Mit nüchterner Logik an emotionale Krisen gehen?

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Nowhere Man
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Registriert: 5. Mär 2021, 16:02

Mit nüchterner Logik an emotionale Krisen gehen?

Beitrag von Nowhere Man »

Hallo Leute,
ernstgemeinte Frage, wenn vielleicht auch etwas naiv, aber ich würd das gern mal genauer mit euch beleuchten, was ihr dazu meint:

Es gibt so zwei, drei Konstellationen in meinem Leben (v.a. eine auf persönlicher Ebene), die sich absolut nicht (bzw. nicht mehr) ändern lassen und die mich immer wieder in richtig tiefe depressive Krisen stürzen, wo ich mich hilflos und ungerecht behandelt fühle, aber von vornherein weiß, dass ich mit jedem Widerstand auf jeden Fall den Kürzeren ziehe (das wirde mir schon als 3-Jähriger nachhaltig eingebläut).

Neben vielen Dingen, die ich sicher schlechter kann als andere, weiß ich von mir, dass ich zumindest mit (normalerweise) sehr gutem analytischen Denkvermögen als (leider) auch viel (zu viel) Empathie und Gerechtigkeitssinn gesegnet bin (also generell, sei es damals in der Schule, im Freundeskreis, Weltpolitik, wo auch immer, ich halte Ungerechtigkeiten jeder Art nicht aus, v.a. wenn eine vermeintliche Lösung auf der Hand liegt, aber an der Sturrheit einer Partei scheitert).

Solang es mich nicht selbst betrifft, kann/konnte ich da konstruktiv und analytisch mit umgehen und Konflikte meiner Mitmenschen lösen. In den letzten Jahren (und mit einer Person schon seit frühester Kindheit) bin ich aber auch selbst betroffen.

Und in diesen Konstellationen, von denen ich spreche, und von denen ich weiß, dass mir persönliches sehr großes Unrecht widerfährt und widerfuhr und sich ewig wiederholt und auch schon alles kaputtgemacht hat, was mir wirklich wichtig war im Leben, dann ist da einerseits viel Wut und der Ärger, dass die andere Person sich nach jedem moralischen, logischen, empathischen Maßstab komplett falsch verhält, aber sich diese Person über jeden Fehler erhaben fühlt und immer am längeren Hebel macht, und mir durch jeden weiteren meiner Versuche, eine Lösung zu finden, mir das Leben zur Hölle macht.

Kurz gesagt, es läuft immer und immer und immer und immer wieder gleich ab. Egal, wie sehr ich im Recht sein mag. Ich bin der einzig Leidtragende der ganzen Situation. Dass es sich immer wieder so wiederholt, macht es emotional aber kein bisschen einfacher. Ich fühle mich jedesmal fast schon "überrascht" und menschlich zutiefst enttäuscht und gedemütigt. Von außen betrachtet, ist es aber wie ein "Naturgesetz", d.h. eigentlich weiß man, wie der Konflikt ablaufen wird, mit all seinen Phasen, da kann man quasi die Uhr nach stellen...

Und um dieses "Wissen", diesen "Erfahrungswert" geht es. Es ist ein Konflikt, den ich bestimmt schon 100, ach, 300 mal durchlebt habe. Und in nicht 99%, sondern in 100% der Fällen war ich am Ende ein gebrochener Mensch und habe mich vom anderen aufs Übelste demütigen lassen, habe dabei einiges an Gesundheit, Lebensweg, Beruf und Dingen, die mir wichtig waren, verloren und ging für alle folgenden Ereignisse einfach nur geschwächt aus der Sache.

WEIL es JEDESMAL einfach um eine unerträgliche Ungerechtigkeit geht, um totales menschliches Versagen eines Menschen geht, der als Narzisst auf diese Weise erfolgreich durch sein Leben geht (er nimmt Bibelzitate, die der liebe Gott gesagt haben soll und sieht sich und sein Handeln selbst darin! Auch wenn er genau das Gegenteil tut! Stellt euch den vergangenen US-Präsidenten als eigenen Vater vor, meiner steht dem in nichts nach, die Ähnlichkeit ist so schockierend.) und nicht ansatzweise auf den Gedanken kommt, dass er JEMALS einen Fehler machen würde (literally!). Diese Ohnmacht, und wie er alles und jeden im erweiterten Familien- und auch Bekannten- und Freundeskreis manipuliert, ist so unerträglich, dass man IMMER, wenn es wieder zu so einer Situation kommt, darum KÄMPFEN möchte. Weil die eigene Seele Gerechtigkeit verdient hat, weil es alles so unglaublich ist, dass man jedesmal neu davor steht und es nicht glauben kann, was man da zu hören bekommt.

