Dissoziation in der Therapiestunde

Marleo84
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Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Marleo84 »

Hallo liebes Forum,

Hat hier jemand Erfahrung mit Dissoziation in der Therapie bzw. auch im Alltag? Oder ist jemand schon mal durch eine Therapiestunden retraumatisiert worden?

Ich neige scheinbar stark zu Dissoziationen, an die ich mich mittlerweile einigermaßen gewöhnt habe bzw versuche, sie zu vermeiden und die Warnzeit zu erkennen. Mein Problem ist aber, dass ich danach in einen Übererregungszustand gerate mit tagelangem Zittern und Panikattacken bis zum Übergeben. Das kann dann durchaus zwei bis drei Wochen anhalten und danach rutsche ich in eine Depression bzw. Untererregung. Ich kann mich in diesen Phasen nur sehr schwer regulieren und habe zum Beispiel große Schwierigkeiten zu essen, da Essen leider ein Trigger ist. Auch das Aufrechterhalten des Alltags mit zum Beispiel Arbeiten fällt mir in den Phasen sehr schwer.

Jetzt kommen mir leider langsam Zweifel, ob meine Therapeutin, die ich sehr schätze, dem Ganzen so gewachsen ist. Evtl. würde es vielleicht Sinn machen, zu einer Therapeutin zu wechseln, die auf Komplextrauma spezialisiert ist? Aber ich möchte mich von meiner Therapeutin eigentlich nicht trennen.

Hatte schon mal jemand eine ähnliche Situation? Was hat geholfen?

Ich danke euch für eure Antworten!

Eine verzweifelte Marleo.
Suchende2
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Marleo,

als Kind und Jugendliche bin ich voll bewusst in die Dissoziation gegangen und auch ohne Probleme wieder da herausgekommen. Das war halt einer meiner, zu der Zeit guten, Schutzmechanismen.

Als Erwachsene kam ich ohne Dissoziation aus, bis ich in der Klinik war. Da gab es eine Situation, in der ich um Hilfe bat (ich wollte die an die frische Luft) aber nur die Aufforderung bekam, genau zu diesem Zeitpunkt meiner Gruppe meine Lebensgeschichte zu erzählen. Da bin ich dann in die Dissoziation gegangen und habe es nicht gemerkt. Es dauerte auch einige Tage, bis ich realisiert hatte, daß es mir passiert ist und die Erinnerung an die Gruppentherapiestunde nicht wiederkommen wird. In der Klinik gab es dazu, auch auf Nachfrage, KEINERLEI Hilfe.

Meine Therapeutin hat mir nach der Klinik ein wenig die Angst genommen, indem sie mir erklärt hat, wieso es in dem Fall o.k. war in die Dissoziation zu gehen. Im Laufe der Therapie werden wir an der Ursache arbeiten, damit es mir hoffentlich nicht wieder passiert. Beziehungsweise, ich habe für mich beschlossen, bis ich es kontrollieren kann, falls ich jemals wieder in so eine Situation komme, auf mein innerstes zu hören und den Raum zu verlassen.

So heftige und langanhaltende Symptome wie Du habe ich zum Glück nicht.

Hilfreich war für mich das Gespräch mit meiner Therapeutin. Sie konnte mir sehr viel erklären und ich bin mir dadurch relativ sicher, im Normalfall nicht in die Dissoziation zu gehen.

Teile Deine Sorgen Deiner Therapeutin mit. Dann könnt ihr gemeinsam schauen, was das Beste für Dich ist. Sie kann Dir eventuell auch einige Deiner Ängste nehmen.

Alles Gute,
Suchende
Gartenkobold
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Gartenkobold »

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Marleo84
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Marleo84 »

Hallo ihr beiden,

Danke euch für eure Antworten. Ich glaube, von der Retraumatisierung in der Stunde waren wir beide gleichermaßen überrascht, das will ich ihr gar nicht vorwerfen. Sie hat sich auch entschuldigt, aber wie gesagt, das kam so plötzlich... Ich habe auch daraus gelernt, mehr auf meine Grenzen zu achten und auf die Stimmen zu hören, die davor warnen, bestimmte Sachen auszusprechen. Sie respektiert die Grenzen auch sehr gut.

Wir haben die heutige Stunde eher "Low Level" gehalten, weil ich nach drei durchgeschüttelten Wochen gerade sehr erleichtert bin über die erreichte Stabilität und daran etwas festhalten möchte.

Klinik kann ich mir aus verschiedenen Gründen aktuell nur schwer vorstellen, auch wenn das natürlich ein sinnvoller Weg wäre, das Trauma dort gezielt aufzuarbeiten und das Alltagsgeschehen bei meiner Therapeutin zu lassen.

