Zwangsgedanken und Depression

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Hoffnungschimmer
Beiträge: 5
Registriert: 2. Dez 2020, 15:04

Zwangsgedanken und Depression

Beitrag von Hoffnungschimmer »

Hallo
Wer hat ausser der Depression noch Zwangsgedanken und Angst?

Mit freundlichen Grüssen
Hope 1959
Strohi
Beiträge: 388
Registriert: 17. Mai 2015, 22:45

Re: Zwangsgedanken und Depression

Beitrag von Strohi »

Hi Hope,

ich habe neben der mittelgradig bis schweren Depression eine "ängstlich vermeidende, selbstunsichere Persönlichkeitsstörung mit einer Akzentuierung Zwang und Kontrollzwang". Ersteres wurde 2011 festgestellt, Letzteres 2014 diagnostiziert.

Beides habe ich seit meiner Jugend, ich spürte damals zwar, dass ich anders war als Andere, wusste jedoch nicht, warum, wieso und weshalb. Mit meinen Eltern konnte ich darüber nicht reden, weil sie mit ihren Erziehungsstilen (mein Vater war schüchtern, gehemmt, zog sich sehr gerne zurück, hielt sich möglichst aus allem raus und hat eher mit "beleidigt und enttäuscht sein" erzogen, so ungefähr "warum tust du mir das an?"; meine Mutter war die cholerisch-extrovertierte, mit Schreien, Brüllen, Strafen und Schlagen Erziehende) meine psychischen Krankheiten ausgelöst und verursacht haben. Typisch war, dass bei schlechten Schulleistungen nicht gefragt wurde, warum, sondern gleich mit Vorwürfen, Strafen und Schlagen reagiert wurde; am Anfang der Schulzeit wurde mir eingebleut, dass ich mit allen Fragen heim kommen könne, solle und müsse, wenn ich dann tatsächlich mal mit einer Frage kam, wurde geschrieen und gebrüllt, warum ich nicht aufgepasst hätte, und es wurden, neben der Tracht Prügel auch Strafen verhängt (alle möglichen Verbote, usw.).

Dadurch erzählte ich immer weniger über die Schule, weshalb ich als "verstockt" bezeichnet wurde, und die Verstocktheit "muss" aus dem Buben heraus geprügelt werden, denn was soll ansonsten aus ihm mal werden? Und vor allem, was sollen denn die Lehrer und anderen Menschen von der Familie S. halten??

Irgendwann in meiner Jugend spielte das Wort "Minderwertigskeitskomplex" eine Rolle in meinem Denken über mich selbst; mit 16 oder 17 fing ich an, psychologische Bücher (Ratgeber usw., z.B. "Sag nicht ja, wenn du nein sagen möchtest" und Ähnliches) zu lesen, was mir jedoch nicht geholfen hat, weder eine Erklärung für mein gefühltes Anderssein zu finden noch einen Ausweg daraus zu finden.

Mit meinem heutigen Wissen und meiner Erfahrung denke ich - und habe auch Hinweise aus meinem damaligen Verhalten -, dass die Depression und die Persönlichkeitsstörung unbewusst in mir schlummerten und mein Denken, Fühlen und Tun beeinflusst haben; akut "ausgebrochen" und sich offen gezeigt haben sie sich dann 2009/2010, woraufhin mein Hausarzt mich zum Psychiater/Neurologen geschickt hat, der dann nach einem "ewig" langen Gespräch die Depression festgestellt und mir zwei Antidepressiva verordnet hat (ein drittes AD bekam ich, um nachts nicht mehr so oft auf die Toilette zu müssen (Nykturie), sondern durchschlafen zu können.
Als ich 2014 in einer psychosomatisch-psychologischen Akutklinik war, wurde die Persönlichkeitsstörung diagnostiziert.

Ich habe von 2014 an bis 2020/2021 die Depression als Hauptkrankheit, die PS als (zu vernachlässigende) Nebenkrankheit gesehen und verstanden; erst durch das beharrliche Nachfragen und selbst im Intefnet suchen, weil es in der Psychotherapie bei der Depri-Behandlung (von 2012 bis 2020/2021) keinen Millimeter vorangegangen war, haben meine Therapeutin und ich uns die PS näher angeschaut, und so kam ich zu einer veränderten Einschätzung; seitdem sehe beide Krankheiten mindestens als gleichwertig an bzw. sehe, dass die Symptome der PS Erfolge bei der Depri-Behandlung hemmen, blockieren und verhindern.

