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Vincent7
Beiträge: 1
Registriert: 21. Okt 2022, 10:47

Neu im Forum

Beitrag von Vincent7 »

Guten Tag zusammen,

ich habe mich hier neu angemeldet, da ich seit September wegen einer Depression krankgeschrieben bin und Austausch/Erfahrungen von anderen suche.
Zu mir, ich bin 37 J. alt und war/bin Gymnasiallehrer und fühle mich manchmal wie in "einem luftleeren Raum", leer, alleine mit vielen Gedanken.
Ich habe eine lange bestehende Ehe und erfahre viel Unterstützung durch meine Frau, aber auch einzelne Familienmitglieder. Trotzdem gibt es diese Momente, wo ich mich noch immer "mutterseelenallein" fühle mit meiner Situation und überhaupt nicht weiß, was die Zukunft bringen wird.

Ich glaube, dass ich schon lange Hilfe gebraucht hätte, aber ich habe all´ die Erschöpfung, die Gereiztheit und Unzufriedenheit immer auf den stressigen Beruf zurückgeführt bzw. auch auf die Erkrankung meiner Frau, die unser Leben doch sehr prägt und uns beiden auch viele Einschränkungen aufzwingt.

In den vergangenen Monaten, etwa seit April/Mai merkte ich, dass ich überhaupt nicht mehr in einen Zustand kam, wo ich Entspannung verspürte oder abschalten konnte. Ich kreiste von morgens bis abends um die Schule, die Elterngespräche (ich war an einer Schule beschäftigt, die viele Schüler*innen mit schwierigen Biographien hat usw.), das Abitur usw. - gedanklich war ich immer mit meinem Beruf beschäftigt, während ich gleichzeitig weder Zeit noch Lust hatte meinen Unterricht entsprechend meinen eigenen Ansprüchen vorzubereiten.
Dies hat mich natürlich wiederum unzufrieden gemacht.
Viele Dinge im Schulalltag, die ich sonst gelassen betrachtet habe, brachten mich innerlich auf die Palme (Vertretungschaos, viele (unnötige) Sitzungen usw.)

Ich bin vor einigen Jahren motiviert in diesen Beruf gestartet, habe auch bis zu meiner Krankschreibung immer positives Feedback erhalten, hatte ein tolles Kollegium und doch hatte ich zunehmend das Gefühl, diesem Beruf nicht gewachsen zu sein.

Im Prinzip habe ich nach dem Unterricht nichts mehr für mich getan, außer auf dem Sofa zu vegetieren, weil ich nur noch müde und leer war. Ich hoffte dann auf die Sommerferien und dachte, dass sich das alles dann wieder einpendeln wird, aber da war einfach eine große Leere weiterhin, keine Freude über sechs Wochen Ferien.

So verbrachte ich die meiste Zeit im Bett, wollte mich an vielen Tagen nicht mal mehr waschen und tat dies nur noch unter größter Anstrengung. In mir herrschte eine Gereiztheit vor, die natürlich unsere Situation zuhause nicht besser machte.
Neben all´ diesen negativen Gefühlen in mir, ging es auch meiner Frau oft schlechter, sodass wir beide immer wieder sehr belastet waren.

Die Zeit der Ferien raste für mich dahin, obwohl ich eigentlich überhaupt nichts Sinnvolles gemacht habe und je näher das Ende der freien Zeit heranrückte, desto panischer wurde ich innerlich.
In mir sträubte sich alles und ich spürte, dass ich so in diesem Zustand nicht noch ein Schuljahr durchhalte. Immer wieder kamen dann auch Gedanken daran, dass ich mein Leben so nicht mehr verbringen möchte. Die Gedanken kamen immer öfter und ich war angesichts des bevorstehenden Schulbeginns völlig verzweifelt.
Am Tag der Ferienkonferenz bin ich dann zusammengebrochen, nichts ging mehr - ich weinte nur noch und hatte zu nichts mehr Kraft. Meine Hausärztin sagte mir dann, dass es so wirklich nicht mehr weitergehe (dies hatte sie bereits im Juni zu mir gesagt und wollte mich krankschreiben).