Ich muss, glaube ich, die nächste Stunde mal nutzen, um ihr ein paar Fragen zu stellen. Über was wir genau reden und was genau der Plan jetzt ist, diese krass wechselnden Zustände zu beenden. Irgendwie gibt es gerade nur "alles an" oder "alles aus" und ich kann gerade keine Strategie erkennen, wie wir das angehen und fühle mich entsprechend ausgeliefert. Da hat sie dann hoffentlich ein paar Antworten und kann mir eine Perspektive geben!

Liebe Grüße,

Marleo
Marleo84
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Marleo84 »

Hallo zusammen,

Ich wollte gerne nochmal berichten. Ich habe die heutige Sitzung mal genutzt, um mit der Therapeutin mal gemeinsam Bilanz zu ziehen und eine Mindmap zu machen mit allen Themen, die gerade so auf dem Tisch liegen. Das sind nämlich viel zu viele, als dass ich sie gerade im Alltag bewältigen kann. Die Depression ist da gerade tatsächlich ziemlich nebensächlich. Wir haben dann jetzt auch angefangen zu üben, die Dissoziation zu erkennen (beginnt viel früher als ich dachte) und Skills zu entwickeln, um da wieder rauszukommen. Ich fühle mich jetzt etwas geerdeter. Das war ein wichtiges Gespräch!
Gartenkobold
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Gartenkobold »

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SophsFirebird
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von SophsFirebird »

Ich habe mit meiner Therapeutin auch eine Liste erarbeitet, was ich in welchen anspannungsgrad noch nutzen kann. Zur Zeit nutze ich das relativ wenig, weil ich kaum reiten ausgesetzt bin und es mir zu Hause gut geht. Ansonsten haben mir meine notfallsachen immer geholfen, am meisten so kleine igelbälle die ich immer in der Hand drehen konnte.
Marleo84
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Marleo84 »

Die Igelbälle hatte die Therapeutin heute auch erwähnt. Werde ich mir besorgen! Ansonsten hilft mir erstmal schon mal das Gummi am Handgelenk.

Aber mir sind diese Zustände sooo unheimlich. Hoffentlich habe ich das bald im Griff
Marleo84
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Marleo84 »

Ich muss das Thema leider nochmal hochholen. Meine Dissoziationen werden immer schlimmer. Sowohl in den Stunden als leider auch im Alltag. Neulich sogar im Teammeeting. Hupsi. Die Therapiestunden werden dadurch immer zerhackter. Ich versuche wirklich, das zu vermeiden, aber ich bin immer häufiger einfach weg, teilweise mehrfach in der Stunde. Und bis ich mich davon erholt habe, sind die Stunden meist vorbei. Menno. Hat sich bei noch jemandem die Symptomatik erstmal verschlimmert? Ich verzweifel wirklich daran. Sowas blödes!
Meridian
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Meridian »

Hallo Marleo,

ich habe mal zwei Fragen dazu:
Wenn du dissoziierst in der Stunde, bist du dann komplett "weg" oder hörst und verstehst du noch, was die Therapeutin sagt, kannst aber nicht direkt darauf eingehen?
Wie geht denn deine Therapeutin damit um? Bemerkt sie das jedes Mal und geht sie dann darauf ein?
Einiges davon hast du ja schon angesprochen, aber es scheint ja im Moment schlechter zu werden und das hat natürlich Auswirkungen auf die Therapie.

LG, Meridian
Marleo84
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Marleo84 »

Danke für deine Antwort, Meridian. Es ist ganz unterschiedlich. Manchmal bin ich wirklich ganz weg und wenn sie mich dann fragt, wo ich war, dann kann ich das gar nicht beantworten. Manchmal bin ich auch wie in einer tiefen Trance, dann kann ich zwar noch hören, dass sie etwas sagt im Raum, aber ich kann sie nicht richtig verorten und kann weder antworten, noch mich bewegen. Manchmal kippt auch der Raum plötzlich weg. Im Alltag habe ich eher mit Depersonalisationen oder Derealisationen zu kämpfen, dass sich plötzlich alles unwirklich anfühlt oder ich Teile meines Körpers nicht mehr mir zuordnen kann. Aber immer häufiger falle ich auch in diese Regungslosigkeit. Oder kann plötzlich nur noch ganz langsam gehen. Manchmal kann ich mir mittlerweile auch selber helfen, aber noch nicht so oft

