffffff
Allegretto
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Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Allegretto »

.
Zuletzt geändert von Allegretto am 30. Aug 2023, 10:35, insgesamt 1-mal geändert.
Schlumpffine
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Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Schlumpffine »

Hallo,
wer sich für die Einzelheiten interessiert:
https://www.gesetze-im-internet.de/fev_ ... age_4.html" onclick="window.open(this.href);return false;
Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Konfuzius
Worte haben die Macht zu zerstören und zu heilen. Wenn Worte sowohl wahr als auch freundlich sind, können sie unsere Welt verändern. “~ Buddha
Chinchine
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Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Chinchine »

Hallo in die Runde!

Ich mache mich jetzt wahrscheinlich sehr unbeliebt hier, aber möchte auch noch einen anderen Aspekt einbringen:

Kürzlich erfolgte die Verurteilung einer depressiven Frau wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe (ja Haft, keine Unterbringung in der Psychiatrie) von 3 Jahren. Die Anklage lautete sogar auf Mord.

Sie hatte in suizidaler Absicht ihr Fahrzeug (kurz nach vorübergehender Entlassung aus der Klinik wg Corona Quarantäne) in den Gegenverkehr gelenkt. Es kam wohl "nur" zu leichten körperlichen Verletzungen der Unfallbeteiligten.

Worum es mir geht:
- die Unfallverursacherin hat sich und einer fremden Person sehr geschadet
- auf die Unfallverursacherin werden Regressforderungen der Versicherungen zu kommen
- Ärzte müssen sich haftungsrechtlich absichern
- unbeteiligte andere Verkehrsteilnehmer haben auch ein Recht auf Schutz

Es geht bei der Frage der Fahrtauglichkeit um viel mehr Aspekte als die hier bisher in den Raum gestellten.

Mir war es wichtig, das zum Verständnis für die entscheidungstragenden Personen anzubringen.

Jeder Fall ist ein Einzelfall und teilweise auch tagesformabhängig.

Ich selbst fahre seit Jahren wg. meiner Erkrankung und der erforderlichen Medikation kein Auto mehr.

Danke fürs Lesen und darüber nachdenken.
Deheteleef
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Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Deheteleef »

Chinchine hat geschrieben:
Sie hatte in suizidaler Absicht ihr Fahrzeug (kurz nach vorübergehender Entlassung aus der Klinik wg Corona Quarantäne) in den Gegenverkehr gelenkt..

Das hätte sie auch getan, wenn ihr vorher der Führerschein entzogen worden wäre.Halter eines Autos darf man immer sein,auch wenn der Lappen weg ist.

Dann käme als Anklagepunkt nur noch hinzu: Fahren ohne Fahrerlaubnis....... ;)
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Chinchine
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Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Chinchine »

@Deheteleef


Mag durchaus sein.

Meine Intention war darzustellen, dass es durchaus grundsätzlich Fälle geben mag, wo das hier dargestellte Vorgehen geboten ist.

Ich finde, dass der Thread eine gefährlich einseitige Entwicklung nimmt in Richtung: Psychiatrie / Psychopharmaka gleich Führerscheinentzug gleich Willkür gleich hohe Kosten gleich ruiniertes Leben.

Wir kennen keine konkreten Fakten, Richter haben sich an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu halten und mit akuter Suizidalität ist nicht zu spaßen- davon ist ja im oben verlinktem Artikel die Rede.


Ich habe es aber auch durchaus erlebt, dass mir eine Psychiaterin in einer stabilen Phase und auch unter Medikation ermuntert hat, mir das Fahren wieder zuzutrauen.

Ich möchte nicht, dass jmd. wegen dieses Threads verängstigt wird, sich die Hilfe zu holen, die er braucht. Eine Freundin von mir war auch schon in einer geschlossenen Station ohne dass so etwas in die Wege geleitet worden wäre.
Deheteleef
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Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Deheteleef »

@Chinchine

Wir begeben uns in eine Grauzone. Teilweise ist man also auf die Beurteilung von Ärzten und ggfs. von Sachbearbeitern der Zulassungsbehörden angewiesen und ausgesetzt.

