Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Wandervogel
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Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Wandervogel »

Hallo Leute, :hello:

Ich bin seit vielen Jahren schon erwerbsgemindert und jetzt auch erwerbsunfähig.

Immer wieder komme ich in meinem Umfeld in die Situation, dass ich mich deswegen rechtfertigen muss.

Wieso bist Du erwerbsunfähig, andere mit Depressionen arbeiten auch? Willst Dich wohl durchhartzen! Du bist doch gar nicht krank, hast ja zwei gesunde Arme und Beine!

Immerwieder fühle ich mich dazu genötigt meine Diagnosen (chronische Depression, Bibolar II) zu erklären und dann doch auf völliges Unverständnis und sogar Ablehnung zu stoßen.

Es ist nicht nur anstrengend und zermürbend. Es verletzt auch ungemein.
Immer wieder wird mir deutlich gemacht, dass Depressionen ja keine Krankheit sind, sondern nur Charakterschwäche.
Auch Hinweise, dass die- oder derjenige sich ja mal auf der Seite der Depressions Liga schlau machen könnte, werden abgewehrt. Wozu auch, wenn es ja keine Krankheit ist.

Ich merke, dass ich mich mehr und mehr in mich zurückziehe. So wenig wie möglich über meinen "Arbeitsstatus" bekannt gebe und zu Themen, die das auch irgendwie streifen könnten, schweige. Doch ich merke auch, dass mich das irgendwie immer einsamer macht. Was mich dann wieder depressiver werden lässt.

Ich erkläre dann auch immer wieder, was ich alles versucht habe, um wieder in Arbeit zu kommen, aber es einfach nicht möglich war. So als wäre das alles meine Schuld, mein Versagen.
So als stünde ich vor Gericht und müsste die Beweise anführen, die meine Verberentung rechtfertigen. Es genügt ja nicht, dass ich von amtswegen (Gutachter der DRV) ja Recht bekommen habe. Ich habe es mir schlicht und einfach erschlichen.

Gibt es hier jemanden, der auch schon viele Jahre verberentet ist und ähnliche Erfahrungen gemacht hat oder macht? Wie gehst Du dann damit um?

Liebe Grüße
Seide
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Seide »

Hallo Wandervogel,
Dein Beitrag könnte von mir geschrieben worden sein.
Das alles habe ich auch viele Jahre erlebt.
Die nächste Frage war dann automatisch noch "was , und wieviel Rente bekommst Du "?
Und ich Schaf habe natürlich immer brav Auskunft gegeben.
Auf einer Familienfeier bin ich dann mal explodiert.
Ich sagte " Die ganze Familie und Verwandtschaft weiß wieviel Rente ich bekomme, aber ich weiß von niemandem wieviel Rente oder Gehalt Ihr bekommt "
Da haben wirklich alle ganz schön blöd geschaut.

Irgendwann fing ich an zu lügen und sagte ,daß ich arbeitslos bin.
Das war etwas komisch, da ich ja in den letzten Jahren in der Altenpflege arbeitete.
Aber alle, wirklich alle haben das kommentarlos angenommen.

Als ich vor fast vor 12 Jahren in diese Wohnung zog, habe ich die
Wahrheit gesagt, dass ich Renterin bin.
Aber da war ich inzwischen 58 Jahre alt.
Das war dann in Ordnung für alle.

Wandervogel, einen Tipp wie Du das händeln könntest, habe ich leider nicht.
Ich bin schon sehr gespannt auf weitere Antworten.
Zuletzt geändert von Seide am 22. Jan 2022, 13:53, insgesamt 1-mal geändert.
Gertrud Star
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo Wandervogel,

ich bin jetzt auch seit knapp 15 Jahren berentet. Früher im Hartz IV kamen noch mehr komische Fragen, seit ich in Rente bin eher weniger. Ich sage dazu immer, ich habe schon in jungen Jahren, als ich nicht mehr ganz gesund war, mich aufgearbeitet. Bei mir stimmt das sogar, ich habe gleich nach dem Studium einen abartig großen beruflilchen Abstieg gemacht, bevor es überhaupt mal zu einem adäquaten Berufseinstieg kommen konnte (denn Hilfsarbeiterin sein mit akademischem Berufsabschluss in der Tasche ist kein wirklicher Einstieg).
Danach hat es auch viele Versuche mit Medikamenten, Therapien, Kliniken und Umschulung gegeben, über viele Jahre. Mit etwa 40 Jahren kam dann Hartz IV und das war dann das gesundheitliche Aus für mich.

