Ich brauche Hilfe

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DerSteppenwolf
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Ich brauche Hilfe

Beitrag von DerSteppenwolf »

Hallo zusammen, verzeiht meinen langen Eingangstext. Ich sitze zitternd am Rechner und starre auf die Zeilen....

Mein Name ist Daniel und ich bin 45 Jahre alt. Ich brauche Hilfe. Ich habe das Gefühl, dass alles um mich herum zusammengestürzt ist. Ich kann nicht mehr schlafen, habe keinen Appetit mehr. Komme gerade aus einer Panikattacke, die ich nur durch einen langen Spaziergang wieder einfangen konnte. Ich habe Angst vor dem Dunkel und der Nacht… die Gedanken, das Grübeln, das Gefühl völliger Einsamkeit und Ausweglosigkeit.

Wälze mich seit Wochen nur noch nassgeschwitzt hin und her. Mein Leben war wie ein Kartenhaus. Es musste einfach stehen. Für immer. Ich habe doch sonst nichts anderes. Ich habe das Gefühl ausschließlich falsche Entscheidungen in meinem Leben getroffen zu haben. Warum? Ich habe Angst. Ich habe Angst vor dem Leben. Ich habe Angst vor Verlust. Ich habe Angst vor Einsamkeit. Ich vermeide dadurch alles, was mich verletzen könnte, was unangenehm sein könnte, was mir Angst macht. Wenn ich zurückdenke, geht das schon immer so. In der Schule habe ich mich durchgemogelt, es ging immer. Ich hatte einen Freundeskreis, eine Partnerin. Während des Abiballs 1997 habe ich mich entfernt, saß auf einer Mauer und habe hemmungslos geweint. Es war nicht nur die Verabschiedung einer guten Zeit, es war wie ein Blick in die Zukunft und die Gewissheit, dass es nur noch schlecht wird. Ich wusste es. Meine Freunde gingen freudig in die Zukunft, ich nicht.

Zuerst stand die Wehrpflicht an. Ich habe es gehasst. Ich saß sonntags abends weinend und verzweifelt vor meinen Eltern, dass ich es nicht könne. Ich fand wenig Verständnis, war doch schon 19 Jahre alt. Mir ging es dort sehr schlecht. Suchte den Kontakt zu Militärpfarrer dort, versuchte ihm immer wieder klarzumachen, dass es mich dort fertigmacht, ich zitterte, hatte Panikattacken, schlief schlecht, hatte Heimweh. Ich lieh mir sogar einmal das Auto eines Kameraden, um nur für einen Abend nach Hause zu fahren. Ich begann zu konsumieren, über meine Verhältnisse zu leben. Irgendwann bekam ich, dank des Militärpfarrers die Möglichkeit mich heimatnah versetzen zu lassen. Ich konnte von meinem Elternhaus morgens nun zur Kaserne radeln. Es half nur wenig. Kaum war ich in der Kaserne, fühlte ich mich schrecklich einsam und allein. Machte Kasernenrunden, immer und immer wieder. Ging wie ein gefangenes Tier immer am Zaun entlang. Nach außen habe ich immer gesagt, wie cool es da doch war und was für großartige Sachen ich gemacht hätte. Vielleicht wollte ich es mir auch nur selbst einreden. Die Wahrheit ist: Es war die Hölle. Während der Zeit verließ mich meine erste Freundin. Ich habe es nicht gut verkraftet. Ich wurde verlassen, war allein. Das Gefühl der Einsamkeit fraß mich auf.

Dann begann die Berufsausbildung, Bankkaufmann. Eine Ausbildung, die ich nur gewählt hatte, um zu beeindrucken. Und mir einzureden, dass ich Interesse daran hätte. Habe auch hier gelitten, aß immer mehr, versuchte mich mit Käufen glücklich zu machen, verschuldete mich erstmals stark. So stark, dass die Innenrevision mal zu einem Gespräch lud. Der einzige Lichtpunkt während der Zeit war meine zweite Freundin. Ich zerstörte auch diese Beziehung und zudem beschädigte ich die Beziehung zum meinem besten Freund dabei irreparabel. Ich verzweifelte an meiner Scham und an der Sackgasse, in der ich steckte. Irgendwann traf ich die Entscheidung mein Elternhaus zu verlassen und nach Münster zu ziehen. Den Ort meines Versagens verlassen und neu anfangen. Studentenwohnheim.

