Ich muss mir einfach mal was von der Seele schreiben

[DaniLela]

Hallo zusammen,
Ich bin die Dani, 45 Jare alt, keine Kinder, kein Partner.
Ich muss mir einfach mal was von der Seele schreiben. Ich entschuldige mich jetzt schon für den langen Text.


Mein Leben war nie einfach, ich denke, dass ich schon seit ich 5 bin, Depressionen habe.

Ich hatte eine alleinerziehende, alkoholkranke Mutter, die sich nie wirklich um mich und meine 3 Geschwister gekümmert hat. Das wurde immer auf mich als Älteste abgewälzt.
Das nennt man wohl Parentifizierung.Als Sie im Jahr 2000 plötzlich verstorben ist, habe ich mich um meine Geschwister gekümmert und die kleine, damals 11 Jahre, habe
ich zu mir genommen und sozusagen fertiggebacken.Es war nicht immer einfach, aber jetzt ist sie glücklich verheiratet, mit Haus und Kind. Bin so stolz auf sie.
Ich habe durch meine Kindheit einen extremen Knacks weg, hatte nie eine Beziehung und habe meine Probleme jahrelang mit Cannabis betäubt.
Damit habe ich jetzt aufgehört, weil es einfach nicht mehr hilft und ich endlich was bearbeiten will. Durch die Belastung auf der Arbeit kommt wohl alles hoch,
dem möchte ich mich jetzt stellen. Nicht nur dumm funktionieren sondern auch mal glücklich werden.
Bin jetzt auf der Suche nach einem Psychiater um mir helfen zu lassen. Ich war immer die Starke, die sich um alle anderen gekümmert hat, alles im Griff hatte.
Jetzt fühle ich mich hilflos und allein. Und die Tatsache, dass ich morgen wieder zur Arbeit gehe, ist nicht wirklich aufbauend.

Ich arbeite seit 10 JAhren als EDV Technikerin in einer Mini Firma die nur aus meinem Chef und mir besteht. Es wird hauptsächlich in Arztpraxen gearbeitet.
Jetzt habe eine von meiner Ärztin festgestellte mittelschwere Depression.
Im Moment geht gar nichts bei mir obwohl ich mich eigentlich körperlich endlich gut fühle.
Ich bin aufgrund meiner Schilddrüsenunterfunktion lange gestrauchelt, es ging mir zeitweise sehr schlecht.
Bei der letzten Dosisumstellung ging es mir von April bis jetzt Anfang Juni gut wie lange nicht.
Die Werte stimmen jetzt wohl aber jetzt bin ich kopfmäßig praktisch am Ende.
Die Tatsache, dass in der Firma praktisch alles von mir abhängt macht mich total fertig.
Chef ist total locker, feiert sich und freut sich natürlich über jede Rechnung die er schreiben kann.
Ich bin alleine,hocke in der Werkstatt und mache alles was nicht mit kaufmännischen Sachen zu tun hat.
Ab und zu geht es raus, wenn mal ein Rechner explodiert oder eine neue Praxis eingerichtet werden muss.Viel Telefon und Fernwartung.
Chef fährt mich meistens. Es ist gut,wenn ich ihn bei den Terminen dabei habe, da es sehr stressig und belastend ist einen Termin durchzuführen.
Man muss an soviel Sachen denken, damit der Praxisbetrieb läuft. Im Endeffekt kann er zwar nicht wirklich helfen, aber nach so einem Termin Auto zu fahren ist
für mich praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. Ich bin immer sehr gewissenhaft und genau, damit hinterher nicht Anrufe kommen, wenn etwas nicht läuft.
Da es der Gesundheitsbereich ist, habe ich Corona praktisch nichts mitbekommen.
Jetzt ist es so, Vormittags kommen Anrufe, die ich dann meistens erledige um den Praxen zu helfen.
In der Zeit telefoniert mein Chef ein paar Anrufe herunter und schreibt 2-3 Rechnungen. Ansonsten surft er im Internet und spielt Candy Crush. Seit kurzem hat er nicht
mal mehr Lust ans Telefon zu gehen. Ab 13 Uhr verschwindet er nach Hause, da ja für Ihn nichts mehr zu tun ist. Somit sitze ich dann bis Feierabend ganz alleine
herum und hoffe dass kein schwerwiegender Anruf kommt. Ich habe richtig Angst, wenn das Telefon klingelt. Ich habe immer alles hinbekommen aber jetzt bin ich kaum mehr
aufnahmefähig, habe Konzentrationsschwierigkeiten und schlafe kaum noch.
Meine Ärztin hat mir jetzt 50mg Doxepin verschrieben. Jeden Abend soll ich eine davon nehmen.