Ich kenne es speziell von meiner Familie auch so ähnlich. Bei ihnen zählt nur die Arbeit. Der Schwager geht nicht mal zum Arzt, immer nur Arbeit. Muttern hat in der Rente noch gearabeitet und war die Gute.
Was meine Familie nicht sehen kann ist:
dass mir schon der Bildungsweg erschwert wurde,
dass ich schon als Jugendliche deswegen auch gesundheitlich etwas beeinträchtigt war,
dass ich nach der Wiedervereinigung einen Abstieg von der Leistungsstipendiatin zur Hilfsarbeiterin hinlegte
dass mich das krank machte,
dass ich aufgrund Überschuldung (die auch nicht wahrgenommen wurde) darin und in Krankheit gefesselt war,
dass ich zeitweise also mehrere Jahre (trotz Krankheit) wegen Fernpendeln lediglich unwesentlich mehr als ein Sozialhlfeempfänger verdiente und dafür mehrer Jahre lang 60 (in Spitzenzeiten 80) Stundne pro Woche unterwegs war,
dass sich behandeln lassen auch Arbeit ist,
dass ich aufgrund Krankheit eine Umschulung mit Fernpendeln nicht mehr schaffte (und ohne wohl auch nicht mehr geschafft hätte),
dass für mich eine Anlerntätigkeit weder psychisch gut ist noch finanziell mich besser stellt,
dass heute mit Sozialhilfebezug das Arbeiten sich bei mir nicht lohnt (70% des Verdienstes werden auf die Sozialhilfe angerechnet),
dass Behandlungen auch nix bringen können (nicht wie beim geflickten Zahn),
dass man nebenbei auch noch älter wird mit der Krankheit und der Armut samt den sozialen Folgen und diese ja auch stressen.

Neulich in einer Auseinandersetzung kam dann die Aussage, ich hätte mir ja einen reichen Mann nehmen können.

Meine Leute sind sehr einfach gestrickte Leute, die nur ihrs kennen: in den unteren Positionen rackern und relativ wenig verdienen und sich dann mit etwas mehr Arbeit ein paar Annehmlichkeiten leisten können.
Mehr können die sich nicht vorstellen: keine psychische Krankheit wirklich, keine Armut, und auch nicht die Bedürfnisse von Menschen, deren Intelligenz im oberen Bereich liegt.
Man kommt sich immer so behandelt vor, als ob man bissl doof wäre, unfähig, unwillig, faul, Schmarotzer, und auch als ob alle Kranken viel arbeiten könnten und jeder mit höherem IQ das ganze Berufsleben lang stupide Anlerntätigkeiten ausüben kann ohne Schaden zu nehmen. Auch fehlt das Vorstellungsvermögen, dass man mit einem Studienabschluss, der nicht verwertbar ist und man quasi ohne berufliche Qualifikation dasteht, einen niemand einstellt, für gar nix.

Wenn man das so anschaut, ist das eine Mischung davon, dass sie ihre eigenen Erfahrungen und Beschwernisse auf andere übertragen und auch für Schwerkranke als Lösung ansehen. Sie sind nicht intelligent genug um den Rest zu verstehen, nämlich Leute mit Krankheit in Armut und auch Studierfähige Leute.
Das liegt an der eigenen mangelnden Vorstellungskraft und am enorm hohen Arbeitsethos hierzulande, aber auch an deren eigener gesellschftlich relativ niedriger Position.

Man könnte statt erklären und aufklären wollen auch einfach kurz und knapp antworten:
"Du wirst doch jetzt nicht das Urteil des Gutachters infrage stellen wollen?" oder so ähnlich.
Ich bin des Diskutierens und Erklärenwollens müde geworden. Wenn jemand seinen Horizont nicht erweitern will, kann man leider nix machen.
Ob der Rückzug jetzt depressiver macht, hm das wird bei jedem anders sein.
Vielleicht kann man zuerst mal fragen wie: "Was müsste denn passieren, dass du meine Lage zur Kenntnis nimmst?"

Mir sind mittlerweile manche Diskussionen zu beschwerlich und ich führe diese nicht mehr da, wo kein Wille zum Auseinandersetzen damit da ist.
Während nebenbei bei meiner Familie öfter über mich diskutiert wird, wieso ich denn nicht und wieso dies und das... Also wieso ich nicht arbeite, wieso mir denn kein Arzt helfen kann, wieso ich immer noch in Sozialhilfe bin und so weiter. Teils wird mir das sogar zugetragen, während man mich selber nicht fragt oder von mir einfach erwartet, zu arbeiten und dass Therapien helfen müssen.

Sie sind schlicht überfordert mit jemandem in dieser Situation. Und wäre das nicht ich sondern jemand anderes, wären sie das auch.
Und das schwarze Schaf muckt ab und an mächtig auf. Das braucht die Psyche manchmal sehr, anstatt immer nur Sachlichkeit und Aufklärung und Zurückhaltung. Sie selber machen es ja auch.