Ein Studium gewählt, dass wieder nur beeindrucken sollte und vermutlich niemals meinem Interesse entsprach: Jura. Ich habe Veranstaltungen besucht, Klausuren geschrieben. Fühlte mich aber nur allein, einsam, konnte im Studiengang nie Anbindung finden. Im Wohnheim war es anders, dort hat sich eine Clique gebildet, in der ich mich wohlfühlte. Saßen zusammen, hatten Spaß, philosophierten. Lernte dort meine dritte Freundin kennen. Ich ließ alles liegen und schleifen und war nur für sie da. Irgendwann sagte ich ihr, dass mir Freundschaft allein nicht reichen würde und drängte sie damit, wie mir später klar wurde, in eine Beziehung, die sie wohl nicht wollte. Dennoch blieben wir über drei Jahre zusammen. Es waren keine schönen Jahre, ich zog mich erstmalig bei einer Freundin nun auch sexuell zurück, erlag wieder meinen Kaufräuschen und das Studium spielte keine Rolle mehr. Stattdessen verdaddelte ich den Tag am PC. Ich begann dann auch ein Nebenjob, der eigentlich nur mein Studium finanzieren wollte. Eine weitere Entscheidung, die mein Leben nachhaltig verschlechtern sollte. Auch die Beziehung zu meinen Eltern kühlte mehr und mehr ab, da diese natürlich merkten, dass ich alles schleifen ließ. Ich versteckte mich vor Leben, in den 12qm meines Wohnheimzimmers. Räumte nicht mehr auf. Vernachlässigte mich. Finanzielle und Zukunftssorgen bereiteten mir mehr und mehr schlaflose Nächte.

Die Anspannung und der Angstzustand wurde mein ständiger Begleiter, wenn ich mich nicht ablenkte. Computerspiele, meine TV lief die ganze Nacht durch. Ich ertrug die Dunkelheit nicht mehr. Die Stille. Die Einsamkeit. Meine Freundin beendete ihr Studium, zog zum Referendariat nach Essen. Unsere Beziehung wurde komplizierter. Sie stand jetzt in einem anderen Leben, ich meinen 12 rummeligen Quadratmetern im Studentenwohnheim. Als ich irgendwann eine Nachricht von ihr las, an einen Mitreferendaren, dass sie sich wünschen würde, dass ich nur ein wenig mehr wie er wäre, ging unsere Beziehung in die Brüche. Im Wohnheim wurde es mir zu eng. Die Clique, in der ich mich so wohl fühlte, ging auseinander, sie alle haben ihr Studium beendet. Ich habe es nicht geschafft.

In der Folge suchte ich mir eine WG in Münster, in der Nähe einer neuen Freundschaft, die ich geschlossen hatte. Der ehemalige Mitbewohner der Exfreundin. Ich arbeitete nur noch in diesem Nebenjob und war nebenbei eingeschrieben. Der Job verursachte mehr und mehr schlaflose Nächte, aber ich wusste nicht raus. Ich brauchte das Geld und ich hatte keine Kraft mehr, mir was anderes zu suchen. Private Krankenversicherung, Steuern, Rente…. Es überforderte mich mehr und mehr und ich zog mich immer weiter zurück. Kaufen, Internet, Computerspiele, TV… es gab nichts anderes mehr. Ernährte mich ungesund, verwahrloste mehr und mehr… Dennoch lernte ich eine neue Frau kennen, zog zu ihr nach Bielefeld und startete einen neuen Studiumversuch und scheiterte erneut.

Meine Ängste haben sich mittlerweile massiv manifestitiert. Ich habe Angst vor jeder Veränderung, komme aus dem Teufelskreis des Jobs nicht heraus, der mich in die Altersarmut gleiten lässt, da ich nicht fürs Alter vorsorge. Die private Krankenversicherung mit hohem Selbstbeteiligungsanteil unterstützt meine Angst vor Ärzten, die ich eh seit Jahren meide und nur in Momenten völliger Verzweiflung und Panik aufsuche. Jeder Brief einer Behörde bereitet mir Angst und lässt mich nicht mehr schlafen. Ich verstecke mich hinter meinen Hobbies, dem Internet, dem TV… verlasse die Wohnung so gut wie nie und wenn dann nur für schöne Dinge. Habe keine Freunde mehr bzw. pflege keine realen Freundschaften, sondern befriedige meine sozialen Bedürfnisse mit Social Media… bin immer dicker geworden, und habe meine sexuelle Lust verloren, lasse meine kleine Höhle verwahrlosen.