Soweit mal für jetzt.

Ist denn die Jahreszahl in Deinem Pseudonym tatsächlich eine Jahreszahl?, und ist 1959 Dein Geburtsjahr? Ich frage, weil ich Mitte 1959 geboren wurde.

Wie sieht denn Dein bisheriger Weg aus, welche Erfahrungen hast Du bisher gemacht?

Liebe Grüsse
Strohi
Windwolke
Beiträge: 188
Registriert: 6. Mai 2021, 11:02

Re: Zwangsgedanken und Depression

Beitrag von Windwolke »

Hallo Hoffnungsschimmer,

ich leide an Depression und Angststörungen, bin jedoch momentan in keiner akuten Episode. Zwangsgedanken kenne ich nur durch Berichte oder Bücher. Ich finde Zwänge irgendwie faszinierend, so schrecklich sie zu sein scheinen.

Dein Name gefällt mir super gut. Er weckt bei mir immer Hoffnung! Die wünsche ich dir auch!

Liebe Grüße,
Mechthild
Hoffnungschimmer
Beiträge: 5
Registriert: 2. Dez 2020, 15:04

Re: Zwangsgedanken und Depression

Beitrag von Hoffnungschimmer »

Hallo Strohi
Herzlichen Dank für deine ausführliche Antwort. Zu
Ja,die Jahreszahl steht für mein Geburtsjahr.
Meine Erkrankung begann schon in der Kindheit.
Als ich meinen Bruder das erste mal nackt gesehen habe fiel mir der körperliche Unterschied auf und ich wünschte mir den Penis weg,abschneiden.
Dieser Gedanke hat sich dann festgesetzt.
Ich habe auch starke Schweisshânde-u.füsse.
Weil ich im ersten Schuljahr im Gymnasium einen Autounfall hatte fehlte ich ca.3Monate in der Schule und habe nachher nur noch gelernt.
Da fingen dann die Ängste an.
Ich habe mich durch die Schulzeit gequâlt und mit Ach und Krach die mittlere Reife geschafft.
Meine Kindheit war schön,bevor die Zwangsgedanken auftauchten.
Wir wohnten in einem kleinen Reihenhaus mit Garten in einem Neubaugebiet einer Kleinstadt.
Na ja,wie bereits erwâhnt,habe ich mich durch die Schulzeit gequält.
Danach habe ich in einem Altenheim erst als Stationshilfe gearbeitet und dann dort die Ausbildung zur Altenpflegerin gemacht.
Mit 25 habe ich geheiratet,habe 3erwachsene Söhne,bin seit 1999geschieden.
Nach der Trennung habe ich in der psychiatrischen Klinik einen Mann kennengelernt,der mich finanziell ruiniert hat,einschließlich der Sparbücher meiner Kinder,wofür ich mich total verabscheue.
Nach der Scheidung gingen die beiden älteren Söhne,damals9 u.12zum Vater und sener damaligen Lebensgefährtin,die selber 3Kinder hatte.
Der jüngste Sohn blieb bei mir.
Er war damals 2Jahre alt.
Ende März 2019 ging er für work and travel nach Australien.
Wegen Corona ist er immer noch da.
Wenn er seinen neuen Reisepass hat kommt er diesen Sommer zurück.
Meine körperlichen Baustellen sind
drückende,trockene Augen,ein kleines Aneurysma im Kopf,das mittels MRT kontrolliert werden muss,Magen-Darmprobleme.
So,jetzt habe ich viel gejammert.
Danke nochmal für deine Antwort.
Ich wünsche dir einen schönen Abend.
Herzliche Grüsse von Reinhild
Windwolke
Beiträge: 188
Registriert: 6. Mai 2021, 11:02

Re: Zwangsgedanken und Depression

Beitrag von Windwolke »

Hallo Hoffnungsschimmer,

hoffentlich hat dich mein Begriff "faszinierend" nicht geärgert. Ich finde kein passendes Wort.
Du hast deine Situation beschrieben - das empfinde ich nicht als Jammern. Mich würde interessieren, wenn du davon erzählen magst, worunter du bei den Zwangsgedanken am meisten leidest. Bzw. wie es sich anfühlt, wenn du Zwangsgedanken hast.
Wenn du dich dazu nicht äußern möchtest, kann ich das aber auch verstehen. Alles gut.

