Ich stelle mich vor und sage Hallo

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cmage74
Beiträge: 3
Registriert: 13. Jun 2022, 18:06

Ich stelle mich vor und sage Hallo

Beitrag von cmage74 »

Hallo zusammen,

nach einer Weile mitlesen hier im Forum möchte ich mich heute auch mal zu Wort melden.

Mich mitzuteilen fällt mir nicht leicht, da ich insbesondere auch unter sozialen Ängsten leide.
Ich heiße Chris, bin 47 Jahre und komme aus Hessen. Bereits in den Jahren 2005, 2008, 2011 und zuletzt 2014 hatte ich mit schweren Depressionen zu kämpfen, 3 stationäre Therapien habe ich in dieser Zeit hinter mir. Auch damals schon begleitet mit sozialen Ängsten und zum Teil problematischen körperlichen Symptomen!

Ich lebe allein (war 7 Jahre verheiratet und habe einen erwachsenen Sohn) und habe kaum Freunde. Das entspricht aber grundsätzlich meiner Natur. Ich mochte noch nie zu viel Menschen in meinem näheren sozialen Umfeld - weder als Kind noch als Erwachsener. Das war und ist mir einfach zu anstrengend.

Hinzu kommt dass ich zeit meines Lebens hochsensibel und relativ schnell reizüberflutet bin. Ich habe das Gefühl, dass es, je älter ich werde, umso heftiger wird. Das macht es mir natürlich nicht leichter im Leben - weder im beruflichen Umfeld noch im Privaten.

Nicht dass ich nicht in der Lage wäre, mich vernünftig zu unterhalten. Leider ist es so, dass wir m.E. in einer sehr oberflächlichen Gesellschaft leben (höher, schneller, weiter) sind und mich banale Gespräche schnell langweilen. Ich liebe das Fotografieren, da bin ich bei mir und oft im sogenannten Flow. Weiterhin bin ich im sozialen Bereich seit gut 8 Jahren ehrenamtlich tätig. Das hat mir von Beginn an sehr gut gefallen und war mir wirklich eine Herzensangelegnheit. Insbesondere hier war ich in meinem Element, es war und ist sehr sinnerfüllt. Das musste ich leider allerdings erstmal pausieren.

Ende letzten Jahres habe ich nach 6 Jahren meinen Job gekündigt. Es ging einfach nicht mehr! Mobbing, Intrigen und was man sich sonst nicht alles unter einer desolaten Führung vorstellen möchte. Ich habe das Gefühl, dass ich da deutlich zu spät die Reißleine für mich gezogen und somit meine seelische Gesundheit strapaziert habe. Das erkannte ich leider zu spät und prompt hatte ich, nachdem ich mit Beginn dieses Jahres eine neue Stelle in derselben Branche angetreten habe, die ersten größeren Probleme zum ungünstigsten aller Zeitpunkte. Ich war in der Probezeit und fühlte mich elend, tagtäglich überkam es mich mit Scham und einem schlechten Gewissen meinem neuen Chef und den Kollegen gegenüber. Ich schleppte mich irgendwie durch die ersten Wochen, bis dann Ende April nichts mehr ging.

Noch habe ich alle zur damaligen Zeit vorhandenen Kräfte aufgewandt um ein ehrliches Gespräch mit meinem Chef zu führen. Er hatte großes Verständnis aufgebracht und mir versichert, dass ich jederzeit zurückkommen könnte. Mir stünden alle Türen offen. Da war ich erstmal fürs Erste erleichtert. Aber will und kann ich wirklich zurück und vor allem wann?!

Demzufolge bin ich seitdem krankgeschrieben. Momentan läuft das alles über meine Hausärztin (AU und Medikation). Ich habe ein paar Wochen gebraucht um überhaupt zu realisieren und anzunehmen, dass mich die Depression wieder voll erwischt hat.

Ich habe Angst die alltäglichen Dinge zu tun. Mal bei nem Arzt anzurufen, einzukaufen, sich mit nem Freund zu verabreden. Permament hab ich das Gefühl, dass ich auf meiner Stirn "schaut her, der Typ hat DEPRESSIONEN" stehen habe! :-( Dazu kommt, dass es Sommer ist. Ich bekomme vermeintlich unentwegt gezeigt wie schön und toll doch alles ist. Man hat im Sommer draußen zu sein, geht mit Freunden ins Freibad, sitzt in Cafés oder Eisdielen und genießt das Leben! Das alles ist für mich nicht machbar und wenn ich all meine Kräfte mobilisieren und den Kopf ausstellen kann, doch mal schaffe mal einfach so in den Park zu gehen, bin ich keine Stunde später einfach nur kaputt und flüchte mich wieder in meine 4 Wände.

Das ist einfach nur frustrierend und macht mich extrem traurig und zugleich wütend. Was ist das für eine Lebensqualität?!?!

