ABC-Schema: Kann man alles "immer irgendwie positiv sehen"?

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Nowhere Man
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ABC-Schema: Kann man alles "immer irgendwie positiv sehen"?

Beitrag von Nowhere Man »

Ich arbeite gerade an einer Therapie-Hausaufgabe, bei denen man sich problematische Situationen aus dem eigenen Leben heraussuchen soll, die man i.d.R. negativ bewertet, im Sinne von:

(A) objektiver Auslöser => (B) eigene subjektive negative Bewertung => (C) Gefühle, Verhalten

Herzu soll man dann zum selben Auslöser eine Alternativbewertung (B') finden und resultierende gewünschte Gefühle/Verhalten (C').

Die Beispiele dazu sind ganz trivial, dass es (A) nachts am Fenster raschelt:
(B): "Das ist bestimmt ein Einbrecher" => (C): Angst.
(B): "Es ist nur der Wind" => (C): Beruhigt weiterschlafen.

Suche ich hierzu aus dem eigenen Leben nun Beispiele, die mich regelmäßig triggern, finde ich mit diesem Schema auch nach langem Nachdenken keine gute Alternativbewertung B'. Ich hab jetzt ca. 30 Auslöser (A) aufgeschrieben, die mir im Alltag begegnen, und bei (B) fällt mir (bei FAST allen davon) immer nur ein, dass die Situation (begründet) einfach ganz großer Mist ist, aus dem ich keinen Ausweg oder irgendwas Positives sehe. (C) ist dann dementsprechend Wut, Ärger, Trauer, Hoffnungslosigkeit/Verzweiflung.

Ich finde es nicht richtig, wenn man sich schlechte Situationen "krampfhaft schönredet", oder hab ich da etwas falsch verstanden? Das wird irgendwann absurd unverhältnismäßig:

Doofes, überspitztes, makaberes Beispiel:
(A) Jemand verliert beide Beine.
=> (B') Sieh es doch mal positiv: Jetzt sparst du dir Geld für Schuhe.
=> (C') Ach so, ja dann ist (A) ja toll (bzw. halb so wild)
(Ja, das Beispiel ist überspitzt, und ich hab noch beide Beine, aber es zeigt, wie absurd diese Strategie sein kann)

Ich soll und möchte mich ernsthaft mit der Übung auseinandersetzen, und probiere ich jetzt schon den zweiten Abend in Folge an meinen konkreten Beispielen, eben solchen Konfrontationen mit dem Leben, die meine Emotionen Tag für Tag aufs Neue herausfordern.
Und wie ich's drehe oder wende, fällt mir kein positives (nicht-absurdes) (B') ein.

Was mache ich daran falsch? Müsste ich mir vielleicht "einfachere Beispiele" aussuchen??? Aber die wären dann nicht solche, die in meinem Leben problematisch sind. Beispiele wie (A) "Jemand grüßt mich nicht" => (B') "Vielleicht hat er/sie einfach schlechte Laune, es liegt nicht an mir" sind einfach nicht die, die mir typischerweise Probleme bereiten.
Nowhere Man
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Nachtrag: Signalworte "alles" und "immer"

Beitrag von Nowhere Man »

Es gibt noch eine Sache, die mich wirklich stört beim Schubladendenken, mit dem selbst professionelle Therapeutin Depressionspatienten kategorisieren:

In einem Merkblatt lese ich (mal wieder, weil altbekannt), dass es ein „typisches Denkmuster der Krankheit“ sei, zu sagen „alles“ sei schief gegangen, oder es passiere „immer“. Warum wird einem Depressiven hiermit das Recht abgesprochen, diese Wort im objektiv angemessenen Fall zu verwenden??

Auch bei meiner Therapeutin (von der ich viel halte) schrillen sofort die Alarmglocken, wenn ich so ein Wort verwende. In der Tat ist aber in bestimmten Bereichen meines Lebens alles schiefgegangen, und in bestimmten Bereichen war dies auch immer, von A bis Z.
Das müsse ja eine „Verallgemeinerung“ sein, und da sprechen nur die Depressionen:

Nein, ich kann – lückenlos! Von A bis Z – gern jedes einzelne dieser Ereignisse aufzählen, die zu 100% schiefgegangen sind, und würde dabei nicht eine einzige Situation „unterschlagen“, wo es nicht schiefgang… aber dann ist die halbe Sitzung rum.