Zuletzt hat mich ein tiefer Schnitt in meinen Daumen nächtelang in Todesangst versetzt, trotzdem konnte ich erst zwei Wochen später meine Angst vor dem Arzt überwinden. Ich leide noch heute unter dem Daumen. Diese kleine Verletzung hat mich wieder völlig aus der Bahn geworfen. Wo ich noch zuversichtlicher in das Jahr gestartet bin und viel Gewicht verloren hatte. Dann starb mein Bruder, der immer ein Anker in meinem Leben war, auch wenn wir uns nicht jede Woche sprachen. Nun stehe ich hier in den Trümmern meiner Existenz und weiß nicht, ob ich die Kraft habe, meine Ängste zu bekämpfen. Ich bin 45 Jahre und habe das Gefühl, dass mein Leben gelaufen ist. Dass es schlicht zu viele Baustellen sind. Die Sackgasse meines Lebens…

Bitte... Hilfe... ich kann nicht mehr...
hundethomas
Beiträge: 1192
Registriert: 28. Aug 2022, 21:04

Re: Ich brauche Hilfe

Beitrag von hundethomas »

lieber Steppenwolf,

erstmal ein herzliches Willkommen hier im Forum. Ich wünsche dir von Herzen, das du hier

ganz viel Liebe und Annahme finden darfst. Dass deine Wunden mehr und mehr heilen.

Aber gut, dass du dich deiner Lebenswahrheit stellen konntest. Dass du bemerkt hast,

so wie du seither gelebt hast, geht nicht mehr.

Du bist wie ich, ein Leben lang, auf der Suche nach Liebe, Annahme, und Geborgenheit.

Und hast dich dabei immer wieder verletzt. Wurdest enttäuscht, hast wie ich, vielleicht

auch andere Menschen enttäuscht. Und aus Frust beginnst du zu viel zu essen. Um

dadurch vielleicht mit dem Essen Liebe zu bekommen.

Möchtest gesehen werden, anerkannt, geliebt, wertgeschätzt...........

Vielleicht haben dir deine Eltern zu wenig Vertrauen in das Leben mit gegeben. Selbstwert

entsteht, wenn deine Eltern angemessen auf deine Bedürfnisse eingegangen sind.

Dass deine Eltern wertschätzend und liebevoll auf deine Nöte reagiert haben.

Wenn das gut ist, dann spürt das Kind, oh ich bin wertvoll, meine Bedürfnisse werden

anerkannt und gestillt. So wie ich bin ist voll okay.

Wenn das nicht so ist, sind wir wie ein hungriges Baby, laufen ein Leben lang unseren

ungestillten Bedürfnissen nach.........

Lange blieb auch ich bei der Anklage gegen meine Eltern stecken.

Bis ich merkte, oh vieles liegt an ja an mir selbst, ich habe die Möglichkeit, mein

Leben frei zu gestalten..........Und jetzt übernehme ich Verantwortung dafür.

Ich möchte mich so annehmen und lieben, so wie ich bin. Alles, auch meine Vergangenheit,

mich damit versöhnen. Vielleicht könnte dir da eine Therapie helfen, dein ganzes Leben

ehrlich anzunehmen.

Ich wünsche dir von Herzen, ganz viel Liebe für Dich selbst. Du kannst das schaffen.

Weil du voll wertvoll bist, einzigartig, viele gute Gaben und Fähigkeiten hast.


ganz viele liebe Grüße, Daniel
Jule73
Beiträge: 141
Registriert: 3. Mai 2022, 11:21

Re: Ich brauche Hilfe

Beitrag von Jule73 »

Lieber Steppenwolf,

ich habe deinen Text gelesen und kann dich sehr gut verstehen, vor allem was diese schrecklichen Ängste angeht. Auch wenn mein Leben anders verlaufen ist als deins, habe ich das Gefühl vor einem Scherbenhaufen zu stehen. Einfach weil ich mich krankheitsbedingt vom Wesen her stark verändert habe. Mein Selbstbewusstsein hat extrem gelitten und an manchen Tagen traue ich mir nicht mal mehr zu, etwas zu essen auf den Tisch zu bringen. Die starken Ängste haben mich letzten Endes in die Depression getrieben. Ich möchte aber gar nicht so viel von mir hier schreiben.