Stattdessen wird man selbst für alle und vor anderen als "das Problem" dargestellt, weil man so lange zerstört wurde, bis man sich einweisen lassen musste, und fortan somit das Stigma hat "psychisch gestört" zu sein, das erkläre ja schon alles, Punkt. Da wird Ursache und Wirkung vertauscht, und der Täter ist fein raus und stellt sich sogar als das arme Opfer dar.

Wenn man aber - sorry, für das weite Ausholen - es wie gesagt, weiß, dass es nicht in 99%, sondern in 100% der Fälle JEDES MAL so aussichtslos gleich abläuft, kann man daraus - bei aller emotionalen Verletztheit - irgendwie lernen "logisch" damit umzugehen? In dem Sinne von: "Es ist zwar moralisch total falsch, der Typ ist so derbe im Unrecht, dass es zum Himmel schreit, aber man KANN eben nichts dran machen..." Wie verhält man sich dann? Entgegen dem eigenen Kopf, Bauch und Herz? Man kann es sich quasi auf einem Blatt Papier aufmalen: Wenn ich (A) machen, was gerecht/korrekt wäre, dann wird alles nur schlimmer und schlimmer und ich schneide mir ins eigene Fleisch, also mach ich (B), wo sich mir tief im Bauch die Nackenhaare aufstellen, weil es ist wie einen Pakt mit dem Teufel zu machen, einfach nur, um bei der Sache nicht draufzugehen.

Das klingt jetzt sehr drastisch geschildert, und das ist es aber leider auch.

Für mich ist es in diesen Situationen schwer, cool zu bleiben. Wie eingangs gesagt, geht es z.T. um Personen (zum Teil um Geschichten aus der Vergangenheit, die krass GEGEN meinen Willen passiert sind und beschlossen wurden, und wo ich trotz großem Protest und Widerstand, trotz Kämpfen bis zum Umfallen ins Verderben gestürzt wurde, wo ich am Ende nur noch ohnmächtig zusehen konnte).

Ich würde so gern lernen, diesen "logischen" Weg zu gehen, aus dem Erfahrungsschatz zu lernen, wie Dinge auf Pfad (A) oder (B) laufen, denn so "simpel" ist es von außen betrachtet. Meine inneren moralischen Instanzen sind bei aller Zerbrochenheit aber (vielleicht als allerletztes, noch!!!) so stark, dass ich einfach nicht "Fünf" sagen kann, wenn jemand vier Finger zeigt. Es ist nur so ein aussichtsloser Kampf, dass ich so gern versuchen würde, mich "pragmatisch" zu arrangieren, um nicht - das ist nämlich das Einzige, was dadurch passiert - mich immer weiter schwächen zu lassen.

Ich war zeitlebens ein Kämpfer, für andere und für mich. Seit Jahren bin ich aber (weit) über mein Limit gegangen. Gegen manche Menschen hat man im Leben keine Chance...
mime
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Registriert: 6. Sep 2013, 13:28

Re: Mit nüchterner Logik an emotionale Krisen gehen?

Beitrag von mime »

Hallo Nowhere Man,

hm, als ich deinen Text gelesen habe, kam ich an vielen Stellen ein bisschen ins "Schwimmen", weil mir nicht so ganz klar wird, was dein Text bedeutet (und mir fehlt zusätzlich die Konzentration für längere Texte, die sich vom Inhalt her für mich als kompilziert/schwer verständlich darstellen).

Daher nur kurz:
Was du schreibst, klingt nach einem langwierig vorhandenem Konflikt und einer (oder mehreren) schwierigen Person (en). Was hält dich im Kontakt oder in einer abhängigen Situation zu ihnen? Könnte man den Kontakt nicht abbrechen, wenn du genau weißt (so lese ich es zumindest heraus), dass dich ein Bleiben oder eine weitere Konfronation mit der Person (die gemäß deinen Aussagen psychisch auffällig zu sein scheint) in eine Krise stürzt?