Warum wird man als Depressiver nicht ernstgenommen, wenn man ein Problem damit hat, dass eine Sache bisher ausnahmslos „immer“ schiefgegangen ist und in diesen Bereichen (wirklich und ganz objektiv) „alles kaputtgegangen“ ist?
Gartenkobold
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Re: ABC-Schema: Kann man alles "immer irgendwie positiv sehe

Beitrag von Gartenkobold »

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Zuletzt geändert von Gartenkobold am 3. Mai 2022, 10:30, insgesamt 1-mal geändert.
Suchende2
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Re: ABC-Schema: Kann man alles "immer irgendwie positiv sehe

Beitrag von Suchende2 »

Guten Morgen Nowhere Man,

ich kann mich Gartenkobold nur anschließen.
Die Vergangenheit kann man nicht ändern und damit auch nicht, was damals passiert ist.
Das gute aus der Vergangenheit versuche ich mit in die Zukunft zu nehmen und das Schlechte werde ich nicht vergessen, aber einen Weg finden, es zu meiner Vergangenheit zu machen, die möglichst nicht mehr negativ in meine Zukunft reinspielt.

Nun zu Deinem überspitzten Beispiel und der möglichen positiven Umdeutung:
Beine verloren, aber Leben behalten.

Alles Gute,
Suchende
Nowhere Man
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Re: ABC-Schema: Kann man alles "immer irgendwie positiv sehe

Beitrag von Nowhere Man »

Hallo Gartenkobold und Suchende,
danke für eure Rückmeldungen.

Ja, mit radikaler Akezptanz tu ich mich immer noch serh schwer. Es ist bei mir zumindest (schon seit längerer Zeit) eine "vordergründige Akzeptanz" oder ein "Verdrängen und dann Fokus auf die Dinge, die man selbst in der Hand hat", aber ganz ganz tief in mir drin hab ich viele Sachen noch nicht akzeptieren können, und bei manchen davon hab ich das Gefühl, dass ich noch Welten davon entfernt bin und es vielleicht nie akzeptieren kann.

Während ich im Alltag bzw. bei Dingen, mit denen ich mich planmäßig beschäftige, halt versuche, nicht ständig mit diesen Themen zu hadern (weil mich das nicht weiterbringt), tauchen aber immer wieder unvorhergesehen an allen Ecken des Lebens auf und rufen innerhalb einer Sekunde wieder alle Erinnerungen wach (das Thema Traumatherapie müsste ich vielleicht tatsächlich mal in Angriff nehmen, weil m.M.n. vieles des Erlebten wirkliche Traumata sind). Und diese Erinnerungen sind dann genau so übermächtig wie eh und je und ich kann ihnen weder rational noch emotional etwas entgegensetzen.

Ganz extrem (und noch weniger kontrollierbar) hab ich das bei Träumen:
Ich halte sehr viel von der psychologischen Aussagekraft von Träumen (also keine esoterische oder astrologische Traumdeutung, sondern was Träume direkt über unsere Psyche verraten).
Außerdem träume ich sehr viel und sehr realitätsnah:

Das sind auf der einen Seite, wie an anderer Stelle schon erwähnt, kreative Träume: Im Traum komponiere Songs (mit kompletter Bandbesetzung, gesamtem Ablauf, teils sogar mit Texten), löse an der Tafel Mathe-Probleme, die ich seit 2 Wochen nicht hinbekommen habe, oder spreche Fremdsprachen besser (größerer Wortschatz!) als ich es im Wachzustand tu (wache dann auf, und denk mir, was waren das für Worte, schlage es nach, und die gibt es, und alles war richtig). Oder einmal war ich mitten in einer Komödie, die eine Co-Produktion von Monty Python, Hape Kerkeling, Loriot und Helge Schneider war... War wohl einer der originellsten Filme, die ich je gesehen habe und bin irgendwann von meinem eigenen Lachen aufgewacht (leider, hätte ihn gern noch weitergesehen)

Auf der anderen Seite sind dies aber auch sehr, sehr emotionale Träume, wo ich (oder problematische Personen in meinem Leben) das aussprechen, was man sich tagsüber nicht trauen würde - schonungslos! Das trifft mich dann mit voller Breite.
Danach wache ich auf und kann mich eben nicht beruhigen, dass es "nur ein Traum" war, sondern denke mir: "Scheiße, der Traum hat ja RECHT. So ist es WIRKLICH. Und im Alltag, wo ich das unterdrücke, mache ich mir nur etwas vor, dass es halb so wild ist..." Und dann bin ich richtig traurig.

