unsensible Reaktionen von Familienmitgliedern

[Phoenix2019]

Hallo zusammen,
ich muss hier gerade mal meinem Ärger über eine Verwandte Luft machen (Cousine meiner Mutter). Wir haben eigentlich ein vertrauensvolles Verhältnis und so weiß sie auch von meiner diagnostizierten mittelgradigen Depression.
Zur Zeit bin ich aufgrund von Umstrukturierungen erheblichen beruflichen Belastungen ausgesetzt: Pendeln zu zwei Einsatzorten, von einem Tag auf den anderen Wechsel von Spät- auf Frühschicht, hohe Verantwortung. Ich bin innerlich total verzweifelt und erwäge schon die Krankschreibung.
Da fragt mich meine Verwandte bei meinem Besuch eben doch tatsächlich, ob "ich denn nun überhaupt noch Zeit für die Depression" hätte???!!! Und sie (über 80) könne nicht nachvollziehen, dass ich Schlafprobleme durch den Schichtwechsel hätte, denn ich sei doch noch jung. Als hätte sie alles, was ich ihr über die Symptome einer Depression erzählt habe, direkt vergessen. Ich bin fassungslos! Bin aber (natürlich) freundlich geblieben, statt meinem Ärger Luft zu machen. Wie kann man so ignorant und unsensibel sein? Wie geht ihr mit solchen Reaktionen um?
Viele Grüße,
Phoenix

[Katerle]

Oje liebe Phoenix, was du dir anhören musstest und das kann einen noch zusätzlich belasten.
Hatte ja damals auch einiges an negativen Reaktionen erfahren müssen und ich sprach das auch an, aber es half leider nichts, es wurde immer weiter gemacht, so dass ich mich dann nur noch mit Leuten umgab, bei denen ich mich verstanden fühlte.

Wünsche dir weiterhin alles Gute
Katerle

[hundethomas]

hallo liebe Phoenix,


diese Antwort ist echt das Allerletzte. Als ex Postmann kenne ich auch Schichtarbeit rund um

die Uhr. Und da haben selbst "normale" Menschen Probleme........

Aber solche Antworten musste ich leider auch oft hören. ..........................

Menschen, die noch nie an einer Depression leiden mussten, können einfach nicht verstehen,

was es heißt, mit dieser Krankheit zu leben....

Und so eine Antwort kann zutiefst verletzen...

Bin eigentlich gegen Gewalt und Kriege, Beziehungskriege, aber am liebsten würde ich

da gerne auch mal zuschlagen...............

Und Du hast es schon versucht, ihr die Depression erklären.......

Selbst versuche ich, diese Menschen einfach stehen zu lassen, nicht mehr beachten.

Mehr wie versuchen es zu erklären geht nicht.

Was geht, die Wut, die Enttäuschung sportlich durch Bewegung raus zu laufen, oder........

Und das Du innerlich stärker wirst. Mehr Selbstvertrauen bekommst. Das DU gerne DU

selber bist, Deine Depri annehmen kannst, versuchen zu akzeptieren-

Das DU deine Begrenzungen mehr und mehr annehmen kannst, auch Deine Mängel.......


Viele Menschen haben heute Mängel in ihrem Leben, machen auf cool, und geben es

nicht zu. Machen auf stark, und sind es nicht. Wenn du da an der richtigen Stelle

piekst, ist die Luft schnell raus.........

Auch die Cousine deiner Mutter hat schwache Stellen, und wenn du da mal piekst........


Wertgefühl, Selbstwertschätzung, Selbstvertrauen......

Liebe dich selbst, dann kann diese Frau dich gern haben, .............oder nicht.

Lerne innerlich stärker zu werden, da geht doch noch was bei Dir.


viele liebe Grüße,

[Überdosis]

Liebe Phoenix,

versuch es zu vergessen.

Meine Familie ist leider ähnlich unsensibel.
Da wird nicht verstanden, dass, wenn man Samstags früh aus dem Nachtdienst kam, dass man Mittags keinen Besuch empfangen kann oder dass, wenn man erst 22 Uhr Feierabend hatte im Spätdienst, dass man nicht morgens um 8 Uhr fröhlich Frühstücken kommen kann.

Die Leute, die keinen Schichtdienst arbeiten, sondern immerzu ihren festen "trott" haben, wissen gar nicht, dass Schichtwechsel für den Körper eine Mammutaufgabe darstellt.
Schmetter ihr doch das nächste mal einfach ein : " sagt die, die immer den selben Trott ablegt und kein Plan von Schichtdienst hat!" Ins Gesicht.


