Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Tine
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Registriert: 11. Okt 2004, 19:57

Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von Tine »

Hallo zusammen,

ich schreibe seit einiger Zeit im Forum, allerdings bislang in der Rubrik Angehörige.
Doch mir stellt sich eine Frage, die mir vielleicht/hoffentlich jemand von euch beantworten kann. Ihr würdet mir damit sehr helfen.
Ich habe einen Partner, der depressiv ist, jedoch nicht in Therapie ist. In depressiven Phasen zieht er sich von mir zurück bis zum Abbruch der Beziehung.
Meine Therapeutin, mit der ich auch über meine Beziehung spreche, hat mir erklärt, dass es in einer depressiven Phase manchmal einfach nicht möglich ist, sich auf irgendjemanden einzulassen. Dies sei keine Frage des Wollens, da auch nichts gewollt würde. Der Zustand einer Depression entziehe sich der rationalen Betrachtung, so dass Dinge, die einem zuvor als wichtig erschienen, zeitweise einfach nicht erkannt würden. Auch der Aufruf, sich daran zu erinnern, würde meist verhallen, da kein Bezug zu den Erinnerungen vorhanden sei. Zumindest kein positiver. Meist seien die Erinnerungen verbunden mit negativen Gefühlen oder Schuld.

Es ist für mich sehr schwer dies nachzuvollziehen. Ich wäre wirklich sehr froh, wenn ihr mir aus eigenen Erfahrungen berichten könntet.
Mein Partner ist mir äußerst wichtig. Ich möchte ihm helfen, dazu muss ich ihn besser verstehen, denn ich möchte nichts falsch machen. Ich will allerdings auch nicht eine Depression als Erklärung heranziehen, wo die Ursache vielleicht eine ganz andere ist.

Viele Grüße
Tine
jolanda
Beiträge: 1147
Registriert: 16. Okt 2003, 10:29

Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von jolanda »

Liebe Tine!

Ja, es ist in einer tiefen Depression tasächlich so, wie es dir deine Therapeutin erklärt hat. Das ist sehr schwer nachzuvollziehen, wenn man es nicht selber erlebt hat. Mir fällt das hinterher sogar selber schwer zu begreifen, wie ich in der Depression gedacht und gefühlt bzw. eben nicht mehr gefühlt habe.
Ich finde es schön, dass du so zu deinem Freund hältst. Am meisten hilfst du ihm wenn es dir gelingt ihm das Gefühl zu vermitteln, dass du grundsätzlich für ihn da bist, egal wie es ihm geht und dass du ihn nicht in irgendeiner Weise unter Druck setzt. Wichtig ist aber auch, dass du deine Grenzen wahrnimmst und einhältst.
Es ist immer schwierig, die Grenze zu ziehen, was sich durch die Depression erklären läßt und was vielleicht "normales" Fehlverhalten ist. Versuche deinen Partner so zu sehen, wie er in guten Phasen ist, das ist sein wahres Selbst (außer er ist manisch). In depressiven Phasen ist die Wahrnehmung und und das Selbstbild stark beeinträchtigt.
Es gibt wenig gute Ratschläge in Form von tu dies oder unterlasse jenes.
Aus Sicht eines Depressiven ist manchmal sowieso alles falsch. Insofern kannst du dann eigentlich auch wieder garnicht soviel falsch machen.
Vielleicht kannst du mit ihm reden, was er sich in solchen Zeiten von dir wünscht. Schön wäre es, wenn er eine Therapie anfangen würde. Aber das muss er selber wollen, sonst bringt das nicht viel. So hart das klingt, aber der Leidensdruck muss dazu eben groß genug sein. Allerdings kannst du ihm anbieten, wenn er sich mit Therapeutensuche oder Arztsuche überfordert fühlt, ihm dabei zu helfen.

Ich wünsche dir viel Kraft und alles Gute, liebe Grüße, Jolanda


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Feedom's just another word for nothing left to lose (Janis Joplin)
Tine
Beiträge: 214
Registriert: 11. Okt 2004, 19:57

Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von Tine »

Hallo Jolanda,

du hast mir bereits sehr geholfen. Vielen Dank. Das Problem ist, dass ich in solchen Zeiten gar nicht mit ihm reden kann, da er sich total zurückzieht. Manchmal gelingt es mir, wenn ich den passenden Zeitpunkt und die richtigen Worte finde, ihn aus seinem Zustand herauszuhelfen. Wenn ich zum falschen Zeitpunkt komme, oder das Falsche sage, beendet er die Beziehung. Er sagt dann, es sei besser für ihn alleine zu sein, er habe keine Kraft mehr für mich, könne kein Gefühl mehr erzeugen.
Bislang haben wir immer wieder den Weg zueinander gefunden. Aber heuer ist es besonders schlimm. Auf alle Annäherungen, die irgendwie etwas mit Emotionen zu tun haben, reagiert er überhaupt nicht. Lässt mich ins Leere laufen. Dass ihm sonst meine Nähe immer geholfen hat, leugnet er.
Es ist sehr schwer. Die momentane Phase dauert nun schon fast fünf Wochen. Ein Ende ist nicht abzusehen.
Noch einmal, vielen Dank für deine Antwort, die mir etwas Mut gemacht hat.
Tine
Karoshi
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Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von Karoshi »

