Coaching (Erfahrungen/Meinungen?)

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Nowhere Man
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Registriert: 5. Mär 2021, 16:02

Coaching (Erfahrungen/Meinungen?)

Beitrag von Nowhere Man »

Hallo,

wie schon an anderer Stelle beschrieben, strecke ich gerade neben meiner Verhaltenstherapie die Fühler noch in andere Richtungen aus. Nicht, weil meine Therapeutin nicht gut sei, im Gegenteil, aber sie kann weder von der Frequenz noch von der Vielzahl der Themen und Ebenen alles abdecken. Ich gucke gerade parallel in ganz verschiedenen Richtungen...

Auf meiner Suche stieß ich auch auf sog. Life-Coaches, die teilweise sehr vielversprechende Angebote haben, insbesondere fühle ich mich bei einem davon thematisch mehrfach genau abgebildet. Zahlen muss man das aus eigener Tasche, und was mich etwas zögern lässt, ist, dass man nicht etwa stundenweise zahlt, sondern dass einem größere Pauschal-Pakete verkauft werden, die oft weit im 4-stelligen Bereich liegen (z.T. sogar noch drüber, dass ich denke: Zielgruppe sind eh nur die Spitzenverdiener, die sich jeden "Luxus" leisten können).

Aus unternehmerischer Sicht kann ich das sogar verstehen: Bin selbst aktuell (noch) absoluter Geringstverdiener (Minijobber) und müsste für so einen Service mein Erspartes zusammenkratzen, möchte mich aber in Zukunft auch in meinem Spezialgebiet selbständig machen, und weiß daher, was unternehmerisches Risiko bedeutet, und dass man sich auch nicht unter Wert verkaufen sollte und eine gute Planbarkeit haben möchte.

Ich bin da hin und her gerissen: Die eigene seelische Gesundheit sollte einem schon "etwas wert" sein, könnte man argumentieren, und dass man jetzt bewusst Geld in die Hand nimmt, um aktiv an sich zu arbeiten... aber aus der Sicht eines Depressiven (wo ohnehin schon im Leben "nichts klappt") ist da schon ein Risiko, dass man als Patient/Klient wieder das schwächste Glied in der Kette ist, an dem am Ende alles an einem selbst scheitert, und dann ärgert man sich umso mehr um das Geld, das futsch ist (und wird vielleicht noch depressiver).

Wie sind eure Meinungen dazu? Gerade und vor allem wenn man schon mit so vielen Sorgen und Depression rumläuft. Wie groß mag da die Gefahr sein, sich damit ein "Eigentor" zu schießen?

Eine wichtige Frage ist immer auch die "Fachqualifikation" des einzelnen (neben der Persönlichkeit, die passen muss). Die wäre bei meinem Favoriten zwar nicht so vollumfänglich gegeben, wie bei jemandem, der den ganz klassischen Weg eines Psychotherapeuten gegangen ist, aber z.B. schon ein immer fundiertes abgeschlossenes Studium in einem der relevanten Gebiete, Zertifikate sowie viele Jahre erfolgreiche Praxiserfahrung (also nicht einfach nur ein Heilpraktiker-Wochenendkurs, ums mal überspitzt zu sagen)
Nachtmensch
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Registriert: 30. Dez 2020, 06:39

Re: Coaching (Erfahrungen/Meinungen?)

Beitrag von Nachtmensch »

Hi,

Coaching ist irgendwie das Zaubermittel um erfolgreich zu werden. So ist, denke ich, die landläufige Interpretation. Aber was steckt wohl dahinter? Coach, also Trainer - trainiert. Um etwas zu trainieren, muss man es aber eigentlich schon können oder mindestens kennen.

Alles was ich unter Coaching kennengelernt habe, bezog sich immer auf den Job. Deswegen impliziert Coaching bei mir immer nur, dass etwas in Richtung Effizienz oder Leistungssteigerung vermittelt werden soll. Und zwar so, wie der Coach es für richtig erachtet. Aber vielleicht gehts beim Life Coaching um etwas anderes.

Was Qualifikation angeht, gibts da was verlässliches um zu erkennen oder vergleichen ob ein Coach was kann?
Coach ist ja kein akademischer Grad.

