Zeitnahe Psychotherapie realistisch oder aussichtslos?

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Brandolf
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Zeitnahe Psychotherapie realistisch oder aussichtslos?

Beitrag von Brandolf »

Sorry, ich muss mal ein bisschen meinen Frust im Forum loswerden und vielleicht gibt es ja den ein oder anderen Kommentar oder gerne auch PN mit Tipps, wie sich die Situation verbessern lässt...

Aktuell fühle ich mich immer mehr enttäuscht. Im März hatte ich mich endlich nach langem In-mich-Hereinfressen überwunden - wie empfohlen - zum Hausarzt und auch zu einem Psychiater zu gehen, die dann auch jeweils eine schwere Depression diagnostiziert haben. Mittlerweile habe ich jedoch das Gefühl, das eine wirkliche Hilfe nicht oder nur spät zu bekommen ist. Der Hausarzt scheint nicht mehr wirklich interessiert ("die Lage [fehlende PT-Kapazität] ist halt aktuell so, ich kann Ihnen nicht viel weiter helfen") und der Psychiater ist eher auf die Dosierung der verschriebenen Medikamente fokussiert, obwohl ich bei ihm aus dem Erstgespräch doch hilfreiche Verhaltenshinweise mitnehmen und seit dem auch befolgt habe. Seit Mitte März zunächst 50mg Sertralin, seit Anfang Mai aufgrund ausbleibender Wirkung Steigerung auf 100mg. Die bisher aber auch nicht zu wirken scheinen.

Bei den von mir bisher kontaktierten Psychotherapeut*innen im westlichen Ruhrgebiet scheint es ausweglos zu sein, einen Therapieplatz zeitnah zu erhalten (fast alle nannten mir 1-2 Jahre Wartezeit). Wobei ich mich mittlerweile frage, ob dies wirklich so ist, oder ob dies auch ein Test ist, um Patienten dazu zu bringen, häufiger anzurufen und so die Dringlichkeit einschätzen können. Das wäre nicht meine Art, da ich die kommunizierten Regeln (=Warteliste) einhalte. Ich inzwischen aber Zweifel, ob dieses Akzeptieren der "Wartelisten-Position" richtig ist, oder ob man bei ihnen wöchentlich/regelmäßig anrufen und jammern muss, bis es einen Therapieplatz gibt? Ich kann es mir nicht vorstellen. Habe in der Zwischenzeit über 20 potentielle Therapeut*innen angerufen inkl. einem Ausbildungszentrum, bisher keine Chance zeitnah etwas zu bekommen.

Anderseits zieht es mich jetzt auch sehr herunter, dass ich mich inzwischen monatelang von der Arbeit krank schreiben lasse, jedoch aufgrund fehlender Therapiemöglichkeit und fehlender AD-Wirkung aktuell keine Besserung oder auch nur eine Aussicht darauf sehe. Das macht die Situation noch deprimierender und hoffnungsloser.

Hat evtl. jemand einen weiteren Tipp, wie man als gesetzlich Krankenversicherter zeitnah einen Psychotherapieplatz im westlichen Ruhrgebiet erhalten könnte?
Zuletzt geändert von Brandolf am 31. Mai 2022, 21:52, insgesamt 1-mal geändert.
Kiwi78
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Re: Zeitnahme Psychotherapie realistisch oder aussichtslos?