Aktuell versuche ich nur irgendwie einigermaßen durch die Tage zu kommen. Schaue irgendwelche Serien, lese, höre Podcasts und hoffe, dass der Sommer vorübergeht! Ich warte seit Wochen auf einen ambulanten Therapieplatz - stehe auf mehreren Wartelisten. Eine stationäre Thearpie ist für mich zum aktuellen Zeitpunkt aufgrund meiner Ängste nicht machbar (fremde Umgebung, fremde Menschen). Letzte Woche habe ich einen Online-Kurs "Depression" begonnen. Mal schauen, ob das hilfreich für mich ist. Das Ganze geht 12 Wochen.

Leider ist es so, dass sich die wenigen Menschen in meinem sozialen Umfeld mit meiner Situation sehr schwer tun. Melden sich so gut wie kaum - nach dem Motto "lass ihn mal, der braucht bestimmt seine Ruhe!" - manchmal ist es für mich aber schon ein wenig hilfreich, wenn mein Handy vibriert und eine Nachricht eingegangen ist "hey Chris, gehts dir heute ein bisschen besser, könnte ich etwas für dich tun?" mehr braucht es manchmal garnicht bei mir. Ich möchte einfach nur das Gefühl haben, dass ich nicht allein bin und vergessen werde.

Bitte nehmt es mir nicht übel, wenn ich nicht alle Threads im Forum durchlese um Antworten für mich zu finden. Mir fällt es leichter, wenn ich ein wenig von mir berichte und freue mich auf die ein oder andere Rückmeldung.

Mich interessiert vor allem, wie eure Freunde mit euch umgehen, wie eure Eltern? Was habt ihr für Erfahrungen in eurem Job gemacht? Wird dort das Thema Depression so offen angesprochen, wie es sich meiner Meinung nach gehört?

An alle Hochsensiblen unter uns: Wie ist eure Wahrnehmung in Bezug auf eure Umwelt insbesondere mit Depressionen und sozialen Ängsten? Was habt ihr für Tools, die euch im Alltag hilfreich sind?

Herzlichen Dank vorab an jeden Einzelnen von euch für eure Antworten.
Chris
Suchende2
Beiträge: 1280
Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Ich stelle mich vor und sage Hallo

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Chris,

erst einmal herzlich willkommen im Forum. Ich wünsche Dir viele hilfreiche Antworten.

Nun zu Deinen Fragen.
Ich erwarte nicht, daß meine Freunde per Nachricht nachfragen, wie es mir geht.
Ich habe die Depression bei denen offen kommuniziert und auch dazu gesagt, daß es mir zur Zeit schwer fällt, mich zu melden. Die meisten Freunde haben das verstanden und haben verstärkt von sich aus den Kontakt gehalten. Gerade hat eine Freundin, da ich es nicht geschafft hatte auf Ihre Anrufbeantworternachricht zu reagieren, sich erneut bei mir gemeldet. Dafür bin ich sehr dankbar und das kommuniziere ich auch. Im persönlichen Gespräch werde ich immer gefragt, wie es mir geht. Ich erkundige mich natürlich auch, wie es meinen Freunden und deren Familie geht.

Meine direkten Vorgesetzten und die Betriebsratvorsitzende wissen Bescheid. Meine Kollegen werden es nicht erfahren, da ich erlebt habe, wie über Kollegen die offen damit umgegangen sind zum Teil hinter dem Rücken getratscht wurde.
Meine Familie geht super mit dem Thema um. Meine Schwiegerfamilie auch. Allerdings fehlt dort zum Teil das Verständnis für die Erkrankung, so daß ich durchaus mal den Tipp erhalte, wenn ich einfach positiv denken würde, dann wäre ich nicht mehr depressiv ...

Wenn Du einen vollstationären Aufenthalt nicht möchtest, wie sieht es mit einer Tagesklinik aus?
Bei meinem Aufenthalt dort waren wir aufgrund von Corona täglich nur circa 1 1/2 Stunden vor Ort.

Alles Gute,
Suchende
Kiwi78
Beiträge: 95
Registriert: 8. Feb 2022, 11:36

Re: Ich stelle mich vor und sage Hallo

Beitrag von Kiwi78 »

Hallo Chris,
Meine engere Familie weiß Bescheid und kann damit zumindest meist gut umgehen. Meine Eltern sind noch ne andere Generation. Da ist es schwieriger und das Verständnis eher gering. Außerdem sind sie mitunter ein Grund meiner Erkrankung. Daher spreche ich es da nicht groß an.
In der Arbeit kommt es drauf an.... Ich war 9 Monate krank geschrieben und habe dann woanders neu angefangen. Aus meinem Personalakt ging hervor dass ich 9 Monate im Krankenstand war. Da kam vom Chef natürlich die Frage auf, was ich hatte. Konnte ja schlecht sagen, dass ich nen hartnäckigen schnupfen hatte. Ich hab daher die Wahrheit gesagt und am Anfang kam auch noch viel Verständnis. Im Nachhinein würde ich es nicht mehr so machen. Durch meine Erkrankung bin ich nicht genauso belastbar wie meine Kollegen, arbeite nur teilzeit,... und ich habe immer mehr den Eindruck man will mich gerne woanders hin loswerden.
Bei meinen Kollegen bin ich auch sehr vorsichtig, das wissen nur wenige von mir. Ich möchte mir Tratsch und blöde Sprüche hinter meinem Rücken ersparen.
Meine Freunde wissen mehr oder weniger Bescheid. Manche können damit umgehen, manche nicht. Oft herrscht auch Unwissen zu der Krankheit und es kommen blöde Kommentare. Das verletzt dann manchmal schon.
Viele Grüße! Kiwi
Überdosis
Beiträge: 275
Registriert: 25. Nov 2021, 23:01