Ich glaube, das liegt (beides) daran, dass wir im Traum unsere Gedanken weniger kontrollieren können. Also bei den positiven Träumen weniger Hemmungen haben, nicht (zeitlich, oder mit Prioritäten) "unterdrücken" können, dass wir eigentlich komponieren wollen, oder eben dass wir über etwas großen Ärger oder Ungerechtigkeit oder Angst verspüren.

Trotz dieser (auch vielen Alp-)Träume bin ich kein klassischer Alptraumpatient, das hab ich mit meiner Therapeutin mal durch. Aber mich (ggf. anderweitig) nach Traumatherapie umzuschauen, sollte ich nicht aus den Augen verlieren.

Und bzgl. des ABC-Schema muss ich dann auch noch mal Rücksprache mit meiner Therapeutin halten, denn so komme ich mit meiner Hausaufgabe nicht vorwärts...
participant
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Registriert: 23. Jul 2021, 12:08

Re: ABC-Schema: Kann man alles "immer irgendwie positiv sehe

Beitrag von participant »

Du könntest dir das hier noch mal ansehen: the work, von byron katie

https://www.fuckluckygohappy.de/glaub-n ... ron-katie/" onclick="window.open(this.href);return false;

Mit diesem Thema habe ich mich lange beschäftigt. Ich denke letztendlich ist es eine Sache der Bewertung, wie du ja auch schreibst. MaN kann aber auch alles etwas einfacher sehen.....

Mich würde interessieren was du studierst?

Herzlicher Gruß
Schließe keine Kompromisse mit dir. Du bist alles, was du hast.~Janis Joplin
Marleo84
Beiträge: 157
Registriert: 13. Mär 2021, 15:17

Re: ABC-Schema: Kann man alles "immer irgendwie positiv sehe

Beitrag von Marleo84 »

Hallo Nowhere Man,

Ähnlich wie bei deinem letzten Post: auch hier geht es nicht darum, das Große Ganze zu betrachten. Es geht darum, Gedankenmuster in kleinen, alltäglichen Handlungen zu entlarven und zu verbessern und dadurch allmählich einen positiveren Blick auf Dinge zu erhalten.

Vielleicht so auf die Schnelle...
Himugüegeli
Beiträge: 65
Registriert: 11. Okt 2021, 17:57

Re: ABC-Schema: Kann man alles "immer irgendwie positiv sehe

Beitrag von Himugüegeli »

Hallo nowhere man
Ich habe mich noch nie mit dem abc schema befasst und erst jetzt von dir davon gelesen.
Ich denke es können auch kreative lösungen sein für das problem.
Zum beispiel dass die person ohne beine eine dankbarkeit entwickelt für das, was noch möglich ist und es das vorher mit beiden beinen nicht gab.
Ich habe zum beispiel probleme mit abschied und neuanfang. Dann könnte ich sagen, dass ich dafür eine person bin, die kontinuirlich etwas beibehält und mit viel geduld ausübt.
Ich glaube es gibt in vielen dingen etwas positives, so wie wenn man eine negativ besetzte münze umdreht und dann kommt das positive hervor.
Ich könnte mir vorstellen, dass sich nicht alle situationen aus dem täglichen leben für dieses schema eignen.
Ich habe nicht ein trauma, weswegen ich in die trauma therapie müsste. Aber es gibt schon in diesem sinne traumatische erfahrungen, die genau wie du beschreibst hochkommen und dann ist es gefühlsmässig nur noch schlimm. Da kann ich nichts positives rauspicken. Genauso bei phobien/extremen ängsten.
Ich denke ich würde auch der therapeutin eine rückmeldung geben, wie es gelaufen ist mit dem schema und nochmals über die bücher gehen, für welche situationen es sich überhaupt eignet.
Ich konnte auch nicht immer alles verwenden, was ich in meinen jahren mit therapie als hilfestellung erhalten habe, aber das meiste schon.
Schlumpffine
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Registriert: 3. Mai 2020, 18:29