LG Gertrud

PS nachdem Seide schon geantwortet hat:
Ich bin mittlerweile 56 und mit knapp Mitte 40 wurde ich berentet.
Die Erfahrung, dass die Fragerei aufhört, wenn die Leute wissen, ich bin berentet, hört eher bei Fremden auf. In der Familie sind sie weiter überfordert.
Seide, deine Antwort mit dem Gehalt wissen und Rente wissen finde ich super. Manchmal muss man sich leider wehren, um überhaupt ernst genommen zu werden, kenne ich auch so.
Seide
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Seide »

Eine Antwort von einer sehr guten Freundin war, für mich der Gipfel.
Als ich den Betrag Ihr sagte, antwortete sie " Ja, sparen kannst, Ihr mußtet ja schon immer sparen ".
Damit meinte sie, das während unserer Ehe mein Exmann wenig verdiente und ich immer Minijobs hatte.
Wir deshalb während der ganzen Ehe ( 20 Jahre ) immer sparen mussten.
Ich hätte dieser Freundin am liebsten an ihr Schienbein getreten.

Einmal habe ich einer Bekannten geantwortet " Neugierig bist du nicht "
Sie war dermaßen beleidigt und sauer.
Ich habe sie daraufhin auf der Arbeit angerufen und mich entschuldigt bei ihr.
Heute schüttele ich meinen Kopf darüber. Aber viel sprechen wir seitdem nicht mehr miteinander. Das ist unglaublich.
Nachtmensch
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Nachtmensch »

Hallo Wandervogel,

jemandem erklären weshalb man erwerbsgemindert ist setzt voraus, dass diese Person genug Wissen um die Krankheit hat. Bei jemandem der dies nicht mitbringt, ist es nahezu nutzlos. Die nächste Frage wäre, geht es diese Person überhaupt etwas an?

Ich rechtfertigte mich Privatpersonen gegenüber schon garnicht mehr. Wozu auch? Die leben nicht mein leben.
Als ich mit 15 meine Lehre begann, hatte ich keinen konkreten Plan wie mein Erwerbsleben verlaufen würde.
Als mein Onkel (einzige männliche Bezugsperson in der Familie) ein Jahr vor seiner Rente starb und ich erfasste, dass er nur wegen ein paar Mark mehr, nicht schon früher in Rente gegangen ist, obwohl er Herzprobleme hatte, war mein Plan, in Rente zu gehen sobald dies möglich wäre. Abschläge beim Geld in kauf zu nehmen.
Als ich dann nach der Ausbildung im regulären Erwerbsleben angekommen war, habe ich mich auch um private Vorsorge gekümmert um mit 61 in Rente zu gehen, was zum damaligen Zeitpunkt möglich gewesen wäre mit finanziellen Einbußen.
Nach 35 Jahren Erwerbsarbeit und geleistetem Zivildienst wurde dir Firma in der ich arbeitete geschlossen. Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt schon 3 Jahre diagnostiziert und wohl mehr als 7 Jahre ohne die Diagnose lebte, ging ich arbeiten. Das ging aber nur aufgrund dessen, dass Kollegen und Firma meine gesundheitlichen Defizite akzeptieren konnten und ich trotzdem ein wertvoller Mitarbeiter mit entsprechenden Kenntnisen war.

Als die Firma dann zu war suchte und bekam ich einen neuen Job. Mobbing und auch körperliche Probleme zwangen mich nach etwas über zwei Jahren, diesen aufzugeben. Es folgte ein erster längerer Klinikaufenthalt und ich fand danach wieder einen Job, der mich psychisch nach einem Jahr in die Knie zwang. Seit dem bin ich erwerbsgemindert und arbeitslos. Mein ursprünglicher Plan und alle danach gingen nicht auf und ich habe daraus gelernt, dass Pläne nichts weiter sind als Pläne. Aber für was von meinem Leben und meinen derzeitigen Lebensumständen müsste ich vor jemandem aus meinem persönlichen Bekanntenkreis rechtfertigen? Vor jemandem der mein Leben bis dato nicht genau so gelebt hat oder musste? Nullkommanichts!

Es reicht mir, dass ich gegenüber Institutionen machen muss und wenn die zu dem Schluss kommen, das es so ist wie es ist, ist das Rechtfertigung genug und vor allem auch gegenüber allen anderen, mit denen ich es zu tun bekomme.