Natürlich sorgt das einige von uns, mich eingeschlossen. Die Ängste bestehen ja vor Fehlentscheidungen oder unterschiedlichen Sichtweisen der Entscheider.

Ein einfaches Fussballspiel zeigt doch, wie unterschiedlich die Entscheidungen der Schiedsrichter aufgefasst werden und zeigt auch Fehlentscheidungen auf, nur hier ist es ein Spiel, im Leben geht es um Existenzen.

Ich glaube, hier kommen wir erstmal nicht weiter.

Es wäre an der Zeit, dass sich Lincoln (Threadersteller) nochmal äußert.
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Gertrud Star
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Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo,

ja das stimmt, in dem konkreten Fall fehlen gefühlt wenige Infos.
Wenn ich bei einem solch jungen Menschen höre, der ist wegen akuter Suizidalität in der Klinik, denke ich nicht sofort daran, dass der jenige längerfristig in psychich schlimmen Zuständen sich befinden wird oder nach Klinikentlassung solche Aktionen startet, mit der er andere schädigt (und das mit Absicht).
In den von Schlumpffine verlinkten Dokument fehlt die leichte und mittelschwere Depression als Grundlage für das dauerhafte Abgebenmüssens des Führerscheines. Den Rest wissen wir nicht.

Nun taucht in dem verlinkten Dokument auch "Tagesschläfrigkeit" auf. Damit ist wahrscheinlich mehr gemeint, als sich nur müde fühlen. Ich tippe, da will man Fälle von häufiger auftretendem Sekundenschlaf abdecken oder auch solche Sachen, wo jemand unkontrolliert tags einschläft (Schlafkrankheit?).

Ansonsten kann man als erwachsener verständiger Mensch meist selbst entscheiden, ob man aktuell am Straßenverkehr teilnehmen möcht und wenn ja, in welcher Form unter welchen Umständen. Stichwort: Was traue ich mir gerade zu? Beim Autofahren: Gehts mir gut, wie sind die Verhältnisse aktuell im Straßenverkehr, wie lange und wo muss/will ich fahren? Da kann es doch gewaltige Unterschiede geben.

Im Unterschied zum sofortigen Führerscheinentzug erinnere ich mich an das Gegenteil in meinem Fall, als ich jung war:
Ich kam frisch zum Psychiater. Dieser verschrieb mir ein Antidepressivum und ein Schlafmittel.
Mangels Aufklärung nahm ich das Schlafmittel auch sonntags abends, obwohl ich morgens 4 Uhr als Fahrerin für mich und einen Kollegen (der aktuell keinen Führerschein hatte) im Winter im Dunkeln vor der Arbeit das Auto mehr als 300 km weit hauptsächlich über die A9 steuern musste, damit wir beide überhaupt arbeiten konnten. Damals in den Nachwendejahren war das die Zeit des massenhaften Fermpendelns auch über so lange Strecken aufgrund der Massenarbeitslosigkeit in den neuen Ländern.
Ich war Fahranfängerin.

Das fand ich sehr fahrlässig vom Arzt, denn der wusste, dass ich Fernpendlerin war und das Auto steuern musste. Er wusste auch, wo ich wohnte und dass ich Fahranfängerin war.
Selbst steuerte er sicher auch ein Auto, so dass ihm das Thema nicht ganz fremd gewesen sein dürfte.
Ich selber werde gleich nervös, wenn ich nur daran denke. Das hätte übel ausgehen können.
Ja, auch ich hätte nachdenken können und darauf kommen können, unter diesen Umständen sonntags keine Schlaftablette zu nehmen, sonst aber schon. Aber welcher junge kranke hoch belastete Mensch kommt zwangsläufig von alleine darauf, wenn der Arzt nix dagegen hat und nicht einmal Fragen stellt, die etwas damit zu tun haben?

Ich selber war als junger Mensch viel den "Allüren" der Älteren ausgesetzt, egal ob das Eltern, der Patenonkel oder eben auch Ärzte oder Psychologen waren. Egal wer es war: Mal wurde sich um dringend Anliegendes gar nicht gekümmert. Mal wurden mir Lösungen mit Wortgewalt übergestülpt im Übereifer, die mich ins Abseits manövrierten und in enorme Belastungen. Mal wurde gar nicht verstanden, was das Problem ist. Und das alles nicht nur bei Kleinigkeiten, sondern in Wichtigkeiten.
Dass ich jetzt in dieser blöden Rente mit Sozialhilfe festhänge, hat alles sehr damit zu tun.

