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Ein verkorkstes Leben

Verfasst: 26. Dez 2020, 12:01
von wunderplunder
Guten Morgen ihr Lieben,

nach einiger Zeit melde ich mich auch einmal zurück.
Vielleicht erinnert sich der ein oder andere an meinen Post und die Umstände, die mich in die Depression rissen.
Morgen ist es genau ein halbes Jahr her, dass er sich getrennt hat. Und noch immer komme ich überhaupt nicht damit klar. Ich hocke mit Mitte 20 nach wie vor wieder in meinem Kinderzimmer bei meinen Eltern, da der Wohnungsmarkt hier in der Region äußerst bescheiden aussieht. Ich muss zudem zugeben, dass ich mich in den letzten zwei Monaten kaum mehr um ein neues Heim für mich gekümmert habe, da ich mir nicht mehr sicher bin, ob ich die Verantwortung für eine Wohnung tragen könnte. Aktuell komme ich von der Arbeit heim und lege mich ins Bett. Wäsche waschen, einkaufen, sauber machen.. All diese täglichen Dinge überfordern mich maßlos. Wie soll man so einen eigenen Haushalt führen? Früher stellte all dies für mich kein Problem dar. Aber jetzt ist es anders. Einerseits möchte ich hier raus, da es mit meinen Eltern immer öfter Stress gibt, andererseits habe ich Angst davor, es nicht zu packen...
Zudem habe ich immer öfter diese Gedanken. Die Gedanken daran, versagt zu haben. Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, habe ich nichts erreicht. Ja, ich habe eine abgeschlossene Ausbildung. Aber im Grunde ist sie nichts wert. Da ich während meiner Ausbildungszeit nämlich kaum praktische Kenntnisse vermittelt bekam, ist es mir nicht möglich, meinen Job ordentlich auszuführen. Mir fehlt ganz einfach das Hintergrundwissen sowie die Erfahrung. Und leider habe ich es in den vergangenen fünf Jahren auch nicht geschafft, mir dieses anzueignen. Ich glaube mittlerweile, ich kann es einfach nicht. Und das macht mir Bauchschmerzen. Ich hasse es, zur Arbeit zu gehen, weil ich weiß, dass ich den dortigen Anforderungen nicht gerecht werden kann. Ich denke manchmal darüber nach, eine neue Ausbildung zu machen. Aber da ich in dieser wesentlich weniger verdienen würde als jetzt, würde sie mich noch länger an mein Kinderzimmer fesseln, sodass ich diesen Gedanken bisher immer wieder verworfen habe. Einen neuen Job ohne neue Ausbildung zu finden ist quasi ausweglos, da ich seit der Ausbildung in den letzten fünf Jahren bereits drei Mal meinen Arbeitgeber gewechselt habe und mich so niemand einstellt...
Ein weiterer großer Punkt ist das Kinder kriegen. Ich wollte spätestens mit 30 Jahren mein erstes Kind haben. Dies rührt daher, dass meine Mutter mich mit 33 Jahren bekommen hat und ich häufig feststellen muss(te), dass wir in vielen Dingen doch sehr weit auseinandergehende Meinungen haben bzw. hatten. Viele ihrer Erziehungsansätze waren einfach nicht mehr zeitgemäß und vor allem als Teenager habe ich häufig sehr unter ihren altbackenen Ansichten gelitten. Dazu kommt einfach, dass ich nicht schon 50 sein möchte, wenn mein Kind 15 Jahre alt ist. Der Altersunterschied ist mir persönlich einfach zu groß. Aber von diesem Gedanken werde ich mich nun auch verabschieden müssen...
Wenn ich auf Bekannte in meinem Alter blicke, empfinde ich Neid. Ich weiß, dass Neid kein schöner Wesenszug ist und ich hasse mich dafür. Aber alle sprechen mit Begeisterung über ihren Job und wissen genau, was sie dort zu tun haben. Sie sind erfolgreich - zumindest soweit, ihren Job zu beherrschen und nicht permanent auf die Hilfe von Kollegen angewiesen zu sein. Zudem wird geheiratet, es werden Häuser gebaut und über Kinder gesprochen.
Und ich hänge hier: Mit Mitte 20, ohne richtiges Zuhause, mit einem Job, der mir nichts gibt und mich jeden Tag aufs Neue vor unüberwindbare Hindernisse stellt, mit geplatzten Lebensträumen in meinem Kinderzimmer und streite mich wie ein pubertärer Teenager beinahe täglich mit meinen Eltern.
Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll und frage mich, ob ich vielleicht einfach ein Mensch bin, der nur da ist, um anderen zu zeigen, wie schlecht es laufen kann - ein perfektes Beispiel fürs Versagen eben...
Mein Leben ist verkorkst. Es gibt nichts mehr, worauf ich stolz bin oder was mir noch Mut macht. Und immer häufiger frage mich mich, warum ich mir das alles überhaupt noch antue...