Aus deinem Text lese ich eine große Not heraus und ich überlege, wie man dir am besten helfen kann.

Du hast mehrere Probleme geschildert und ich lese heraus, dass du die meiste Zeit deines Erwachsenenlebens unglücklich warst und dich im Vergleich zu anderen, gleichaltrigen Personen, minderwertig gefühlt hast.

Mein Gedanke dazu: Egal, ob durchgemogelt oder nicht, du hast dein Abitur geschafft. Möglicherweise auch den Führerschein gemacht. Gearbeitet hast du auch, wenn du auch scheinbar kein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis hattest. Du hattest Beziehungen, die bestimmt nicht alle schlecht waren.

Ich denke, alles hat einen Grund und ich glaube auch an Schicksal, Glück und Unglück. Und ich denke, dass Jeder eine Daseinsberechtigung hat, auch du und ich und alle anderen auf dieser Welt. Ob es uns jetzt so vorkommt, als hätten wir unser Leben an die Wand gefahren oder nicht ist letzten Endes vollkommen egal. Auch wenn diese Gefühle die man hat, absolut schrecklich und kaum zu beschreiben sind. Ich habe es als innere Anspannung (denke, es zerreißt mich) und als ekelhaften Druck in der Brust erlebt, als würde mir jemand das Herz zusammenquetschen. Dieses Gefühl hatte sich manifestiert. Ich hatte es über einen langen Zeitraum und hatte Angst, dass es nie wieder weg geht.

Vielleicht hattest du einfach Pech in deinem Leben. Auch eine Spielsucht ist eine Erkrankung und da bist du glaube ich schon früh reingerutscht. Ich will dir damit aber nicht zu nahe treten. Will damit nur sagen, dass du nicht schuld bist an deinem Zustand.

Du hast zwar viel geschrieben aber eigentlich weiß ich zu wenig über dich, um dir Tipps geben zu können. Falls du verschuldet bist, wäre die Schuldnerberatung eine erste Anlaufstelle.

Was deinen seelischen Zustand angeht, müsstest du dringend mit einem Arzt reden. Entweder mit dem Hausarzt oder gleich mit dem zuständigen Facharzt (Neurologe / Psychiater). Gegen die starken Ängste könnten dir dann Medikamente verschrieben werden. Und eine Psychotherapie wäre sicher auch hilfreich.

Es ist schon einmal gut, dass du hier geschrieben hast. Bestimmt bekommst du noch die ein oder andere Antwort.

Ich wünsche dir, dass du ein wenig zur Ruhe kommst und hoffentlich eine erträgliche Nacht hast.

Lieben Gruß
Jule
DerSteppenwolf
Beiträge: 42
Registriert: 6. Okt 2022, 09:57

Re: Ich brauche Hilfe

Beitrag von DerSteppenwolf »

Hallo zusammen,

vielen Dank für eure ausführlichen Antworten. Ganz ehrlich. Danke. Da waren einige Anmerkungen drunter, die mich mitten ins Herz getroffen haben. Vielmehr reift die Überzeugung, dass ich externe Hilfe brauche. Meine Denkmuster halten mich gefangen, zerren an mir. Ich weiß, dass ich ohne Hilfe diesen Mustern nachgeben würde, wie ich es immer tat und ich höre die Gedanken noch der letzten Nacht, die mich überzeugen wollen, dass die Illusion und der Selbstbetrug doch angenehmer wären, als mich dem zu stellen und daran zu arbeiten. Fühle mich gerade nackt in eiskalter Nacht auf einem Feld stehen und hinter mehr schimmert der Schein der warmen und gemütlichen Höhle, die mich seit Jahrzehnten beherbergt. Die Illusion von Glück scheint soviel wärmer, als der Schmerz der Auseinandersetzung. Die bekannte Höhle soviel gemütlicher als das weite Feld, bei dem ich das Ende nicht sehe und mir Angst macht. Angespannt, ängstlich und nervös, mein ganzer Körper ist auf Flucht programmiert, gegen die ich ankämpfe, der ich nicht nachgeben will und daher auch u.a. den Austausch mit euch hier gesucht habe.