Danke fürs Lesen, auch wenn es ein langer Text war.
Liebe Grüße
Dani

Ihr dürft auch gerne was dazu schreiben

[Gertrud Star]

Liebe Dani,

willkommen im Forum und lese dich ruhig durch manches durch, du wirst Bekanntes finden.

Ich denke, du bist es gewohnt, dich zu kümmern und damit auch etwas überfordert zu sein, weil du zu jung damit angefangen hast, wo es deinem Gefühlsleben noch gar nicht so gut getan hat.

Du hast richtig erkannt, dass jetzt du dran bist, auch gut für dich zu sorgen, nicht nur für andere.
Kann sein, dass du es deinem Chef auch etwas leicht machst, weil du es ja nicht viel anders kennst.

Auf alle Fälle kann es nicht schaden, wenn du dir Hilfe bei einem Psychiater suchst und auch einem Therapeuten. Es gibt auch noch die Selbsthilfegruppen für erwachsene Kinder von Alkoholikern, vielleicht wäre das auch etwas für dich, falls es das in deiner Nähe gibt.

Alles gute
Gertrud

[DaniLela]

Vielen Dank, liebe Gertrud.
Es tut gut zu wissen,das man nicht alleine ist.

Danke

[Petra 1000]

Hallo Dani,
ich bin erst sehr kurz in diesem Forum, aber es hat mir jetzt schon sehr viel Kraft gegeben zu lesen wie es anderen geht. Auch das schreiben und Tipps geben ist perfekt. Ich habe seit meiner frühesten Kindheit Depressionen und kann nur ganz dringend hinweisen dir schnell Hilfe zu holen. Depression kann auf jeden Fall wieder zurück gehen, aber nur wenn zügig Hilfe kommt. Du musst die ersten Schritte einleiten. Hier zu schreiben ist ein toller Anfang und zum Hausarzt gehen auch. Tabletten zu nehmen auch, aber Achtung bei jedem wirken Tabletten gegen Depression anders. Versuchs zügig einen Therapeuten zu finden und einen Psychiater. Das wird schwierig, aber verweise auf die Dringlichkeit und nimm auch einen Termin in ein paar Monaten an. Hauptsache du hast erst mal einen Fuß in der Tür. Lass dein Blut kontrollieren auf Vitamin D,
Zink und B Vitamine.
Rede mit Freunden und Bekannten über die Krankheit. Depression ist ein Stoffwechselkrankheit im Gehirn. Das hört sich für nicht depressive eher nach einer Krankheit an als Depression.
Und rede offen mit deinem Chef. Mit das Wort mittelschwere Depression immer wieder in den Mund um zu betonen wie schlecht es dir geht. Versuche es zu erklären wie du dich fühlst.
Und denke über eine Reha nach. 5 Wochen werden dein Leben wieder in andere Bahnen lenken.
Wenn es dir wieder besser geht solltest du über eine neue Arbeitsstelle nachdenken um mehr unter Leuten zu sein.

Denke dran. Du hast nur die Verantwortung für dich selbst und nicht für jeden Hans und Franz.

