Leichter verstehen durch Geschichten

[Ulli1905]

Mir hilft es sehr, Gefühle in "Bilder" zu packen um mich selber besser zu verstehen oder mich mitteilen zu können. Während meiner ersten Depressionsphase habe ich fast täglich eine Geschichte mit diesen Bildern geschrieben und war am Ende oft erstaunt, wie sehr sie MIR SELBER helfen konnte und erste Lösungsansätze enthielt.

Mit euch teilen möchte ich eine Geschichte die NICHT von mir ist, die einige von euch sicher auch kennen ... sie passt für mich so gut zum Thema Therapie



1.


Ich gehe die Straße entlang.


Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.


Ich falle hinein.


Ich bin verloren...Ich bin ohne Hoffnung.


Es ist nicht meine Schuld.


Es dauert endlos wieder herauszukommen.




2.


Ich gehe dieselbe Straße entlang.


Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.


Ich tue so, als sähe ich es nicht.


Ich falle wieder hinein.


Ich kann es nicht glauben, schon wieder am gleichen Ort zu sein.


Aber es ist nicht meine Schuld.


Immer noch dauert es sehr lange herauszukommen.




3.


Ich gehe dieselbe Straße entlang.


Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.


Ich sehe es.


Ich falle immer noch hinein...aus Gewohnheit.


Meine Augen sind offen.


Ich weiß, wo ich bin.


Es ist meine eigene Schuld.


Ich komme sofort heraus.




4.


Ich gehe dieselbe Straße entlang.


Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.


Ich gehe darum herum.



5.


Ich gehe eine andere Strasse.


- Sogyal Rinpoche


Liebe Grüße,
die Ulli

[747er]

Das ist aus dem Buddhismus, oder? Ich finde, da gibt es viele Weisheiten, die man in seinen Alltag einbauen kann, auch ohne Buddhist zu sein.

[Ifightdepression79]

Guten Abend,
ich bin an Punkt 3 der Geschichte angekommen. Hat 20 Jahre gedauert...
Habt eine gute Nacht
Vg
Malte

[MySun]

Guten Abend,

ich bin an Punkt 3 der Geschichte angekommen. Hat 20 Jahre gedauert...

Im dritten Kapitel angekommen,
brauche ich Reflexionsfähigkeit
Einsicht und Erkenntnis, um weiter gehen zu können.

3. Kapitel der Autobiografie in fünf Kapiteln
Ich gehe dieselbe Straße entlang:
Ich sehe, da ist wieder dieses dunkle Loch.
Plumps, aus Gewohnheit falle ich wieder hinein. –

Dieses Mal untersuche ich die Hintergründe,
dass ich immer wieder in dieses Loch falle.

Sofort komme ich wieder heraus.
Tibetischer Buddhismus

LG und eine gute Nacht
MySun

[Maxegon]

5.
Ich gehe eine andere Strasse … und finde den Heimweg nicht mehr.

Wenn ich nicht lerne, um die Löcher herum zu gehen oder sie gar zu zuschütten, werde ich immer wieder hieinfallen, auch andere Straßen haben Löcher, welche ich noch nicht kenne.

Nun kann ich immer wieder den gleichen Fehler machen oder das Haus gar nicht mehr verlassen.

Die Kunst ist, nicht ins Loch zu fallen. Jeder Sturz ins Loch bedeutet Verletzungen, jede Verletzung schwächt mich, es fällt mir immer schwerer aus dem Loch zu kommen.

Das schöne an diesen Geschichten ist die Einfachheit, ähnlich der Fabeln.
Ja, aber … raunt es durch die Menge der Zuhörerschaft, das muss analysiert werden, darüber muss man diskutieren, dass kann man therapieren/ behadelt werden. Wer hat Schuld? Das Loch oder ich?

Es ist so einfach, dem Grunde nach, entweder lerne ich oder das Loch.

[MySun]

Guten Morgen zusammen,

ich denke,
dass dieser Text sowohl auf „Entwicklung" als auch auf "Veränderung“ hinweisen möchte.

1. --- Kapitel der Autobiografie in fünf Kapiteln ---
Ich gehe die Straße entlang:
Da ist ein dunkles Loch.
Plumps, ich falle hinein. –
Ich sitze im Loch und schimpfe,
hadere mit meinem vermeintlichen Schicksal
und komme lange nicht wieder heraus. –
Irgendwann komme ich dann wieder heraus.

2. --- Kapitel der Autobiografie in fünf Kapiteln ---
Ich gehe dieselbe Straße entlang:
Ich sehe, da ist wieder dieses dunkle Loch.
Plumps, ich falle wieder hinein. –
Ich kann nicht glauben, schon wieder im gleichen Loch zu sitzen.
Ich zetere, schimpfe und krakele. _
Nach langer Zeit komme ich irgendwie heraus.

3. --- Kapitel der Autobiografie in fünf Kapiteln ---
Ich gehe dieselbe Straße entlang:
Ich sehe, da ist wieder dieses dunkle Loch.
Plumps, aus Gewohnheit falle ich wieder hinein. –
Dieses Mal untersuche ich die Hintergründe,
dass ich immer wieder in dieses Loch falle.
Sofort komme ich wieder heraus.