Wie neulich bei einem „Vermittlungscoach“, der mich allzugerne noch halbtags in einer Leiharbeitsfirma untergebracht hätte. Es wäre ja sein Auftrag mich in Arbeit zu bringen. Ich zeigte ihm dann mein sozialmedizinisches Gutachten der AfA und bat Ihn, mir etwas passendes zu vermitteln und mich auch im Bezug auf meine psychische Erkrankung entsprechend zu coachen, damit eine Vermittlung auch Früchte trägt. Seine Antwort: sowas leisten wir hier nicht.

Also nutzt eine Rechtfertigung nur dort, wo eine Möglichkeit besteht, mir auch tatsächlich in oder aus meiner Lage zu helfen. In meinem privaten Umfeld sehe ich so eine Möglichkeit kaum und wenn, dann nur bei wenigen einzelnen Personen, die aber auch meine Erkrankung ernst nehmen. Das komische daran, vor diesen Menschen muss ich mich nicht mal rechtfertigen.

Kurzum, wer von mir eine Rechtfertigung will, muss erstmal rechtfertigen weshalb er dies von mir verlangt.

VG Nachtmensch
Seide
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Seide »

Hallo Nachtmensch,
Super,
aber so viel Standfestigkeit hat leider nicht jede/r . Ich nicht, denn ich lasse mich schon immer sehr schnell in die Enge treiben und die guten Antworten fallen mir immer hinterher erst ein.
Nachtmensch
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Nachtmensch »

Hallo Seide,

ich weiß grade nicht wie ich das „Super“ werten soll. Aber wenn ich so rüber komme, als wäre ich immer schlagfertig anderen gegenüber, ist das nur die halbe Wahrheit. Bei dem Vermittlungscoach, hat es mich schlaflose Nächte gekostet und ich habe sehr gehadert damit, Tacheles zu reden. Und das tat ich dann, weil ich mich in die Ecke gedrängt fühlte.

Und mir fallen auch meistens erst nach einer Situation die Worte ein, die ich hätte entgegnen können.
Was auch interessant ist, oft bemerke ich, dass ich mich im Grunde rechtfertige, obwohl ich dazu nicht gezwungen wurde. Das nehme ich aber erst hinterher war. Es sind so kleine, eigentlich unnötige Rechtfertigungen im alltäglichen Leben, die dann doch irgendwie ans Licht kommen. Vielleicht werden sie auch von anderen nicht als solche wahrgenommen. Es ist ja auch so, dass wenn man etwas begründet, so banal es scheint, es schon ein rechtfertigen darstellt.

Hey Schatz, ich hab Kaffee gemacht. Ich dachte, der würde dir jetzt gut tun. (Eigentlich eine Rechtfertigung fürs Kaffeekochen)

VG Nachtmensch
Ekis
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Ekis »

"Ich bin so krank, dass nicht einmal die Rentenversicherung noch eine Möglichkeit sah, mich in Arbeit zu bringen. Und das heißt schon was."

Ich halte die Geringschätzung mancher Menschen nicht aus. Ich habe entschieden, mich mit diesen Menschen nicht mehr zu umgeben. Inklusive einem Elternteil.
Seide
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Seide »

Hallo Nachtmensch,
Das " super " war , von mir , positiv gemeint.Wenn das anders bei Dir ankam, dann entschuldige ich mich bei Dir.
Als ich Deinen Beitrag gelesen habe, verstand ich ihn so, wie Du jetzt reagierst und antwortest. Für mich las sich alles sehr leicht und locker ? Evtl. habe ich etwas falsches reininterpretiert ?
Auf keinen Fall habe ich " super " negativ oder ironisch gemeint. :hello:
Zuletzt geändert von Seide am 22. Jan 2022, 16:34, insgesamt 2-mal geändert.
Katerle
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Katerle »

Oh ja Wandervogel, sowas kannte ich von mir auch, viele Jahre... Hatte da auch mal ein klares Wort gesprochen..., ob ... denn Arzt sei, um das beurteilen zu können..., nachdem vorausgegangene Versuche, die Krankheit und auch Erwerbsunfähigkeit zu erklären, scheiterten. Dann war erstmal Ruhe, aber nicht lange, es wurde weitergemacht... und ich war dann auf Abstand gegangen...

LG Katerle
Zuletzt geändert von Katerle am 24. Jan 2022, 06:18, insgesamt 1-mal geändert.
Nachtmensch
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Nachtmensch »

Hallo Seide,

zunächst, eine Entschuldigung ist nicht nötig und wäre es auch nicht bei einer Kritik an mir. Es gibt Worte, wenn sie ohne weitere Umschreibung gesagt werden, oder den Beginn eines Satzes bilden, für mich immer etwas uneindeutig erscheinen. Das liegt aber zweifellos an mir. Nett, ist zum Beispiel auch so ein Wort.
Bei Super orientiere ich mich leider auch eher daran, wie ich es verwende. Nämlich meistens dann wenn etwas nicht positiv ist: super, das fehlte gerade noch, zum Beispiel. Ansonsten betanke ich mein Auto damit, was auch zur Zeit keine positiven Aspekte mit sich bringt, angesichts der Preise.