Re: Ein verkorkstes Leben

Verfasst: 26. Dez 2020, 12:54
von Peter1
Hallo Wunderplunder
Hast du es schon mal mit einer Psychotherapie versucht ? Dein Selbstwert Gefühl scheint nicht sehr groß zu sein. Auch mit einer Wohnung brauchst du keine Angst zu haben. Hol dir einfach Unterstützung beim ambulant betreuten wohnen. Du schaffst das.

Alles Gute und Schöne peter

Re: Ein verkorkstes Leben

Verfasst: 26. Dez 2020, 13:06
von wunderplunder
Hallo Peter,

ich befinde mich bereits in Therapie, habe aber den Eindruck, dass sie mich in dieser Hinsicht nicht nach vorne bringt.

Re: Ein verkorkstes Leben

Verfasst: 26. Dez 2020, 13:58
von Sul
Hallo Wunderblume,

hast du selbst schon etwas unternommen, um deine Situation zu verbessern?
Hast du von Tipps aus dem Forum profitieren können?

Therapie kann dir nur mögliche Wege aufzeigen. gehen musst du selber. Und das schaffst du auch. Mit 25 ist das Leben noch nicht zu Ende. Und im Rückblick kann ich ganz klar sehen und sagen: Ich bin von Herzen froh, dass ich mit Mitte 20 von einem Mann verlassen wurde, mit dem ich niemals glücklich geworden wäre. Aber diese Erkenntnis hat gedauert.

Viele Grüße, Sul

Re: Ein verkorkstes Leben

Verfasst: 26. Dez 2020, 14:07
von DieNeue
Hallo Wunderplunder,

ich kann dich sehr gut verstehen. Ich bin 34 und musste wegen den Depressionen mein Studium abbrechen. Deswegen bin ich mit ca. 28 Jahren auch wieder bei meinen Eltern eingezogen. Einerseits war ich froh darüber, andererseits ist es natürlich blöd wieder zuhause zu wohnen. Irgendwie hat man da wieder die gleiche Rolle wie vorher, muss sich wieder an Regeln halten und dadurch dass man wieder so aufeinanderhockt, gibt es immer wieder Streit. Manchmal habe ich mich gefühlt als würde ich auf rohen Eiern laufen, kaum mache ich was "falsch", geht wieder die Bombe hoch. Seit ich wieder ausgezogen bin, ist unser Verhältnis wieder entspannter.