Hallo Tine,
ich könnte da mal aus dem Nähkästchen plaudern. Ich bin nämlich so ein Fall wie dein Liebster. Ich fang einfach mal an und versuche meine Erfahrungen zu schildern. Ich habe in letzter Zeit sehr viel reflektiert und sehe mittlerweile einiges klarer, wenn auch nicht alles.
Die von dir beschriebenen Phasen habe ich auch durchgemacht, allerdings auf der anderen Seite der Medaille. Es stimmt aus meinem Standpunkt tatsächlich, daß ich in einer depressiven Phase vieles nicht gesehen oder bemerkt habe. Die Kopfarbeit die ich in diesen Phasen geleistet habe(leisten musste), hat mich im Nachhinein durschauend, mehr angestrengt als ein 8 Stunden-Tag Arbeit. Auch hatte ich oft das bedürfnis in mir, Kontakt zu suchen, etwas liebes zu sagen oder zu tun, allerdings habe ich das manchmal erst tage später fertiggebracht. Ein Rückzug meinerseits war also auf keinen fall ein Rückzug aus der beziehung.
Allerdings wurde das lange Zeit natürlich nicht richtig verstanden. Irgendwann habe ich dann angefangen mich zu erklären, dadurch wurde es etwas besser und ich fühlte mich verstandener und musste mich nicht ständig selber schuldig fühlen, wenn ich nach ein paar Tagen gemerkt habe, daß ich mich der Beziehung ungewollter Weise wieder entzogen habe. Reden wirkt tatsächlich Wunder. Auf dauer finde ich es sogar unerlässlich, denn ansonsten hält der Partner das nicht lang genug durch.
Leider habe ich da jetzt aber auch nichts mehr von, da meine Beziehung in die Brüche gegangen ist, weil ich ersetzt wurde durch eine Person, die genau wie ich ist, wenn ich nicht in depressiven Schüben festgehangen habe. Aber Schwamm drüber, darüber bin ich Gottseidank hinweg. Ich mag mein leiden nur jetzt auch keinem mehr wirklich antun.
Wenn du stark bist, was ich dir und deinem Liebsten wünsche, dann gib nicht auf.
Ich hoffe meine Erfahrungen haben dir etwas geholfen..
Xenia
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Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von Xenia »

Liebe Tine,

ich möchte mich Jolanda anschließen und noch hinzufügen, daß Du ihn nicht erreichen kannst und je mehr Du es versuchst, desto weiter wird er sich entfernen. Weil - so kenne ich es von mir - die eigene Überzeugung, keiner verstehe einen und "es" würde sich niemals ändern nur verstärkt. Und dann bekommt man leicht das Gefühl, zuviel zu sein, dem anderen zu viel zuzumuten. Daraus folgt dann sehr oft der äußere und/oder innere Rückzug.

Ich denke, Du kannst ihm momentan nicht wirklich helfen. Vor allem nicht mit Reden... Du kannst ihm nur vermitteln, daß er krank ist und diese Krankheit ein Ende haben wird.

Wenn er leugnet, daß ihm Nähe früher geholfen hat, dann tut er das, weil in der Depression einfach alles tot ist. Man ist nicht mehr zu erreichen.

Wichtig ist das, was Jolanda u.a. sagt: wahre Deine eigenen Grenzen, achte auf Deine Ressourcen. Denn wenn Du Dich zu sehr "vergißt", ist Euch beiden nicht geholfen.

Ich wünsche Dir viel Glück!

Xenia
°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*




ТЪПАЦИ!!!
Rolfe
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Registriert: 27. Jul 2004, 15:59

Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von Rolfe »

Seid alle gegrüßt,
ob man in der Depression überhaupt nicht mehr zu erreichen ist, ist vielleicht
nicht so einfach zu sagen. Wenn meine Frau mit mir redet und ganz lieb zu mir ist und auf mich eingeht, geht es schon, und dann
kriege ich mich auch wieder ein, wenn auch manchmal erst sehr spät und nach einigen Stunden Schlaf. Aber, wenn man einen lieben Menschen hat, der einen ganz doll lieb hat,
dann geht es schon.
Aber wenn ich meine Frau und mein Kind nicht hätte, würde ich kaputt gehen.
Liebe Grüße. Rolle
Tine
Beiträge: 214
Registriert: 11. Okt 2004, 19:57

Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von Tine »

Hallo Jolande, Karoshi, Xenia und Rolle,

vielen Dank für eure Beiträge. Ihr helft mir, besser zu verstehen.
Rolle, es ist schön, dass dir die Nähe zu deiner Frau helfen kann. Diese Erkenntnis gibt euch sicher beiden viel Kraft.
Auch ich habe schon Stunden und Stunden mit meinem Partner gesprochen, oft ging es ihm danach besser und wir beide fielen erst einmal in einen tiefen Schlaf. Ich wäre dankbar, wenn ich ihm so helfen könnte.