Von meinen Depressionen erzähle ich mittlerweile niemandem mehr etwas.
Es wird, meiner Erfahrung nach, nicht verstanden und sich auch scheinbar gar nicht bemüht es zu verstehen.

Ich denke mir mittlerweile einfach, dass es meine Erkrankung ist und bis auf Ärzte und Therapeuten es die anderen auch nichts anzugehen hat, was mit mir ist.
Solch unsensibelen "Pack" wie es viele sind, vertrau ich mich doch nicht mehr noch an.


Hab Mitgefühl für dich und erwarte es nicht mehr von anderen, die damit nichts am Hut haben.
Leider streuen die Leute ja noch, ob bewusst oder unbewusst, meist eh nur Salz in die klaffende Wunde und warum sich dem weiter noch aussetzen?
Tut doch nur noch mehr weh, als die Depris innerlich eh schon tun.


Liebe Grüße
Susan

[Phoenix2019]

Hallo zusammen,

vielen Dank für eure mitfühlenden und unterstützenden Worte!:) Das hat mir sehr gut getan! Ich versuche jetzt mal "abzuschalten".
Ich wünsche euch einen guten Abend,
Liebe Grüße
Phoenix

[MySun]

Vielleicht peilt die alte Dame es nicht, wie sehr dich ihre Worte verletzen.
Und vielleicht kann sie es nicht wirklich verstehen, was es bedeutet mit einer Depression leben zu müssen.

Bin aber (natürlich) freundlich geblieben,

Das war sehr großzügig von dir, eine andere Reaktion hätte sie wahrscheinlich nur verstört.
LG

[Phoenix2019]

Danke auch dir, MySun für deine empathischen Worte!:)
Dir und allen einen guten Abend,
Phoenix

[Chrissi 14]

So etwas habe ich in meiner Familie auch schon erlebt. Die haben keine Ahnung von psychischen Erkrankungen, aber schlaue Sprüche klopfen.

Zuletzt bekam ich letztes Jahr von meiner Tante einen dummen Spruch zu hören, ich solle meditieren. Nur bekam ich das zu hören, nachdem ich gerade erst aus der Notaufnahme (auf eigene Verantwortung bin ich nicht stationär geblieben) raus bin, in der ich mit RTW und Notarzt aufgrund eines ersten (und bisher einzigen) Krampfanfalles gelandet bin.
Ich weiß nicht, wie man darauf kommen kann, dass Meditation da helfen soll, dass man keinen Krampfanfall bekommt. Zumal sie auch weiß, dass ich eben auch eine Hirnerkrankung als gefährdende Vorerkrankung habe.

Das hat mich so geärgert. Als ob ein Krampfanfall psychisch wäre und mit Meditation alles supi wäre. Der kam nicht wegen der Psyche, sondern durch sehr starke Kopfschmerzen.

Seitdem habe ich auch keinen Kontakt mehr zu ihr. Vorher kamen auch schon oft verständnislose Sprüche, wenn es mir psychisch schlecht ging.


Lass dich nicht ärgern. Man kann sich nur von solchen Menschen fernhalten oder ihnen seine Meinung sagen, wenn man es sich traut.


Viele Grüße
Chrissi

[SundayMan]

Hallo Phoenix2019,

während ich deinen Beitrag las, nahm ich verschiedene Empfindungen in mir wahr:

Zum einen Freude darüber, dass andere Menschen (in diesem Fall du) die gleichen Erfahrungen mit Unverständnis aus dem (engeren) Umfeld machen - statt Verständnis wird man durch eine unüberlegte Bemerkung verletzt. Das hilft dir nicht konkret, doch du sollst wissen, dass viele Menschen mit Depression ähnliche Erfahrungen wie du machen.

Zum anderen spüre ich Ärger, weil ich solche Situationen, wie du sie beschrieben hast, aus dem eigenen Umfeld kenne. Dass, was Winfried 123 schreibst, finde ich wichtig und gesund: "... aber meinem Ärger mache ich trotzdem Luft" --> das darf sein, man darf seinen Ärger äußern, dies kann energischer oder ruhig geschehen, Hauptsache man äußert den eigenen Standpunkt.

