mit seinen Problemen nicht ernstgenommen werden

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Nowhere Man
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Registriert: 5. Mär 2021, 16:02

mit seinen Problemen nicht ernstgenommen werden

Beitrag von Nowhere Man »

Warum hören Menschen nicht hin, wenn man ihnen ihr Herz öffnet?

Man unterhält sich einen ganzen Abend darüber, warum man nicht mehr kann, schildert ausführlich, was einem genommen wurde in den vergangenen 22 Jahren, und warum das jetzige Leben wie im falschen Film ist, Tag für Tag, Jahr für Jahr, aussichtslos, egal, was man tut. Dass man seine Bestimmung, seine körperliche Gesundheit, seine gesamte Lebensplanung, sein Studium, seinen Job, seine Wohnung, seine Familie verloren hat, dass einem dies auf übelst bösartigste Weise genommen wurde, dass man seit 22 Jahren deswegen nicht mehr schlafen kann, ein körperliches Wrack ist, 5 mal in der Nacht von Horror-Alpträumen aufwacht... dass man nicht mehr weiter weiß, breitet das über mehrere Stunden aus. In 4 unabhängigen Gesprächen kommen dann folgende Reaktionen:

Person 1: "Na ja, schau mal, ich ärger mich auch manchmal über Sachen: Anfang des Jahres hab ich viel Sport gemacht und 8 kg verloren. Dann hab ich dummerweise damit aufgehört und die 8 kg sind wieder zurückgekommen. So haben wir halt alle unsere Probleme".

Person 2: "Weißt du, wenn du mal wirklich was Schlimmes hören möchtest: Ich war letztes Jahr auf einem Festival, da brach ein schlimmes Gewitter aus, als ich gerade auf dem Dixi-Klo saß. Da hab ich nur gehofft, hoffentlich schlägt jetzt hier der Blitz nicht ein. Ist zum Glück nicht passiert, aber wenn du EINMAL so was erlebt, sind dir andere Sachen egal."

Person 3: "Ja, das mit den Schlafstörungen, sowas liegt heutzutage an dem blauen Licht, das aus unseren Bildschirmen kommt. Einfach abends nicht mehr so lange am PC arbeiten".

Person 4: "Hmmm... verstehe..." und schaut mir nach 2 Stunden Gespräch tief und verständnisvoll in die Augen, "lass einfach mal die Milchprodukte weg. Seit ich vegan lebe, geht's mir viel besser."
Suchende2
Beiträge: 1290
Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: mit seinen Problemen nicht ernstgenommen werden

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Nowwhere Man,

das sind natürlich nicht die Reaktionen, die man erhalten möchte!
Auch ich habe schon Reaktionen bekommen (ich solle einfach positiv denken, dann würde es mir besser gehen, ...) die für mich nicht hilfreich waren. Solche Reaktionen erhält man aber auch bei anderen Krankheiten.

Kann es sein, daß Du Deine Zuhörer überforderst? Mehrere Stunden von den Problemen anderer zu hören ist sehr anstrengend.

Ich habe das Gefühl, daß Du Dich in Deinem Leid nicht gesehen fühlst und auf der Suche nach Verständnis und Anerkennung bist.

Alles Gute,
Suchende
Greta1962
Beiträge: 281
Registriert: 21. Sep 2020, 20:13

Re: mit seinen Problemen nicht ernstgenommen werden

Beitrag von Greta1962 »

Hallo Nowhere Man,

Menschen, die sich mit unseren Problemen und Krankheiten nicht auskennen, sind oft total überfordert - mit Zuhören und mit "richtigen" Antworten.

Ich kenne das auch und ich habe schon so viel Quark gehört, dass mich da nichts mehr wundert. Wer es nicht mal selbst erlebt hat, der hat schon Probleme, was Sinnvolles dazu zu sagen. Manche schaffen das natürlich, besonders empathische Zeitgenossen - aber bei den meisten löst es eher eine gewisse Hilflosigkeit aus.