Beitrag von Kiwi78 »

Hallo Brandolf,
Ich bin privat versichert und da ist es oft auch nicht einfacher. Soweit ich weiß, hast du auch die Möglichkeit bei einem Therapeuten, der nicht nur für Kassenpatienten arbeitet, eine Therapie zu machen. Du musst irgendwie nachweisen wie viele Absagen zu schon erhalten hast und dann übernimmt die Kasse auch die Kosten für eine Therapie bei anderen Therapeuten. Musst dich mal diesbezüglich informieren.
Außerdem hat jedes Bundesland eine terminvergabe Hotline, die zeitnah ein erstgespräch bei einem Therapeuten ermöglicht. Die Therapeuten sind verpflichtet solche Sprechstunden anzubieten. Falls du da dem Therapeuten als sehr dringender Fall auffällst, hast du eventuell doch ne Chance einen früheren Therapieplatz zu kriegen.
Wäre eine Tagesklinik vielleicht eine Option für dich? Eventuell geht es da schneller mit Terminen.
Frag nochmal beim Arzt nach. Ich meine der kann auf der Überweisung so einen Code für die Dringlichkeit angeben, dass es schneller klappt. Vielleicht können dir hier noch Kassenpatienten Tipps geben.
Lass nicht locker!
Grüße Kiwi
Brandolf
Beiträge: 3
Registriert: 13. Mai 2022, 23:46

Re: Zeitnahme Psychotherapie realistisch oder aussichtslos?

Beitrag von Brandolf »

Danke für die Antwort, Kiwi! Ich wollte gar nicht auf die Art der Versicherung abstellen, das war nur als Zusatzinfo gemeint. Ich schätze, dass es allgemein schwierig ist, einen Platz zu finden. Bei vielen Telefongesprächen wurde schon auf die 1-2 Jahre Wartezeit verwiesen, bevor die Versicherungsfrage überhaupt angesprochen wurde. Selbst bei den kontaktierten Therapeuten mit Kostenübernahmeverfahren. Die Terminservicestelle war auch nicht in der Lage zeitnah einen Termin zu vermitteln.
Bei den Erstgesprächen frage ich mich, wie viele davon man machen soll? Eine Diagnose habe ich ja bereits, inkl. Medikamentation. Ein Erstgespräch hatte ich bereits, dann wurde dann abschließend auch auf die Warteliste mit voraussichtlichem Therapiebeginn in über einem Jahr verwiesen. In der Zeit ist dann wahrscheinlich sowieso schon alles "den Bach heruntergelaufen", und eine Therapie kann dann nur noch den Schutthaufen zusammenfegen, aber die größeren Schäden (z.B. Jobverlust) nicht mehr vermeiden.

Weitere Erstgespräche würde ich aktuell wahrscheinlich nur machen, wenn der/die Therapeut*in mir schon vorab signalisiert, dass die Wartezeit bei ihr/ihm kürzer sein könnte als bei dem bisher "frühesten".
Sul
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Re: Zeitnahme Psychotherapie realistisch oder aussichtslos?

Beitrag von Sul »

Hallo Brandolf,
du könntest auch als Selbstzahler zu einem Psychotherapeuten/einer Psychotherapeutin gehen. Dann hast du auch die freie Wahl der Therapieform. Ich habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Es gibt Psychotherapeuten, die nicht im Kassensystem arbeiten möchten, keine Ausbildung in einem der sogenannten Richtlinienverfahren (PA, TP, VT) haben, aber hervorragende Therapeuten sind. Es ist nicht billig, aber bei mir war es eine einfache Rechnung. Die Investition in Therapiestunden kam mich als Selbständige deutlich günstiger als eine längere Arbeitsunfähigkeit oder gar der Jobverlust.
Viel Erfolg! Lass dich nicht entmutigen! Manchmal dauert es eine Weile, bis der (richtige) Therapeut gefunden ist.
Sul
Sul
Beiträge: 440
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Re: Zeitnahme Psychotherapie realistisch oder aussichtslos?

Beitrag von Sul »

Hallo Brandolf,
zur Überbrückung der Wartezeit finde ich Online-Selbsthilfeprogramme ganz sinnvoll. Mir hat Moodgym einige gute Impulse gegeben. Es hat aber keine Therapie face-to-face ersetzt.
Viele Grüße, Sul
Suchende2
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Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Zeitnahme Psychotherapie realistisch oder aussichtslos?