Es ist ein kurzer Satz, der mir mal in einem anderen Zusammenhang gesagt wurde, aber manchmal dennoch stimmt: Love it or leave it!

Wenn du von Personen, die dein Leben offenbar sehr negativ geprägt haben, in irgendeinerweise abhängig bist (finanziell, emotional), müsste man m.E. schauen, ob man sich aus dieser Abhängigkeit nicht herauskämpfen kann, um für sich ggf. alleine (und unabhängig) ein Leben zu führen, das solche Personen, die einen kaputt machen, ausschließt.

Mehr fällt mir jetzt dazu nicht ein.
VG Mime
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
Trine01
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Re: Mit nüchterner Logik an emotionale Krisen gehen?

Beitrag von Trine01 »

JA, mir scheint auch, dass Abstand die weiseste Lösung des Problems ist, sonst macht man sich nur kaputt.
Und man kann viel an sich arbeiten, wenn die "Gegenseite" nicht mitzieht, ist das alles für die Katz, dann hilft nur Abstand. Die Wünsche, die man seit Kindheit an die "Gegenseite" hat, werden sich nicht mehr erfüllen!
Ich meine damit nicht den totalen Kontaktabbruch, der ist nur relevant, wenn's anders gar nicht geht. Sondern die Telefonate/Besuche einschränken auf das absolute Minimum und dann mit einem "dicken Schutzpanzer" hingehen, dass einen die Dinge nicht mehr so betreffen... ist leichter gesagt, als getan, weiß ich auch, aber möglich, aus eigener Erfahrung. Aber das bedarf auch längerer Arbeit an sich selbst.

Alles Gute und liebe Grüße
Trine
Sul
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Re: Mit nüchterner Logik an emotionale Krisen gehen?

Beitrag von Sul »

Hallo Nowhere Man,

ich möchte mich Mime anschließen. Und dir noch Fragen mitteilen, die mir beim Lesen deines Textes spontan durch den Kopf gingen:
Was hält dich in diesen Beziehungen?
Was hält dich wirklich in diesen Beziehungen?
Wo liegt der Vorteil für dich?

Unser Gehirn arbeitet manchmal einfach verkehrt. Wenn etwas nicht funktioniert, versuchen wir oftmals das Gleiche mit noch mehr Kraft und Aufwand, und wieder und wieder. Statt innezuhalten, nachzudenken und dann evtl. etwas anders zu machen oder einfach wegzugehen.

Mir fiel auch noch das Gelassenheitsgebet der Anonymen Alkoholiker ein:
"Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. "

Ich wünsche dir alles Gute und viele Grüße, Sul
Henrike
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Registriert: 11. Jul 2020, 19:13

Re: Mit nüchterner Logik an emotionale Krisen gehen?

Beitrag von Henrike »

Hallo Nowhereman,
mir sind die Konflikte etwas zu abstrakt, wie das gemeint ist. Haben die Konflikte eine Depression ausgelöst?
Mich hat nur die Frage in der Überschrift angesprochen. In meiner schweren depressiven Episode, die 11 Monate bis Ostern dauerte, war nichts mit nüchterner Logik. Zwar konnte ich mich von außen so beobachten, aber an den Gedankengängen mit Grübeln, Schlaflosigkeit, innerer Unruhe und teilweise Panik gar nichts ändern. Ich hatte eine gestörte Persönlichkeit.
Gertrud Star
Beiträge: 3441
Registriert: 30. Jun 2014, 19:09

Re: Mit nüchterner Logik an emotionale Krisen gehen?

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo Nowhere Man,

die anderen haben ja schon viel geschrieben. Meiner Meinung nach hilft da nur distanzieren, so weit es geht. Auf diesen Menschen einzugehen, macht wahrscheinlich alles nur schlimmer. Menschen, die immer nur recht haben wollen und das mit Biegen und Brechen durchsetzen wollen und davon gar nicht los kommen wollen oder können, sind krank. Solange sie das nicht einsehen, kann man machen, was man will, es ist einfach alles nur verkehrt, wie du schon beschrieben hast.
Früher sagte mal jemand einen Spruch, der helfen könnte, wenn man sich den selber sagt: "Ich hab recht, und du deinen Willen."
Manchmal hilft es, sich in Gedanken eine dicke Mauer zwischen sich und dem anderen Menschen aufzubauen, oder ihn bis auf den Mond zu schießen. Auch wenn das gemein klingt, es geht um die Rettung der eigenen Belastbarkeit und dass man selber zurecht kommt.
Unbedingt braucht man auch ein stabiles eigenes Leben und persönliche Lebensziele.