VG Nachtmensch
Suchende2
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Re: Coaching (Erfahrungen/Meinungen?)

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Nowhere Man,

wenn ich es recht in Erinnerung habe, hast Du eine ganze Menge Baustellen. Ein Life-Coach kann diese nicht "wegzaubern" und der hat wahrscheinlich auch nicht die nötige Zusatzqualifikation für psychische Erkrankungen (wenn man noch mitten drin steckt).
DieNeue hat eine Betreuerin, die ihr bei den Baustellen Ihres Lebens hilft. Sprich mit Deinem Psychiater, ob er Dir das verschreibt. Dann kannst Du mit Deinem Betreuer zusammen die eine oder andere Baustelle schließen und mußt dafür nicht viel Geld ausgeben.

Alles Gute,
Suchende
Gartenkobold
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Registriert: 9. Jul 2020, 09:26

Re: Coaching (Erfahrungen/Meinungen?)

Beitrag von Gartenkobold »

Hallo Suchende,

ein Psychiater kann ambulante psychiatrische Pflege (APP) verordnen, das ist etwas für Krisen. Ambulant betreutes Wohnen erhält man über einen Antrag auf Eingliederungshilfe, den man beim Fachbereich Soziales = Sozialamt der Stadt stellen kann, wo man seinen Hauptwohnsitz hat. In diesem Antrag kann man Leistungen zur sozialen Teilhabe angeben, das wäre das ambulant betreute Wohnen, welches auch über das persönliche Budget für Schwerbeschädigte beantragt werden kann. Hier ist für den Antrag auf Eingliederungshilfe auch der GdB 50 Voraussetzung, allerdings sollte das meines Wissens nicht so sein, sondern das grundsätzlich Hilfebedarf besteht sollte reichen. Hier ist Schwerbehinderung gefordert - obwohl das nicht so sein sollte. Dann sind noch Einkommen und Vermögen (wo z.B. auch ein Auto, E-Bike, Eigentum) ausschlaggebend für den Antrag. Die Vermögens- und Einkommensgrenzen kann man im Bundesteilhabegesetz nachlesen. Wenn alles geprüft ist, gibt es ein Gesprächen mit dem Sozialamt bei dem der Hilfebedarf festgestellt wird und dann kann man evtl. ambulant betreutes Wohnen erhalten. Ein Psychiater kennt sich damit eher weniger aus.

@Nowhere Man: Vielleicht kann Dich der Sozialpsychiatrischen Dienst Deiner Stadt zur Antragstellung beraten oder das Sozialamt (die sollten auch einen Beratungsauftrag haben). Ich überlege mir das gerade empfinde die Mitarbeiter hier aber recht bevormundent. Die standen bei mir schon in der Wohnung, da hatte ich den Antrag noch gar nicht abschließend gestellt sondern nur angefragt. Da weiß ich jetzt nicht ob ich das brauche. Die gleiche Erfahrung habe ich mit dem sozialpschiatrischen Dienst gemacht. Der stand nicht bei mir in der Wohnung, aber schon sehr kontrollierend und beeinflssend in die Richtung drängend, die der sozialpschiatrische Dienst für richtig hält. Man muss sich schon gut abgrenzen können und wissen was man will, sonst kann es leicht sein, dass die eigenen persönlichen Grenzen massiv überschritten werden.

LG Gartenkobold
Zuletzt geändert von Gartenkobold am 1. Okt 2022, 11:38, insgesamt 1-mal geändert.
DieNeue
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Re: Coaching (Erfahrungen/Meinungen?)

Beitrag von DieNeue »

Hallo,

da ich hier erwähnt wurde wegen dem Ambulant betreuten Wohnen: Kann ich echt nur empfehlen.

