neu hier... Akzeptanz der Krankheit vs schlechter Charakter

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HeyJoe
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Registriert: 24. Sep 2022, 22:16

neu hier... Akzeptanz der Krankheit vs schlechter Charakter

Beitrag von HeyJoe »

Hallo und guten Abend :hello:

Ende letzten Jahres wurde ich aufgrund psychischer Probleme von der Arbeit krankgeschrieben und durchlaufe seither diverse Prozesse und treffe auf meiner Reise ins "ich" unterschiedlichste Themen an.
Eines, auf das ich immer wieder treffe, ist die Frage nach "selber schuld", "schlechter Charakter", "wenn ich mich nur anstrenge" etc. vs. Akzeptanz, dass ich krank bin. Ich ertappe mich immer wieder dabei, mich selber niederzumachen, dass ich einfach ein schlechter, fauler etc. Mensch bin und selber an der Situation schuld bin.

Auf Kommentare und Gespräche freue ich mich und bin sehr auf den gegenseitigen Austausch gespannt.
Muschelsammlerin
Beiträge: 199
Registriert: 18. Dez 2016, 18:34

Re: neu hier... Akzeptanz der Krankheit vs schlechter Charak

Beitrag von Muschelsammlerin »

Meiner Meinung nach ist die Frage nach "Schuld" völlig irrelevant....
Was änderte es, wenn Du "unschuldig" so unglücklich/krank bist? Nichts!
Viel wichtiger ist es doch, zu überlegen , wie man aus dieser schlechten Situation herauskommt oder wie man sie zumindest verbessert.
Was heißt es für Dich, einen "schlechten Charakter" zu haben? Dass man nicht so leistungsfähig ist wie andere? Oder dass man in seinem Leben nicht viele Erfolge hatte, sei es im Privaten oder im Job?
Wieso bist Du so unzufrieden mit Dir?
**************************************************************************
Liebe Grüße von der Muschelsammlerin
MySun
Beiträge: 538
Registriert: 4. Jul 2022, 09:45

Re: neu hier... Akzeptanz der Krankheit vs schlechter Charak

Beitrag von MySun »

HeyJoe hat geschrieben: Ende letzten Jahres wurde ich aufgrund psychischer Probleme von der Arbeit krankgeschrieben und durchlaufe seither diverse Prozesse und treffe auf meiner Reise ins "ich" unterschiedlichste Themen an.
Auf Kommentare und Gespräche freue ich mich und bin sehr auf den gegenseitigen Austausch gespannt.
Hallo und guten Abend hier im Forum
Hast du bereits eine Therapie angefangen? "Die Reise zum Ich" braucht gute Unterstützung und ausreichend Geduld....
Ich wünsche dir mindestens beides :)
LG
"Viele Menschen sind zwar am Leben, berühren aber nicht das Wunder, am Leben zu sein.“-ThichNhatHanh-

Von Herzen
MySun
Jogi2014
Beiträge: 47
Registriert: 22. Jul 2014, 11:07

Re: neu hier... Akzeptanz der Krankheit vs schlechter Charak

Beitrag von Jogi2014 »

Hallo,
mir fällt bei dieser Thematik ein, dass ich auch bei anderen 'gewöhnlichen' Krankheiten schon immer unsicher war,wann ich denn nun krank genug bin, um mich guten Gewissens auf der Arbeit krank zu melden. Klar gibt es da eindeutige Situationen, aber der Gedanke beiss Dich durch ist immer da. Gleiches erkenne ich auch mit der Depression. Es ist in letzter Zeit morgens oft ein Kampf und bisher mache ich weiter, obwohl es an einigen Tagen sehr schwer war. Meine Arbeitssituation mit home office und gewissen Freiheiten macht das aber nur möglich, täglich im Büro würde das so nicht gehen, aber egal.
Irgendwie verstehe ich das Leben mit der Depression aber auch so, dass man sich eben überwinden muss, täglich aber ich habe Angst dass mir das nicht gelingt, wenn sich auf längere Sicht nichts bessert und sich mein Energielevel nicht anhebt. Irgendwie ein Teufelskreis, der durchbrochen werden muss. Aber durch mich und wenn ich es nicht schaffe, habe ich was falsch gemacht oder mich nicht genug angestrengt, mich hängen lassen, um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen. Das ist vermutlich keine gute, heilsame Denkweise aber irgendwie da.
Liebe Grüße
lena89
Beiträge: 32
Registriert: 29. Jul 2022, 09:08