Ich persönlich vermeide ansonsten vermeintliche Überhöhungen, benutze „gut“ wenn etwas nicht schlecht ist. Vielleicht weil alles was gut noch übertreffen könnte, mir eher unwirklich erscheint. Was wiederum sicher an meiner binären Sichtweise liegt, welche ich mir, sicher auch schon vor meiner Depression, irgendwann angeeignet habe. Die aber gerade für Depressive natürlich schlecht ist und bei mir bei Grauzonen eher Richtung schwarz tendiert.

Also, alles gut :)

VG Nachtmensch
Seide
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Seide »

Hallo Nachtmensch,
Missverständnisse gibt es leider öfters, wenn man sich nur schreiben kann.
Persönlich könnte man sofort nach haken " Z.B. wie meinst Du das ? "
Das ist meine Meinung.
Danke schön, dass Du noch einmal darauf eingegangen bist. :hello:

Gerade fällt mir ein, daß ich bei diesem Wort dachte " schade, daß es im Forum kein Smiley mit Daumen hoch gibt.
Nachtmensch
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Nachtmensch »

Seide hat geschrieben:Hallo Nachtmensch,
Missverständnisse gibt es leider öfters, wenn man sich nur schreiben kann.
Persönlich könnte man sofort nach haken " Z.B. wie meinst Du das ? .
Ja, das stimmt und natürlich ist beim gesprochenen auch der Tonfall immer hilfreich und nicht zu unterschätzen.


VG Nachtmensch :hello:
Wandervogel
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Wandervogel »

:hello: Hallo Leute

Also erst einmal ganz ganz ganz lieben Dank für Eure offenen und mutmachenden Antworten. :oops:

@Nachtmensch
Ich finde Deine Gegenfrage: "Was verdienst Du denn?" Echt klug und schlagfertig.
Den Satz werde ich mir merken und dann auch anbringen. ;) Mal sehen was passiert. :?

Das mit den Ämtern kenne ich auch. :( Das finde ich dann immer noch schlimmer. Da fühle ich mich dann so richtig ohnmächtig und ausgeliefert, weil die ja über mich eine "Entscheidungsmacht" ausüben. :(
Allein schon der Gutachter von der DRV hat mir jedes Mal gereicht, wenn die Verlängerung meiner EU-Rente anstand. Ich kam mir vor, als stünde ich vor Gericht.
Gott sei Dank ist das vorbei. Ich bin jetzt unbefristet verrentet. :|


@Katerle
Ja, mein Gegenüber zu fragen ob er denn Arzt sei? wollte ich auch schon immer mal machen. Ich bin immer so ein "Hasenfüßchen" und trau mich nicht. :oops: Das hat wohl auch damit zu tun, dass ich immer wieder erlebt habe, dass mich sog. Freunde wegen meiner Krankheit, wenn es mir dann schlecht ging und ich sogar in die Klinik kam, hingehängt habe.
Nachdem ich nun zum dritten Mal einen "Freundeskreis" aufgebaut habe, habe ich tierischen Schiss davor, wieder hingehängt zu werden.
Aber es ist schon richtig. Den Mund halten bringst auch nicht und alles in sich hineinfressen. Ich krieg dann auch immer Freßanfälle (falle in meine Essstörung zurück) und bestrafe mich im Endeffekt am Ende auch noch selbst.
Na ja, wie heißt es so schön: Selbsteinsicht ist der erste Schritt zur Besserung.

@Grinch
Also den Satz "Ich bin mir zu fein für's Arbeiten" finde ich für mich persönlich etwas zu harsch.
Trotzdem Danke für Deine Offenheit. Finde ich mutig, aber ich denke, dass ist nicht meins.

@Seide
Den Spruch, "ihr könnte ja sparen, habt ja nie im Luxus gelebt", hat mal meine ältere Schwester gebracht. Die hat echt gut Kohle. Zwar alles erarbeitet, was ich ihr auch wirklich gönne, aber die trägt die Nase ganz schön oben. Die hätte ich auch am liebsten standrechtlich erschossen. :x
Den Kontakt zu ihr habe ich dann auch wirklich irgendwann abgebrochen.

Also noch mal danke an Euch alle :oops: Das hat mir schon sehr geholfen.

Liebe Grüße
Seide
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Seide »

Dankeschön für Deine Rückmeldung.
Kokoni
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Kokoni »

Wandervogel hat geschrieben:Hallo Leute, :hello:
Gibt es hier jemanden, der auch schon viele Jahre verberentet ist und ähnliche Erfahrungen gemacht hat oder macht? Wie gehst Du dann damit um?