Was mich wundert - wenn du dich wirklich stundenlang (!) mit denjenigen unterhalten hast, sind da nicht irgendwann mal Signale von denen gekommen, dass jetzt ihre Aufmerksamkeitsspanne erschöpft ist!? Weil - das strengt ja auch an - das Zuhören. Vermutlich hast du sie da auch sehr überfordert. Hinzu kommt, dass niemand "stundenlang" die Probleme von anderen hören mag - das ist dann einfach kein "Geben und Nehmen", was in einem interessanten Gespräch ja immer wichtig ist.

Alles Gute!
Liebe Grüße von ..... Greta
Nowhere Man
Beiträge: 100
Registriert: 5. Mär 2021, 16:02

Re: mit seinen Problemen nicht ernstgenommen werden

Beitrag von Nowhere Man »

Hallo ihr beiden,

Zuhörer überfordern: Auf Dauer sicher. Vor allem, wenn man über Jahre
und Jahre keine neuen Themen, Fortschritte oder auch mal etwas Positives
beisteuern kann. Und ja, in den letzten Jahren, wo mich die eigenen
Probleme zu sehr überwältigen und ich keinerlei Anlass zu einer Hoffnung
sehe, ist auch die Balance aus Geben und Nehmen nicht mehr so gegeben.

In den o.g. Situationen selbst waren einige der Geschehnisse noch sehr
frisch. Und es waren ja keine 2 Stunden Monolog, aber es war auch immer
das Beschwichtigen dessen, was geschehen war. Dabei ging es um so krasse
Sachen, die kann sich niemand ausdenken. Und gerade DESWEGEN (weil das
Leben schlimmere Geschichten schreibt als jede Phantasie) wurden meine
Schilderungen als einseitig und unglaubwürdig weggewischt... und dann
mit solchen Lappalien verglichen.

Und ebenso ja: Ich fühle mich in dem, was geschehen ist, nicht ernst
genommen. Und wenn man der einzige ist, der das erlebt hat, und einem
dann nicht GEGLAUBT (oder gar nicht erst wirklich ZUGEHÖRT wird) wird,
dann ist das echt ein Sch...gefühl.
Monchen12345
Beiträge: 1873
Registriert: 18. Nov 2018, 23:21

Re: mit seinen Problemen nicht ernstgenommen werden

Beitrag von Monchen12345 »

@Nowhere Man

Wenn man solche Antworten bekommt, weiß man wie empathisch diejenigen sind....

Ich habe solche Kommentare nur sehr selten erlebt. Ganz einfach weil ich im Vorfeld ausgesiebt habe und nur denen von meiner Erkrankung erzählt habe, die da auch ein Verständnis für aufbringen.

Ansonsten gehe ich halt nach der Devise vor: Freunde sind Freunde und keine Therapeuten. Es wurden immer nur kurze Gespräche über meine Erkrankung geführt und die restliche Zeit, hatten/haben wir die Themen, die wir auch sonst immer haben. Das war mir von Anfang an wichtig.
Es gab halt auch Rückfragen, wie man sich verhalten soll. Meine Antwort war: so wie immer.

Ich würde, wenn ich solche Kommentare bekäme, mir zukünftige Kontakte sehr gut überlegen.

LG, Monchen
Bittermandel
Beiträge: 2406
Registriert: 10. Apr 2021, 09:32

Re: mit seinen Problemen nicht ernstgenommen werden

Beitrag von Bittermandel »

Hallo

Die Gesellschaft an sich ist sehr oberflächlich und mir kommt es manchmal so vor wie ein Kindergarten für Erwachsene. Ich vermeide solche Gespräche das ist mir zu anstrengend.

Die Menschen sind auch nicht sehr einfühlsam. Das bekommen sie auch nicht mehr beigebracht. Ich glaube das die Menschen lernen müssten, das materielle Dinge zwar wichtig sind aber das Leben auch aus geistigen Interessen bestehen sollte. Leider werden diese Aspekte nicht mehr gelehrt, dass halte ich für einen Fehler.

