Übersteigerte Empfindungen

[Franz Wedig]

Hallo liebe Forumsmitglieder,
bin männlich, 58 Jahre alt, derzeit mit meinem studierenden Sohn in einer 2 Zimmer Wohnung, berufstätig.

Die erste Depressionsphase im Jahr 2017 dauerte 9 Monate.

Im Juli 2021 hat sich meine ex Freundin von mir getrennt, und mit dem Jahreswechsel 21/22 begann meine zweite Depression.
Nun habe ich folgende Symtome:
Seitdem bin ich überempfindlich gegenüber sich unterhaltenden Menschen, Kinderlärm, Verkehrslärm, und Besprechungen in Freizeit und Arbeit mit mehreren Personen kann ich wegen des Unwohlseins kaum aushalten.

Wenn ich durch Vororte und ländliche Regionen fahre, fühle ich mich extrem unwohl und minderwertig gegenüber den Hauseigentümern.

Meine ex Freundin sehe ich in meinen Erinnerungen dauernd real vor mir, das ist sehr schmerzhaft!

Kennt jemand solche übersteigerten Empfindungen während einer Depression von sich?

Gruß Franz

[Greta1962]

Hallo Franz!

Ja, das kenne ich - das gehört irgendwie dazu, dass man vieles verzerrt wahrnimmt und sich die Gefühle mit diesen Wahrnehmungen mischen. Also auch körperliches Unwohlsein ohne dass man den Grund konkret benennen könnte.

Aber mal eine Frage generell:

Wäre es nicht sinnvoll, wenn du in deinen bereits eröffneten Strängen antwortest - und dann entwickelt sich ggf. ein Gespräch, welches persönlicher ist als wenn du für jedes Symptom einen extra Strang aufmachst und Antworten dann unbeantwortet lässt. Nur so eine Idee.

[Franz Wedig]

Greta, du hast recht, ich werde keine neuen Themen mehr aufmachen, und versuche das jetzt zuzuordnen.

Hast du Beispiele von übersteigerten Empfindungen bei dir?
Gruß Franz

[SonneundDunkenheit]

Hallo Franz, mich "nervt" zeitweise schon das Rascheln der Zeitung beim Umblättern, Geräusche nehme ich über weite Entfernungen wahr und auch Musik kann sich sehr schmerzhaft anfühlen, Vögelgezwitscher, aber auch Farben... Je nach dem wie es mir selbst geht, bin ich in der Lage, Dinge auszuhalten oder eben nicht und dann werde ich auch ungerecht und reagiere aggressiv und impulsiv.
Die Depression macht mich dünnhäutig und dazu kommt bei mir noch eine ADHS, die alles verstärkt. Wir versuchen als Familie Rücksicht zu nehmen... mein Mann liest die Zeit dann in einem anderen Zimmer, die Türen werden geschlossen, ich trage Kopfhörer.... Kontakte nach Außen dosiere ich sehr und manchmal bitte ich mein Gegenüber auch Reize zu minimieren. Als ich noch gearbeitet habe, bin ich an "schlechten Tagen" meinen Kollegen in der Mittagspause aus dem Weg gegangen...hat mir zu viel abverlangt.
Meine Therapeutin meinte kürzlich, dass es mit zunehmendem Alter eher schlimmer statt besser wird, weil die Kompensationsleistung nicht mehr schaffbar ist. Keine schöne Aussicht, aber ist halt so. Trotzdem möchte ich am Leben dosiert teilnehmen und meinem Gegenüber nicht übermäßig viel abverlangen ...es bleibt eine Gradwanderung.
Dir alles Gute!
LG

[Gartenkobold]

Guten Abend Franz,

mir hat Escitalopram, bzw. Citalopram geholfen, es wird auch als Reizfilter verschrieben. Ich habe einen signifikanten Unterschied bemerkt. Geräusche besonders im Hochtonbereich waren erträglicher, Gerüche nicht mehr so intensiv. Das Einzigste, was mich gestört hat, war dass mir der Kaffee nicht mehr geschmeckt hat, er hat auch anders gerochen. Die Sensibilität der Körperoberfläche war auch vermindert. Meine Füße haben sich wie Klötze angefühlt, ich wusste eine zeitlang nicht wo der Boden war beim Gehen. Das wurde dann wieder besser. Ich habe dann recherchiert und herausgefunden, das diese ADs Autisten als Reizfilter verschrieben werden. Mir war das alles fremd, meine Welt hatte sich verändert und ich war nicht mehr ich. Als ich dann eine Allergie auf das Medikament entwickelte war das der willkommene Grund es abzusetzen. Aber bezüglich des Hörens fand ich die Wirkung gut. Mit der Zeit wurde das bei mir von alleine besser und ich kann heute meine kreischenden Vögel ertragen. Baustellenlärm, Laubpuster, elektrische Heckenschere, alles in einem bestimmten Frequenzbereich ist weiterhin schwierig. Dafür schmeckt der Kaffee wieder!!

LG Gartenkobold

[hansa]

Hallo Franz!

Das kenne ich auch gut. Wenn es mir nicht gut geht strengt mich jedes Geräusch fürchterlich an. Tisch decken, wenn jemand spricht, wenn sich jemand in der Wohnung bewegt, manchmal fand ich das geräusch in meinem Kopf wenn ich essen gekaut hab so unerträglich dass ich heulen musste. Ich bin auch oft lichtempfindlich, ein sonniger Tag ist dann eher ätzend.
Was es für mich wirklich leichter macht ist, wenn die Person die mit mir redet flüstert..ist natürlich keine Dauerlösung. Ansonsten macht es die Situation für mich leichter wenn ich schaffe zu akzeptieren, dass das jetzt so ist und dass ich mich halt (im Bett..) schütze vor zu vielen reizen.

Viele Grüße und hoffentlich einen guten Abend für dich!

[Philomena]

Hallo Franz,
das hatte ich schon lange nicht mehr. Seit ich gut "eingestellt" bin (Medikamente!) habe ich, was Nebengeräusche betrifft, kein Problem. Aber natürlich weiß ich, wovon du sprichst. Nimmst du Medikamente?
Die psychischen Erkrankungen haben leider so viele Gesichter und es ist sehr schwer, immer wieder aufzustehen und neu anzufangen. Ich kämpfe jeden Tag, dass ich ihn gut überstehe und ich mir Gutes tue. Das ist nämlich sehr wichtig. Gleichzeitig - ich bin jetzt 62 Jahre - merke ich, dass ich gar nicht mehr so viele Wünsche habe und oft überfällt mich tiefe Trauer über die Jahre, welche schon vergangen sind. Jahre, die bedingt durch meine Erkrankung so schwer waren, nicht nur für mich sondern auch für mein Umfeld.

Gut, verzeih, jetzt bin ich ein wenig vom Thema abgerutscht. Ich wünsche dir alles Gute!

Philomena