Richtig problematisch wird es nämlich, wenn es gar nicht erst zu einem Gespräch kommen kann, weil er total abblockt. Ich habe auch wirklich schon alles möglich versucht. Um den Kontakt aufrechtzuerhalten besuche ich ihn alle paar Tage und rede bewusst nicht über Beziehung, Depression u.ä. sondern einfach über alles Mögliche, um ihn etwas aus seinem Käfig zu holen. So auch diese Woche, als wir zwei Stunden plauderten. Heute habe ich ihm geschrieben, dass es einfach gutgetan hat, mit ihm zu erzählen, dass ich die Gespräche mit ihm vermisst hatte. Mit dieser Äußerung bin ich wohl wieder zu weit gegangen, denn ich erhielt keine Resonanz, nur einen sachlichen Hinweis in anderer Sache.
Zur Zeit steckt der Karren richtig im Dreck. Ich weiß einfach nicht, wie ich zu ihm vordringen kann. Eure Antworten haben mir gezeigt, dass dies im Moment wohl auch gar nicht möglich sein wird.
Was mich so entsetzt ist die Tatsache, dass wir schon so oft über diese Tiefs gesprochen haben und er einfach nicht mehr wahrhaben will, dass Gespräche und Nähe ihm helfen können. Er ist einfach wohl überzeugt, dass nichts und niemand ihm helfen kann. Dass ich ihn nicht 'heilen' kann ist mir auch schon klar. Ich habe ihm deutlich gemacht, dass ich ihn in seiner gesamten Persönlichkeit liebe und gerne mit ihm diese Phasen durchstehen möchte. Aber genau das will er nicht.
Es ist wirklich alles äußerst schwer zu verstehen und diese Ablehnung auszuhalten kostet unglaublich viel Kraft und bringt den Gesündesten an seine Grenzen. Dennoch werde ich weiter bemüht sein, zu verstehen und beizustehen. Das tue ich jetzt bereits seit zwei Jahren.
Letzte Woche war es mir gelungen täglich Gute-Nacht-Grüße per SMS mit ihm auszutauschen, doch plötzlich stellte er diese Regelmäßigkeit wieder ein. Jetzt suche ich nach einem neuen Weg um ihm zu zeigen dass ich da bin. Denn wenn ich es einfach nur sage, hört er es nicht.
Es ist so als würden die Ohren nichts Positives hören, die Augen nichts Positives sehen und der Kopf nichts Positives denken und sich an nichts Positives erinnern. Wenn das wirklich so ist, muss es die Hölle sein.

Situativ kennen das vermutlich die meisten Menschen in Ansätzen. Ich will nicht leugnen, dass auch ich im Moment wirklich am Boden bin und manchmal glaube, selber depressiv zu werden, so groß ist die Verzweiflung. Aber ich vermute mal, dass es eben doch etwas anderes ist, da sich auch immer wieder Hoffnung zeigt, was in wirklich depressiven Phasen wohl eher nicht der Fall ist.

Sorry, war jetzt ziemlich lang. Es ist Nacht. Ich kann wieder einmal nicht schlafen, bin in Gedanken nur mit ihm beschäftigt.

Herzliche Grüße an alle, die mitlesen. Ich hoffe, vielleicht noch ein paar Anregungen zu erhalten und wünsche euch allen viel Kraft auf eurem Weg.

Tine
doubty
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Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von doubty »

Hallo Tine!

Was Du in Deinem Eingangstext geschrieben hast, das dürften wohl 99,9 % aller schwer depressiv Erkrankten kennen.

Deshalb klang es für mich sehr vertraut.

Erstmal möchte ich Dir aber sagen, dass ich es toll finde, wie Du Deinen Partner unterstützt. Dass Du deshalb sogar ein Forum aufsuchst , das finde ich bemerkenswert.

Als ich in einer depressiven Phase beim ersten Mal bemerkte, dass ich zu meinen Gefühlen keinen Zugang hatte, glaubte ich zuerst, die Beziehung wäre kaputt.

So äußerte ich das auch gegenüber Freunden/Freund. Die fühlten sich natürlich vor den Kopf gestoßen.

Erst durch Therapie und Fachliteratur erfuhr ich, dass es bei schwer Depressiven ganz "normal " ist, dass ein Zugang zu den eigenen Gefühlen verloren geht, wie bei mir auch das Körpergefühl.

Dadurch änderte sich einiges:
Meinen Freunden/Freund versuchte ich es zu erklären und wir sprachen darüber.
Da ich die Krankheit schon länger habe, habe ich sowieso nur noch Freunde, die um meine Krankheit wissen.

Wir einigten uns auf folgendes: Wenn in einer depressiven Phase mich jemand fragt:"magst Du mich eigentlich noch?/liebst Du mich noch?"
dann antworte ich wahrheitsgemäß: Ich habe leider keinen Zugang zu meinen Gefühlen.

Das klingt sehr unglaublich, vor allem weil man in einer depressiven Phase fest davon überzeugt ist, dass es nie wieder gut wird.
(auch wenn es die 1001. ist)

Aber es wirkte . Ich mußte nicht mehr lügen , und die anderen wissen ja in dem Augenblick, wenn ich depressiv bin( im Gegensatz zu mir), dass es wieder gut wird.

Und wenn dann die schlimme Depression vorbei ist, dann kommen bei mir auch die Gefühle wieder, und ich kann wieder wahrheitsgemäß sagen:"ich liebe Dich" oder "ich mag Dich".

Meine Psychologin erklärte es so: in einer depressiven Phase, da ist der Organismus ganz auf die überlebenswichtigen Faktoren zurückgefahren, d. H. Essen , schlafen.

Deshalb können ja so viele Depressive weder lachen noch weinen.
Mimik ist schlicht zu anstrengend. Also lacht man nicht, weint aber auch nicht.

(Wichtiges Kennzeichen, wenn man wieder heulen kann, geht es schon wieder!)

Allerdings trifft das mit dem keine Gefühle haben können, bzw. kein Körpergefühl haben können eher auf schwer depressive zu.

Deshalb würde ich nicht ausschließen, dass Dein Freund vielleicht doch Therapie braucht.