Es war für mich unglaublich schwer, mir dies einzugestehen, dass ich Hilfe brauche und krank bin.
Sie stellte dann die Diagnose, die dann auch von einem Psychiater bestätigt wurde in einem Gespräch.

Ich bin auf sehr viel Verständnis gestoßen in meinem Umfeld und habe unheimlich viel Unterstützung erfahren. Es ist ja auch für meine Frau nicht leicht, mich in diesem Zustand zu sehen.

Zunächst herrschte bei mir eine große Erleichterung, dass der berufliche Druck weggefallen ist.
Viele in meinem Umfeld sagen auch, dass ich viel gelöster und gesünder aussehe ohne Schule.
Auch ich empfinde es so.
Jetzt nach ca. 5-6 Wochen kommt immer mehr dieses Gefühl hoch, dass ich faul bin, nichts leiste, ein Versager bin und ich spüre, dass ich wieder öfter in Grübeleien verfalle und mich innerlich hart bewerte und niedermache.

Ich muss dazu sagen, dass ich seit Ende September ein Antidepressivum einnehme und auch erst dachte, dass es meine Stimmung verbessert. Irgendwie war das vielleicht auch eher der Euphorie geschuldet, da die Wirkung ja erst nach einigen Wochen eintritt.

Ich weiß nicht, vermutlich ist es auch "normal", dass ich schwanke zwischen dem Gefühl, nun auf mich achten zu können und dem Gefühl, dass ich doch arbeiten muss/soll.
Aber ich sehe mich nicht mehr an der Schule, die Vorstellung vor einer Klasse zu stehen (zumindest im Moment) macht mich panisch.

Ich bin froh, dass ich nach etlichen Absagen nun seit letzter Woche endlich einen Therapieplatz habe und hoffe, dass ich mit der Gesprächstherapie auch Klarheit gewinne, wie es beruflich weitergehen kann.

Mir fällt es schwer, die Wohnung zu verlassen oder etwas zu tun (im Sinne von Hobby o. Ä.).
Ich lese endlich mal wieder privat Bücher, was ich jahrelang kaum noch tat, da ich mir die Zeit dazu nicht genommen habe. Das entspannt mich auch und bringt mich auf andere Gedanken und macht mich auch immer wieder phasenweise zufrieden.
Andererseits merke ich oft am Tag, dass ich "raus will", etwas erleben möchte, aber gleichzeitig bin ich schon vor Arztterminen so aufgeregt und auch ängstlich, dass ich hinterher richtig erschöpft bin und froh, wieder daheim zu sein.
Allein eine Krankmeldung abzuholen ist dann schon eine Aufgabe für mich, die mich total beschäftigt vorher.
Während der Krankschreibung möchte ich auch nicht von Schülern/Kollegen irgendwo gesehen werden, da ich auch keine Auskunft/Gespräche über meine Situation führen will oder gar Anlass zu Gespräch geben will ("ich habe den da und da gesehen, der hat doch gar nichts").
Es ist aber nicht nur die Furcht davor, jemandem zu begegnen, der mich aus dem beruflichen Kontext kennt, sondern eben auch der fehlende Antrieb (es ist mir immer noch zu viel bisweilen).

Ich bin froh, dass ich wieder bei Zeiten aufstehe, mich bei Zeiten wasche/anziehe usw., Aufgaben im Haushalt übernehme.

Vielleicht habt ihr noch Tipps oder Erfahrungswerte für mich.
Oft eröffnen sich durch den Austausch mit anderen Betroffenen neue Perspektiven auf einzelne Problematiken/Fragen.

Viele Grüße
Vincent
Kiwi78
Beiträge: 95
Registriert: 8. Feb 2022, 11:36

Re: Neu im Forum

Beitrag von Kiwi78 »