Liebe Grüße
Ich bin schwerbehindert und seit 7 Jahren in voller EM Rente. Deine Erfahrungen mache ich überhaupt nicht, im Gegenteil.

Passt evt dein soziales Umfeld nicht zu dir bzw deiner Lebenswelt? Die Menschen zu ändern dürfte schwer sein und damit sich abzufinden, das würde ich nicht empfehlen.

Gruß

der Kokoni
Wo ich bin ist oben und wenn ich unten bin dann ist unten oben
Seide
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Seide »

Hallo Kokoni,
ich bin zwar nicht Wandervogel, verstehe Deine Frage aber trotzdem nicht ?
Hast Du alle Beiräge hier gelesen ?
Dann liest Du , daß sehr viele diese oder ähnliche Erfahrungen machen oder machten .
Egal welches Umfeld wir haben . Wie willst Du immer ein gutes Umfeld Dir schaffen ?
Dann dürftest Du z.B. nicht einkaufen gehen. Denn Dir könnte ja eine ehemalige Arbeitskollegin begegnen und Dir in diese Richtung Fragen stellen. Was machst Du dann ?

Hoffentlich verstehst Du mich richtig ?
Ich meine das nicht aggressiv oder so.Ich verstehe es halt nicht.
Kokoni
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Kokoni »

Seide hat geschrieben:Hallo Kokoni,

Dann dürftest Du z.B. nicht einkaufen gehen. Denn Dir könnte ja eine ehemalige Arbeitskollegin begegnen und Dir in diese Richtung Fragen stellen. Was machst Du dann ?
.
Ok, da hab ich was falsch verstanden. Mit persönlichem Umfeld habe ich nicht die Menschen gemeint, die man zufällig beim Einkaufen trifft. Wenn man das dermaßen erweitert, gehören alle Menschen die da draußen rumlaufen zu diesem Umfeld, richtig?

Dann würde ich aber das tun, was ich ja auch mehrfach getan habe, Umziehen.

Allerdings würde ich auch sagen, dass es Menschen geben könnte, deren Umfeld vor der Rente schon so konstruktiv strukturiert war, dass es auch nach der Rente passt. Das Umfeld wäre demnach schon vorher das falsche gewesen und hat somit auch was damit zu tun, dass man überhaupt erst in Rente gelandet ist. Nur so als Gedankenspiel.

Gruß

der Kokoni
Wo ich bin ist oben und wenn ich unten bin dann ist unten oben
Kokoni
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Kokoni »

Noch eine Anmerkung: Alleine der Gedanke, man müsse irgendwelchen Menschen irgendetwas erklären, den finde ich falsch. Geht ja niemand was an.

Man muss gar nichts erklären, der andere hat es bedingungslos zu akzeptieren, das wäre meine Einstellung.

Kokoni
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Seide
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Seide »

Hallo,
jetzt verstehe ich was Du meinst.
Aber ich merke , wir beide könnten jetzt endlos weiter diskutieren.

Ein Umzug wäre nur ganz am Anfang die Rettung.
Kennst Du das Sprichwort ?

Egal wohin Du ziehst Du nimmst Deine Probleme mit.

Und jetzt zu Deinem Gedankenspiel.
Ich ziehe um in eine neue Gegend . Lerne jemand kennen, werde gefragt hast Du Lust zu uns zu kommen ? Wir sind eine Spielgruppe und es sind sehr nette Leute da.
Du gehst in diese Gruppe, stellst Dich vor und jetzt ?
Irgend jemand fragt Dich garantiert was Du beruflich machst.

Dann hast Du das gleiche Problem wie in der alten Stadt.
" Was Du bist erst 45 J. und schon in Rente ?"

Noch noch ein ganz wichtiger Punkt kommt dazu.
Ich z.B. und ich bin ganz sicher, noch mehr hier im Forum, könnte mir jetzt und auch in 20 Jahren nicht keinen Umzug leisten. Höchstens ich gehe ins Altersheim und lebe isoliert in meinem
Zimmer. Willst Du so ein Leben ? Ich nicht.

Liebe Grüße Seide :hello:
Zuletzt geändert von Seide am 24. Jan 2022, 12:48, insgesamt 1-mal geändert.
Seide
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Seide »

Kokoni hat geschrieben:Noch eine Anmerkung: Alleine der Gedanke, man müsse irgendwelchen Menschen irgendetwas erklären, den finde ich falsch. Geht ja niemand was an.

Man muss gar nichts erklären, der andere hat es bedingungslos zu akzeptieren, das wäre meine Einstellung.