Übrigens, Du denkst , du kannst ihm im Moment nicht helfen.
So ganz stimmt das aber nicht.
Ich habe immer noch die Bemühungen meiner Umwelt wahrgenommen, auch wenn ich nicht reagieren konnte.

Liebe Grüsse
Anna
Edeltraud
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Registriert: 22. Mai 2003, 16:49

Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von Edeltraud »

Hallo Tine,

bei mir ist es so, dass ich vieles tun möchte, aber nicht kann aufgrund mangelndem Antrieb.

Ist wie bei einem Querschnittsgelähmten, der nicht gehen kann. Er möchte gehen, kann aber nicht.

Die Symptome der Depression sind von Mensch zu Mensch sehr verschieden und unterschiedlich ausgeprägt.

Viele Grüße
Edeltraud
Tine
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Registriert: 11. Okt 2004, 19:57

Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von Tine »

Hallo an alle, die bisher geschrieben haben und an alle, die mitlesen.

Ich habe eine Frage, die ich gerne zur Diskussion stellen möchte. Mir ist natürlich bewusst, dass jeder Mensch anders reagiert und auch die gemeinsame Diagnose Depression nichts daran ändert. Vielleicht habt ihr dennoch eine Idee dazu.

Mir wurde von verschiedenen Menschen geraten, meinem depressiven Partner weniger Mitgefühl und Verständnis entgegenzubringen, da dies ihn nicht weiterbringen würde. Mit anderen Worten: Ich soll mich von ihm trennen, den Kontakt abbrechen und ihm somit zeigen, dass er so nicht weitermachen kann. Erst wenn er richtig am Boden läge, würde er erkennen, dass er aufstehen muss.
Nur dann würde ich ihm wirklich nachhaltig helfen.

Ich weiß zu wenig über die Erkrankung, um diesen Vorschlag beurteilen zu können.
Es ist mir natürlich klar, dass keiner mir ein Rezept geben kann.
Aber ich möchte einfach besser verstehen und keine Chance vergeben meinem Freund wirklich zu helfen und unsere Beziehung wieder aufzunehmen und auf einer für uns beide annehmbaren Grundlage weiterzuführen.

Ich würde mich wirklich sehr über weitere Beiträge freuen. Ich weiß auch, dass andere Angehörige hier mitlesen und vielleicht wertvolle Anregungen für ihre Probleme erhalten.

Liebe Grüße
Tine
doubty
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Registriert: 25. Mai 2004, 20:02

Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von doubty »

Hallo Tine!

Mir sträuben sich die Nackenhaare!


Ich hoffe, es war kein Psychologe, der Dir das geraten hat.

Dein Freund liegt bereits am Boden, wenn es so ist, wie Du es schilderst.

Wenn mir jemand während der Depression so etwas um die Ohren gehauen hätte, ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte.

Natürlich sollst du ihm nicht alles durchgehen lassen.
Wenn er sich z.B. Dir gegenüber agressiv verhält, kannst du ruhig mal die "Stecker-Raus-Methode" wählen.

heißt, dass du für eine Zeit weder telefonisch noch per SMS zu erreichen bist.

Du brauchst ja sehr dringend Deine Ruhepausen, sonst nützt ihm das auch nichts.

Aber ich finde, er sollte wissen, dass Du im Notfall immer da bist.

So habe ich es jedenfalls praktiziert.

Depression hat viel mit Angst zu tun, und diese Ängste noch verstärken, das finde ich genau den falschen Weg.

Man sagt, die Angst steigert sich wiefolgt:
Angst->Panik->Depression.

Wenn also ein Mensch feststellt, dass die Panik nicht mehr ausreicht, um eine Situation zu bewältigen, verfällt er in Depression.
Es ist zuerst einmal eine Schutzreaktion des Körpers.

Wenn du ihm also diese Schock-Therapie zumuten willst?

Bewährt hat sich aber eher, langsam der Angst zu begegnen und sie schrittweise abzubauen.

Liebe Grüsse
Anna
Tine
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Registriert: 11. Okt 2004, 19:57

Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von Tine »

Liebe Anna,

nein, natürlich will ich ihm diese Schocktherapie nicht antun. Ich will ihm helfen und weiß nicht recht wie. Deshalb ist es mir ja auch so wichtig, von Betroffenen zu hören, wie bestimmte Verhaltensweisen in einer Depression wahrgenommen werden.

Diese Tipps habe ich von anderen Angehörigen(nicht in diesem Forum hier!!!) und von Bekannten meines Freundes erhalten.

Mein Freund reagiert in solchen Phasen niemals aktiv aggressiv mir gegenüber, eher passiv, indem er sich zurückzieht. Ich spüre schon, dass eine Aggression in ihm ist, ich weiß aber auch, dass er nicht möchte, dass ich ihn so erlebe.
Bislang bin ich immer so verfahren, dass ich ihm Freiräume gebe, wenn ich merke es wird ihm zuviel: Bindungsängste auf Grund einer gescheiterten Ehe, Mobbing am Arbeitsplatz, Stress mit der Ex. Das sind die konkreten Probleme. Dazu kommen diffuse Ängste, mal mehr mal weniger ausgeprägt. Eine depressive Phase deutet sich meist durch große Nervosität, Schlafstörungen, Schmerzen in den Augen und Herzrasen an. Dann folgt der Rückzug. Zunächst als Wunsch formuliert. 'Ich muss die nächste Zeit alleine sein.' , dann je nach Situation mit dem völligen Abbruch der Beziehung.
In manchen Gesprächen habe ich den Eindruck, dass vor mir die Hilflosigkeit in Person sitzt. Ein stummer Schrei nach Hilfe und gleichzeitig die Unfähigkeit diese anzunehmen, weil keine Hoffnung besteht.Wie soll man da kein Mitleid empfinden? Ich bedauere jeden Menschen, der solchen Qualen ausgesetzt ist, das ist wohl niemand freiwillig.
Die sehr vehementen Äußerung, der oben zitierten Menschen haben mich doch etwas verunsichert. Denn mein oberstes Ziel ist ihm zu helfen und ich suche nach dem richtigen Weg.
Danke für deine Hilfe.
Liebe Grüße
Tine
Edeltraud
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Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von Edeltraud »

Hallo Tine,

auch ich hatte mich zurückgezogen, zunehmend mit Zunahme der Depression.