Vielleicht kannst du deine Probleme mit einem Therapeuten besprechen und eine erträgliche Lösung finden. Versuche mit anderen auf der einfachen Ebene zu bleiben. Sonst Holst du dir noch mehr seelische Verletzungen.

Liebe Grüße Bittermandel
Nowhere Man
Beiträge: 100
Registriert: 5. Mär 2021, 16:02

Re: mit seinen Problemen nicht ernstgenommen werden

Beitrag von Nowhere Man »

@Monchen:

Hhm, da waren auch Personen (echte Freunde) bei, die ich sehr geschätzt habe und dies z.T. noch heute tue. Bzw. zu denen ich vielleicht aufschaue, wo ich mir denke, die haben in ihrem Leben vieles richtig gemacht.

Ach, und zu dem Thema: "Lass das mal lieber Profis/Therapeuten machen", da bin ich voll deiner Meinung. Privatmenschen sind weder darauf geschult, mit Depressionen umzugehen, noch haben sie die Kapazitäten sich Vollzeit damit zu beschäftigen. Therapeuten werden dafür bezahlt und sind in aller Regel selbst auch (zumindest während sie ihren Beruf ausüben) stabil genug in ihrem eigenen Leben. Neben ihrer langen Ausbildung können sie überdies auf einen Erfahrungsschatz zurückblicken.

Umso erschreckender, wo ich das gerade schreibe, dass eine der o.g. Personen angehender (fast fertiger) Psychotherapeut war, früher ein sehr enger Freund, aber je mehr Rückschläge ich im Leben erfuhr, desto weniger nahm er mich ernst, behandelte mich latent von oben herab, sah mich vielleicht auch als einen Versager. Er war einer der ersten, der es mir übel nahm, als ich mich mit letzter Kraft aus meiner toxischen Beziehung zu einer Narzisstin löste (die letztlich alles bei mir zerstört hat) und war so verzaubert von ihr, dass er sie für ALLES in Schutz nahm, die Ohren einfach vorsetzlich AUF DURCHZUG stellte, als ich ihm erzählte, was WIRKLICH passiert war... weil nicht sein durfte, was er nicht hören wollte, und sein Bild von ihr zerstört hätte. (Andere Story)

Ebenfalls zu dem Thema, dass man besser zu Profis statt zu Privatpersonen gehen sollte, könnte ich eine unglaubliche(!) Geschichte aus einer Klinik (genauer gesagt im späteren Verlauf aus einer Tagesklinik erzählen), wo genau diese Richtlinie auf den Kopf gestellt wurde und sich psychologisch geschultes Personal selbst in schlimmen Krisen gezielt rauszog (für 3 Wochen am Stück!), damit (bereits erkrankte, geschwächte) Personen sich gegenseitig "therapieren", also SHG unter dem Etikett einer TK... ich hatte hierzu bereits einen langen Beitrag verfasst, aber noch nicht abgesendet, weil er in der Intensität vielleicht Menschen triggern könnte. Werde ihn noch mal überarbeiten.
Nowhere Man
Beiträge: 100
Registriert: 5. Mär 2021, 16:02

Re: mit seinen Problemen nicht ernstgenommen werden

Beitrag von Nowhere Man »

@Bittermandel:
Bittermandel hat geschrieben: Vielleicht kannst du deine Probleme mit einem Therapeuten besprechen und eine erträgliche Lösung finden. Versuche mit anderen auf der einfachen Ebene zu bleiben. Sonst Holst du dir noch mehr seelische Verletzungen.
Ja, ein Grund, warum ich z.B. hier bin, ist eben, dass ich "zu viele Themen" habe für die Kapazitäten, die ich mit meiner Therapeutin hab. Sie ist wirklich gut, aber unsere Zeit ist begrenzt, und wenn ich mit 4-5 Großbaustellen komme, die seit der letzten Sitzung brennen, sagt sie, für heute müssen wir uns auf eine davon beschränken.