Re: neu hier... Akzeptanz der Krankheit vs schlechter Charak

Beitrag von lena89 »

Hallo und willkommen hier. Ich denke auch dass die Frage ob guter oder schlechter Charakter völlig überflüssig und fehl am Platz ist. Wichtig ist zu akzeptieren dass man in eine Krankheit geraten ist die Energie und Lebensfreude und Schaffenskraft "frisst". Die einzig wichtige Frage ist: Wie komme ich da raus? Medikamente, Therapie und viel viel Energie sich immer wieder aufzuraffen, um Erlebnisse zu suchen die uns gut tun. Ich wünsche dir viel Kraft zu all dem.
Lieber Gruss Inge
HeyJoe
Beiträge: 4
Registriert: 24. Sep 2022, 22:16

Re: neu hier... Akzeptanz der Krankheit vs schlechter Charak

Beitrag von HeyJoe »

MySun hat geschrieben:Hallo und guten Abend hier im Forum
Hast du bereits eine Therapie angefangen? "Die Reise zum Ich" braucht gute Unterstützung und ausreichend Geduld....
Hallo MySun
Ja, seit November bin ich in Therapie, auch medikamentös. Geduld ist immer wieder schwierig, das braucht es wirklich sehr.


Allgemein frage ich mich auch, ob ich nicht bereits seit langer Zeit (Jahrzehnte) depressiv bin, es nur noch nie so benannt wurde. Das macht es evtl. auch noch herausfordernder mit der Akzeptanz. Mir fällt es leider schwer, da mein Kopf mir immer wieder sagen will, dass ich einfach nicht hart genug versucht habe, ich mich nicht so anstellen soll etc. Daher ist dies für mich auch ein Thema, an welches ich immer wieder gerate.
Es wäre schön, wenn ich mich so annehmen könnte, wie ich bin. Leider gelingt mir das nicht.

Aber in dem Fall bin ich auf einem Weg, der helfen kann (Medikamente, Therapie...)
MySun
Beiträge: 538
Registriert: 4. Jul 2022, 09:45

Re: neu hier... Akzeptanz der Krankheit vs schlechter Charak

Beitrag von MySun »

Hallo Joe,
Rückblickend hat mein Partner seit mindestens 30 Jahren eine Depression. Die Diagnose wurde leider erst vor vier Jahren gestellt. Er wird in diesem Jahr siebzig. Aktuell hat er mindestens schon 200 Therapiestunden gehabt, sowie verschiedene Aufenthalte in psychosomatischen Kliniken.

Je früher erste Anzeichen einer Depression gesehen und erkannt werden, desto besser ist es. Im fortgeschrittenen Alter haben sich vorhandene Symptome wie Selbstzweifel, Ängste und Verletzungen aus der Vergangenheit, schon tief einprägen können.

Sein aktueller Zustand ist sehr fragil, und darum strebt er einen weiteren Klinikaufenthalt an.
...mein Kopf mir immer wieder sagen will, dass ich einfach nicht hart genug versucht habe, ich mich nicht so anstellen soll etc
Sag dir das bitte nicht.
Eine Therapie, ob ambulant oder in einer Klinik, ist harte Arbeit und sie erfordert ein hohes Maß an Geduld, Kraft und Mut. Bleibe freundlich und nachsichtig mit dir.
Ich gehe davon aus, dass jeder Patient versucht, ( du sicher auch) sich so in die Therapie einzulassen und einzubringen, wie er/sie es gerade kann.
Wichtig ist das du den Wunsch hast, die Therapie solange fortzusetzen, wie sie für dich erforderlich ist.
Es wäre schön, wenn ich mich so annehmen könnte, wie ich bin. Leider gelingt mir das nicht.
Ja, das wäre schön.
Ich wünsche dir sehr, dass du dir diesen Wunsch erfüllen wirst.
Alle Gute für deinen weiteren Lebensweg
LG MySun
________________________________
Je größer das Ziel ist, welches wir verfolgen, desto mehr Geduld erfordert es.
H.I.Khan
HeyJoe
Beiträge: 4
Registriert: 24. Sep 2022, 22:16

Re: neu hier... Akzeptanz der Krankheit vs schlechter Charak

Beitrag von HeyJoe »

Jogi2014 hat geschrieben: Das ist vermutlich keine gute, heilsame Denkweise aber irgendwie da.
Liebe Grüße
ja, sehe ich auch so, aber wie du sagst, irgendwie da. Das mit den "gewöhnlichen" Krankheiten kenne ich auch sehr gut. Es ist einfach sehr anstrengend.
Danke für Deine Gedanken
HeyJoe
Beiträge: 4
Registriert: 24. Sep 2022, 22:16