"wenig Mitgefühl und Verständnis entgegenbringen"
Vor allem Verständnis hätte ich in der Schwere der Erkrankung gebraucht.
Unverständnis empfand ich als Ablehnung und ich zog mich noch mehr zurück, da ich nicht in der Lage war mich zu wehren mangels Energie.
Das Unverständnis minderte mein ohnehin kaum mehr vorhandene Selbstwertgefühl noch mehr.

Du solltest ihm immer wieder sagen, dass er krank ist und deshalb auch professionelle Hilfe braucht. Viele Erkrankte wollen sich lange nicht eingestehen, dass sie krank sind. Wer will schon eine psychische Erkrankung haben.

Viele Grüße
Edeltraud
Tine
Beiträge: 214
Registriert: 11. Okt 2004, 19:57

Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von Tine »

Liebe Edeltraud,

vielen Dank für deine Antwort. In früheren Gesprächen habe ich schon einmal einen Vorstoß in diese Richtung gewagt und bin auf große Ablehnung gestoßen. Ich habe aber beschlossen, dieses Thema wieder anzuschneiden. Eine entsprechende Anlaufstelle habe ich schon gefunden.
Doch im Moment kann ich ja gar nicht mit ihm reden. Wenn, dann nur über Alltäglichkeiten. Es wäre wohl klüger, abzuwarten, bis er überhaupt wieder empfänglich wird. Zur Zeit ist es so, dass er erst dann mit mir sprechen kann (alle paar Tage und nur dann, wenn ich mich aufdränge) wenn er merkt, dass ich nicht über die Beziehung reden will oder über seine Probleme. Erst wenn er spürt, dass ich nur plaudern will, wird er ruhig und lässt sich ein. Ich spüre dann eine große Erleichterung bei ihm.
Ich sollte wohl mit dem Vorschlag einer Therapie noch etwas warten?
Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob er seine Situation im Moment so sieht. Kann es sein, dass man sich der Lage eigentlich nicht bewusst ist? Ich weiß, dass er über die Jahre hinweg verschiedene Strategien erlernt hat, über die schlimmste Zeit hinwegzukommen. Der Rückzug von Personen, zu denen eine emotionale Nähe besteht,ist eine davon. Sogesehen müsste eigentlich eine Erleichterung bei ihm eingetreten sein, denn ein Problem hat er ja weniger. Er kann nun seinen Ritualen nachgehen, die ihn von seiner Situation etwas ablenken und ihn doch irgendwie in der Realität halten. Niemand stört ihn, niemand fordert ihn.
Ich habe gelesen, dass die Menschen in depressiven Phasen wohl verschieden reagieren, die einen klammern, die andern distanzieren sich. Ich frage mich, ob die jeweilige Verhaltensweise wirklich eine empfundene Erleichterung mit sich bringt?

Aber du hast auf jeden Fall damit Recht, dass eine Therapie unumgänglich ist, wenn er eine gewisse Lebensqualität erlangen will. Ich frage mich, wie ein Mensch ein solches Leben aushält und sich damit abfinden kann.

Liebe Grüße
Tine

Eine entsprechende Anlaufstelle habe ich schon gefunden.
Edeltraud
Beiträge: 1495
Registriert: 22. Mai 2003, 16:49

Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von Edeltraud »

Hallo Tine,

hast echt Glück oder auch Pech, dass ich heute so aktiv sein kann - Ansichtssache
(war jetzt Spass meinerseits!)

"mit Vorschlag Therapie warten?"
wieso? wozu?

Ich war mir immer meiner Lage bewußt - dachte nur nicht, dass es immer noch schlechter werden kann

"klammern oder distanzieren - Verhaltensweise wirklich eine empfundene Erleichterung mit sich bringt"
momentan ja!
Mit zunehmender Schwere der Depression ist einem jedes zur Verfügung stehendes Mittel recht, um eine Linderung der Qualen zu erreichen. Not macht erfinderisch.

Wenn dein Freund ähnlich schwer erkrankt ist, wie ich es war, dann kann ich verstehen, dass er nicht über die Beziehung und über Probleme reden will/kann - das kostet zusätzliche kaum vorhanden Energie oder überfordert schlichtweg.

Tja, abfinden werde ich mich wohl nie mit der Krankheit, dazu ist sie zu qualvoll und schränkt allzusehr ein. Irgendwie musste ich mich mit der Krankheit arrangieren - was bleibt mir anderes übrig. Mittlerweile ist es so, dass ich gar nicht weiß, was ich machen würde, wenn ich von heute auf morgen gesund wäre. Passiert sowieso nicht - ich glaube nicht an Wunder.
Meine Depression ist chronisch und ich bin froh den Level einer mittelgradigen Depression schon 5 Jahre lang halten zu können.

