Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendrin...

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Blätterwald
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Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendrin...

Beitrag von Blätterwald »

Hallo,

ich bin ganz neu hier und möchte euch kurz meine aktuelle Geschichte schreiben.
Es geht um meinen Mann, er hat zur Zeit Depressionen die uns sehr belasten. Ach, ja wir sind beide 58 Jahre alt.

Wir sind über 20 Jahre zusammen und viele Jahre verheiratet. Unsere Ehe war erst sehr glücklich, bis der Alkohol immer mehr Raum einnahm. Schulden, schlechte Laune, böse Worte, haben mich am Ende aus dem Haus getrieben. Anfang 2018 startete ich mit letzten Kräften meinen Neuanfang.

Ein halbe Jahr später lernte ich einen anderen Mann kennen wir verbrachten nach einer Zeit die Wochenenden bei mir und es tat gut.

Mein Mann war zu der Zeit im Entzug. Ich teilte ihm damals mit, das ich einen anderen Mann in mein Leben lasse. Mein Mann und ich trafen uns hin und wieder und ich bemerkte, dass er sich total verändert hatte und ich auch noch Gefühle für ihn hatte. Am Ende haben wir eine Ehetherapie gemacht und einen Neuanfang gewagt. Er ist zu mir gezogen und wir hatten fast zwei innige wundervolle Jahre miteinander. Wir waren sehr verliebt und glücklich. Wir fühlten uns stark und unbesiegbar.

Wir haben einige Urlaube verbracht, die wunderschön waren. Er hat mir jeden Wunsch von den Augen abgelesen.

Mein Mann war aber nicht gesund, er hat ohne Alkohol über 50 Kilo abgenommen und bekam eine schwere Fibromylagie musste über 1 Jahr Kortison nehmen und jetzt zur Zeit wieder. Seine mangelnde Libido wandelte sich in absolute Abstinenz um, in seiner Hoffnung das das alles wieder gut wird. Ich habe ihm immer wieder Verständnis entgegen gebracht und ihn auch nicht bedrängt. Trotzdem ist das Thema ein ganz großes Problem für ihn, das sich auch total manifestiert hat.

Mitte des letzten Jahren kam sein Wunsch auf, seine Mutter in unsere Nähe zu holen. Sie ging auf die 90 zu war aber noch aktiv und rüstig. Ich stimmte dem zu, weil wir dann mehr Nähe hatten und meinem Mann die weiten Wege zu ihr erspart blieben. Ein Zufall ergab dann die Möglichkeit, das in dem Zweifamilienhaus das wir unten bewohnen, oben die Wohnung frei wurde und Schwiegermutter dort einzog.

Für mich fing eine Belastung an, denn diese Situation nahm mich sehr in Anspruch und mir oft eigenen meinen Raum. Mein Mann kümmerte sich kaum um seine Mutter und wir fingen immer öfter an zu streiten. Nach 6 Monaten ist sie an Krebs verstorben und mein Mann hat sich immer weiter von mir entfernt bis zu einem Zustand, der kaum noch auszuhalten ist, denn jetzt hat er die Wohnung oben gemietet und sich dort ein Büro eingerichtet. Das alleine ist nicht das Problem, man könnte die Wohnung ja anders nutzen, aber jetzt bespricht er gar nichts mehr mit mir und er benutzt diese Wohnung fast ausschließlich als Rückzugsort. Er hat sich einen Schrank gekauft und ein Bett und gestern ist er gar nicht zu mir gekommen sondern gleich hoch. Er sagt er kann nicht und jedes Wort ist zu viel. Lösungsvorschläge, unser Leben nicht aufzugeben, kleine Schritte zu gehen, Ernährungsumstellung usw. blockt er ab.

Ich kann nichts tun, bin machtlos, traurig, verletzt und fühle mich einsam. Corona und mein Homeoffice Arbeitsplatz verstärken dieses negative Gefühl nur. Nächste Woche habe ich einen Termin bei der Diakonie. Die Wohnsituation ich unten alleine und er oben, kann ich nur schmerzhaft akzeptieren, heute hat er hier unten seinen Schrank geräumt....

Liebe Grüße
Empathie58
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Re: Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendri

Beitrag von Empathie58 »

Hallo Blätterwald,

herzlich willkommen im Forum! Schön, dass Du den Mut (der Verzweiflung?) hattest, Dich hier anzumelden.