Vielen Dank!

DerSteppenwolf
hundethomas
Beiträge: 1192
Registriert: 28. Aug 2022, 21:04

Re: Ich brauche Hilfe

Beitrag von hundethomas »

lieber Steppenwolf,

oh in deinem tollen Namen steckt ein Wolf. Und mit Wolf verbinde ich Mut. Den Mut, dich

deinem Leben zu stellen. Niemand kann und darf dich dazu bringen, dich minderwertig zu

fühlen, auch nicht DU selbst. Viele Menschen leben eine Mischung zwischen Annahme und

Ablehnung. Selbst habe ich mir an meine Wand geschrieben, "Ich liebe mich und nehme

mich an, an guten und an nicht so guten Tagen." Und meine liebe Frau steckt mir auch

immer solche liebevollen und wertschätzenden Worte zu.

Betrachte dich einmal von einer ganzanderen Seite, als du es bisher getan hast.

Beginne dir selbst zu vertrauen. Unser vergangenes Leben können wir nicht mehr

rückgängig machen, aber dein zukünftiges Leben darfst du frei und selbstbewusst

gestalten.

Mir hat einmal ein Therapeut gesagt, er kann mir nur Hilfe zur Selbsthilfe geben. Helfen.

kann ich mir eigentlich nur selbst. ...............

Und das wünsche ich dir von Herzen, dass du dich mit deinem bisherigen Leben irgendwie

versöhnen kannst. Und das DU ganz arg viel Mut und Liebe für einen Neuanfang findest.

Eigentlich ist jeder neue Tag ein Neuanfang, eine Hoffnung......................

Glaube an Dich, hoffe für Dich, l e b e für Dich.........

Finde eine neue gute liebevolle Beziehung zu Dir selbst, und auch zu anderen Menschen.


viele, liebe Grüße an Dich,


hundethomas
Jule73
Beiträge: 141
Registriert: 3. Mai 2022, 11:21

Re: Ich brauche Hilfe

Beitrag von Jule73 »

Lieber Steppenwolf,

deine Geschichte berührt mich sehr... Vielleicht hältst du uns mal auf dem Laufenden, wie es dir so geht.

Viele Grüße
Jule
anja76
Beiträge: 25
Registriert: 30. Jul 2022, 00:43

Re: Ich brauche Hilfe

Beitrag von anja76 »

Lieber Steppenwolf.

Glaube an Dich und gib nicht auf. Auch Du bist wertvoll.
Wünsche Dir viel Kraft.
Lavendel64
Beiträge: 544
Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Ich brauche Hilfe

Beitrag von Lavendel64 »

Lieber Steppenwolf,

bitte bitte ... nimm externe Hilfe an. Es ist keine Schande oder ein Zeichen von Schwäche, wenn man um Hilfe bittet und sie auch annimmt. Es gibt Menschen, die können Dir helfen. In jedem Bereich, der Dir jetzt wie ein riesiger unüberwindbarer Berg erscheint.

Ich lese ganz viel Überforderung aus deinem Bericht. Als ich 19 war, starb eine meiner stärksten Bezugspersonen, mein Opa. Ich war im Krankenhaus, allein, weil ich den kürzesten Weg hatte. Ich versichere Dir: mit 19 ist man noch nicht erwachsen. Nicht ansatzweise. Man ist volljährig, darf Verträge unterschreiben ... Lebenserfahrung und Routine fehlen aber noch.
Leider ist noch oft "da muss man durch" die Devise, ohne zu eruieren, ob es denjenigen stärkt oder ein Scheitern schwächt. "Man hat immer die Wahl" ist angenehmer. Ist zwar manchmal Pest oder Cholera, aber immerhin... ein bewusster Prozess.

Jedoch: die Vergangenheit lässt sich nicht ändern, die Erlebnisse beim Bund, das Scheitern des Studiums ... so what?! Es gibt eben Grenzen. Besinn Dich auf die Fähigkeiten, die Du hast: Du hast Abitur, hast in der Bank gearbeitet, hast also Wissen, Arbeitserfahrung.
Das mit dem Beruf (Anerkennung!) kenne ich übrigens auch. Mich hat das Leben irgendwann an die richtige Stelle gerückt.