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Brandolf,

ich habe über 50 Therapeutinnen angerufen. Daraus ergaben sich 6 Erstgespräche und beim 6. Erstgespräch habe ich meine Therapeutin gefunden. Ich habe, um die Übersicht zu behalten mit Excel gearbeitet und stand bei diversen auf der Warteliste.

Ansonsten schaue, ob es bei Dir in der Nähe ein Ausbildungsinstitut oder eine PIA gibt.

Alles Gute,
Suchende
Brandolf
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Registriert: 13. Mai 2022, 23:46

Re: Zeitnahe Psychotherapie realistisch oder aussichtslos?

Beitrag von Brandolf »

Danke für die Antworten soweit.
Einen Ersttermin hatte ich in der Zwischenzeit auch schon, mit der Bestätigung/Empfehlung einer Psychotherapie, allerdings mit einem Wartelistenplatz bis März nächsten Jahres. Für's Überbrücken wurde noch eine Gesundheits-App (deprexis) verschrieben. Hilft aber zeitnah leider auch nicht richtig weiter.
Bei einem Ausbildungsinstitut bin ich schon registriert, aber auch dort 1-2 Jahre Warteliste.
Eine inzwischen lange Excel-Liste habe ich auch schon angelegt, anders wird man den begrenzten Anrufzeiten und Follow-up-Terminen ja kaum Herr. Ist schon fast unglaublich, wie mittelalterlich die Terminvergabe in dem Bereich organisiert ist.
Nachtmensch
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Registriert: 30. Dez 2020, 06:39

Re: Zeitnahe Psychotherapie realistisch oder aussichtslos?

Beitrag von Nachtmensch »

Hallo Brandolf,

Deprexis hatte ich auch schon genutzt. Hab die täglichen MotivierungsSMSen auch noch auf dem Handy und manchmal schau ich mir die auch nochmal an. Generell hat mir das Programm nicht wirklich geholfen.
Zum einen ist es, logischerweise, sehr allgemein gehalten und entsprechend sind die Empfehlungen und Aufgaben. Also es beschäftigte mich eine Weile aber es beschäftigte sich nicht mit mir. Daher, sagen die Macher ja selbst, es ist kein Ersatz für eine Therapie. Das ganze basiert auf VT. Wenn man eher eine TP bräuchte, sehe ich es eigentlich nicht als besonders nützlich.

Dennoch, es ist wie immer, besser als nichts und probieren geht ja bekanntlich über studieren.

Drück dir die Daumen, dass Du doch noch zeitnah ne Therapie bekommen kannst.

Nachtmensch
Nachtmensch
Beiträge: 615
Registriert: 30. Dez 2020, 06:39

Re: Zeitnahe Psychotherapie realistisch oder aussichtslos?

Beitrag von Nachtmensch »

Ich denke das mittelalterlich bezieht sich auf die tatsächlich begrenzten Anrufzeiten. Viele, gerade alteingesessene TherapeutInnen haben oft mit EMail nix am Hut und wenn dann Anrufen nur Di + Do Zwischen 11:30 und 12:00 möglich ist, dann vielleicht nur besetzt ist oder man diese Zeit einfach verpasst, ist das eben nicht Zeitgemäß.

Ich bevorzuge Mailkontakt und erwarte dann eine Antwort, die natürlich auch mal etwas dauern kann.
Nachtmensch
Beiträge: 615
Registriert: 30. Dez 2020, 06:39

Re: Zeitnahe Psychotherapie realistisch oder aussichtslos?

Beitrag von Nachtmensch »

-IIorIII hat geschrieben:@nachtmensch

Für Angestellte bekommen die einfach nicht genug. Was soll denn die Einzelkämpfer machen?
In einer Sitzung ans Telefon gehen?
Ja ja was sie erzählen ist wichtig, aber ich müsste da mal schnell ran gehen.