Was deinen Intellekt, deine Epathie und deinen Gerechtigkeitssinn angeht, so kannst du diese Fähigkeiten und Eigenschaften dort einsetzen, wo es gewünscht und sinnvoll ist. Dann geht es dir auch besser, beispielsweise im sozialen Bereich, im Umweltschutz und überall, wo es um eine gerechtere Welt geht.

Ich denke, dir könnte es nicht schaden, dich mal etwas näher mit dem Thema Narzissmus zu beschäftigen, speziell mit dem Thema "Kinder von Narzissten".
Wie man als sehr intellilgenter Mensch mit dem Gerechtigkeitssinn allgemein gutes für sich und die Welt tun kann, darüber gibt es auch ein gutes Buch, heißt "Searching for meaning" von James T. Webb (da geht es um Depressionen und Idealismus). Das gibts in englisch und deutsch.

Gruß Gertrud
Gertrud Star
Beiträge: 3441
Registriert: 30. Jun 2014, 19:09

Re: Mit nüchterner Logik an emotionale Krisen gehen?

Beitrag von Gertrud Star »

PS noch etwas zu dem Idealismus und der Empathie.

Ich hatte lange damit zu kämpfen, dass die meisten Menschen anders sind wie ich. Die Worte meiner Mutter waren immer, man muss sehen, wie man mit dem Allerwertesten an die Wand kommt. Das habe ich sehr lange nicht verstanden.
Die meisten Menschen sind viel materieller eingestellt und viel weniger sozial und mitmenschlich. Sonst würde der ganze Kapitalismus nicht funktionieren.
Und dass man mehr blickt als Eltern oder Elternteile, das können viele nicht verknusen und ordnen das unter der Rubrik frech, aufsässig, widerspenstig, unfähig ein. Das kann auch entsprechende Reaktionen und Gegenreaktionen auslösen.
Lavendel64
Beiträge: 544
Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Mit nüchterner Logik an emotionale Krisen gehen?

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo,
ja, ich kann mich den Vorschreiber/innen nur anschließen: Was hält dich in einer derart vergifteten Beziehung? Warum begibst Du dich immer wieder in Konflikte, die Du - wie Du selber sagst - vom Ablauf her kennst und von denen du WEISST, dass sie dir nicht guttun?

Es ist leider so, wie Gertrud schon schrieb: Empathie ist selten geworden - leider wird es nicht besser. Off topic: das Mobbing, das ich bei meinen Kindern an den Schulen erlebt habe, hat es "zu meiner Zeit" nicht gegeben. Nicht in dieser vernichtenden Form. Gleiches gilt für den Arbeitsplatz. Die Welt ist knallhart - und als Eltern fragt man sich oft, ob es richtig ist, Kinder zu mitfühlenden Menschen zu erziehen - tut man ihnen einen Gefallen damit?

Zurück zum den Konflikten: zieh dich raus, bleibe bei dir und übernimm die Regie. Es ist Dein Leben, Dein familiäres Umfeld und der Freundeskreis gehören dazu, aber DU entschiedest, wer Haupt- und wer Nebenrollen spielt. Du kannst nur etwas ändern, wenn Du DEIN Verhalten änderst. Frühzeitig in Konfliktvermeidung oder eben den Kontakt ganz abbrechen - es muss ja nicht für ewig sein, manchmal bringt allein die Tatsache andere zur Besinnung.

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
Strohi
Beiträge: 388
Registriert: 17. Mai 2015, 22:45

Re: Mit nüchterner Logik an emotionale Krisen gehen?

Beitrag von Strohi »

Hallo Nowhere Man,

puuh, das ist nicht nur nicht einfach, das ist mega-schwer.

Ich fang mal so an: Angesprochen hat mich Dein Thread, weshalb ich dann auch mit dem Lesen begonnen habe, mit der Überschrift, unter der ich mir etwas Anderes vorgestellt hatte (ich dachte, es ginge eher um die Frage, die auch meine ist, wie man gegensteuern könne, wenn man emotional abrutscht). Aber okay..