Kokoni
Das würde ich meiner Mutter erzählen, würde sie noch leben.
Aber sie hat mich so erzogen , und das obwohl ich in meiner Schulzeit 9 Jahre
lang nur die Ferien bei meinen Eltern verbracht habe.

Bei diesem Thema, natürlich auch bei anderen Themen , spielen so viele Aspekte eine sehr wichtige Rolle.

" Theoretisch weiß ich alles , aber das in die Praxis umsetzen ,das ist doch unser Problem "
Theoretisch bräuchte ich keine Therapeuten, würde 60 kg wiegen u.s.w. .

Zu mir kommt jetzt der Pflegediesnst.
Deshalb muß ich jetzt diese Diskusision beenden.

Evtl. bekommst Du ja noch andere Meinungen und Antworten .
Tschüssle - mach´s gut
Kokoni
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Kokoni »

Hallo,

ich würde nie behaupten es wäre einfach sein Leben zu ändern. Das geht auch nur in den Grenzen des Möglichen und die sind bei jedem Menschen anders. Alleine schon ob jemand 17 oder 70 ist, alleinstehend oder mit Familie, wohlhabend oder arm usw.

Wir leben alle in vielen Abhängigkeiten und chronisch psychisch krank zu sein behindert einen Menschen auf unsägliche Weise. Ich bin es ja auch.

Aber grade deswegen finde ich die richtige Einstellung so wichtig. Du hast deine Mutter erwähnt, das bedeutet, die spielt noch eine Rolle in deinem erwachsene Leben. Diese Dinge habe ich jahrelang in Therapie bearbeitet und es ist so weit als möglich abgeschlossen. Dazu gehört auch Vergeben können.

Was die Frage angeht, wie erklärt "man" konkret die Rente - da würde ich sagen, dass "man" diese Frage nicht beantworten kann. Ich kann ganz allgemein Autofahren erklären, aber nicht mein Leben, oder meinen sozialen Status. Das ist auch intime Privatsache.

Wenn man neue Leute kennenlernt, dann geh ich davon aus, dass man sich die aussucht, die zu einem passen. Die andere wären mir egal. Ich bin aber auch eher der bestimmende Teil in einer sozialen Beziehung aller Art. Das war ich aber früher gar nicht, das hab ich mir erarbeitet. Ich muss aber auch zugeben, dass ich nur wenige Menschen habe, die ich zu meinem Umfeld zähle und dir mir wichtig sind. Die anderen stehen halt im Weg rum, das kümmert mich wenig. :lol:

Kokoni
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Gertrud Star
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Gertrud Star »

Jo, jetzt mal etwas provokativ gesagt:
Ein psychisch kranker Mensch mit Sozialhilfe und ohne familiären Rückhalt (denn von da kommt auch das Unverständnis und Angriffe) baut sich ein Sozialleben auf.
Na wo wird das wohl stattfinden? Richtig, entweder gar nicht oder nur in psychiatrischen Tagesstätten.
Das ist dann natürlich ein Umfeld, wo man nix erkären muss. Die Familie fragt dann aber irgendwie midnestens mit vollstem Unverständnis, was man da die ganzen Jahre so macht und was seit Jahren die ganzen Psychiater und Therapeuten mit einem machen und wieso nix hilft.
Achja und wenn das nix hilft, könnte man ja wenigstens arbeiten und damit aus der Sozialhilfe raus kommen. Und so weiter.
Ich bin jetzt Mitte 50 und seit jungen Jahren mehr oder weniger immer in Überschuldung oder Sozialhilfe.
Seit jungen Jahren wurde ich als doof und krank einsortiert statt als hochintelligent und unterprivilegiert. Da bildeten nichtmal die Profis eine Ausnahme.
Ja so ist das Leben leider, muss man mit klarkommen. Ob irgendwas hilft oder tatsächlich verbesserbar ist oder nicht.
Gelle?
Kokoni
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Kokoni »

Gertrud Star hat geschrieben:Jo, jetzt mal etwas provokativ gesagt:
Ein psychisch kranker Mensch mit Sozialhilfe und ohne familiären Rückhalt
Genau, darum gehts mir. Das eine ist die Krankheit. Dazu kommen prekäre Lebensverhältnisse, die auch gesunde Menschen betreffen können. Dazu kommt das familiäre Umfeld, dass offenbar - warum auch immer - gar nicht zu einem passt.

Diese Dinge würde ich halt nicht grundsätzlich in einen Topf werfen, sondern ich würde sie eher einzeln betrachten. Denn wenn jemand das alles in Gedanken zusammen schmeißt, dann baut sich da eine Wand auf, mit der keiner fertig werden kann.