4. --- Kapitel der Autobiografie in fünf Kapiteln ---
Ich gehe dieselbe Straße entlang:
Ich sehe, da ist wieder dieses Loch. –
Ich gehe daran vorbei.

5. --- Kapitel der Autobiografie in fünf Kapiteln ---
Ich gehe einen anderen Weg.
Tibetischer Buddhismus

In jedem Kapitel,
mit jedem Schritt,
ergibt sich eine weitere Entwicklung.
Im letzten Kapitel,
mit dem fünften Schritt, findet Veränderung statt.

Es besteht ein Unterschied zwischen Entwicklung und Veränderung.

Jeder Schritt ist eine große Herausforderung auf unserem Entwicklungsweg.

Herzliche Grüße
MySun

[Aurelia Belinda]

@ Maxegon
Was ist damit gemeint wenn du schreibst "ich finde den nach Hause Weg nicht mehr?"

@ MySun, ich stimme dir zu. Es bedarf Veränderung. Nun muss ja jeder seinen eigenen "neuen Weg" finden. Für mich war es immer entscheidend, was brauche ich dazu?
Einen neuen Weg im Aussen? Oder eher einen Perspektivenwechsel. Bei mir war es der Blick nach innen der die hilfreiche, große Veränderung in Folge dann auch im Aussen bewirkt hat.

LG Aurelia

[MySun]

MySun, ich stimme dir zu. Es bedarf Veränderung. Nun muss ja jeder seinen eigenen "neuen Weg" finden. Für mich war es immer entscheidend, was brauche ich dazu?

Liebe Aurelia,
Du bist auf Deinem Weg. Wir alle sind auf unserem Weg.
Ich habe nur den einen Weg. Meinen Weg.
Es ist ein Weg voller Hürden, voller Hindernisse, und mit Löchern in der Straße, Kreuzungen und Kreisverkehrsituationen mit unübersichtlich und zu vielen möglichen Ausfahrten.
Es gibt immer wieder Ängste und Befürchtungen, auf meinem Weg, gefühlte Unzulänglichkeiten und immer wiederkehrende störende Selbstzweifel, die wie aus dem Nichts hervorkommen.

Mein Weg ist ein Weg, der bereits über viele Stufen führte und weiterführen wird,
Stufen, die ich oft fürchte, nicht erklimmen zu können.
Manchmal „hänge ich zwischen zwei Stufen fest“, so dass ich für eine ganze Weile nicht weiter gehen kann.

Es sind Hürden, Hindernisse und scheinbar endlos viele Stufen auf meinem Weg,
für sie alle brauche ich Reife und Entwicklung, denn nur dadurch geschieht Veränderung.
Es ist ein langer Prozess.

Meine Sehnsucht ist es, die mich zieht, die mich antreibt, die mich suchen und weitergehen lässt.
Wohin führt mich meine Suche, meine Sehnsucht? Zu mir selbst?
Was ist das Ziel meiner Sehnsucht sonst.
LG MySun
__________________
Jung betrachtete den Individuationsprozess als einen lebenslangen, unvollendbaren Prozess mit einer stetigen Annäherung an ein „fernes Ziel“, das Selbst.

[MySun]

"Gleichsprachigkeit ist Verwandtschaft und Verbundenheit.
Der Mensch im Dasein mit Unvertrauten ist aber wie gefangen.
Nicht selten sind ein Inder und Türken gleichsprachig.
Nicht selten sind zwei Türken wie zwei Fremde.
Deshalb ist die Sprache der Vertrautheit eine andere.
Gleichherzigkeit ist besser als Gleichsprachigkeit.
Ohne Rede, Zeichen und Schrift
kommen tausende Übersetzungen aus dem Herzen empor."

--Rumi (1207-1273)---

[Ulli1905]

Ich danke euch sehr für eure Antworten, die so herrlich vielfältig sind. Großartig!

Heute frage ich mich. an welchem Punkt des Bildes befinde ich mich? Ich sehe mich verharrend stillstehen, auf die vor mir liegende Straße blickend. Ich nehme die Löcher wahr. Ich weiß wie es in den Löchern ausschaut - NEIN, da möchte ich nicht mehr hin. Leider weiß ich aus der Vergangenheit aber auch, dass mich die Löcher "irgendwie" wie magisch anziehen. Halt, es gab Ausnahmen ... was war da anders? Und sofort taucht das Wort "Gemeinschaft" auf ...

WIR gehen eine Straße entlang ...

Wir halten uns an den Händen, haben uns untergehakt, sind verbunden.

Wir achten aufeinander.

Es ist gar nicht mehr möglich, in ein Loch hineinzufallen.


Da fällt mir eine Erzählung ein, die von Dorfgemeinschaften in Afrika erzählt. Wenn es jemandem schlecht geht, dann kommen alle zusammen und bleiben bei demjenigen, so lange, bis es ihm wieder gut geht. Ich weiß gar nicht, ob das eine Legende ist oder wirklich so gewesen war / ist - aber allein die Vorstellung dass es so sein könnte ist so schön.

Liebe Grüße,
die Ulli