Du hast geschrieben:
Blätterwald hat geschrieben: ... Ich kann nichts tun, bin machtlos, traurig, verletzt und fühle mich einsam. Corona und mein Homeoffice Arbeitsplatz verstärken dieses negative Gefühl nur. ...
Ich kann Deine gefühlte Ohnmacht nachvollziehen. Du hast eine bewegende Achterbahnfahrt der Gefühle hinter Dir, mit extremen Höhen und Tiefen. Für Dich als Angehörige ist es schlimm, die momentane Situation nicht aus eigener Kraft ändern zu können. Sie zu akzeptieren fällt ebenfalls schwer, gerade weil Du schon viel bessere Zeiten mit Deinem Mann erlebt hast und weißt, wie sich das anfühlt. Das macht wehmütig und schmerzt.

Es ist gut, dass Du Dir Hilfe holst und in der kommenden Woche einen Termin bei der Diakonie hast.

Ich wünsche Dir viel Kraft und sende Dir liebe, mitfühlende Grüße,
Empathie58
Blätterwald
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Re: Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendri

Beitrag von Blätterwald »

Heute ist Freitag, ein normaler Freitag. Für mich ist der Tagesbeginn demotivierend und schmerzvoll. Tränen, Angst und Verzweiflung machen sich breit.
Gestern wurde das neue Bett meines Mann angeliefert. Er hat es ausgepackt und die schweren Teile in den ersten Stock geschleppt. Es sah aus als würde er ein Kreuz tragen.

Den Tag hat er in seiner Wohnung über mir verbracht. Die Stimmung war neutral und ruhig, weil ich neutral und ruhig war. Gegessen haben wir zusammen, dann ist er wieder um 20:15 hoch. Zum Abschied sagte er, wenn ich morgen wach bin komme ich vor der Arbeit einen Kaffee trinken.

Einen Kaffee und dann 12 Stundendienst.....

Ein einsames kaltes Gefühl hat sich im Wohnzimmer breit gemacht, in solchen Momenten überkommt mich eine tiefe Leere und Trauer. Ich versuche mich mit stricken abzulenken, aber im Grund mache ich das jetzt schon seit Monaten. Die einsamen Abende ziehen sich wie Kaugummi. Über mir höre ich Schritte, das Schieben von seinem Bürostuhl, dann den Fernseher und später Stille.

Dieser Abstand tut mir nicht gut und ich leide, wie damals als sich die Krankheit Alkohol nannte.

Die Schritte begannen um 6 Uhr und ich war sofort hellwach. Meine Trauer und Einsamkeit hatte ich heute morgen gar nicht im Griff und ich wollte diese kurze Tasse Kaffee vor seinem Dienst nicht, weil wieder ICH zurück bleibe...

So mit nahm ich mir die Hunde und verschwand im Wald.

Bei Amazon habe ich mir jetzt einen Stimmungsbarometer als Türhänger bestellt. Rot und Grün.

In meine Kopf befindet sich ein Karussell, hin und her, auf und ab.. Wie lange kann ich diesen Zustand aushalten? Jetzt sitze ich hier und weine...
Blätterwald
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Re: Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendri

Beitrag von Blätterwald »

Danke für die tröstlichen Worte
Blätterwald
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Re: Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendri

Beitrag von Blätterwald »

Den Tag habe ich bis jetzt alleine verbracht. Viel geweint und mir sehr viel Gedanke darum gemacht, wie sehr mich diese UNTEN/OBEN Situation verletzt und lähmt. Mein Mann rief an und wollte Mittags Heim kommen, wobei in welches Heim? Ich konnte nicht und schrieb im, das es besser wäre wenn wir uns heute nicht sehen, weil mich dieses Situation lähmt und schmerzt.
Wir dringend eine andere Lösung für unsere Wohnsituation brauchen, wenn noch etwas zu retten sein soll. Mir ist es nicht möglich jeden Tag derjenige zu sein, der in der Wohnung zurückbleibt.

Er liest alles, aber schreibt nichts. Zuviel Input. Natürlich habe ich eine Freundin und eine Schwester, mit beiden habe ich gesprochen. Meine Freundin zeigt Verständnis, meine Schwester sagt, jetzt hast du den gleichen Scheiß wie vorher, nur die Krankheit hat sich geändert.

Mich stört nicht einmal die Krankheit selbst, aber diese Wohnungssituation über mir und das es sich jetzt jede Minute aus unserem Leben unten schleichen kann hoch geht und die Tür abschließt.