Und darüberhinaus hab ich mich ja sozial seit Jahren (aus verschiedenen Gründen und als Folge toxischer Verkettungen) so weit zurückgezogen, dass ich aktuell mit genau 0 Menschen im "Real Life" über private Dinge rede.
Seide
Beiträge: 1644
Registriert: 4. Apr 2015, 12:49

Re: mit seinen Problemen nicht ernstgenommen werden

Beitrag von Seide »

Hallo,
Das Thema kenne ich auch sehr gut.
Sogar von Freunden, die auch psychische Probleme haben.
Aber, stundenlang von meinen Problemen kann ich nicht und ich kenne auch niemanden,
die/der mir stundenlang zuhören würde.

Jemand weiter oben hat geschrieben, Freunde sind Freunde und keine Therapeuten.
Das muss/will ich mir merken .Danke schön für diesen Tipp.
lucettejenny
Beiträge: 3
Registriert: 14. Aug 2021, 12:43

Re: mit seinen Problemen nicht ernstgenommen werden

Beitrag von lucettejenny »

@nowhere man

Vielleicht solltest du dir selbst das Verständnis für dich entgegen bringen, das du dir von anderen wünscht. Vielleicht gehst du zu hart mit dir selbst ins Gericht. Du kannst dir selbst dein bester Freund sein. Wie würdest du auf deinen Freund eingehen? Ich habe gar keine Erwartungshaltungen an andere, so können sie mich auch nicht enttäuschen.
Nowhere Man
Beiträge: 100
Registriert: 5. Mär 2021, 16:02

Re: mit seinen Problemen nicht ernstgenommen werden

Beitrag von Nowhere Man »

@lucettejenny:
Ja, den Ansatz kenne ich. Und hab das sogar selbst mal genau so in der Therapie auf den Tisch gebracht, was meine Therapeutin auch gut fand: Es ging darum, dass ich "mich selbst am besten kenne" und nicht 1000 Seiten "Kontext" erklären muss, damit von außen jemand etwas dazu sagen kann.

Da muss man auch sich selbst vertrauen. Sein eigener Berater sein. Diese Verantwortung übernehmen. Selbstliebe ist bei mir (noch) genug vorhanden. Aber ich spüre einfach, wie das über all die Jahre immer einsamer wird. Der Mensch (mancher mehr, mancher weniger) hat das Bedürfnis nach sozialen Kontakten... und ich stelle mir manchmal schon die leicht philosophische Frage, was ein Leben "wert" ist, indem man all seine Gedanken und Gefühle NUR mit sich selbst teilt (wie wenn etwas passiert, was NIEMAND bemerkt, ist es dann wirklich "geschehen"?).
Katerle
Beiträge: 11315
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: mit seinen Problemen nicht ernstgenommen werden

Beitrag von Katerle »

Nowhere Man hat geschrieben:Hallo ihr beiden,

Zuhörer überfordern: Auf Dauer sicher. Vor allem, wenn man über Jahre
und Jahre keine neuen Themen, Fortschritte oder auch mal etwas Positives
beisteuern kann. Und ja, in den letzten Jahren, wo mich die eigenen
Probleme zu sehr überwältigen und ich keinerlei Anlass zu einer Hoffnung
sehe, ist auch die Balance aus Geben und Nehmen nicht mehr so gegeben.

In den o.g. Situationen selbst waren einige der Geschehnisse noch sehr
frisch. Und es waren ja keine 2 Stunden Monolog, aber es war auch immer
das Beschwichtigen dessen, was geschehen war. Dabei ging es um so krasse
Sachen, die kann sich niemand ausdenken. Und gerade DESWEGEN (weil das
Leben schlimmere Geschichten schreibt als jede Phantasie) wurden meine
Schilderungen als einseitig und unglaubwürdig weggewischt... und dann
mit solchen Lappalien verglichen.

Und ebenso ja: Ich fühle mich in dem, was geschehen ist, nicht ernst
genommen. Und wenn man der einzige ist, der das erlebt hat, und einem
dann nicht GEGLAUBT (oder gar nicht erst wirklich ZUGEHÖRT wird) wird,
dann ist das echt ein Sch...gefühl.
Ja, das ist es, ein Sch...gefühl... Hatte sowas auch erfahren... LG Katerle
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