Ich wollte auch gleich nach dem Studienabbruch wieder in eine eigene Wohnung ziehen. Aber das gleiche Problem wie bei dir... finde mal eine Wohnung. Also erst wieder daheim einziehen. Allerdings muss ich jetzt sagen, dass ich es in meinem Zustand damals gar nicht geschafft hätte alleine zu wohnen.
Bin dann erst nach ein oder zwei Jahren in meine eigene Wohnung gezogen. Das wollte ich auch und meine Eltern wollten auch, dass ich wieder selbstständig werde.
Habe dann vor dem Umzug auch Ambulant betreutes Wohnen beantragt. Da kommt regelmäßig eine Sozialarbeiterin zu mir nach hause und hilft mir im Alltag. Es hat mehrere Monate gedauert, bis ich tatsächlich in meine Wohnung gezogen bin. Hat lange gedauert, die zu streichen, Möbel aufzubauen, Sachen einzuräumen usw. Ohne Hilfe durch meine Familie hätte ich das gar nicht geschafft. Mit meiner Betreuerin habe ich dann meine Wohnung etwas wohnlicher eingerichtet, Sachen besorgt usw. Es war gut jemanden dafür zu haben, auch weil sie nicht zur Familie gehört, da muss man nicht immer seine Sorgen bei den Eltern abladen. War am Anfang etwas komisch mit einer fremden Person, aber irgendwann wurde es richtig gut.
Vor dem Umzug habe ich dann nochmal voll Panik geschoben und wollte überhaupt nicht mehr in diese Sch...wohnung, obwohl sie eigentlich perfekt war.
Der Umzug war auch nicht so einfach. Ich dachte, dass ich nicht damit klarkomme, meine alten Sachen aus dem Studium wieder zu sehen. Die Ordner und Bücher haben mir komischerweise gar nichts ausgemacht, aber bei den Möbeln war es unerwarteter Weise richtig schlimm. Die stammten alle aus meiner Studentenbude und ich hätte sie am liebsten alle rausgeschmissen. Da kam dann alles mit voller Wucht. Weg mit dem alten Leben, nicht ständig dran erinnert werden! Konnte ich aber nicht machen, hatte damals Hartz-IV, da war es nicht drin neue Möbel zu kaufen. Irgendwie hab ich mich aber an die Sachen gewöhnt und mittlerweile erinnern sie mich auch nicht mehr ans Studium.

Naja, und dann kam der Tag, wo ich das erste mal in der Wohnung übernachtet habe. Am nächsten Tag ging es noch, am zweiten bin ich fix und fertig wieder zu meinen Eltern zurück. Dachte, ich bin völlig gescheitert. Bin dann aber wieder zurück und seitdem läuft es. Bin dann auch nur ganz selten zurück zu meinen Eltern.
Ich war oft überfordert mit Einkaufen, hatte viel Angst davor, konnte nichts entscheiden. Ich hatte kaum Kraft zum Putzen, war wochenlang nur erschöpft.
Aber durch die Hilfe meiner Betreuerin hab ich es hingekriegt und alles klappt wesentlich besser als am Anfang. Kochen klappt nicht so gut, mochte ich aber noch nie, dafür klappt Einkaufen super und macht mir mittlerweile sogar Spaß. Meine Wohnung ist immer wieder chaotisch, ich brauche ab und zu die Hilfe durch meine Familie, ab und an hilft mir jemand beim Putzen etc. Manchmal fühle ich mich überfordert und kriege die Krise. Aber im Großen und Ganzen wohne ich selbstständig und es ist besser als ich anfangs gedacht habe.
Ich kann dir das Ambulant betreute Wohnen echt nur empfehlen. Hört sich erstmal komisch an "betreut" zu werden, aber wenn ich das erzählt habe, habe ich auch von Gesunden meist gehört "So jemanden könnte ich auch brauchen!"
Wie das mit der Betreuung zeitlich funktioniert, wenn man Vollzeit arbeitet, weiß ich nicht, aber vielleicht wäre es ja was für dich.
Ich kann dir jedenfalls Mut machen, dass man es schaffen kann, wieder alleine zu wohnen. Bei der Wohnungssuche hast du mit deiner Arbeitsstelle auf jeden Fall bessere Chancen. Ich hatte damals Hartz-IV, da ist man nicht gerade der beliebteste Mietertyp. Hab die Wohnung dann auch eher über private Kontakte gefunden.

Das mit dem Neidisch-Sein auf andere kenne ich auch, manchmal kommt es mir vor als wäre ein großer Graben zwischen mir und den anderen. Hab mich da auch viel mit meiner Betreuerin zusammen damit auseinandergesetzt. Sie ist so alt wie ich und es war gut zu hören, dass auch bei gesunden Leuten in meinem Alter nicht alles eitel Sonnenschein ist und andere auch Schwierigkeiten haben.
Du bist jedenfalls nicht allein mit deinen Gedanken.

Hoffe, ich konnte dir ein bisschen weiterhelfen.

Liebe Grüße,
DieNeue

Re: Ein verkorkstes Leben

Verfasst: 27. Dez 2020, 12:02
von Der-Micha
Hallo wunderplunder,

du hast mir mit deinem Post, auch wenn du das gar nicht weißt, richtig Mut gemacht. Mut, weil ich endlich weiß, dass ich nicht ganz alleine in so einer verkorksten Lebenssituation bin, dass ich mich nicht dafür schämen muss. Mir geht es praktisch 1 zu 1 exakt wie dir gerade. Also wirklich, jeder einzelne Punkt.