Re: neu hier... Akzeptanz der Krankheit vs schlechter Charak

Beitrag von HeyJoe »

Muschelsammlerin hat geschrieben:Meiner Meinung nach ist die Frage nach "Schuld" völlig irrelevant....
Was änderte es, wenn Du "unschuldig" so unglücklich/krank bist? Nichts!
Liebe Muschelsammlerin
Das denke ich in meinem Kopf auch, aber die Emotionen folgen da irgendwie nicht. Es geht wohl um innere Glaubenssätze...
Muschelsammlerin hat geschrieben: Was heißt es für Dich, einen "schlechten Charakter" zu haben? Dass man nicht so leistungsfähig ist wie andere? Oder dass man in seinem Leben nicht viele Erfolge hatte, sei es im Privaten oder im Job?
Vielleicht ist mir einfach kein passendes Wort eingefallen. Es sind wohl meine Erwartungen, welche ich an mich habe, die nicht erfüllt werden (können), was ich als "schlecht" betitle. An andere habe ich, so würde ich sagen, auch nicht diese Erwartungen.

Wieso ich so unzufrieden mit mir bin? Das ist eine gute Frage. Evtl. aufgrund meiner Erwartungen, welche ich nie erfüllen kann, die Erwartungen anderer Menschen, die ich einfach übernommen habe, meine Glaubenssätze. Im Kopf kann ich denk bereits viel benennen, aber dass die Emotionen folgen finde ich sowas von anstrengend, schwer.
747er
Beiträge: 386
Registriert: 10. Jul 2022, 10:20

Re: neu hier... Akzeptanz der Krankheit vs schlechter Charak

Beitrag von 747er »

Ich war früher auch ähnlich gestrickt, ich habe mich krank auf die Arbeit geschleppt, weil ich irgendwie dachte, ich sei nicht krank genug, um nicht zu gehen. Es ist mir mehrfach passiert, dass mein damaliger Chef mich heimgeschickt hat, weil ich total erkältet war, z.B. Dann konnte ich das auch immer problemlos akzeptieren, denn er hat mir ja quasi die Bestätigung gegeben, dass ich krank genug bin.

Ich kann mich erinnern, dass mir immer wieder von diversen Leuten gesagt wurde:" wenn du krank bist, bist du krank. Andere bleiben auch daheim, wenn es ihnen nicht gut geht." Trotzdem kostete es mich immer wieder viel Überwindung, mich krank zu melden.

Später wurde es dann etwas besser, aber ganz abgelegt habe ich das eigentlich erst, als das Mobbing auf meiner alten Arbeit anfing. Da wurde mir irgendwann bewusst, dass es doch irgendwie irrsinnig ist, so schnell wie möglich wieder diese fiesen Kollegen unterstützen zu wollen, oder eben gar nicht erst daheim zu bleiben. Es ist so, wenn du krank bist, und trotzdem arbeiten gehst, dann dankt es dir keiner.

Unsere Hochleistungsgesellschaft suggeriert es halt, dass Erfolg alles ist, was zählt, und wer nicht arbeitet, warum auch immer, ein fauler Hund ist. Aber wenn man mal genau überlegt, dann macht sich doch diese Hochleistungsgesellschaft selber kaputt. Oder wird auf deren Grabsteinen stehen, dass sie sich immer und bis zum bitteren Ende mit Hingabe für ihre Arbeit aufgeopfert haben?

Denk mehr an dich! Und es ist ja auch so, dass man, wenn man sich fit und gesund fühlt, bessere Arbeit leistet, als wenn man krank ist. Und grade Depressionen beinträchtigen die Arbeitsleistung total. Von daher, mach dir keinen Kopp um die Arbeit, denk an dich, und werd gesund!
DerBen
Beiträge: 3
Registriert: 17. Nov 2022, 22:45

Re: neu hier... Akzeptanz der Krankheit vs schlechter Charak

Beitrag von DerBen »

Hallo Forum,

gerade mein Account freigeschaltet und sofort als erstes diesen Thread gesehen und gedacht: Mist, das könntest du sein.

Bei mir ist die Situation dass ich wohl schon seit Jahren Probleme habe, mir dieses aber nie eingestehen wollte bzw auch durch andere Effekte wie Müdigkeit und gerade die Konzentrationsstörungen einfach "vergessen" hatte und alle Angriffe immer wieder nach kurzem im Sande verlaufen sind.