An Deiner Stelle würde ich zunächst einmal psychologische Hilfe suchen. Der psychiatrische Dienst Deiner Stadt, Dein Hausarzt, die Telefonseelsorge: alle können dir zumindest mit Ansprechpartnern weiterhelfen. Nicht verzweifeln, wenn es nicht sofort klappt (Therapeuten haben lange Wartezeiten). Du bist selber in deiner Versagens-Gedankenschleife gefangen, da kommst Du leichter und schneller mit Hilfe von außen raus.

Alles in Dir signalisiert, dass es so nicht weitergehen soll - bitte nimm die Änderungen in Angriff. Es wird ein holpriger, steiniger Weg, aber er ist es wert. Du solltest es dir wert sein.

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
DerSteppenwolf
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Re: Ich brauche Hilfe

Beitrag von DerSteppenwolf »

Hallo Lavendel,

auch dir vielen Dank für deine Worte. Ja, ich habe in den letzten Tagen erkannt, dass ich ohne externe Hilfe nicht aus meiner Spirale herauskomme. Derzeit ist meine Panik größer als die Angst aus meinem Schneckenhaus herauszukommen und das muss und will ich nutzen. Habe mir die Möglichkeiten in meiner Stadt angeschaut und zum Teil schon Kontakt aufgenommen. Ich bin mir im Klaren, dass ich auch wieder Rückzugbedürfnisse entwickeln werde und sich meine Muster wieder aufdrängen, aber heute bin ich schon einmal ein oder zwei Schritte auf dem Weg gegangen, den ich gehen will.

LG
Steppenwolf
DerSteppenwolf
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Re: Ich brauche Hilfe

Beitrag von DerSteppenwolf »

Nachdem der recht stabilen Tag gestern, mit den ersten Kontaktaufnahmen zu zwei Therapeuten, hatte ich heute die dumme Idee, meinen "Rucksack" kurz aufzumachen und reinzusehen, wollte den Dingen, die mich belasten, ins Auge sehen. Es ging nicht gut. Bin aus der Wohnung geflüchtet und saß zwei Stunden weinend und zitternd auf einer Parkbank. Jetzt habe ich mich ein wenig beruhigt und den "Rucksack" wieder fest verschlossen. Kennt ihr das auch, dass euch eure Gedanken in Sicherheit wiegen, nur um euch dann ertränken wollen? Dass jeder Gedanke an Zuversicht brutal zerschlagen wird?

LG
Steppenwolf
hundethomas
Beiträge: 1192
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Re: Ich brauche Hilfe

Beitrag von hundethomas »

lieber Steppenwolf,

ja ich kenne das auch. Das meine Gefühle in der Depression zu stark werden, ich in

meiner Depression nicht mehr klar und nüchtern denken kann. Gefühle sind eigentlich

etwas sehr Schönes. Doch wenn sie in der Depression aus der Balance kommen..........

Mir persönlich hilft es, meine Gefühle aufzuschreiben. Warum denke ich so wie ich gerade

denke.


Früher lief ich in meiner Depression in gebeugter Haltung durch mein Leben.

Machte mich, obwohl ich eigentlich groß bin, klein. Und ich habe Fettpolster

aufgebaut, um mich gegen meine Ablehnung, oder Ablehnung anderer Menschen zu

schützen. Seitdem versuche ich, körperlich stärker zu werden. Das hat auch Auswirkungen

auf mein Innerstes. Meine Körperhaltung wird besser, ich darf klarer und fester stehen.

Zu mir selbst, aber auch zu meiner lieben Frau und meinen Kindern.

Lasse dir helfen, innerlich und äußerlich, klar, stark zu werden. Zu dir zu stehen.

Egal was kommt, oder nicht kommt.

Das geht aber leider nicht von heute auf morgen. Lasse dir Zeit.......


liebe. leise Grüße.
Ulli1905
Beiträge: 38
Registriert: 14. Sep 2022, 08:51

Re: Ich brauche Hilfe

Beitrag von Ulli1905 »

Lieber Daniel,
ich habe Deinen Beitrag gerade gelesen und bin sehr berührt. Danke, dass Du deine Lebensgeschichte mit uns geteilt hast!

Mein erster Gedanke war: welche Stärke Menschen entwickeln können, um "das" überleben zu können!

