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Wie komme ich besser mit der Trennung klar?

Verfasst: 18. Mär 2021, 21:57
von Löwengazelle
Hallo zusammen,

mein Mann und ich waren 20 Jahre verheiratet und 29 Jahre in einer Beziehung, quasi fast mein gesamtes Erwachsenenleben. Im Oktober letzten Jahres ist er ausgezogen, weil er zu diesem Zeitpunkt bereits seit 1,5 Jahren eine andere Frau hatte und wir nicht mehr zusammenfinden konnten. Von der anderen Frau habe ich im Juni letzten Jahres erfahren und der Sommer war ein einziges Auf und Ab. Er lebt jetzt in der Nähe mit seiner Freundin zusammen. Ich lebe weiterhin in unserem gemeinsamen Haus zusammen mit unseren Söhnen, die im Teenageralter sind.

Nach dem letzten Klinikaufenthalt vor ca. 3 Jahren bin ich medikamentös gut eingestellt und hatte keinen schweren Schub mehr.

Die Trennungssituation überfordert mich total. Ich tendiere leider dazu, mir selber die Schuld an der Trennung zu geben, weil ich meinem Mann nicht mehr genügt habe, auch wenn ich rational weiß, dass das nicht so ist. Und es fällt mir schwer, einen Trennungsstrich zu ziehen. Meine Gedanken kreisen oft über die letzten 1,5 Jahre unserer Ehe und ich kann nur schwer mit dem Gedanken leben, dass seine Liebe zu mir schon während dieser Zeit erloschen ist. Er ist einer der ganz wenigen Menschen, denen ich völlig vertraut habe, und das schmerzt nur umso mehr.
Auch für die Kinder versuche ich, einen guten Kontakt mit ihm zu halten. Mein Ältester hat jeglichen Kontakt zu ihm abgebrochen.

Für die Kinder versuche ich, stark zu sein und ihnen Zuversicht vorzuleben, das gelingt mir auch meistens. Aber wenn es still wird, sacke ich total ab. Ich werde übermannt von Traurigkeit, habe das Gefühl, dass ich den Boden verliere und würde mich am liebsten nur verkriechen. Ich nutze viele Tipps aus der Verhaltenstherapie, um einem Rückfall vorzubeugen, und habe Angst vor einer erneuten akuten Phase. Der Alltag kostet mich so viel Kraft, die mir an anderer Stelle einfach fehlt. Dazu kommt dann auch noch die erschwerte Situation durch die Pandemie mit ihren Einschränkungen.

Wie kann ich so mit der Trennung umgehen, dass es mir nicht so viel Kraft nimmt und ich in stillen Momenten so traurig werde? Habt ihr Erfahrungen, wie mir das gelingen kann? Ich bin für jeden Tipp dankbar. Mit meiner Psychiaterin spreche ich natürlich auch über meine familiäre Situation und sie bestärkt mich an vielen Stellen. Dennoch bleibt die Angst vor dem Rückfall.

Liebe Grüße,
Petra

Re: Wie komme ich besser mit der Trennung klar?

Verfasst: 18. Mär 2021, 23:18
von DieNeue
Hallo liebe Petra,

oh Mann, das ist ja heftig... ich glaube, da würde es mir genauso gehen. Ich weiß zwar nicht wirklich, wie ich dir helfen kann, aber wenn du magst, drück ich dich mal.
Ich könnte mir vorstellen, dass es auch helfen könnte, sich zu erlauben die Traurigkeit auch mal rauszulassen, sie nicht ständig zu unterdrücken, aus Angst jedes schlechte Gefühl könnte gleich der Anfang des nächsten Rückfalls sein (die Angst habe ich manchmal auch) oder weil man grade funktionieren muss.
Meine Therapeutin hat mir erklärt, dass die schlechten Gefühle der Depression oft keinen genauen Grund haben, sondern man früher die eigentlichen Gefühle, für die es einen Grund gab, unterdrückt hat, weil man sie nicht haben durfte. Wenn diese Gefühle nicht ausgelebt werden dürfen, dann bahnen sie sich irgendwann ihren Weg an die Oberfläche, aber statt des eigentlichen ursprünglichen Gefühls kommen dann "Ersatzgefühle" in Form der Depression.
Wenn du jetzt traurig bist wegen deiner Situation, dann hat das aber ja einen konkreten Grund. Wenn man so enttäuscht und hintergangen wurde, sich so vieles im Leben ändert, und das nach so vielen gemeinsamen Jahren, dann steckt man das ja nicht einfach locker weg. Das dauert seine Zeit, bis man das verarbeitet hat.
Hast du sonst jemanden, mit dem du reden kannst, der dich mal in den Arm nimmt oder bei dem du dich ausheulen kannst?