Re: ABC-Schema: Kann man alles "immer irgendwie positiv sehe

Beitrag von Schlumpffine »

Hallo,
das ABC Schema nach Ellis ist eine gute Hilfe gerade in Kombination mit der Achtsamkeit.
Nach meiner Erfahrung wird das ABC Schema zwar immer gerne vorgestellt,aber sehr schlecht erklärt.
Denn es besteht aus 5 Punkten und nicht nur aus 3.
Zum

Activating experiences - innere oder äußere Wahrnehmung
Beliefs - Annahmen und Interpretationen
Consequences - Verhalten und Gefühle
kommen noch

Dispute - hinterfrage die ungünstigen Annahmen und Thesenbildung
Effect - lasse den Klienten neue positive Auswirkungen erleben und Erfahrungen machen.

Jetzt noch das B und C in B1/c1= Funktional und B2/C2 Dysfunktional aufteilen.
Wenn das gut erklärt und geübt wurde, ist die ABC Methode ein guter Weg in die richtige Richtung.
Leider ist das in ca.45 Minuten nicht so einfach und führt damit zu großen Frustrationen beim Patienten.
Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Konfuzius
Worte haben die Macht zu zerstören und zu heilen. Wenn Worte sowohl wahr als auch freundlich sind, können sie unsere Welt verändern. “~ Buddha
Deprithomas
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Registriert: 17. Mai 2020, 20:34

Re: ABC-Schema: Kann man alles "immer irgendwie positiv sehe

Beitrag von Deprithomas »

hallo,

mir hilft bei meiner Depression, meiner Lebenswahrheit offen und ehrlich ins Auge zu schauen.

Auch wenn es erst einmal schwer zu verstehen ist. Aber das darf ich aushalten...........

Ja auch meine Wunden Punkte. Verstecken hilft da nicht viel, es muss an das helle Licht.

Oft können wir an unserer Vergangenheit nichts mehr ändern. Aber im jetzigen Leben, und

für unser zukünftiges Leben. .............................................................................................


liebe Grüße
MaWe
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Registriert: 8. Feb 2020, 10:03

Re: ABC-Schema: Kann man alles "immer irgendwie positiv sehe

Beitrag von MaWe »

Es geht bei dem ABC-Schema nicht darum, alles krampfhaft positiv zu sehen, sondern darum, eine möglichst realistische Sicht der Dinge zu entwickeln.
Schlumpffine
Beiträge: 380
Registriert: 3. Mai 2020, 18:29

Re: ABC-Schema: Kann man alles "immer irgendwie positiv sehe

Beitrag von Schlumpffine »

MaWe hat geschrieben:Es geht bei dem ABC-Schema nicht darum, alles krampfhaft positiv zu sehen, sondern darum, eine möglichst realistische Sicht der Dinge zu entwickeln.
Dem kann ich nur bedingt zustimmen, da du zunächst deine persönlichen "Glaubensätze" und deine persönliche Sozialation (Erziehung) hinterfragen solltest und sie realistisch einschätzen kannst
:hello: :shock:
Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Konfuzius
Worte haben die Macht zu zerstören und zu heilen. Wenn Worte sowohl wahr als auch freundlich sind, können sie unsere Welt verändern. “~ Buddha
niri76
Beiträge: 76
Registriert: 26. Aug 2022, 10:06

Re: ABC-Schema: Kann man alles "immer irgendwie positiv sehe

Beitrag von niri76 »

Hallo!

Also ich denke es geht dabei um einen Perspektivwechsel. Natürlich gibt es Dinge, die keine andere Bewertung zulassen, wie z.B. Missbrauch. Aber im Alltag in den kleinen Dingen kann sie sehr hilfreich sein. Meine Therapeutin hat immer folgendes Beispiel:

Du steht an einer Bushaltestelle und ein Dir fremder Mann hält Dir einen 50 Euro Schein hin.
Man könnte jetzt denken: Was will dieser Perversling von mir. Oder aber: Ach wie nett, der schenkt mir 50 Euro.

Aber wie immer in der Therapie ist das ein Prozess den mal durchlaufen muss.

Grüße
niri
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