Meine Therapeutin merkt das mittlerweile recht schnell, meistens schneller als ich. Sie versucht dann, mich im Hier und jetzt zu halten, indem wir beispielsweise klopfen oder aufstehen. Wenn das nicht klappt, dann versucht sie mich durch Fragen zurückzuholen. Wenn das alles nichts bringt, sagt sie meistens, dass ich ganz in Ruhe dann zurückkommen soll, wenn ich bereit dazu bin. Wenn ich ganz weg bin, berührt sie mich manchmal. Und dann versuchen wir hinterher gemeinsam zu erarbeiten, was der Trigger war. Aber das Gespräch über das eigentliche Thema ist dann halt immer beendet und das ärgert mich so, weil meine eigentlichen Themen dann immer unbearbeitet bleiben.

Ich hoffe, ich konnte dir das gut beantworten.

Liebe Grüße,

Marleo.
Meridian
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Meridian »

Danke für deine Erklärung, jetzt kann ich mir das besser vorstellen, wie das für dich ist während der Therapiestunde und ich kann gut nachvollziehen, dass es dich ärgert, wenn durch die
Dissoziation deine Themen nicht richtig bearbeitet werden können.
Einen ähnlichen Eindruck habe ich auch manchmal in den Therapiesitzungen, vor allem bei belastenden, schwierigen Themen oder bei best. Erinnerungen dass ich den Therapeuten zwar noch höre, aber nicht mehr auf ihn eingehen kann, manchmal hatte ich schon das Gefühl, dass ich die Verbindung zu ihm verliere oder die zu mir selbst.
Beides kann ich dann erst in der nächsten Stunde thematisieren und wir sprechen darüber.
Ich setze also das angefangene Thema in der darauffolgenden Sitzung fort, was es manchmal etwas mühsam macht, weil es natürlich besser wäre, direkt auf das von ihm gesagte reagieren zu können.
Bei dir schient es so zu sein, dass du zusammen mit deiner Therapeutin einen ganz guten Umgang damit gefunden hast.
Hast du eine Idee, warum es gerade jetzt wieder schlechter ist? Hat das bei dir auch mit bestimmten Themen zu tun?
Du musst das natürlich nicht beantworten.
Vielleicht ist es so, dass das ein Lernprozess ist, dass man also mit der Zeit in der Therapie lernt, das eher zu merken und dadurch auch besser reagieren kann.

LG, Meridian
Gartenkobold
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Gartenkobold »

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Gartenkobold
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Gartenkobold »

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Marleo84
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Marleo84 »

Danke, Meridian! Das, was du beschreibst klingt so wie meine Erfahrungen, wenn das Dissoziieren beginnt. Ich verliere den Kontakt. Anfangs habe ich immer gedacht, ich würde mich nicht genug konzentrieren, mittlerweile verstehe ich, dass ich da schon anfange wegzugehen.

Auslöser sind oft meine eigenen Gefühle. Sobald ich emotional werde, tauche ich ab. Oder wenn ich eine Frage nicht gut beantworten kann. Oder wenn ich etwas aussprechen möchte, was mir gleichzeitig Angst macht. Also immer, wenn es irgendwie ernst wird, ähnlich wie bei dir. Ich kann mich dann aber leider häufig an die Situation vorher nicht erinnern. Manchmal kann ich aber den Zusammenhang auch gar nicht herstellen. Neulich hat meine Therapeutin ein Seil um mich gelegt, um meine Grenzen zu simulieren. Da war ich gleich voll weg. Verstehe ich bis heute nicht so richtig.

Heute war meine Stunde zuende und ich bin schon mit einem unguten Gefühl daraus gegangen, weil dieses Kribbeln noch nicht wirklich weg war. Da hat es mich dann unten neben meinem Fahrrad erwischt. Völlig weg. Zum Glück hatte meine Therapeutin dann Feierabend und hat mich da gefunden und hat mir rausgeholfen. Ganz schön peinlich, so mitten auf der Straße!

Insgesamt ein ziemlich uncooler Mechanismus. Ich merke, dass es schlimmer ist, wenn ich stark unter Stress stehe. Daran muss ich versuchen zu arbeiten, aber das ist gleichzeitig super schwierig, weil das Leben das gerade einfach nicht richtig hergibt.
Marleo84
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Marleo84 »

Danke auch dir, Gartenkobold! Ich fühle mich durch diesen Mechanismus tatsächlich stark bedroht. Es bedroht so Wahnsinn mein Berufsleben und auch meine Alltagstauglichkeit. Ich habe viel Verantwortung, unter anderem auch für meine beiden kleinen Kinder und kann mir das ständige wegdriften irgendwie nicht erlauben. Ich kann mir gut vorstellen, wie unangenehm das für dich gewesen sein muss mit deinem Chef! Ich hoffe sehr, dass ich das alles bald hinter mir lassen kann, das Gleiche wünsche ich dir auch!