Menschen, egal ob Erziehungsberechtigte, sich sonst irgendwie berufen Fühlende, oder auch Behandler und rechtlich abgesegnete Entscheider überblicken manchmal echt nicht die Tragweite ihrer Entscheidungen über Andere, die ihnen anvertraut wurden oder die sich selber ihnen anvertrauen.
Die Folgen trägt dann meist der Betroffene ganz allein, mit Pech lebenslang, lebenslange Krankheit oder Armut.
Darauf wollte ich mit meinem obigen ziemlich wütenden Posting hinaus.
Leute sollten sich mehr Zeit nehmen und mit den Betroffenen reden, anstatt vorschnell oder auch unhinterfragt für andere zu entscheiden.
Dass ich selber manchmal etwas zu unkritisch auf Seite von Betroffenen oder Benachteiligten stehe, ist mir durchaus bewusst.

Vielleicht meldet sich ja der LincolnL. nochmal.

Schönen Tag euch.
Chinchine
Beiträge: 63
Registriert: 26. Mär 2015, 10:41

Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Chinchine »

Danke Gertrud für deinen Beitrag, es war jetzt für mich auch hilfreich, das zu lesen. Kann dich jetzt besser verstehen, auch die Sorge der anderen.

Ich habe bei meinem Termin heute vergessen, meinen Psychiater auf die Problematik anzusprechen, aber ich hoffe, dass niemandem willkürlich ohne angemessenen Grund der Führerschein entzogen wird.
Deheteleef
Beiträge: 530
Registriert: 7. Nov 2022, 17:01

Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Deheteleef »

Ja so geht es manchmal. Der Threadersteller setzt einen Beitrag ein und taucht dann ab. :?
Was bleibt, ist ein mulmiges Gefühl von uns.

Übrigens, nächstes Jahr soll ja die elektronische Gesundheitskarte kommen.
Hoffentlich haben nicht alle Behörden (z.B.Straßenverkehrsamt) Zugriff darauf. :roll:
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SonneundDunkenheit
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Registriert: 25. Jul 2021, 09:24

Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Wenn ich es heute richtig in der Zeitung gelesen habe, dann kann man widersprechen.
Die elektronische Patientenakte wird zunächst für alle verbindlich eingerichtet, wer das nicht genutzt haben möchte, muss aktiv werden (ähnlich den Ideen für Organspenden) und sich kümmern und dann hat auch keine Behörde Zugriff drauf wenngleich ich dies prinzipiell infrage stellen würde (abgesehen von denkbaren Sicherheitslücken, Hackerangriffen...).
Ich selbst würde es wahrscheinlich nicht nutzen wollen. Ich sehe aber auch eine Menge Vorteile in Bezug auf Kommunikation zwischen den Fachärzten, Verordnung von Medikamenten (Wechselwirkungen) .... natürlich würde man dann auch sehen, wenn jemand ständig den Facharzt wechselt oder parallel mehrere Verordnungen für ein und dasselbe in Anspruch nimmt. Hat alles seine zwei Seiten.
Schönen Abend allen Mitlesern.
Nachtmensch
Beiträge: 615
Registriert: 30. Dez 2020, 06:39

Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Nachtmensch »