Wie bereits geschrieben wurde, sind solche flapsigen Bemerkungen eher schädlich wenn der Selbstwert gerade Urlaub macht -.-
Toll, dass du deinen Gedanken hier Raum gegeben hast.

Lieber Gruß
SundayMan

[Phoenix2019]

Guten Morgen zusammen,
ich danke euch für euren Rückhalt - auch wenn es traurig ist, dass so viele von uns immer wieder solche Erfahrungen machen müssen, trotz all der Bemühungen um Aufklärung.
Ja, meine Verwandte ist ü80, aber sie schaut z.B. oft Sendungen, in denen auch psychische Erkrankungen anschaulich und differenziert thematisiert werden, z.B. "Nachrcafe", "3 nach 9", "Kölner Treff". Bis zum Ende der Sendung hat sie sogar auch jede Nacht "Domian" gesehen- so wie ich. Sie ist also eigentlich sehr offen und ich bin mir sicher, dass ich ihr viel bedeute. Aber je nach Tagesform kann sie eben sehr passiv aggressiv, verletzend und unsensibel sein. Und ich war gestern zu überrascht und müde, um sie mit ihrer Aussage zu konfrontieren.
Naja, ich versuche das mal zu vergessen, werde aber von nun an das Thema ihr gegenüber nicht mehr erwähnen. Versuche aufzuklären werden wohl nichts bringen.
Euch einen guten Tag,
viele Grüße
Phoenix

[hundethomas]

liebe Phoenix,

oh "Nachtcafe" schaue ich auch fast regelmäßig. Und manches was ich da sehe und höre,

hat mich von manchem Vorurteil befreit.

Aber weißt DU, Deine Verwandte ist ü 80, hat auch schon vieles in ihrem Leben erlebt.

Und unser Erleben prägt auch uns hier. Wenn wir es auch nicht immer wollen, unsere eigene

Geschichte, und auch die äußere Geschichte ist doch sehr prägend......

Vielleicht zum besseren Verständnis, warum deine Verwandte so reagiert, wie sie reagiert.

Selbst reagiere ich in meiner Depression auch nicht so gut...

Vielleicht kann gegenseitiges versuchen zu verstehen, helfen.................


liebe, leise Grüße,

[Phoenix2019]

Lieber Thomas,

da hast du Recht! Ich weiß, dass sie selbst ein sie sehr belastendes Ereignis nie aufgearbeitet hat und stattdessen u.a. 4 Jahrzehnte Schlafstörungen hingenommen hat. Allerdings musste sie in dieser Zeit auch keiner getakteten Arbeit mehr nachgehen, sondern war ihre eigene Chefin. Ich weiß, dass sie sich wünscht, dass es mir gut geht und darauf konzentriere ich mich jetzt. Trotzdem werde ich nicht mehr so offen sein.
Euch allen einen guten Abend!
Viele Grüße
Phoenix

[hundethomas]

liebe Phoenix,

vielleicht ist sie neidisch auf dich, wie du so offen mit deiner Depression umgehen kannst.

Meine Schwiegermutter hat 50 Jahre verheimlicht, das der Vater meiner Frau, gar nicht

ihr Vater ist. .........................................................

Und mich haben sie immer geringschätzig behandelt, wegen meiner Depression........

Leider war ich oft auch zu offen, was ich heute nicht mehr so machen würde......

Einfach auch mal "pieksen", die Luft raus lassen.

Einen guten Umgang wünsche ich Dir,


viele, liebe Grüße,

[Phoenix2019]

Lieber Thomas,
vielen Dank! Ja, es gibt schon Unterschiede, wie offen verschiedene Generationen mit psychischen Erkrankungen umgehen. Vielen Dank für deinen Zuspruch!
Viele Grüße
Phoenix

[Gertrud Star]

naja, die über 80jährigen sind wahrscheinlich noch die, die den Krieg und die Nachkriegszeit als Kinder/Jugendliche erlebt haben. Klar, die hatten wirklich oft andere Sorgen und auch wenig Kapazität im Leben für Leid und Weichheit.
Manchmal ist etwas Nachsicht besser. Lernt man leider als Betroffener auch erst relativ spät.

Ich kenne solche Sprüche auch aus der Familie, die selber ein sehr schweres Leben bewältigen muss. Die sind einfach härter zu sich und auch anderen, so allgemein.

Sie sind allgemein so, auch wenn es nicht um Depressionen geht. Sie verweisen auch oft auf ihr hartes Leben.

Grüße aus meiner weichen harten Welt.