Diese ganzen Derealisationen etc. kann ich aich etwas besser bewältigen. Wobei der Kampf dagegen manchmal echt lange andauert und manchmal gebe ich einfach auf. Es erscheint mir dann entspannter, einfach einmal kurz abzutauchen, danach ist es dann wenigstens vorbei, auch wenn ich dann meistens völlig fertig bin. Irgendwie ist das eine totale Kraftanstrengung. Keine Ahnung, ob das klug ist.

Ind ja, ich habe auch schon gemerkt, dass es stark mit meinem Anspannungsniveau zu tun hat und das ist momentan definitiv zu hoch. Schlafen fällt mir wahnsinnig schwer und Essen ist ja auch so ein Thema...

Aber danke dir! Es tut gut zu hören, dass ich nicht alleine bin!
Marleo84
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Marleo84 »

Ich bin heute einen wichtigen Schritt weitergekommen, auch wenn ich noch etwas ratlos bin, wie ich damit jetzt umgehen soll. Ein heftiger Dissoziationstrigger scheint bei mir das Thema Grenzen zu sein. Ich hatte das ja schon mal, als die Therapeutin einen Kreis um mich gelegt hat. Heute hat sie dann nur das Wort in den Mund genommen und ich sagte noch oh oh und schwupps war ich voll weg. 15 Minuten lang :(

Ich weiß, dass ein besserer Umgang mit Grenzen für mich wichtig ist. Aber wie soll ich das jemals lernen, wenn mich scheinbar das Wort schon so sehr stresst? Dabei habe ich heute sogar extra gegessen vorher. Hmmpf. Ich soll mir jetzt bis zum nächsten Mal ein Wort überlegen, das besser passt. Also so ein merkwürdiges Ding, wirklich!
Gartenkobold
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Gartenkobold »

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Zuletzt geändert von Gartenkobold am 3. Mai 2022, 10:44, insgesamt 1-mal geändert.
Gartenkobold
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Gartenkobold »

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Marleo84
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Marleo84 »

Danke, lieber Gartenkobold! Ja, ich finde auch, dass meine Symptome krass sind. Einen Klinikaufenthalt habe ich bisher immer versucht zu vermeiden, aber wenn sich die dissoziative Symptomatik so verschlechtert, wird es wohl nötig.

Ich habe momentan mal wieder Schwierigkeiten, den roten Faden in meiner Therapie zu erkennen. Grundsätzlich behandelt meine Therapeutin auch Traumata. Ich schaffe es aber nicht, die nötige Stabilität dafür zu erreichen. Und mit einer Klientin die schon bei bestimmten Wörtern dissoziiert, ist die Aufarbeitung natürlich auch quasi unmöglich. Ich merke, dass meine Therapeutin immer mehr auf Alltagsbewältigung und damit natürlich auch auf das Therapieende hinarbeitet. Das geht mir eigentlich zu schnell, die Basis ist irgendwie nicht gelegt. Natürlich verstehe ich grundsätzlich, dass das irgendwann wichtig ist. Aber sobald ich beim kleinsten Auftauchen von Gefühlen dissoziiere, habe ich gefühlt eigentlich ein anderes Problem.

Dazu kommt tatsächlich auch noch die Schwierigkeit, dass ich mich an weite Teile meiner Kindheit überhaupt nicht mehr erinnern kann. Was passiert ist, weiß ich nur noch sehr abstrakt oder aber von Dritten. Das macht die Aufarbeitung auch schwierig.
Ich komme mir gerade so dermaßen verloren vor...
Die genannten Skills kenne ich auch. Auch so einen Igelball habe ich immer dabei. Bei leichteren Dissoziationen hilft das auch. Aber diese schweren Ausfälle kann ich damit nicht verhindern. Und genau wie du, bin ich danach ewig benommen. Ich muss meine Stunden jetzt immer im Stehen absolvieren. Auch irgendwie uncool.

Das ist alles so ein abgefahrener Mist, echt! Wenn ich weiterhin so auf der Stelle treten sollte, muss ich mir auf jeden Fall jemanden suchen, der sich mit Komplextrauma auskennt.