Ich habe das beim Sozialpsychiatrischen Dienst beantragt. Die helfen einem da auch bei der Antragsstellung. Ein Rezept vom Psychiater braucht man nicht, aber einen Arztbrief für den Antrag.
Die Vermögens-und Einkommensgrenzen sind, seitdem es das Bundesteilhabegesetz gibt, extrem angehoben worden, das Vermögen von früher 2.600€ auf ca. 50.000€, soweit ich mich erinnere. Somit fällt man nicht in die Armut, nur weil man diese Hilfe bekommt.
Die Einkommens- und Vermögensgrenzen sind übrigens nicht dazu da, zu entscheiden, ob jemand Hilfe bekommt oder nicht, sondern nur, ob jemand dann etwas monatlich dazuzahlen muss oder nicht. Anfangs musste ich etwas dazuzahlen, aber das war machbar, seit dem neuen Gesetz muss ich nichts mehr zuzahlen.
Ein Grad der Behinderung ist dafür nicht nötig, die Diagnose einer psychischen Krankheit oder Suchterkrankung reicht aus.
Bei uns achten die Mitarbeiter darauf, dass sie einen nicht bevormunden oder sich zu sehr einmischen. Am Anfang habe ich mich mit der Betreuerin auch eine Zeit lang immer im Büro getroffen, bis ich sie dann auch in die Wohnung gelassen habe. Habe es auch bei keinem erlebt, dass sie irgendwie die Wohnung "inspizieren" o.ä.

@ NowhereMan: Also so ein teures Gesamtpaket von Coachingstunden würde ich mir persönlich nicht kaufen. Wenn das nichts ist, ist ein Haufen Geld weg.
Wegen der psychischen Stabilität könntest du auch direkt beim Coach nachfragen. Was ich mal gelesen habe bei einer Beschreibung von Workshops von einem Coach, ist, dass man psychisch stabil sein sollte. Macht irgendwie auch Sinn, wenn man mit anderen Teilnehmern interagieren soll, die mit psychischen Krankheiten nichts am Hut haben.
Ich habe auch eher den Eindruck, dass Coaching eher hilft, wenn man ein konkretes Problem hat. Aber bei dir sind es ja viele verschiedene Baustellen.
Meine erste Therapeutin war Heilpraktikerin für Psychotherapie. Ich fand sie sehr gut, mir hat die Therapie dort viel gebracht. Ehrlich gesagt mehr als die Gespräche mit den studierten Therapeuten in der Klinik. Aber da gibt es mit Sicherheit große Unterschiede. Meine Therapeutin war sehr bodenständig und hat sich auch laufend fortgebildet.
Vielleicht wäre das ja auch eine Alternative?
Wenn es die Möglichkeit gibt zu einem Kennenlerngespräch, könnte man das ja mal ausprobieren, egal ob jetzt Coach oder Heilpraktiker

Liebe Grüße,
DieNeue
Deprithomas
Beiträge: 709
Registriert: 17. Mai 2020, 20:34

Re: Coaching (Erfahrungen/Meinungen?)

Beitrag von Deprithomas »

hallo,

Coaching hat etwas mit Erfolgsdenken zu tun. Du wirst beraten, um Erfolg zu haben. Hast du keinen

Erfolg, bist du selbst schuld.....Du musst positiv denken, an dich glauben, dann hast du Erfolg..

Aber Depression ist etwas anderes. Da brauchen wir eben Liebe, Annahme und Verständnis.

Gerade wenn sich der schnelle Erfolg nicht einstellt.


liebe Grüße
ZZM
Beiträge: 16
Registriert: 25. Jan 2022, 04:54

Re: Coaching (Erfahrungen/Meinungen?)

Beitrag von ZZM »

Hallo Nowhere Man ^^

Das coaching und die psychotherapie sind völlig unterschiedlich - das betrifft sowohl die herangehensweise an probleme und die lösungsansätze als auch den umfang dessen, was überhaupt geleistet werden kann...

Sehr schön hat diese unterschiede ein mir persönlich bekannter und sehr geschätzter, engagierter und unfassbar empathischer coach in einem seiner videos beschrieben.

Vor allem wäre ich sehr skeptisch, was solche überteuerten "paket-angebote" betrifft; seriöse coaches und mediatoren bieten grundsätzlich KEINE pakete an, sondern rechnen einzelne stunden ab.

Vielleicht hilft dir dieser link etwas bei der einschätzung, ob coaching (parallel zur therapie) tatsächlich hilfreich für dich wäre:

https://youtu.be/NzR7p_85GoQ

(Auf der website des coaches ist das tätigkeitsfeld noch etwas ausführlicher dargestellt / erklärt)

Liebe grüsse,
ZZM
Suchende2
Beiträge: 1207
Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Coaching (Erfahrungen/Meinungen?)