Mein zweiter Gedanke: jetzt ist es "nur" noch der Schritt, sich dabei helfen zu lassen, diese enorme Stärke konstruktiv für das eigene Leben einzusetzen.

Ich glaube, die Meisten hier im Forum kennen dieses Gefühl von "Sackgasse", das Gefühl zu viele Fehlentscheidungen im Leben getroffen zu haben und nun "zu alt" zu sein, um aus der Sackgasse wieder rauszukommen. Und dieses Gefühl von "gefangen am Ende der Sackgasse" ist grausam ...

Was ich hier an diesem Forum so toll finde: es gibt hier Menschen, die waren an diesem Ort ... und die sind heute ganz woanders! Die haben einen Weg gefunden! Und wenn sie einen Weg gefunden haben, dann gibt es den auch für Dich.

Auch eine sehr lange Reise beginnt mit einem ersten Schritt. Und setzt sich fort mit einem Zweiten. Mit Pausen. Auch mit Tränen. Wichtig ist, immer wieder EINEN Schritt zu gehen.

Ich habe meine erneute Heilungsreise vor ca. 8 Wochen begonnen. Die ersten Schritte bin ich tränenblind gegangen. Zitternd. Habe einen Termin bei meinem Psychiater gemacht, um mir AD verschreiben zu lassen, obwohl ich NIE mehr zu ihm gehen wollte (was mehr mit den Gesprächen als den Tabletten zu tun hatte). Habe ganz offen gesagt, ich möchte nur das Rezept und gut ist. Nach drei Wochen setzte dann von jetzt auf gleich die stimmmungsaufhellende Wirkung ein und ich fühlte mich endlich wieder "normaler".

Mit jedem kleinen Schritt kehrt etwas mehr Kraft zurück. Ich habe 6 Therapeuten angerufen, mich auf Wartelisten setzen lassen, von einer Praxis kam schon Stunden später der Rückruf dass ich in der kommenden Woche einen Termin haben könne. Und nun bin ich dort schon wöchentlich in Therapie, weil ich aktuell zeitflexibel bin.

Es gibt auch Praxen, die Therapeuten im Anerkennungsjahr (oder so ähnlich, also noch in Ausbildung) haben, da kann man auch sehr schnell einen Platz bekommen.

Was ich Dir auch empfehlen kann, ist ein Aufenthalt in einer Akutklinik, um erstmal raus aus dem destruktiven Alltag zu kommen, um sich etwas zu stabilisieren, Mut zu schöpfen, Kontakte zu knüpfen, Ideen zu sammeln. Ein Hausarzt kann dorthin überweisen, es gibt allerdings auch hier Wartezeiten.

Auch ich wünsche Dir von Herzen, dass Du schnell Hilfe findest und es Dir schon bald besser gehen wird.

Liebe Grüße,
die Ulli
DerSteppenwolf
Beiträge: 42
Registriert: 6. Okt 2022, 09:57

Re: Ich brauche Hilfe

Beitrag von DerSteppenwolf »

Hallo Thomas, hallo Ulli,

vielen Dank für eure Worte. Ich habe morgen meinen ersten Termin bei einer Psychotherapeutin. Ich bin nervös, muss ich gestehen und alles steht in mir auf Fluchtmodus. Aber ich werde mit zusammenreissen. Der Leidensdruck ist hoch genug. Mittwoch muss ich wegen meiner Daumenverletzung nochmal zum Hausarzt. Da dieser derzeit sehr schmerzt drehen sich meine Gedanken fast nur darum. Wenn dass doch wenigstens endlich besser werden würde... Heute Nacht wieder schlecht geschlafen... alle 2 Stunden aufstehen und Kühlpad wechseln... entsprechend begleitet mich das schwindende Tageslicht und die kommende Nacht mit feuchten Händen, innere Unruhe und Konzentrationsschwierigkeiten.
Ich versuche immer von Tag zu Tag zu denken, habe aber das Gefühl, dass es von Tag zu Tag schlimmer wird. Vielleicht weil die Kraft schwindet.

VG
Steppenwolf
DerSteppenwolf
Beiträge: 42
Registriert: 6. Okt 2022, 09:57

Re: Ich brauche Hilfe

Beitrag von DerSteppenwolf »

Hallo zusammen,

ein kurzes Lebenszeichen von mir. Habe jetzt meine ersten Termine Verhaltenstherapie hinter mir. Es ist hart die eigenen Dämonen derart eng beinander zu haben, schön ist es Zusammenhänge zu erkennen, die man bislang noch nicht auf dem Schirm hatte (wie zB. ei perfektionistisches Elternhaus).