Ich hab dir mal eine PM geschickt und würde mich riesig über eine Antwort freuen. Ich glaube, wir beide könnten uns gut gegenseitig Mut geben.

Sei stark! Ganz liebe Grüße,
Micha

Re: Ein verkorkstes Leben

Verfasst: 27. Dez 2020, 12:10
von Mountainbiker
DieNeue hat geschrieben: Das mit dem Neidisch-Sein auf andere kenne ich auch, manchmal kommt es mir vor als wäre ein großer Graben zwischen mir und den anderen. Hab mich da auch viel mit meiner Betreuerin zusammen damit auseinandergesetzt. Sie ist so alt wie ich und es war gut zu hören, dass auch bei gesunden Leuten in meinem Alter nicht alles eitel Sonnenschein ist und andere auch Schwierigkeiten haben.
Du bist jedenfalls nicht allein mit deinen Gedanken.

Hoffe, ich konnte dir ein bisschen weiterhelfen.

Liebe Grüße,
DieNeue
Das kenne ich auch, bis es soweit war, dass ich feststellte, dass scheinbar jeder jemand kennt, der von Depression betroffen ist. Mal in der Familie, mal im Freundeskreis mal ein Arbeitskollege, mal ein Sportskamerad.
Es scheint so zu sein, dass man einfach nicht gern darüber redet. Aber wenn man dann selbst sagt, du hör mal, ich leide an einer Depression und dann darüber erzählt, wie es einem geht, tauen die Leute plötzlich auf und trauen sich was von sich oder ihrer Familie, ihren Freunden und Bekannten zu erzählen. Und ja, man ist damit keinesfalls allein und ich habe da auch erfahren, dass sehr viele Leute sehr mitfühlsam (mitfühlsamer als man dachte) sind und ein offenes Ohr für einen haben. Ja sie fragen sogar sehr oft, wie geht es dir. Und schon allein diese Frage, tut gut. Da ist jemand, der hier und da mal an dich denkt.

Wir sind nicht allein. Allein schon diese Erfahrung hat mir sehr geholfen. Ich hoffe euch vielleicht auch.

Der Mountainbiker

Re: Ein verkorkstes Leben

Verfasst: 28. Dez 2020, 13:29
von [mausi]
Guten Tag wunderplunder,

deine Situation tut mir wahnsinnig leid und ich weiß, dass eine Trennung unfassbar schlimm ist und einem das Leben zur Hölle machen kann.
Schreibst du deinem Ex noch immer? Ich hoffe du konntest dich bereits lösen.
Dauerhaft bei den Eltern zu wohnen ist keine Option. Ich kenne das, wenn es immer wieder zu Streitigkeiten kommt und man sich nicht mehr wohl fühlt. Informiere dich doch mal über dieses betreute Wohnen, das bereits angesprochen wurde.
Mach dir wegen Kindern keinen Stress. Ich selbst wollte auch immer mit 25 heiraten und mach mir dabei auch viel Druck...aber letztendlich bringt es nichts und Alter ist nur eine Zahl! Ich kenne 37 jährige, die sind wie 28 jährige drauf. Lass dich nicht davon zusätzlich belasten. Manchmal kommt alles ganz anders, aber besser!
Was mir sehr geholfen hat über eine gescheiterte Beziehung hinweg zu kommen, waren Online-Portale. Denn dadurch sieht man, dass auch viele andere auf der Suche sind. Es muss ja nicht gleich eine neue Beziehung werden. Aber neue Leute kennen zu lernen hat mir gut getan und so manche Freundschaft ist entstanden.

Außerdem möchte ich dir raten nochmal eine neue Therapeutin zu suchen. Denn wenn sie dir nicht helfen bzw. dich weiterbringen kann, ist sie einfach nicht die richtige für dich.

Ich wünsche dir viel Kraft!
Liebe Grüße
mausi

Re: Ein verkorkstes Leben

Verfasst: 8. Jan 2021, 09:05
von Lebenslöwe
Ja, das Leben kann sich ziemlich verkorkst anfühlen. Ja, das Leben kann ziemlich verkorkst sein.