Ob ein schweigen einer automatischen Zustimmung entspricht, klären wohl die Gerichte. Bei anderen Gelegenheiten, z.b. bezüglich dessen was Banken mit ihren AGB versucht haben, wurde gegenteilig gerichtet. Wenn ich es richtig verstanden habe, sollen die Daten ja auf der Karte gespeichert sein und nicht zentral auf irgend einem Server. Von daher sollte ein Zugriff auch nur dann erfolgen können, wenn die Karte ausgelesen wird. Und das würde ich persönlich nur Ärzten oder Klinken zugestehen. Behörden übergreifend dürfte das nicht passieren, jedenfalls nicht ohne eindeutige Zustimmung. Klar das MDs da wohl irgendwann auch drauf zugreifen wollen, aber die unterliegen auch einer Schweigepflicht bezüglich Diagnosen gegenüber einfacher Sachbearbeiter. Bei Gerichten wird das vermutlich anders aussehen, sofern es relevant für eine Verhandlung ist.
Was mir persönlich wichtig wäre, ist, dass ich auch selbst auf die gespeicherten Daten zugreifen kann, weil das gerade bei Anträgen in denen meine „Gesundheitsvita“ abgefragt wird, eigentlich ein Vorteil sein müsste. Sowas hätte mir unlängst bei der Verlängerung meiner EMR gute Dienste leisten können. Stattdessen musste ich Berichte und Befunde wälzen um die jeweiligen Zeiträume und Diagnosen zusammen zu tragen.

Was das ursprüngliche Thema angeht, wäre es schön, wenn der Ersteller sich mal irgendwann äußern würde, was am Ende herauskam.
Deheteleef
Beiträge: 530
Registriert: 7. Nov 2022, 17:01

Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Deheteleef »

Ich lasse mir regelmäßig einen Ausdruck des Medikamentenplanes ausdrucken. Den kann man ja auch dann anderen Ärzten vorlegen.
Die Elektronische Patientenakte wird aber wohl kommen, und das halte ich durchaus für einen guten Schritt.

Die Datensicherheit macht mir aber Bauchschmerzen. Gerade bei psychischen Erkrankungen ein heißes Thema.
Ich denke, hier wird darüber aber noch ein eigener Thread eröffnet, wenn die heiße Endscheidungsphase ansteht.

Zum Führerscheinthema: Dieses Jahr bin ich 7 Jahrzehnte auf der Welt, da stehen möglicherweise wieder regelmäßige "Fahrpüfungen "an......
https://www.adac.de/news/rentner-fahrta ... _redaktion
Man sollte öfter einen Mutausbruch haben!
Deheteleef
Beiträge: 530
Registriert: 7. Nov 2022, 17:01

Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Deheteleef »

Die Parteien wollen es sich wohl nicht mit den (uns) Senioren verscherzen. Schließlich sind wir viele Wählerstimmen......
Freiwillige Tests finde ich auch gut.
https://www.youtube.com/watch?v=o8PCtB1SMvg

https://www.br.de/nachrichten/bayern/se ... ll,TYNCDRP
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Nachtmensch
Beiträge: 615
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Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Nachtmensch »

Ich lasse mir regelmäßig einen Ausdruck des Medikamentenplanes ausdrucken. Den kann man ja auch dann anderen Ärzten vorlegen.
Naja, das wäre, zumindest für den momentanen Zustand meines Gedächtnisses nicht der primäre Vorteil der EPA. Was ich aktuell alles nehmen muss weiß ich genau und was ich schon alles von A wie ASS100 bis Z wie Zolpidem alles genommen habe, ist mir auch gut in Erinnerung :)

Befunde und Datumsangaben fände ich da tatsächlich interessanter. Und wann man beispielsweise geröntgt wurde, dass ja eventuell wichtig ist.

Bezüglich dessen, wann „Senior“ also ich persönlich, besser kein Auto mehr fährt, hoffe ich mal, dass ich von mir aus merke, wann Ausfallerscheinungen gegeben sind, die das nicht mehr zulassen, bevor ich Andere gefährde. Und dass Altersstarrsinn sich nicht über meine kognitiven Fähigkeiten hinwegsetzt. ;)

Da der EU Führerschein sowieso nur zeitlich begrenzt ist und dann wieder erneuert werden muss, werde ich vielleicht merken, dass ich ihn besser nicht erneuern lasse, wenn ich nichtmal mehr ohne Hilfe zur zuständigen Behörde finde :D
Deheteleef
Beiträge: 530
Registriert: 7. Nov 2022, 17:01

Re: Führerscheinentzug wegen Depression

Beitrag von Deheteleef »

Wie diese Angelegenheit nun ausgegangen ist, werden wir wohl nie erfahren.

Einen Beitrag schreiben und dann nichts mehr von sich hören lassen................unmöglich sowas! :x
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