Beim Lesen war mein Gedanke, den hier schon alle Anderen geschrieben haben, nämlich, da hilft nur maximale Distanzierung (wobei auch das - und dies ist nun keine Kritik!, sondern nur eine Beschreibung, wie es mir damit geht, welche Probleme ich damit habe - leichter geschrieben ist als getan).

Nach dem Lesen Deines Beitrags und der Antworten darauf kam mir immer mehr meine Situation in's Bewusstsein. Meine psychischen Probleme wurden allesamt und zu einhundert Prozent von meinen Eltern - vor allem meiner Mutter - und ihrem Erziehungsmethoden ausgelöst und verursacht (die verursachenden Verhaltensweisen liegen nun also mindestens 40 Jahre zurück); das Führungsverhalten, das ich im Beruf kennen lernen musste, hat meine Probleme nicht ausgelöst, nicht verursacht, aber doch immerhin in mir verfestigt.

Ich bin 1980 daheim ausgezogen und mit meiner heutigen Frau zusammen gezogen; anders gesagt, ich habe meine Abhängigkeit von meinen Eltern reduziert. Gleichzeitig habe ich den Kontakt zu ihnen und zu meinem fünf Jahre jüngeren Bruder auf das Nötigste vermindert.
Mein Vater starb 1993. Im selben Jahr hat sich meine Mutter in einer bestimmten Situation so verhalten, dass ich keinen anderen Weg mehr sah als den, den Kontakt abzubrechen. Ich schrieb ihr (in einem Gespräch wäre ich "untergegangen", obwohl ich nun auch nicht der bin, der nicht reden kann) dies, ohne Begründung, nur mit einem Hinweis auf ihr Verhalten, und schickte ihr den Wohnungsschlüssel mit. In den darauffolgenden Monaten liess sich mich nicht in Ruhe, sondern forderte - natürlich mit den Hinweisen, dass sie doch gar nichts böses getan habe, sondern man mir alles ermöglicht hätte, dass man als Kind die Eltern zu ehren hätte und auch mit dem massiven Vorwurf, dass hinter all dem meine Frau und ihre Eltern stecken würden, die mich manipuliert und einer Gehirnwäsche unterzogen hätten - eine Erklärung und eine gute Behandlung ihrer selbst als liebende Mutter ein.
Ich habe ihr in zwei, drei längeren Briefen geschrieben, wie ich das alles sehe, warum ich der Meinung bin, dass es so besser ist usw. - was natürlich von ihr nicht akzeptiert wurde. Trotzdem, unser Kontakt beschränkte sich von 1994 bis 2019 bzw. heute darauf, dass sie mir - als liebende Mutter, die nur das Beste für ihre Kinder wollte - eine Geburtstagskarte (mit im übertragenen Sinn "giftigen Anmerkungen") schickte.
2019, dies nur zur Abrundung, wurde ich von der Polizei benachrichtigt, dass man sie auf Grund von Hinweisen der Nachbarn nicht ansprechbar in ihrer Wohnung liegend gefunden und in's Krankenhaus gebracht habe. Einige Tage später rief mein Bruder, zu dem ich auch keinen Kontakt hatte, an; er sagte mir das, was ich wusste und bat mich, mit ihm in die Wohnung zu gehen, um Unterlagen für's Krankenhaus und einige Kleidungsstücke zu holen. Lange Rede, kurzer Sinn, meine Mutter kam vom Krankenhaus direkt in ein Alten-/Pflegeheim, Diagnose: fortschreitende Demenz und sie sei nicht mehr in der Lage sich selbst zu versorgen, mein Bruder und ich lösten die Wohnung auf und erledigten gemeinsam die Formalitäten.

Knackpunkt: obwohl meine Eltern mir nichts mehr tun können, mich auch nicht mehr beeinflussen können, finde ich keinen Weg, mich zu distanzieren; die von ihnen mir "eingepflanzten" Grundgedanken ("Glaubenssätze") wirken, zwar abgeschwächt immer noch in mir, ich weiss nicht, wie ich loslassen, mich distanzieren könnte.

Ich hoffe, Dir gelingt es (und falls Du einen Weg gefunden hast, erbitte ich einen Tipp).

Alles Gute für Dich,
Strohi
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