Wie sag ich es bloß meiner Familie...

Antworten
Frautel
Beiträge: 18
Registriert: 12. Sep 2022, 16:06

Wie sag ich es bloß meiner Familie...

Beitrag von Frautel »

Hallo zusammen,

ich mache bald eine vollstationäre Therapie und stehe nun vor dem Problem, wie ich es meiner Familie sagen soll. Am liebsten würde ich es ihnen gar nicht sagen und einfach von der Bildfläche verschwinden.. aber das geht nicht, weil die es mitbekommen würden, wenn ich 2 - 3 Monate nicht zuhause bin und ich will in der Zeit möglichst kaum bis gar nicht erreichbar sein.

Mein Hauptproblem ist, dass ich ganz genau weiß, dass meine Familie Depressionen nicht ernstnimmt und ich habe einfach keine Lust und keine Energie die aufklären zu müssen. Hab auch allgemein keine Lust darüber zu reden, was mit mir los ist...

Außerdem habe ich ein schlechtes Gewissen, weil meine Geschwister immer sehr offen mit ihren Problemen umgehen und über alles mögliche mit mir sprechen, sich mir anvertrauen.. und immer wenn die mich fragen, wie es mir so geht und was es neues gibt, sage ich nur, mir würde es gut gehen und es gibt nichts neues. Ich fühle mich schon schlecht, wenn ich dann auf einmal aus dem Nichts raushaue, dass ich in eine Klinik gehe...

Bin schon die ganze Zeit am Überlegen, welche Ausrede ich mir einfallen lassen könnte, weshalb ich so lange weg bin. Aber ich bin mir schon bewusst, dass das auch nicht die beste Lösung ist.

Ich hab nur einfach keine Kraft jetzt so ein großes Fass zu öffnen. Die wollen dann natürlich auch alles wissen. Und zu sagen, ich gehe in eine Klinik, will aber nicht darüber reden, finde ich halt auch mies denen gegenüber..
Harry100
Beiträge: 31
Registriert: 29. Nov 2022, 15:34

Re: Wie sag ich es bloß meiner Familie...

Beitrag von Harry100 »

@Frautel

Hallo Frautel,

ich glaube, ich verstehe Deine Problematik und Deine Gefühlswelt ein wenig.
Ich habe die Diagnose rezidivierende Depression (F33.1) und werde im Januar 2023 eine vollstationäre Therapie in einer Psychosomatischen Fachklinik beginnen.
Allein der Anmeldeprozess (Facharztberichte, Beihilfe, Krankenkasse und Aufnahmemanagement der Klinik) sind für einen kranken Menschen große Hürden, immer unter der Voraussetzung, Du bist kein Akutfall, denn dann passiert vieles automatisch.
Genauso wie Du, musste ich meiner Ehefrau, meinen Kindern, meinen Freunden und anderen wichtigen Personen (Arbeitgeber usw.) diesen Prozess erklären. Meine Frau war aktiv an der Motivation zum stationären Klinikaufenthalt beteiligt (von ihr habe ich mehrere Vorschläge erhalten).
Meinen Kindern habe ich in einfacher Form die Krankheit erklärt und dass ich den Klinikaufenthalt als Maßnahme zur Genesung ergriffen habe. Anderen Menschen erkläre ich in einfachster Form (immer auf die Situation bezogen) die Krankheit und das ich zur Genesung den Klinikaufenthalt durchführen werde. Mein Credo ist: Ich akzeptiere die Krankheit und möchte jetzt die Chance nutzen an mir (und damit an der Krankheit) zu arbeiten und freue mich über jeden (Therapeuten, Ärzte, Freunde, Forenmitglieder, usw.) der „mitanpackt“ .
Mir hat der Film „Stutz“ (hier wird die Therapiearbeit von dem Therapeuten Phil Stutz dargestellt) sehr geholfen (ist auf Netflix zu finden). Seitdem weiß ich, an welchen „Stellschrauben“ ich an mir arbeiten muss.
Ich wünsche Dir einen guten Umgang mit Dir selbst und gut Entscheidungen.
Liebe Grüße
Harald
PS. Es wäre schön, noch ein wenig mehr von Dir zu erfahren (Vorstellung).
Maxegon
Beiträge: 2421
Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Wie sag ich es bloß meiner Familie...