Re: Ich stelle mich vor und sage Hallo

Beitrag von Überdosis »

Herzlich Willkommen,

bei mir ist es leider ähnlich wie bei dir, allerdings nur, wenn ich richtig schwer den tief habe, dann hab ich ebenfalls furchtbare angst davor raus zu gehen, sei es einfach nur spazieren, einkaufen oder zur arbeit gehen.
Letztlich hat mir da leider nur die Abmahnung der Arbeit geholfen. Ich konnte nie am ersten Krankheitstag raus zum Arzt für eine Krankmeldung (hatte furchtbare Angst) und hatte aber beim abgeben der AU vergessen für diesen Tag Urlaub zu bitten und bekam promt eine Abmahnung.
Die Angst den Job zu verlieren hat da die Angst abgelöst und ich hab mich gezwungen pünktlich zu sein... Die Angst vor dem raus gehen verschwand dann irgendwie von selbst nach einer Weile.

Mein Arbeitsplatz weiß von der Erkrankung, leider geschah dies aber nicht von mir aus, sondern ein Arbeitskollege rief vor Weihnachten bei meinen Eltern an um mir schöne Weihnachten zu wünschen, da schon länger stationär war, erfuhr durch meine Elgern dann den Grund (depression) und tratschte es in der Firma herum.
Verständnis ist so gemischt da, zurzeit eher nicht mehr und es wird gelästert, wenn sie meine Symptome mitbekommen und mein Verhalten nicht verstehen können.
Gut damit geht es mir absolut nicht, ich weiß aber auch, dass sie über jeden ablästern und ich nicht das einzige "opfer" bin, drum dessen schieb ich es auf die "mir dich egal schiene".

Meine Eltern können mit der Erkrankung nichts anfangen, dabei ist mein Vater ebenfalls depressiv.
Mir sagen sie immer, ich solle auf arbeitslos machen, äußern sich sehr negativ über das Leben und vermitteln mir, dass das alles eh doch sinnlos ist.
Ich hab den Kontakt schweren Herzens ganz abgebrochen, nachdem es mir jedes mal schlecht dadurch ging und sie wussten, dass ich Weihnachten zu Besuch komme und als ich da ankam, sie ohne mich gegessen hatten, wo sie eigentlich immer erst gegen 18 Uhr essen (kam um 16 Uhr dort an).
Es ist hart, aber es ist am Ende einfach permanent verletzend für mich gewesen und so hat es einfach keinen Sinn.

Freunde sind schwierig. Die melden sich wie bei dir auch eher selten.
Bin momentan dabei da ein bisschen aufzustocken, hatte halt nie viel oder überhaupt Freunde, aber es ist wirklich leider verdammt schwer und auch nicht so leicht für mich.
Ich denke aber, dass man es einfach nur immer und immer wieder versuchen muss, so wie man selbst gerade einfach gerade kann... denn was bleibt denn sonst?
Man vereinsamt sonst komplett, die Depression erreicht ihr Ziel und irgendwie kann das doch auch nicht sein.

Darf ich fragen was für ein Online Kurs du machst? Mich würde das ebenfalls interessieren, da mit Teil zu nehmen, wenn das ginge.

Ich drück dich gedanklich, wenn du magst, mit der mieser bist du nicht allein.


Liebe Grüße
Susan
cmage74
Beiträge: 3
Registriert: 13. Jun 2022, 18:06

Re: Ich stelle mich vor und sage Hallo

Beitrag von cmage74 »

Ganz herzlichen Dank euch allen, es tat erstmal gut Feedback zu bekommen.

Was den Online-Kurs angeht so ist es SELFAPY - bei dem behandelnden Arzt (auch Hausärzte) kann man sich ein Rezept mit der Diagnose und der entsprechenden PZN ausstellen lassen und bei seiner Krankenkasse einreichen. Für alle weiteren Infos zu SELFAPY schaut einfach auf der Seite vorbei: https://www.selfapy.com/" onclick="window.open(this.href);return false;" onclick="window.open(this.href);return false; - Ich habe die 3. Lektion (Depression) hinter und komme recht gut klar damit. Wer noch nähere Erfahrungswerte möchte, kann mich auch sehr gerne direkt anschreiben.

Vielen Dank euch allen für eure guten Gedanken und Wünsche.

Chris
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