Es ist halt ein Angebotsmarkt.
Praktisch jeder Psychotherapeut wird ständig mit Anfragen überflutet. Die kommen einfach nicht hinterher.
Das hab ich doch garnicht behauptet. Gerade weil sie ja nicht während der Sitzung ans Telefon gehen können und auch nicht sollen, wäre Mailkontakt eine Errungenschaft. Du liest ohnehin aus allem nur heraus, was du herauslesen willst.

Aber gut, ist damit auch erledigt. Bevor das hier ausarten könnte und am Ende geschlossen wird, überlass ich Dir das Feld. Belehre schön weiter.
Anne Blume
Moderator
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Registriert: 7. Dez 2006, 13:25

Re: Zeitnahe Psychotherapie realistisch oder aussichtslos?

Beitrag von Anne Blume »

Hallo IIorIII,
da bin ich ganz bei Nachtmensch, was Ihren Argumentationsstil angeht. Ich möchte Sie wirklich bitten, konstruktiv zu bleiben. Was nützt es denn, wenn ein aufgeworfenes Problem während der Klärung fortwährend mit neuen, vermeintlich unüberwindbaren Mäuerchen versehen wird und das auch noch in einem unfeinen Ton?!
Ermahnende Grüße
Anne Blume
Sonnenschein76
Beiträge: 10
Registriert: 10. Jul 2022, 19:31

Re: Zeitnahe Psychotherapie realistisch oder aussichtslos?

Beitrag von Sonnenschein76 »

Haben Sie überlegt eine telefonische Therapie in Erwägung zu ziehen? Wir wohnen in NRW und mein Sohn hatte eine Therapeutin in Berlin. Geht auf jeden Fall schneller. Ich weiß nicht, ob alle Krankenkassen so etwas anbieten. Fragen Sie Ihre Krankenkasse Mal. Ein Versuch ist es Wert.
747er
Beiträge: 386
Registriert: 10. Jul 2022, 10:20

Re: Zeitnahe Psychotherapie realistisch oder aussichtslos?

Beitrag von 747er »

Ich habe, während der schlimmsten Phase des Mobbings das Bedürfnis gehabt, jeden Tag mit jemandem zu reden, was ich von meiner Bekannten nicht verlangen konnte und wollte. Hatte mich dann bei Betterhelp angemeldet, das ist eine amerikanische Plattform für online Therapie. Man muss ein paar Fragen beantworten, damit einem der passende Therapeut zugewiesen werden kann.
Klar, das machen die nicht umsonst, Bezahlung lief, glaube ich, über PayPal.

Es war schon so, dass man auf die Mails, die man dem Therapeuten geschrieben hat, schnell eine Antwort bekam. Ich fand es hilfreich, konnte es mir aber irgendwann nicht mehr leisten, leider.
Aber vielleicht wäre es ja eine Alternative für dich, zumindest, bis du einen Therapieplatz bekommst.

[Verlinkung ist leider nicht möglich. Deshalb von der Moderation gelöscht. Sorry]
GranitXhaka
Beiträge: 8
Registriert: 23. Aug 2022, 08:43

Re: Zeitnahe Psychotherapie realistisch oder aussichtslos?

Beitrag von GranitXhaka »

Also bezüglich Hausärzten kann ich dir auf jeden Fall nur zustimmen. Ich meine bei mir was es jetzt keine Depression, allerdings hatte ich auch eine Zeit in der es mir wirklich nicht tut ging und wirklich auf den Hausarzt vertraut habe. Für mich schien es aber leider so, als würde ich ihn überhaupt nicht interessieren und als würde der Arzt einfach nur versuchen wollen so viele Patienten wie möglich abzuklappern. Naja oftmals ist man dann wirklich verzweifelt, vor allem wenn es dann bei Psychiatern etc so extrem lange Wartezeiten gibt.
Manche halten einen ausgefüllten Terminkalender für ein ausgefülltes Leben.
Für die Gesundheit lohnt es sich zu kämpfen
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