ABER:

KEIN Leben ist zu 100 % verkorkst. KEIN Leben ist zu 100% kaputt. KEIN Mensch ist zu 100% krank.


In jedem Menschen, in jeder Beziehung, in jedem Leben, in jedem Augenblick gibt es irgendwas, das gut ist. Das gesund ist. Das heil ist. Das schön ist. Und liebenswert.

Und ja, dann sind es vielleicht nur 2 %. Das ist nicht viel. Aber es ist nicht "nichts"! Und wenn man diese 2 % gefunden hat, dann kann man sie gießen, damit sie mehr werden. Und sie können einem Kraft geben, den ganzen anderen Scheiß auszuhalten.

Ich kenne das vom Garten. Kein Beet ist zu 100% zerstört oder zugewuchert mit Unkraut. Dann sind es meinetwegen 98%. Aber das bedeutet, dass da noch 2 % heil sind. 2% auf denen man ein Gänseblümchen bewundern kann. 2% auf denen man ein Radießchen Pflanzen kann. 2% für die es sich lohnt zu leben und zu kämpfen und weiter zu machen. In der Hoffnung, dass aus 2% 3 werden und dann 4 und dann 5...

Nichts auf dieser Welt ist zu 100% kaputt. Ich wünsche uns allen die Neugier, den Mut und die Kraft, uns auf die Suche nach den 2% zu machen, die uns am Leben halten. Zum Lächeln bringen. Und uns Kraft geben für alles andere. :-)

Re: Ein verkorkstes Leben

Verfasst: 8. Jan 2021, 09:06
von Lebenslöwe
P.s.: Das hat im Übrigen nichts mit zwanghaftem Positivismus zu tun. Zu sagen, dass 100% toll wären, wäre gelogen. Es ist nicht das ganze Beet voller Sonnenblumen. Aber es ist eben auch falsch zu sagen, dass das Beet zu 100% kaputt und scheiße ist. 2 % sind zwei Prozent. Nicht mehr. Aber eben auch nicht weniger! :D

Re: Ein verkorkstes Leben

Verfasst: 11. Jan 2021, 15:37
von Philosophin
@Lebenslöwe: Die Metapher könnte von meiner VT-Therapeutin sein und ich finde so eine extreme Form des Positiv-Denkens ziemlich problematisch. Es müssen nicht 100 oder 98 Prozent des Körper oder der Seele kaputt sein, damit es zu schweren Schäden, Ausfällen oder gar zum Tod kommt. Ich kann mehrere Meter tief stürzen: Der Kopf bleibt unverletzt, alle Extremitäten, die Organe, aber das Becken ist gebrochen. Folge: 5 Liter Blutverlust, Exitus. Mit der Seele ist es nicht anders. Solche Vergleiche finde ich sehr oberflächlich und wenn mir ein Therapeut mit so was kommt, fühle ich mich für dumm verkauft und nicht wirklich gesehen. Was nicht bedeuten soll, dass der Threadsteller oder andere alles nur negativ sehen und ins andere Extrem verfallen sollen- aber manchmal ist es doch authentischer anzuerkennen, wie verdammt hässlich und gravierend dieser 2% Schaden ist, um sich Trauer und Schmerz angemessen eingestehen zu können.

LG Philosophin

Re: Ein verkorkstes Leben

Verfasst: 12. Jan 2021, 13:10
von Lebenslöwe
@Philosophin: Du schreibst von einer "extremen Form des Positiv-Denkens". Ehrlich gesagt, finde ich es überhaupt nicht "extrem", die Dinge als das zu sehen, was sie sind. Und wenn 98 % Scheiße sind, zu sagen: okay, es sind 98% scheiße, aber 2 % sind gut. Und sich über diese 2% dann auch zu freuen. Mir persönlich hat das damals sehr viel Kraft gegeben, diese sichtweite und tut es eigentlich immer noch. :-)

Du hast allerdings recht, wenn du schreibst "Es müssen nicht 100 oder 98 Prozent des Körpers oder der Seele kaputt sein, damit es zu schweren Schäden, Ausfällen oder gar zum Tod kommt." Da stimme ich dir voll und ganz zu. Das kennt jeder, der einen Stein im Schuh hat oder Zahnschmerzen - an einem einzigen Zahn, der nicht mal ein Tausendstel unseres Körpers ausmacht - und schon das kann einem das Leben zur Hölle machen. Und wenn mich 20 Menschen lieben, aber einer dieser Menschen verlässt mich, dann kann auch das die Hölle sein. Absolut.