Zum Thema "Aushalten"
vor ewigen Zeiten war es unerträglich.

Hurra, ich lebe noch!!!!


So war es/ist es bei mir. Ich möchte nicht von mir auf andere schließen. Wie gesagt, ist bei jedem anders.

Viele Grüße
Edeltraud
jolanda
Beiträge: 1147
Registriert: 16. Okt 2003, 10:29

Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von jolanda »

Liebe Tine!

"Es ist so als würden die Ohren nichts Positives hören, die Augen nichts Positives sehen und der Kopf nichts Positives denken und sich an nichts Positives erinnern. Wenn das wirklich so ist, muss es die Hölle sein."

Ja, genau so ist es !!!

ES ist toll, wieviel Mühe du dir gibst, deinen Freund zu verstehen. Mit obigem Satzt zeigst du, dass es dir gelingt. Aber du kannst nur verstehen, nicht nachempfinden (zum Glück für dich). Das ist aber schon sehr sehr viel.
Ich freue mich darüber, dass du deinem Freund beistehen möchtest. Mein Mann hat auch immer zu mir gehalten und ich habe immer wieder Depressionen. Die schlimmste dauerte 14 Monate, davon war ich 5 in der Klinik und mein Mann war immer für mich da. Dafür bin ich ihm total dankbar. Wir sind jetzt seit elf Jahren zusammen. Zum Schluss war er selber am Rande einer Erschöpfungsdepression. Also, pass auf dich auf.
Wenn dein Freund sich zurückzieht, sag ihm, dass du dieses Bedürfnis von ihm respektierst und ihn nicht bedrängen wirst, dass du aber jederzeit für ihn da bist, sobald er es will. Dann bist du sozusagen auf Abruf bereit und hast Luft für dich und dein eigenes Leben. Einen totalen Abbruch des Kontaktes deinerseits halte ich für problematisch, er könnte sich zurückgewiesen fühlen und womöglich (wäre typisch für Depressive) sich auch noch selber die Schuld geben, weil er ja so unerträglich für alle ist. Du könntest dich ja in regelmäßigen Abständen bei ihm melden, ihm Hilfe anbieten aber ihn nicht weiter bedrängen.
Ist er in ärztlicher Behandlung? Wenn nicht, würde ich schon versuchen ihn wenigstens dazu zu bringen. Eventuell einen Termin ausmachen und ihn dann mit sanfter Gewalt dazu zwingen. Dag ihm dass du dir grosse Sorgen um ihn machtst, eben weil du ihn liebst.

Alles gute, Jolanda


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Feedom's just another word for nothing left to lose (Janis Joplin)
Tine
Beiträge: 214
Registriert: 11. Okt 2004, 19:57

Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von Tine »

Hallo ihr Lieben, die ihr mir bis jetzt geholfen habt.

Ich möchte gerne noch einmal zusammenfassen, was sich aus den Beiträgen bisher ergeben hat.
Ich glaube aus euren Beiträgen herausgelesen zu haben, dass es für den depressiven Menschen in seinen schlimmsten Phasen meist unmöglich ist, Emotionen zu empfinden oder (falls er welche hat) zu zeigen. Dennoch, so haben einige besätigt, ist die Wahrnehmung für die Bemühungen der anderen nicht ausgeschaltet. Ihr habt geschrieben, dass euch das Unverständnis eurer Umwelt und ihr Rückzug geschmerzt hat, auch wenn ihr das manchmal erst nach den depressiven Phasen gespürt habt. Die meisten von euch kennen auch das Bedürfnis sich zurückzuziehen und allen Anforderungen, die man umgehen kann, auszuweichen.
Für den Angehörigen besteht nun natürlich das Problem darin, das richtige Maß an Zuwendung und Sicherheit zu geben, ohne einzuengen oder zu bemuttern. Ein allgemeingültiges Rezept kann es hierzu nicht geben. Ich denke, dass ich weiter so verfahren werde wie bisher, mich im Hintergrund halten aber zeigen dass ich da bin, durch regelmäßige SMS, kurze Besuche.

Die Ankündigungen des Beginns einer depressiven Phase erkenne ich mittlerweile.
Gibt es ähnliche Merkmale auch für eine bevorstehende Verbesserung der Lage? Es fällt mir bislang noch schwer zu erkennen, wann die innere Bereitschaft zur Nähe wieder aufkeimt. Das Fatale ist, dass mein Partner, wenn ich den falschen Moment erwische, wie in einer Art Befreiungsschlag die Beziehung beendet.
Letzte Woche beispielsweise hatte er sich für einige Tage auf ein nächtliches GuteNachtSMSen eingelassen. Dass er mir wirklich als letztes vor dem SChlafengehen schrieb, habe ich als positiv gedeutet. Seine Nachrichten waren jedoch immer nur Antworten, d.h. die Initiative ging von mir aus. An einem Abend war ich eingeschlafen und schrieb ihm erst in den frühen Morgenstunden, von da an kamen seine Nachrichten sehr zeitverzögert, wurden dann schließlich eingestellt. Anfang der Woche war ich zu einer lockeren Unterhaltung bei ihm, die auch ihm gut gefallen hat, das habe ich gespürt. Danach war wieder Funkstille. Meine Nachricht, dass mir der Morgen mit ihm gut getan hat, blieb ohne wirkliche Ressonanz.
Es ist wirklich sehr schwer zu verstehen. Ich glaube ich habe einen Zugang gefunden und schon ist er wieder versperrt.