Hallo Vincent,
In deiner Geschichte finde ich viele parallelen. Ich bin ebenfalls Lehrerin und kämpfte mich bis zum Zusammenbruch in der Schule durch. Auch ich merkte schon lange, dass alles immer noch anstrengender wird und mir die Arbeit keinen Spaß mehr bereitete. Aber man will ja nicht ausfallen, da dann meine Kollegen die ganzen Vertretungen übernehmen müssten.
Meine "Auszeit" mit Krankschreibung dauerte am Ende 9 Monate. Mir fehlte auch jeglicher antrieb und Freude an bislang schönen Dingen fehlte zunehmend. Ich mache seit über 3 Jahren Therapie (Verhaltenstherapie) und nehme ein Antidepressivum. Mittlerweile arbeite ich nur noch teilzeit und kriege das auch gut hin. Die Arbeit gibt mir Struktur und Sinn. Das ist für mich besser als das daheim sitzen.
Ich kann dir nur den Tipp geben, dir dir Zeit zu nehmen die du brauchst. Auch Therapie hilft mir gut, so manche Sichtweisen und destruktiven Verhaltensweisen zu erkennen und zu verändern. Wenn es mir schlecht geht, melde ich mich ohne schlechtes Gewissen krank. Wenn dann andere vertreten müssen oder Unterricht ausfällt, ist das nicht mein Problem sondern ein generelles Problem des Personalmangels.
Es gibt wohl auch eine gute Klinik, die spezielle Programme für Lehrer hat. Die heiligenfeld Klinik. Hat mir meine Therapeutin empfohlen, aber da ich ein Kind habe kommt das für mich nicht in Frage.
Ich wünsche dir alles Gute, nimm dir deine Zeit und setz dich nicht unter Druck.
Lg Kiwi
Mongolin
Beiträge: 345
Registriert: 1. Okt 2020, 10:44

Re: Neu im Forum

Beitrag von Mongolin »

Lieber Vincent,
Willkommen im Forum. Ich bin hier nicht mehr so viel unterwegs. Aber das Forum hat mir in meiner schlechten Zeit geholfen, auch wenn es nur das Gefühl ist, nicht allein zu sein mit einer depressiven Erkrankung. Ich bin 20 Jahre älter als du, glaube ich, und ich hatte meinen break Down als Führungskraft im öffentlichen Dienst vor 2 Jahren.
Inzwischen geht es mir mit Höhen und Tiefen ganz gut. Aber ich habe viel geändert, z.b. meinen Führungsjob abgegeben, was mir nicht leicht gefallen ist.
Ich denke, es ist wichtig, dass du dir jetzt deine Auszeit nimmst. Es ist absolut kein Versagen und schon gar keine " Faulheit ". All die Gedanken kenne ich sehr gut.
Versuche dir Zeit zu nehmen, herauszufinden was für dich wichtig ist.
Manchmal kann man nicht mehr " funktionieren " und das hat seine Gründe.
Ich wünsche dir Kraft und Mut deinen Weg zu finden und zu gehen.
Sei gegrüßt
Mongolin
hundethomas
Beiträge: 1192
Registriert: 28. Aug 2022, 21:04

Re: Neu im Forum

Beitrag von hundethomas »

lieber Vincent 7,

ein herzliches Willkommen hier im Forum. Selbst war ich jahrelang ein einfacher Beamter.

Bis ich nicht mehr konnte. Und etwas früher in den Ruhestand ging. Habe auch begeistert

angefangen, war gerne in Beziehung mit Menschen, habe auch alles gegeben, bis

ich nicht mehr konnte. ..............................................................................

Weil ich zu viel für andere Menschen getan habe, zu wenig für mich selbst.

Bis ich selbst nicht mehr konnte. In unseren Schulen hat sich ja auch vieles geändert.

Was früher zu streng war, ist meiner Ansicht nach, heute alles zu locker und offen.

Es fehlt der Ausgleich. Und so hast auch du deine Ruhe, deinen Frieden mit dir selbst,

deine Gelassenheit usw. verloren. .........

Aber gut das du Hilfe finden darfst. Lange Zeit habe ich als Mann alle Hilfen abgelehnt,

wollte stark bleiben, bis ich echt nicht mehr konnte. Wie stehe ich denn da vor Kollegen,

Frau und Kinder..........Aber seine Schwächen zugeben können, das macht uns als Männer

wirklich stark..

Und ich möchte dir wünschen, das du hier im Forum Anregungen, Hilfen usw. bekommst,

wie wir am besten mit unserer Depression umgehen können.


Viele liebe Grüße an Dich.
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