Ich wünsche dir alles Gute. Du schaffst das.
Liebe Grüße Petra 1000

[DaniLela]

Hallo Petra 1000, danke für Deine Antwort
Organisch ist alles abgeklärt. Es ist nicht die Schilddrüse oder Vitamin/Mineralmängel.
Ich habe mich schon bei einigen Therapeuten angemeldet, mir egal wann der Termin ist. Du hast Recht, Hauptsache man hat einen Fuß in der Tür.
Ich werde ja dann sehen, was bei der Arbeit morgen herumkommt.
Ich kann nicht immer alles für die Arbeit opfern, Chef dankt es mir eh nicht.
Ich hab zulange,zuviel gegeben. Jetzt ist Feierabend.
Meiner Familie und meinen Freunden nützt es nicht, wenn ich zusammenbreche und mir am allerwenigsten.
Lieben Gruß
Dani

[Lavendel64]

Hallo,
auch von mir ein herzliches Willkommen. Mein Respekt, wie Du mit deiner Situation umgegangen bist und was Du alles geschafft hast. Aus so einem Elternhaus heraus einen vernünftigen Berufsweg zu finden ist eine echte Leistung.

Mir fiel bei deinem Beitrag Folgendes ein: Was bedeutet Dir die Arbeit? Also das Arbeiten selber?! Tut es dir gut, arbeiten und somit auch den Menschen helfen zu können? Machst du es gerne?
Wenn Dir eine Therapeutin sagt, bleiben sie mal einige Wochen zu Hause ... könntest du das?

Wie Du in manchen Beiträgen lesen kannst, wird das Berufliche völlig unterschiedlich bewertet. Für einige ist es eine reine Belastung und es macht Sinn, sie für einige Wochen/Monate aus der Belastung zu nehmen, für manche ist es sogar gut, sich vom Arbeitgeber zu trennen.
Für andere (mich) ist die Arbeit Stabilität und Sicherheit. Sie hilft mir die Balance zu halten - wie gesagt, das ist sehr unterschiedlich und ich hätte die Frage vor einigen Jahren erst nach längerem Nachdenken beantworten können.

Auf jeden Fall ist die Suche nach einem Therapieplatz ein guter Weg - auch, um zu schauen, wie Du Dich entlasten kannst

LG Lavendel

[Strohi]

Hi Dani,

also, ich finde Deinen Text nicht (zu) lang.

Und ich muss auch sagen, ich habe mich gefreut, das zu lesen, was Du geschrieben hast. Natürlich nicht gefreut, weil es Dir so geht, wie es Dir geht, und auch nicht darüber gefreut, dass Du eine solche Entwicklung hinter Dich bringen musstest. Sondern gefreut, dass Du Dich getraut hast, Dich zu melden, dass Du so mutig warst und bist, Dir etwas von der Seele zu schreiben. Das ist - auch, wenn Du in der amvulanten Therapie oder in einer stationären Reha bist - ganz wichtig.

Eigentlich möchte ich Dir empfehlen, das zu tun, was ich leider am Anfang, als meine Depression bzw. die Symptome nicht mehr nur in mir schlummerten und unbewusst mein Denken, Fühlen und Tun beeinflusst haben, sondern sie akut ausgebrochen sind (2009/2010), versäumt habe: fang am Besten jetzt schon an, Erinnerungen und Gedanken aufzuschreiben. Alles, was Dir bezüglich Deines bisherigen Lebens als wichtig, als komisch, als "nicht 'normal'" vorkommt, aufschreiben.
Der Grund dafür liegt darin, dass es in der Therapie, in einer Reha, in einer Akut-Klinik immer darum gehen wird, an Hand Deines bisherigen Lebens, mit Hilfe der Therapeutin, des Therapeuten, festzustellen, was Dein Leben so "manipuliert" und es in gewisser Weise "aus der Bahn geworfen" hat, dass es Dir heute schlecht geht. Wichtig dabei ist, nicht nur die damalige Situation zu beschreiben, die Dich belastet oder unangenehm "berührt" hat, sondern möglichst auch dazuzuschreiben, welche Gedanken und Gefühle Du dabei hattest (und auch hast, wenn Du Dich heute daran erinnerst).