Liebe Grüße und vielen Dank für eure bisherige Hilfe.
Tine
jolanda
Beiträge: 1147
Registriert: 16. Okt 2003, 10:29

Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von jolanda »

Liebe Tine!

Auch in einer Depression gibt es Schwankungen. So kann es sein, dass dein Freund es mal schafft, auf SMS zu antworten und mal eben nicht.
Ich weiß nicht, ob es allgemeingültige Anzeichen für das Ende einer Depression gibt. Wahsrscheinlich sind diese, wie auch die Frühwarnzeichen für den Beginn einer Phase, sehr individuell. Bei mir ist es so, dass ich anfange Gefühlsmäßig extrem Achterbahn zu fahren. Ich habe dann extreme und schnelle (oft innerhalb weniger Stunden) Simmungswechsel. Mal hoffnungsvoll, mal heulendes Elend. Das mildert sich mit der Zeit und irgendwann stelle ich dann erstaunt fest, dass die Depression vorüber zu sein scheint. Es ist nie so, dass es kontinuierlich bergauf geht, dazwischen gibt es immer wieder Rückschläge.

Liebe Grüße, Jolanda


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Tine
Beiträge: 214
Registriert: 11. Okt 2004, 19:57

Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von Tine »

Liebe Jolanda,

ich danke dir für die Offenheit mit der du über deine Wahrnehmungen sprichst.
Das Thema über das wir uns austauschen ist ja ein sehr sensibles und ich glaube auch in der Außenwelt mit vielen Vorurteilen belastetes.

Ihr alle werdet da schon manche Erfahrung gemacht haben. Umso schöner finde ich es, dass hier ein Austausch stattfindet.

Danke,
Tine
Edeltraud
Beiträge: 1495
Registriert: 22. Mai 2003, 16:49

Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von Edeltraud »

Liebe Tine,

einige Anmerkungen zu deinem Posting:

"Wahrnehmung der Bemühungen der anderen nicht ausgeschaltet"
Dem ist so

"eigene Emotionen IN der Depression empfinden"
Dem ist so

"eigene Emotionen IN der Depression zeigen"
eher schwierig - kostet Energie

"das richtige Maß an Zuwendung und Sicherheit...kein allgemein gültiges Rezept...Hintergrund halten, zeigen das ich da bin..."
So ist es - das machst du toll, Tine!!!

"Ähnliche Merkmale einer Verbesserung?"
Wenn dein Freund sich mit eurer Beziehung und seinen Problemen zunehmend auseinandersetzt

@Jolanda:
"mal etwas hoffnungsvoll - mal heulendes Elend"
das trift es auf den Punkt.
Die Depression ist nie konstant

Liebe Grüße euch beiden
Edeltraud
doubty
Beiträge: 77
Registriert: 25. Mai 2004, 20:02

Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von doubty »

Liebe Tine!

Du hast vor einiger Zeit gefragt, wodurch sich anzeigt, dass eine Depression vorüber geht.

Jetzt erst ist mir dazu was eingefallen.
Das geht immer so schleichend vorbei, dass ich es selber gar nicht merke.
Ein Anzeichen bei mir ist, dass ich wieder Freude empfinde, Z.B. passiert das, wenn man einen schönen Abend mit Freunden plant und ich mich sagen höre: "darauf freu ich mich:"

Dann mache ich wieder Pläne.
Zuerst mal ist es bei mir positiv, wenn ich wieder weinen kann.
In der Depression kann ich das nicht.
In der Depression habe ich manchmal tagelang nichts gegessen, weil mir alles zu anstrendend war und dann pötzlich ganz viel.
Wenn die Phase vorbei ist, denke ich wieder darüber nach, was ich esse und koche für mich.

Aber am Anfang, wenn eine ganz schlimmer Phase gerade endet, dann hatte ich nur für einige Stunden eine Erleichterung.
Bei mir war es das typische Abendhoch, für ein paar Stunden fühlt man sich nicht so elend.
Diese Phase wird dann immmer länger.

Wiegesagt, am Anfang merkt man es kaum. Es geht langsam und fast unbemerkt.

Jetzt würde mich aber auch interessieren, wie es Dir und Deinem Freund inzwischen geht und ob du eine Therapie eingestielt hast.

Ich würde mich sehr freun, von Dir zu hören.

Und @Edeltraud:
Du hast geschrieben, dass Du Deine Depression so erlebst, dass sie seit 5 Jahren mittelgradig sind.
Bei mir ist es ähnlich, und das ist schon ein Erfolg.
Und dann hast du noch geschrieben, dass du gar nicht wüßtest, was du machen würdest, wenn die Depression von heute auf morgen verschwinden würde.
Das fand ich sehr interessant.
Irgendwie ist auch mein ganzes Leben darauf eingestellt.
Die Arbeit, nur halbe Tage, die Freizeit so gestaltet, dass ich nicht jeden Tag einen Kurs habe und so, dass ich immer Auszeiten habe.
Kinderwunsch hinten angestellt.
Usw. usw.
Ich frage mich manchmal, wie ich das alles ummodeln sollte, wenn ich (plötzlich) wieder gesund wäre?
Ist das nicht auch eine Schleife, die irgendie die Krankheit fördert???

Zwar glaube ich auch nicht, dass es von heute auf morgen vorbei ist, aber es ist schon eine Frage, die sich mir aufdrängt..