Ich wünsche dir auf jeden Fall alles Liebe und ganz viel Kraft!

Liebe Grüße,
DieNeue

Re: Wie komme ich besser mit der Trennung klar?

Verfasst: 19. Mär 2021, 13:25
von [mausi]
Liebe Petra,

ich habe aufmerksam deine Geschichte gelesen und bin zu tiefst traurig. Du tust mir unglaublich leid und das was du momentan durchmachst ist wirklich fast unerträglich.
Ich kann mir gut vorstellen, wie es schmerzt von dem Menschen, dem man am meisten vertraut und liebt so dermaßen enttäuscht, verletzt und liegen gelassen zu werden. Mir blutet das Herz. Vorallem bin ich von dem Vorgehen deines Exmannes entsetzt. Er hat quasi ein Doppelleben geführt und scharmlos ausgenutzt. Das zeigt wieder zu was ein Mensch fähig ist...Kein Anstand, keine Fairness...Und einen Menschen, mit dem man sich so ein Leben aufgebaut hat mit langer Beziehung und Familie, das dann einfach wegzuwerfen macht mich fassungslos.
Dass du für den Alltag und deine Kinder nun jede Menge Energie benötigtst, die du wahrscheinlich für dich selber brauchen würdest, kann ich nur zu gut verstehen.
Wie du selbst schon schreibst, macht es die Corona-Kriese momentan auch noch schlimmer. Einen guten Therapeuten zu finden ist schwierig...Nach zwei Absagen hatte ich auch keine Motivation mehr mich durchzutelefonieren und nach einem Termin zu betteln. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es Selbsthilfegruppen für solche Fälle gibt, da du hier kein Einzelfall bist. Du musst dich auf jeden Fall ablenken und viel Kontakt zu anderen Menschen pflegen.
Mache NIE den Fehler und gib dir dafür die Schuld! Er hätte auf dich bereits vorher zukommen müssen, bevor sowas passiert.
Ich wünsche dir ganz viel Kraft und dass du das Schlimmste bald überwunden hast.
So eine Situation ist wirklich unzumutbar.

Beste Grüße
mausi

Re: Wie komme ich besser mit der Trennung klar?

Verfasst: 19. Mär 2021, 16:49
von Froschi73
Hallo Petra,

deine Trennung tut mir sehr leid und ich kann nur erahnen, wie es dir geht. Nur etwas ähnliches habe ich auch erlebt. Mein Ex hat sich während unserer Beziehung umorientiert. Wie ich gelesen habe, bist du medikamentös gut eingestellt und hast eine Psychiaterin zur Unterstützung. Das ist gut. Die einsame, traurige Zeit kenne ich. In dieser Zeit hatte ich auch enorme Angst vor einem Rückfall. Antidepressiva hatte ich mir zur Unterstützung geholt. Mein Kopf brauchte etwas Ruhe. Wenn ich es trotzdem innerlich nicht mehr aushalten konnte, bin ich raus in die Natur. Mit dem Fahrrad oder zu Fuß. Zusätzlich habe ich meine Gedanken aufgeschrieben. Briefe an den Ex (habe ich später verbrannt). Über die Beziehung habe ich viel nachgedacht, aber ich gebe mir nicht komplett die Schuld. Das finde ich zu einfach. Dein Mann hat den einfachen Weg gewählt, in dem er sich eine andere Frau gesucht hat. Das ist feige. Dein jetziger Weg ist nicht schön, aber die Zeit wird dir helfen, auch wenn es sich blöd anhört. Vielleicht kannst du dir pro Tag eine begrenzte Zeit für Traurigkeit geben. Weine, schreie und sei wütend. Das ist in deiner Situation verständlich. Nur solltest du nach Ablauf der Zeit dich mit positiven Dingen wieder aufbauen. Ein toller, lustiger Film. Rufe eine Freundin an, die dir gut tut. Mache dir tolle Musik im Radio an und tanze im Wohnzimmer. Stelle dich auf eine Wiese oder Garten und versuche deine Umgebung wahrzunehmen. Vergesse dich einfach nicht. Du bist wichtig! Am Anfang ist es schwierig, aber gebe dir diese Chance. Versuche es.