Ich finde es wirklich interessant dass auch andere Personen sich als "schuldig" bezeichnen und es auf einen "schlechten Charakter" schieben.
Leider bin ich auch in genau dieser Schiene mich selbst als schlechten Menschen zu sehen weil sich nämlich innerhalb der letzten vier Wochen die Ereignisse hier komplett überworfen haben und ich bei der Arbeit dann tatsächlich den absoluten burn out hatte und nun endlich beschlossen hatte für mich das Thema anzugehen, sich aber direkt im Anschluss meine Frau von mir getrennt hat aufgrund meines "Schlechten Charakters". Nun stehe ich vor einem kompletten Scherbenhaufen in dem sich mein komplettes Lebensziel in Luft auflöst. Das gerade frisch bezogene Haus, die Frau, die Kinder. Und dazu dieses absolut tiefe Loch in dass du damit fällst und nicht weißt wie du dort je wieder rausfinden sollst. Zeitweise habe ich während der ersten Phase in der ich es dann tatsächlich geschafft habe zu reflektieren mich so dermaßen selbst gehasst diese Situation verursacht zu haben, dass ich es kaum weiter beschreiben kann was einem dort für Gedanken im Kopf rumschwirren.

Glücklicherweise hat die ärztliche Versorgung wohl hier ganz gut funktioniert und mein Hausarzt hat alle Hebel in Bewegung gesetzt und einen ersten Psychotherapietermin habe ich auch unmittelbar bevorstehen, auch wenn es noch drei Wochen dauern wird und die Zeit bis dahin schier unerträglich sein wird.

Einen Vorstellungsthread habe ich auch schon erstellt, falls weitergehende Interesse besteht:
https://www.diskussionsforum-depression ... 57&t=43969" onclick="window.open(this.href);return false;

Viele Grüße
Ben
Wilson11
Beiträge: 11
Registriert: 7. Okt 2022, 16:47

Re: neu hier... Akzeptanz der Krankheit vs schlechter Charak

Beitrag von Wilson11 »

Hallo miteinander,

für erfolgsverwöhnte Männer ist es sehr schwer die Krankheit zu akzeptieren. Die Fachwelt sagt ca. 30 Monate brauchen Männer im Schnitt bis sie die Behandlung einsehen. Mit dem Charakter hat dies bestimmt nichts zutun. Viel mehr mit der Einsicht das man die Kontrolle verloren hat. Nichts geht mehr wie früher....

Hilfe anzunehmen ist bestimmt sehr wichtig. Je früher desto besser....

Viel Glück wünscht Euch eine betroffene ehemalige Führungskraft....
Heiligendamm2020
Beiträge: 407
Registriert: 16. Dez 2020, 20:24

Re: neu hier... Akzeptanz der Krankheit vs schlechter Charak

Beitrag von Heiligendamm2020 »

Ich erkenne mich ebenso in euren Erfahrungen wieder.
Annehmen, verstehen, helfen lassen, eigene Wünsche formulieren...
Eine schier endlose Kette könnte ich aufzählen.
Ich schätze mich als sehr rationalen Menschen ein, aber was nützt
all das Wissen, all das Erlernte, all die Hilfe wenn die nächste
depressive Episode immer mit einer Massivität das Ich überrollt,
so dass man nur um das eigene Überleben ringen kann.....
Flieht - ihr Narren!
CaMMi58
Beiträge: 3
Registriert: 28. Dez 2022, 19:54

Re: neu hier... Akzeptanz der Krankheit vs schlechter Charak

Beitrag von CaMMi58 »

Hallo, ich bin neu hier, aber eine alte Häsin, was die "Krankheit" Depression anbelangt. Im letzten Sommer habe ich nach 24 Jahren kontinuierlicher Einnahme - mehr versehentlich - meine antidepressive Medikation abgesetzt. Seitdem passieren seltsame Sachen in mir, teils sehr gute, teils beängstigende, aber immer bin ich es. Und ich lerne langsam zu fühlen. Ich habe viel Angst, und kenne auch die Selbstbeschimpfungen sehr sehr gut. Ich weiss, wie es ist, wenn man nur von einer Stunde zur nächsten lebt. Im Moment weine ich ganz viel, und beim Sprechen bricht mir die Stimme ab. Ich werde gesund werden, in diesem Jahr. Ich will meine eigene beste Freundin sein.
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