Liebe Grüsse
Anna
Tine
Beiträge: 214
Registriert: 11. Okt 2004, 19:57

Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von Tine »

Liebe Anna,

danke für deinen Beitrag.
Die Frage wie es meinem Freund geht, kann ich dir leider nicht beantworten. Es ist einfach entsetzlich, ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.
Seit drei Wochen habe ich (mit einer Unterbrechung, über die ich erzählt habe) keinen persönlichen Kontakt zu ihm. Am Sonntag schrieb ich ihm eine email, in der ich meine Angst vor dem Montag (erster Arbeitstag) schilderte und auch sagte, dass ich ihm schreibe, weil ich sonst niemanden habe, mit dem ich meine Angst teilen kann. Er antwortete mir auch und versuchte mir mit ein paar oberflächlichen Worten Mut zu machen. Am nächsten Tag kam dann die erste eigenständige SMS von ihm. Er sprach darin die Hoffnung aus, dass mein Tag hoffentlich nicht so schlimm gewesen sei. Natürlich schöpfte ich Hoffnung. Ich schrieb zurück, dass es ganz gut ging. Ein Freund von ihm, bei dem er an diesem Tag zu Besuch war, schrieb mir, dass er zwar keinen gelösten Eindruck gemacht habe, aber auch keinen verzweifelten, es ginge ihm also gut. Dienstag schickte ich ihm Guten-Morgen-Grüße, die unbeantwortet blieben. Seit dem herrscht Funkstille.
Glaubst du, dass ich langsam den Eindruck habe, mir seine Depression nur einzubilden? Ich weiß nicht mehr wovon ich ausgehen soll. Ich weiß, dass er ein sehr komplizierter Mensch ist, meine Therapeutin meinte aufgrund meiner Erzählungen, es könnte eine schizoide Persönlichkeitsstörung vorliegen, mit depressiven Episoden. Ich weiß aber auch, dass er normalerweise ein hohes Potential an Verantwortungsbewusstsein hat.
Ich frage mich jedoch, ob sein derzeitiges Verhalten wirklich auf eine Erkrankung zurückzuführen ist. Die vielen Phasen, die wir schon durchlebt haben, ließen mich davon ausgehen. Aber im Moment weiß ich nicht mehr ob ich da richtig liege.
Es gelingt mir auch nicht mehr, es nicht persönlich zu nehmen. Er weiß doch, wie sehr ich ihn liebe und wie sehr ich leide, wenn ich mich alleine fühle.
Bislang haben wir diese Phasen immer überstehen können, ich hatte die Kraft ihn aufzusuchen und wir konnten wieder anknüpfen, aber diesmal ist es anders.
Zur Zeit fehlt mir auch die Kraft. Ich bin selber am Ende. Dieses Gefühlsbad, die Sorge um ihn, die Sehnsucht nach ihm und nun verstärkt der Ärger über ihn.
Ich verstehe einfach nicht, was im Moment mit uns passiert. Natürlich würde ich gerne die Beziehung wieder aufnehmen, ich liebe ihn, aber es ist mir alles so unverständlich geworden.
Vielleicht kann hat jemand eine Idee.
Weißt du Anne, es ist für mich durch die räumliche Trennung nicht möglich zu erkennen, wann ein Zeitpunkt wäre an dem ich ihm helfen könnte aufzutauchen. Er ist wohl auch wieder aufgetaucht, aber außer meiner Reichweite, er schaut auch nicht in meine Richtung.

Liebe Grüße
Tine
Karoshi
Beiträge: 230
Registriert: 3. Aug 2003, 14:26
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Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von Karoshi »

Also das mit dem weinen kann ich gut nachempfinden, wenns einem richtig schlecht geht, kann man nicht weinen, obwohl man es gerne würde. Desweiteren macht es manchmal bei mir Klick, wenn ich merke, daß ich mal gerade eine Nicht-Depressive-Phase habe, das Denken dreht sich dann mal kurz und ich habe wieder Tatendrang.
stefanneu
Beiträge: 0
Registriert: 12. Okt 2004, 16:09

Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von stefanneu »

Hallo Tine,

ich möchte nochmal das Thema schocktherapie aufgreifen ! Mir wurde das selbe geraten wie dir ! Nur nicht das ich mich trennen soll ! Indirekt wurde mir aber dazu gerraten das ich damit drohen soll ! Ich praktiziere zur Zeit die die Methode "einen Egozentriker (aus sicht des Angehörigen das ist kein vorwurf sondern so empfinden es viele Angehörige) muss man mit dem gleichen Egoismus begegnen damit er aufwacht ! Ich merke aber wie ich damit ein wenig erfolg habe weil meine Freundin mich nicht mehr als selbstverständlich ansieht ! Manchmal kann sie aber nicht geben und das aktzeptiere ich dann auch nur ist es wichtig diese Grenze zu behalten damit man nicht selbst mit untergeht !

Viel glück und Kraft allen hier

Stefan
Edeltraud
Beiträge: 1495
Registriert: 22. Mai 2003, 16:49

Re: Nicht-Tun-Können; Nicht-Wollen-Können

Beitrag von Edeltraud »

Hallo Anna,

das Thema wäre einen eigenen Thread wert.
Deine Gedanken dabei haben auch mich zum Nachdenken angeregt. Bin heute nicht fähig dies in Worte zu fassen. Vielleicht komme ich die nächsten Tage darauf zurück.

@Stefan
"Grenzen setzen"
das ist sehr wichtig für Angehörige

"Drohungen"
davon halte ich nichts - das kann m.E. die Sache auch noch schlimmer machen

Viele Grüße
Edeltraud
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