Beitrag von Maxegon »

Hallo Frautel,

ich kenne das Problem auch, viele können nur verstehen, was sie verstehen wollen bzw. wozu sie in der Lage sind.
Oftmals werden psychische Probleme mit "der hat einen an der Waffel" abgewertet.
Das was deine Familie in der Lage ist, zu verstehen, versteht sie auch nur.
Da sind auch Notlügen erlaubt, wie wäre es mit burn out oder stressbedingte Überforderung.
Es nützt nichts die "Wahrheit" zu sagen, wenn sie niemand versteht.
Frautel
Beiträge: 18
Registriert: 12. Sep 2022, 16:06

Re: Wie sag ich es bloß meiner Familie...

Beitrag von Frautel »

Vielen Dank für eure Antworten :) es ist schön hier auf Verständnis zu treffen.

Hallo Harald,
ich gehe auch in eine Psychosomatische Klinik, allerdings in die psychiatrische Abteilung (die Klinik hat eine psychiatrische und eine psychosomatische Abteilung).
Es ist schön, dass deine Frau da so hinter dir steht und dich sogar bei diesem Schritt motiviert. Es ist wichtig jemanden zu haben, der einen da unterstützt. Du scheinst eine gute Einstellung zu deiner Situation zu haben.
Danke für den Filmtipp. Ich werde mir den Film anschauen, vielleicht wird er mir ja auch weiterhelfen.
Dann geht es ja bald los bei dir. Januar ist ja nicht mehr weit entfernt. Ich wünsche dir viel Erfolg und Kraft bei deinem Aufenthalt und für die Zukunft.
Liebe Grüße
Frautel

Hallo Mexagon,
ja, leider ist es immer noch so, dass viele Menschen diese Vorurteile haben, obwohl über diese Krankheit immer mehr berichtet wird und es auch viel öfter diagnostiziert wird als früher. Genau aus diesem Grund, wie du schreibst, hatte ich auch überlegt einfach zu sagen: "ich geh in die Klapse" weil es das ist, was die sowieso denken werden... aber das lass ich doch lieber...

Ich werde noch weiter überlegen, aber vielen Dank für eure Gedanken dazu.
Lavendel64
Beiträge: 542
Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Wie sag ich es bloß meiner Familie...

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo Frautel,

wäre es für Dich eine Möglichkeit, Deiner Familie einen Brief zu schreiben? Dafür kann man sich die Worte in Ruhe überlegen und braucht keine Angst vor einer unangenehmen Reaktion zu haben. Denn dann bist Du ja in der Klinik. Sie sind informiert, machen sich keine Gedanken, wo Du abgeblieben bist.

Du kannst Ihnen so viel mitteilen, wie Du selber sagten möchtest. Mit viel Glück nehmen sie Deine Worte ernst und informieren sich über die Krankheit. Und Du erscheinst wieder auf der Bildfläche, wenn Du Dich stark genug dafür fühlst.

So ganz persönlich finde ich es schade, wenn man nohc nicht einmal im direkten Umfeld Unterstützung erfährt. Ich bin aber sicher, Du wirst unter den Mitpatienten wertvolle Menschen finden, die Dir mehr Verständnis entgegenbringen.

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
Frautel
Beiträge: 18
Registriert: 12. Sep 2022, 16:06

Re: Wie sag ich es bloß meiner Familie...

Beitrag von Frautel »

Hallo Lavendel,

hmm ich glaube ich würde mich schlecht fühlen, wenn ich meiner Familie einen Brief schreibe und weg bin. Es wäre zwar das beste, wenn sie die Wahrheit wüssten, aber ich tendiere momentan dazu, ihnen nicht ganz die Wahrheit zu sagen und einen anderen Grund für den Klinikaufenthalt vorzuschieben. Vielleicht schaffe ich es anschließend mit der Wahrheit rauszurücken... trotzdem danke für die Idee.

Ja, das ist auch schade. Ich glaube, wenn ich jetzt meiner Familie die Wahrheit sagen würde und ich dann auf Unverständnis stoßen würde, die das runterspielen und mir dumme (wenn auch ihrerseits gutgemeinte) Tipps geben würden, dann würde mich das noch mehr runterziehen. Deshalb will ich ihnen gar nicht erst die Möglichkeit dazu geben, mich weiter runterzuziehen.

Ja, ich habe große Hoffnung, dass ich dort auf verständnisvollere Menschen treffen werde, Danke.

LG Frautel
Antworten