Beitrag von Suchende2 »

Hallo DieNeue,

vielen Dank für Deine Aufklärung! So tief bin ich zum Glück nicht in dem Thema.
Eine bekannte erzählte mir, daß ihr Psychiater ihr eine zeitlich begrenzte Betreuung "verschrieben" hätte.
So hat sie 1 x wöchentlich für eine bestimmte Stundenzahl eine Betreuerin, die mit ihr zusammen schaut, wo sie gerade am meisten Hilfe benötigt (Post, Anträge, Kochen, ...)
Deshalb dachte ich, es müsste vom Psychiater verschrieben werden.

Alles Gute,
Suchende


Hallo Niowhere man,

haben Dir unsere Beiträge weitergeholfen?
Hast Du eventuell schon eine Entscheidung getroffen.

Alles Gute,
Suchende
MJE
Beiträge: 16
Registriert: 23. Jun 2022, 13:48

Re: Coaching (Erfahrungen/Meinungen?)

Beitrag von MJE »

Hallo Nowhere Man,

hast Du schon einmal über einen Genesungsbegleiter/Peer Counseller nachgedacht?

https://www.youtube.com/watch?v=pJdSM4KQSco" onclick="window.open(this.href);return false;

Herzliche Grüße
Michael
Ulli1905
Beiträge: 38
Registriert: 14. Sep 2022, 08:51

Re: Coaching (Erfahrungen/Meinungen?)

Beitrag von Ulli1905 »

Hallo zusammen,

ich kann aus eigener Erfahrung etwas beisteuern - habe schon des Öfteren Coaching in Anspruch genommen und habe auch eine Ausbildung in diesem Bereich gemacht.

Coaching hilft meiner Erfahrung nach sehr gut wenn es ein konkretes Problem gibt und wenn ich mit Hilfe des Coaches ein individuelles, passgenaues Ziel formulieren kann (mehr dazu siehe unter SMART). Dieses Ziel passgenau formuliert zu haben ist schon die halbe Miete ;).

Beim Coaching das ich gelernt habe ist derjenige, der sich coachen lässt, der Experte!!! Der Coach selber kann "nur" Fragen stellen, und es war für mich immer wieder verblüffend, wie sehr sich alles dreht, wenn ich den Fokus auf die Lösung lege(n muss).

Schon während der Ausbildung, bei den "Übungscoachings", haben sich großartige Erfolge eingestellt. Ich selber habe zu der Zeit in einem pädagogischen Team gearbeitet und hatte mit zweien der Kollegen arge Probleme. Als ich durch das Übungscoaching zu der Zielformulierung gelangte, war mir UMGEHEND klar, dass ich das mit den beiden Kollegen nie erreichen werde - was für mich bedeutete, dass ich kündigen wollte. Bei der nächsten Supervision waren die beiden (mal wieder) krank und somit nicht dabei, ich habe das Thema dann angesprochen ... (ich überspringe mal die Zwischenschritte ;) ) ... im Endeffekt bekamen die Beiden die Kündigung (eine "Lösung" die ich natürlich überhaupt nicht auf dem Schirm hatte und die ja auch nicht in meiner Hand lag). Ich hab mich gut ein Jahr damit herumgequält, nach dem Coaching war die erwähnte Lösung innerhalb von 2 Wochen da ...

Ich bin ja nun auch leider gleichzeitig Betroffene, und es wäre schon klasse gewesen, wenn es mit Coaching gelingen würde, aus der Depression herauszukommen. ich glaube wir wissen alle, dass da ja so tiefe Glaubensmuster und Überzeugungen am Werke sind ... die brauchen schon deutlich mehr und permanente "Umprogrammierung". Wenn es aber um konkrete Einzelbaustellen geht, dann kann ich es empfehlen!

Liebe Grüße,
die Ulli .... die zwar große Freude an der Ausbildung hatte und gerne ihren Traum von der Selbständigkeit gelebt hätte, aber da war die Depression mächtiger ... damit hadere ich noch sehr :(
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