Ich bin mit einem besseren Gefühl in die Vorweihnachtszeit gestartet, als ich gedacht hatte. Leider eröffnete mir meine Partnerin gestern, dass sie sich eine Beziehungspause wünschte. NIcht (nur) weil ich in Therapie bin. Kurz zu ihr: Sie ist auch seit ein paar Monaten in Therapie, kommt aus einer Suchtfamilie (sie selbst coabhängig). Nun hat sie das Gefühl, dass bei ihr einiges aufgebrochen wird und sie das Gefühl hat, die ersten 20 Jahre ihres Lebens neu bzw. erstmalig zu erleben. Sie war in ihrem Leben noch nicht alleine und das belastet sie jetzt.

Für mich bricht natürlich eine Welt zusammen und ich bin tiefer als ich es noch im Oktober war. Heute stellte ich mir das allererste Mal die Frage, wofür es sich noch zu leben lohnt. Ohne sie habe ich einfach nichts mehr. Gar nichts.

LG
Daniel
T Ally
Beiträge: 594
Registriert: 30. Jul 2014, 14:34

Re: Ich brauche Hilfe

Beitrag von T Ally »

Hallo Steppenwolf,

Deinen Text habe ich gelesen und Deine Verzweiflung wahrgenommen. So recht weiß ich nicht, was ich sagen soll, einen Rat kann ich Dir ohnehin nicht geben. Aber ich wollte Dir zweigen, dass Du gesehen wirst!

Bitte gib nicht auf!
Nimm die Äußerungen Deiner Partnerin wahr und höre ihr zu. Lass Dich aber bitte nicht zu dummen Taten verleiten. So wie Du schreibst, kämpft sie gerade mit sich, das hat nichts mit Dir zu tun.

Im Zweifel wende Dich an Deinen Therapeuten oder einen Facharzt und besprich dort Deine aktuellen Sorgen und was diese in Dir auslösen. Es gibt bestimmt einen Weg für Dich. Ich wünsche es Dir!

Alles Gute für Dich und ganz viel Kraft. Suche Dir Unterstützung und Hilfe, Du bist es wert!
DerSteppenwolf
Beiträge: 42
Registriert: 6. Okt 2022, 09:57

Re: Ich brauche Hilfe

Beitrag von DerSteppenwolf »

Danke dir T Ally,

ich quäle mich durch die Tage, an Schlafen ist nachts auch nicht zu denken, aber ich gebe ihr ihre Zeit. Sie war nun zwei Tage bei einer Freundin. Natürlich hat jede Faser meine Körpers sie vermisst, aber ich weiß, dass sie die Zeit braucht.
Ich muss auch mehr auf mich schauen, es ist ja schließlich nicht so, dass ich nicht auch für mich da sein muss. Weiter um meine Krankheit kümmern, weiter versuchen Weichen für die Zukunft zu stellen. Dieses neue Gefühl der Einsamkeit schmeißt nur wahnsinnig dicke Stöcke zwischen die Beine...

Liebe Grüße
Daniel
Lavendel64
Beiträge: 544
Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Ich brauche Hilfe

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo Daniel,

Respekt! Du bist in der kurzen Zeit einen guten Weg gegangen. Der Schritt, Hilfe von außen anzunehmen, ist riesig. War eventuell schon mal ein Klinikaufenthalt im Gespräch?

Deine Freundin scheint psychisch nicht unbelastet zu sein. Da kommt bei Euch einiges zusammen. Wenn sie bei Dir bliebe, wäre es Dir zuliebe, das kann nur ungut ausgehen. Sie arbeitet an sich selber und braucht die Zeit und die Freiheit. Toll, dass Du das vrstehst und akzeptierst. Die kommende Zeit ist sicher nicht einfach, aber hey, du hast begonnen, die Dämonen zu bekämpfen. Geh diesen Weg weiter, vielleicht führt er euch irgendwann wieder -gestärkt- zusammen, vielleicht ergeben sich andere Wege.

Ich drücke dir die Daumen ... paß auf Dich auf.
LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
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