Viele Grüße, Carmen

Re: Wie komme ich besser mit der Trennung klar?

Verfasst: 19. Mär 2021, 17:03
von Happy Girl
Liebe Petra,
Ich habe noch keine vergleichbare Erfahrung gemacht und kann daher auch keine Erfahrungen weitergeben.
Aber wie DieNeue schon schrieb, hatte auch meine Therapeutin mir geraten, Gefühle bewusst wahrzunehmen und zuzulassen. Sie sollten dann nach relativ kurzer Zeit wieder weggehen. Wenn nicht, dann liegt das daran, dass sich die Gedanken entsprechend im Kreis drehen. Aber die Gedanken kann man ja beeinflussen, nur die Gefühle nicht. Wobei ich bis heute nicht gelernt habe, meine Gedanken längerfristig zu beeinflussen. Ablenken klappt, aber dann kloppt der Gedanke wieder auf. Bei dir scheint es genauso zu sein, oder?

Re: Wie komme ich besser mit der Trennung klar?

Verfasst: 19. Mär 2021, 22:44
von Löwengazelle
Ihr Lieben,

Vielen Dank für die aufbauenden Worte. Es tut schon gut zu hören, dass ich mit meiner Traurigkeit und meinen Gedanken nicht alleine bin. Dank eurer Rückmeldungen habe ich mehr das Gefühl, dass meine Traurigkeit ihre Berechtigung hat. Ich gestehe mir zeitweise noch nicht einmal zu, verletzt zu sein, weil mein Mann es so darstellt, als hätte er gar keine andere Wahl gehabt, als sich eine andere Frau zu suchen, weil ich seinem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Anerkennung nicht nachgekommen sei. Mit der Argumentation fühle ich mich schuldig an meiner Situation. In guten Momenten weiß ich, dass seine Argumente hinken und es immer eine andere Möglichkeit gegeben hätte als mich 1,5 Jahre lang zu betrügen, in schlechten Momenten bin ich mir da nicht so sicher.

Die Depression redet mir immer wieder ein, dass ich nicht genüge, mich zu wichtig nehme und zu viel Aufheben um meine Person mache. Ich weiß rational, dass es nicht so ist. Aktuell ist meine Haut zu dünn, um die depressiven Gedanken immer in Schach zu halten. Da tut es mir richtig gut, von euch zu lesen, dass ich auf mich achten darf und soll und dass ich verletzt sein darf.

Ich werde jetzt versuchen, auch die Traurigkeit und die Niedergeschlagenheit zumindest abends zuzulassen. Tagebuch schreibe ich schon seit Jahren regelmäßig, das hilft mir oft, meine Gedanken zu sortieren und auch mit manchen abzuschließen.

Ich danke für die virtuellen Umarmungen.

Liebe Grüße,
Petra

Re: Wie komme ich besser mit der Trennung klar?

Verfasst: 19. Mär 2021, 23:07
von DieNeue
Hallo Petra,

schön, dass wir dir ein bisschen helfen konnten. :)
Löwengazelle hat geschrieben: Ich gestehe mir zeitweise noch nicht einmal zu, verletzt zu sein, weil mein Mann es so darstellt, als hätte er gar keine andere Wahl gehabt, als sich eine andere Frau zu suchen, weil ich seinem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Anerkennung nicht nachgekommen sei.
Ich glaube, man neigt als Depressiver auch manchmal dazu, dass man alle negativen Gefühle unter dem Blickwinkel der Depression sieht und gar nicht mehr sieht, dass Nicht-Depressive in solchen Situationen vielleicht genau die gleichen Gefühle haben und es ihnen auch schlecht gehen würde. Doch, du hast auf jeden Fall das Recht, traurig und verletzt zu sein. Auch wenn an einer Beziehung immer zwei beteiligt sind, war es trotzdem seine Entscheidung sich jemand anderes zu suchen und als Erwachsener weiß man eigentlich, was sowas für Konsequenzen haben kann.

Du hörst dich für mich nicht so an, als würdest du dich zu wichtig nehmen. Für deine Kinder versuchst du sogar noch einen guten Kontakt zu ihm aufrechtzuerhalten (mir würde das sehr schwer fallen), ihnen Zuversicht zu geben usw. Wer sich selbst nicht mal erlaubt hat, traurig zu sein, hat mit Sicherheit kein Aufheben um seine Person gemacht.
Tagebuch schreiben finde ich super, mir hilft das auch.

Liebe Grüße und eine Umarmung,
DieNeue