Das ist echt so ein...
Gartenkobold
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Gartenkobold »

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Zuletzt geändert von Gartenkobold am 3. Mai 2022, 10:44, insgesamt 1-mal geändert.
Marleo84
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Marleo84 »

Liebe Gartenkobold,

Du hast ja auch wirklich schon einiges erlebt! Furchtbar!

Die Essstörung sowie die starken Dissoziationen habe ich ja auch einem Vorfall in der Therapie zu verdanken. Vorher war mein Essverhalten völlig normal und meine Dissoziationen auf gelegentliche Derealisationen und Depersonalisationen beschränkt. Ich glaube, ich habe genau das Problem, was du gerade beschreibst. Das alles wurde irgendwie aufgemacht und jetzt bin ich damit alleine. Das Thema Essen thematisiert meine Therapeutin auch gar nicht mehr und die Dissoziationen werden auch nicht wirklich thematisiert. Das ist aber auch ok so, ich habe irgendwo mal gelesen, dass zuviel Zuwendung dabei die Symptomatik eher verstärkt. Das hilft mir nur nicht, wenn ich im Alltag ständig wegdrifte und dadurch wirklich Probleme bekomme, weil ich mich zum Beispiel regelmäßig krankschreiben muss.

Ich kann mir vorstellen, dass ihre starke Konzentration auf Probleme der Gegenwart die Intention hat, mein Anspannungsniveau zu reduzieren und dadurch die Dissoziationen etwas zu reduzieren, sodass wir uns dann das Trauma nochmal anschauen können.

Ich bin zum Glück wöchentlich da und in Phasen, in denen ich Triggern zu stark ausgesetzt bin, darf ich sie im Notfall auch anrufen, weil ich da teilweise echt Probleme habe mit starkem Zittern, Schlaflosigkeit, Albträumen und Panikattacken. Yeah. Mein Leben ist cool, derzeit. Da begleitet sie mich schon gut.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich keine PTBS habe und auch keine kPTBS, aber ich habe mit Sicherheit Komplextrauma erlitten. Irgendwann hat sie mal gesagt, als ich sie gefragt habe, ob bei mir auch die Diagnose Emotional Instabile Persönlichkeitsstörung infrage käme, dass ich zu meiner Double Depression noch eine Dissoziative Symptomatik als Folge der Komplextraumatisierung hätte, aber nicht die Kriterien für weitere Störungen erfülle. Wenigsten etwas.
Gartenkobold
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Gartenkobold »

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Zuletzt geändert von Gartenkobold am 3. Mai 2022, 10:45, insgesamt 1-mal geändert.
Strohi
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Strohi »

Hallo,

ich habe bislang hier nur mitgelesen, nun aber bin ich neugierig geworden.

HINWEIS zur VORSICHT:
Ich möchte jedoch nicht, dass jemand, der meine Frage liest, dadurch belastet wird - deshalb die Bitte, dass die-/derjenige, die/der durch meine Frage (zusätzlich) belastet werden könnte, hier nun aufhört mit dem Lesen.

Vorab:
Eure Schilderungen zur Dissoziation erlebe ich und nehme sie wahr als "Nachrichten aus einer anderen Welt", als "Botschaften von einem fernen Planeten"; ich habe mich schon während des Lesens hier in diesem Thread bei dem Gedanken ertappt, dass es mir - so intensiv ich zeit- und phasenweise meine Depression und meine Persönlichkeitsstörung und ihre Symptome auch spüre und so stark ich auch unter ihnen leide - doch ganz gut geht. Ja, ich bin ein Stück sprachlos geworden ob den Schilderungen und Beschreibungen Eurer Situationen.

Ich habe zwar, vor allem in WIKIPEDIA, gelesen, was eine Dissoziation ist, aber so richtig hat das dort Gelesene meine Neugierde noch nicht zufrieden gestellt.

Kann mir denn deshalb jemand erklären, was eine Dissoziation ist, wie sie wirkt, wie sie sich anfühlt, was sie aus einem macht ...?
Und was ich so ganz und gar nicht nachvollziehen kann ist die Beschreibung, dass man als Schutz in die Dissoziation gegangen sei, so, als "überfalle" einen die Dissoziation nicht (wie bspw eine Angst- oder Panikattacke), sondern man könne sie bewusst auslösen. Geht das wirklich?, und kann man sie denn dann auch bewusst und gewollt beenden, quasi "abschalten"?

Vielen Dank im Voraus für diese Verständnishilfe.

Liebe Grüsse
Strohi
Allegretto
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Re: Dissoziation in der Therapiestunde

Beitrag von Allegretto »

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Zuletzt geändert von Allegretto am 25. Jul 2021, 22:56, insgesamt 1-mal geändert.
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