Ich geh natürlich davon aus. dass die Leute hier aktiv daran arbeiten möchten ihre Zukunft weitgehend ohne Depressionen zu gestalten. Aber ich bin ja kein Therapeut oder Sozialarbeiter, der auch noch Ratschläge in Richtung ökonomischer Notlagen oder familiärer Probleme geben kann. Ich bin Betroffener.

Noch als Info dazu, ich kannte und kenne etliche Menschen aus sehr gutem Hause, die man auch als reich bezeichnen konnte, die aber dennoch wie ein Schwein gelitten haben und einige davon haben ihre Depressionen auch nicht überlebt. Das Vorurteil, ein Mensch mit Geld hätte keine Probleme, greift da zu kurz.

Kokoni
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Gertrud Star
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Gertrud Star »

Natürlich ist es so, dass man mit Geld nicht alles erklären kann.
Dass aber Menschen in prekären Umständen ein um vielfach höhreres Depressionsrisiko haben, steht sogar in den Statistiken, ebenso wie dass sowohl Depressionen als auch Armut und erlittene Gewalt sich enorm auf die geistige Leistungsfähigkeit auswirken.
Und kommt man erstmal aus kleinen Verhältnissen, fehlt auch das Umfeld zum aufsteigen.

Ich habe sehr lange gehadert, um mit Mitte 50 festzustellen, dass schon in jungen Jahren hätte die Erkenntnis kommen müssen, dass wenn die Welt so strukturiert ist wie sie strukturiert ist, ich keine Chance habe. Ich hätte nichtmal eine gehabt, dass man einen Ansatz von Erklärung hätte haben können, womit meine Krankheit(en) überhaupt zu tun haben, weil man das Relevanteste immer außen vor gelassen hat, nämlich nen weiblichen Menschen mit hohem IQ, fast keine Privilegien wie Vernetzung, unterstützende Familie, Geld, brauchbaren Beruf. Dazu jede Menge Belastungen mit Schulden und Krankheit.

Da kommt auch keine Therapie gegen an, weil die Umstände schon von jungen Jahren an nicht mehr verbesserbar sind außer durch Glück: Das Glück nen Therapeuten zu finden, der mal nen IQ-Test macht und das Ergebnis samt früherer sehr guter Schulnoten und die Tatsache des früheren Leistungsstimpendiums mal zur Kenntnis zu nehmen. Oder das Glück, dass sich jemand mit einem über genau diese Sachen unterhält. Oder das Glück, dass man dank Ehe sich finanziell verbessert (besser wie als Hilfsarbeiter oder Sozialhilfe).

Motiviert war ich immer, sehr sogar. Denn ich musste ja sogar, wollte ich ewige Krankheit und Sozialhilfe vermeiden oder Abhängigkeiten in Ehen.
Aber naja, irgendwann ging mir dann auch mal die Puste aus.
Und nein, ich komme nicht aus prekären Verhältnissen und meine Verwandten sind nicht doof.

Sicher kann man auch in einer Therapie die sozialen Probleme nicht lösen und keine Berufsberatung machen.
Man kann aber sehen, wen man vor sich hat. Daran zweifle ich zumindest in meinem Fall ganz gewaltig.

Und mancher steckt in Lebensumständen so fest, obwohl die Ausgangsbedingungen mal nicht so absolut schlecht waren, weil eben die Umstände sich immer schlechter entwickelten.
Bei manchen Umständen sind Therapeuten und Ärzte oft nicht in der Lage, überhaupt adäquat mit dem Menschen zu reden, oder sie sehen in demjenigen nur noch ein Rätsel.

Verbesserbar kann auch heißen, jemandem in jungen Jahren sehr traurige Wahrheiten zur Kenntnis nehmen zu müssen, obwohl die Ausgangslage nicht "absolut prekäre Herkunft" oder "schwerste psychische Krankheit" heißt. Sondern einfach andere Dinge zum Tragen kommen, die mehr mit dem ungünstigen Leben des Patienten zu tun haben. Manche werden darüber sogar psychotisch, ich nur depressiv und ängstlich und zunehmend mutlos und auch kraftlos.

Was bedeutet heilbar, wenn man einem jungen Menschen, der früher Einserschüler und Leistungsstipendiat war sagen muss, er hat so gut wie gar keine Chance und das bissl Sozialhilfe, was ihn erwartet, macht ihn noch kränker?
Ist dann nicht jede Aussage bezüglich heilbar nicht eine Lüge? Was muss man dann tun, um in der Dauersozialhilfe (und ständigen Geldsorgen und sozialem Abgeschnittensein) heil zu werden? Ist man dann, wenn Heilung nicht gelingt, doof oder unfähig oder ein Spinner?
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