LG Mechthild
Strohi
Beiträge: 388
Registriert: 17. Mai 2015, 22:45

Re: Zwangsgedanken und Depression

Beitrag von Strohi »

Hallo Hoffnungsschimmer,

jetzt habe ich einige Zeit gebraucht, um zu kapieren, dass aus "Hope" "Hoffnungsschimmer" geworden ist. Neugierig frage ich jetzt mal (ohne böse oder sonstwie negative Hintergedanken): warum nur "Hoffnungsschimmer", warum nicht "Hoffnung"; anders gefragt: warum als "Schimmer einer Hoffnung" klein gemacht, warum nicht als "Hoffnung" gross gemacht?
Ja, ich weiss natürlich warum, aus eigener Erfahrung. Trotzdem, gibt's einen guten (!!) Grund, weshalb wir Depressiven uns immer klein und schuldig fühlen? Ja, den gibt's natürlich, weil wir uns so fühlen - aber stimmt unser Fühlen?

Was ich aus Deiner Erzählung herauslese, hast Du allerdings keinen Grund, schon gar keinen guten Grund, Dich so zu fühlen. Du hast unter erschwerten Bedingungen einen Schulabschluss gemacht, Du hast als Mitarbeiterin in einem Altenheim gearbeitet und hast dann dort auch eine Ausbildung mit erfolgreicher (!) Abschlussprüfung gemacht. Und ich bin sicher, dass Du im Altenheim gute (!) Arbeit gemacht hast.

Okay, die Scheidung ... - aber daran ist niemals nur eine Schuld, daran sind immer beide Schuld; und nachdem Dein Ex-Ehemann eine Lebensgefährtin hat, vermute ich mal, dass die Hauptschuld eher bei ihm liegen könnte.
Und das mit dem Mann, der Dich finanziell (und wahrscheinlich auch darüber hinaus) ruiniert hat ... - war es nicht so, dass Du damals in einer emotionalen Ausnahmesituation warst, die ein rationales, vernünftiges Denken gehemmt und blockiert hat? Natürlich wäre das Leben Deiner Kinder mit dem je eigenen Sparbuch finanziell ein bisschen leichter - aber: wieviel Kinder starten in ihr Leben ohne eine finanzielle Unterstützung der Eltern in Form eines Sparbuches. Es wäre zwar mit Sparbuch schöner und besser, aber mehr als ein heilender Beinbruch ist es doch, nüchtern betrachtet, auch nicht. Also, selbst wenn es denn mehr wäre als ein Beinbruch, der wieder heilt, ein Grund für Dich, deshalb "in Sack und Asche zu gehen", Dich zu schämen und Dich "total zu verabscheuen" ist das ganz sicher nicht. Ganz sicher nicht! Egal, was Andere denken oder sagen.

Hast Du schon mal daran gedacht, dass Deine Magen-Darm-Probleme von Stress verursacht sein können? Stress und Ärger und negatives, selbstkritisches Denken "schlägt auf den Magen". Und nachdem unser Verdauungstrakt - neben dem Gehirn und dem Rückenmark - unser drittes Gefühlzentrum ist, liegt es nahe, dass Du Magen-Darm-Probleme hast. Das kenne ich von mir, ich hatte in den 1980er- und 1990er-Jahren sehr oft Durchfall, und war sehr oft erkältet. Seit ich die Diagnose "Depression" habe und deshalb in Therapie bin, hat beides von jetzt auf gleich schlagartig vom einen auf den anderen Tag aufgehört.
Und die Schweisshände und -füsse kommen ganz sicher auch von der psychisch-seelischen Belastung.

Allso, insgesamt kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken, mit gesenktem Kopf durch's Leben zu gehen und sich selbst im Büßerhemd "in die Ecke zu stellen".

Ich schicke Dir gute Gedanken, in der Hoffnung, dass sie Dir wenigstens ein wenig helfen; bei mir hier im "Schwabenländle" gibt's den Spruch, den ich Dir an's Herz legen möchte: "Kopf hoch, auch wenn der Hals dreckig ist".

In diesem Sinn, alles Liebe und Gute für Dich, liebe Grüsse, Strohi
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