Und das, was Gertrud und Petra Dir geschrieben haben, kann ich nur dick unterstreichen!
Schau nach Dir, kümmere Dich um Dich selbst, sorge Du für Dich.
Und frage, wenn Du Fragen hast.

Alles Liebe und Gute für Dich. Und viel Erfolg auf Deinem Weg.
Strohi

[DaniLela]

Wow, Danke Lavendel, Danke Strohi.
Meine Arbeit selbst ist eigentlich ok, ich helfe gerne. Das ist ja so ein Merkmal von "Heldenkindern" aus Alkoholikerhaushalten. Arbeiten an sich finde ich auch vollkommen in Ordnung, ich war vor meinem jetzigen Job 4 Jahre arbeitslos und da ist mir die Decke auf den Kopf gefallen. Wenn ich eine Zwangspause verordnet bekommen würde..hmmm wäre ich meinen Job los. Wenn es eine Stelle wäre, die sicher ist...dann hätte ich zwar Hummeln im Hintern, aber ich könnte es packen.

Danke Lavendel!

Eine guter Tipp, Strohi. Ich habe ja schon angefangen hier zu schreiben. Werde aber dran beiben und weiter schreiben. Wie ich mich da gefühlt habe? Ok dass werde ich mit dazu nehmen.
Ich habe mir gerade online einen Termin für den 20.8 bei einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie machen können. Bin ich da überhaupt richtig? Bin gerade etwas überfordert und heilfroh einen relativ nahen Termin bekommen zu haben.

Nochmal Danke an euch
Liebe Grüße
Dani

[Suchende2]

Hallo Dani,

herzlich willkommen.

Wenn Du von Deinem Hausarzt eine Überweisung mit Vermittlungscode erhälst, bekommst Du innerhalb von 4 Wochen einen Psychiatertermin über die Servicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung. Aussuchen kannst Du Dir dann den Arzt nur bedingt.

Ich habe einen Psychiatertermin für den 28.11. (!) bekommen. Über die SKV konnte ich wünsche äußern, aber deren gemeldeten Termine waren bereits vergeben. Ich habe dann einen Termin bei einer Psychiaterin bei mir in der Nähe bekommen und die scheint nach dem ersten Termin auch gut zu sein.

Psychiater können im Gegensatz zu Therapeuten Medikamente verschreiben.

Alles Gute,
Suchende

[Strohi]

Hi Dani,

bei einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie bist Du goldrichtig. Ich hoffe nun für Dich, dass der Arzt auch menschlich gut zu Dir passt, dann ist es 'ne runde Sache.
Sollte es menschlich nicht gehen, würde ich an Deiner Stelle ihn sozusagen anfangen lassen, und bei ihm bleiben, bis Deine (erneute, nebenher laufende) Suche erfolgreich war - der menschlich nicht "passende" Arzt kann trotzdem fachlich gut sein, und ist meiner Meinung nach besser als kein Arzt in einer solchen Situation.

Liebe Grüsse,
Strohi

[DaniLela]

Danke Suchende, Danke Strohi.
Wäre super,wenn es passt. Der ist praktisch bei mir um die Ecke. Falls ich den Dienstwagen abgeben muss,hab ich es nicht weit.

Ganz liebe Grüße an alle, ihr seid toll!

Dani

[DaniLela]

Hallo zusammen!
Ich habe unerwartet einen Beratungstermin in einer Praxis bekommen. Schon nächste Woche!
Ist sehr groß, die haben 9 Ärzte da die alle Psychiater + Therapeuten sind. Ich kann mein Glück kaum fassen.
Drückt mir die Daumen!

Viele ganz liebe Grüße

Dani