Und trotzdem kann es - meiner Meinung - nach helfen, den Fokus auf das zu richten, was noch da ist. Was immer noch gut ist. Weil mir die restlichen Freunde, die ich noch habe, trost spenden können, weil mir die anderen 31 Zähne erhalten bleiben, wenn der kranke Zahn vielleicht gezogen werden muss. Oder weil es für Notfallmediziner leichter ist, jemandem mit einer gebrochenen Hüfte das Leben zu retten, wenn es nicht auch noch zur Gehirnblutung oder einer weiteren schweren Fleischwunde gekommen ist.

Ja, man sollte den Schaden auf jeden Fall anerkennen und den Schmerz, egal, wie vie Prozent das sind. Auf jeden Fall. Aber man sollte - meiner Meinung - nicht den "Fehler" machen, aus diesem Schaden dann plötzlich ein "Alles" zu machen und sich für den winzigen Rest des Guten und Lebenswerten und Lebensfähigen zu verschließen. Weil genau das nämlich oft der Rest ist, der uns Kraft gibt, diese Trauer und den Schmerz, auszuhalten.

Re: Ein verkorkstes Leben

Verfasst: 19. Jan 2021, 11:08
von wunderplunder
[mausi] hat geschrieben: Was mir sehr geholfen hat über eine gescheiterte Beziehung hinweg zu kommen, waren Online-Portale. Denn dadurch sieht man, dass auch viele andere auf der Suche sind. Es muss ja nicht gleich eine neue Beziehung werden. Aber neue Leute kennen zu lernen hat mir gut getan und so manche Freundschaft ist entstanden.

Außerdem möchte ich dir raten nochmal eine neue Therapeutin zu suchen. Denn wenn sie dir nicht helfen bzw. dich weiterbringen kann, ist sie einfach nicht die richtige für dich.

mausi
Hallo mausi,
den Versuch, über Onlineportale neue Leute kennenzulernen habe ich bereits hinter mir. Leider hat mich dies aber überhaupt nicht weitergebracht - im Gegenteil. Dort scheinen beinahe ausschließlich derart "merkwürdige" Menschen unterwegs zu sein, dass ich am Ende nur noch trauriger bin, meinen Freund verloren zu haben. Vielleicht liegt es aber auch an mir.. :(

Dadurch, dass dies aktuell meine erste Therapie ist, habe ich leider keine Ahnung, wie sowas ablaufen und wie man sich dabei fühlen muss. Ich mag meine Therapeutin - sie ist kurzfristig da, wenn es mir schlecht geht, sie hört mir zu und gibt mir Ratschläge bzw. "analysiert" gemeinsam mit mir mein Verhalten und meine Gedanken. Ich fühle mich besser, nachdem ich mit ihr gesprochen habe. Aber sie gibt mir keine "Hausaufgaben" o.ä., so wie man es oft hört. Woher weiß ich, dass sie "die Richtige" ist?

Liebe Grüße
wunderplunder

Re: Ein verkorkstes Leben

Verfasst: 20. Jan 2021, 22:11
von Elbenkönigin
Du bist nicht alleine mit deinem Problem.
Ich bin mit 24 bei meinen Eltern ausgezogen, jetzt bin ich 40, verbringe aber immer noch mindestens 10 Tage monatlich bei ihnen und fühle mich auch oft wie eine Versagerin.
Mit eigener Wohnung ist sehr schwierig, vielleicht kommt ja für dich betreutes Wohnen in Frage?
Ich kann auch nur in einer Wohnung alleine leben, weil meine Eltern mich unterstützen, fühle mich dann oft auch wie ne Versagerin.
viele haben das gleiche Problem wie du oder ein ähnliches, ich wünsche dir, dass du es schaffst, eine eigene Wohnung zu bekommen.