Heute bin ich wie gelähmt.
LukaRo
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Registriert: 9. Jul 2020, 15:59

Re: Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendri

Beitrag von LukaRo »

Hallo Blätterwald,

auch ein paar Worte von mir. Bis ein Mensch seine Alkoholabhängigkeit akzeptiert und Schritte unternimmt, vergehen ja in der Regel viele Jahre, teils Jahrzehnte. Letztlich hat nicht nur der abhängige Partner eine Krankheit, auch die Beziehungspartner sind im Prinzip miterkrankt, co-abhängig. Das bezieht sich nicht nur auf das Thema Drogen und Alkohol, es gibt auch wechselseitig voneinander co-abhängige Partner (emotionale Abhängigkeit) ohne dass einer der beiden von Substanzen abhängig sein muss.

Wenn der eine Partner dann etwas gegen seine Stoffabhängigkeit unternimmt und abstinent wird, war das vermutlich ursprünglich die Hoffnung des jeweils anderen. Aber es verändert recht häufig auch die Beziehungsdynamik zwischen beiden. Viele Beziehungen zerbrechen über kurz oder lang nach einer erfolgreichen Therapie. Beide Partner haben sich oft viele Jahre komplementär ergänzt, wenn sich bei einem oder beiden gravierend etwas an den Rollen verändert, funktioniert das gewohnte Zusammenspiel nicht mehr - egal wie sehr man früher unter dem Zusammenspiel gelitten hat. Man war da für den anderen, wurde gebraucht.

Nun wohnt dein Mann eine Etage über dir, kapselt sich ab - trinkt scheinbar weiterhin nicht - weicht dir aber auch zusätzlich aus. Sowas tut weh, Du fühlst Dich nicht mehr wahrgenommen, verletzt, fragst Dich, wofür Du die vielen Jahre für ihn da warst.

Meine Empfehlung wär sich eine Angehörigen-Gruppe (SHG) für Menschen mit alkoholabhängigen Partnern zu suchen, da ist es nicht so relevant, dass dein Mann jetzt abstinent ist. Abhängig ist er ja weiter. Sich mit Mitbetroffenen auszutauschen kann hilfreich sein. Es geht auch darum, zu schauen, welche Funktion im Leben das lange Festhalten am kranken Partner hatte, was man dadurch lange für sich selbst vermieden hat, wo es eigenen Entwicklungsbedarf, eigenes Leben verhindert hat (im Extremfall) und dass man ebenfalls mitbetroffen ist. Es ist nicht einfach.

PS: Dein Mann will reden. Also bleib offen, hör einfach erstmal zu. Lass Dich nicht lähmen, sondern schau mit ihm gemeinsam drauf. Ihr müsst offen über alles reden. Alles was Du hier ins Forum schreibst, solltest Du auch angstfrei deinem Mann sagen.

LG, Lukas.
LukaRo
Beiträge: 129
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Re: Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendri

Beitrag von LukaRo »

Noch ein Nachtrag zu meinem Lieblingsthema GFK / Gewaltfreie Kommunikation: Wenn Du Dich verletzt fühlst, fang an, zum einen positiv ohne Anklage deine Wünsche und Bedürfnisse zu formulieren und zweites über deine Gefühle zu sprechen. Mit deinem Mann. Und bitte frag ihn auch dieselben Dinge ab, was er denkt, wie er sich fühlt, was er möchte. Wenn man beides nicht kann oder darf, ist die Kommunikation in der Regel tot oder geht Richtung Rückzug oder Angriff.

Ich fürchte ihr müsst als nächstes wieder miteinander reden lernen. Am besten regelmäßig, verabredet dafür feste Zeiten.
Blätterwald
Beiträge: 9
Registriert: 15. Jul 2020, 07:49

Re: Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendri

Beitrag von Blätterwald »

Wir reden und ich teile meine Gefühle mit. Wir haben einen normalen Umgangston, aber ich bekomme keine Antworten. Jeder Ansatz ist zuviel, er sagt nur er möchte nicht denken.

Es ist auch nicht die Krankheit die mich lähmt, sondern das wir kein gemeinsames Leben mehr haben.

Wir haben gerne unsere Freizeit geteilt, alles miteinander besprochen, oft das gleiche gedacht und der andere sprach es aus. Wir waren glücklich. Dieses Glück ist komplett weg und unser Leben auch. Ich lebe unten und er über mir, nur ein Tasse Kaffee vor der Arbeit und zwischendurch reicht mir nicht, denn ich bleibe immer hier allein zurück.
Blätterwald
Beiträge: 9
Registriert: 15. Jul 2020, 07:49

Re: Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendri

Beitrag von Blätterwald »

Heute ist ein guter Tag, denn heute bin ich viel stabiler. Gestern Abend konnten wir noch ein ruhiges Gespräch führen. Erstmals konnten wir über diverse Gefühlszustände sprechen. Es ist so, wie Jupiter es schrieb. Ich habe meinem Mann gesagt, das ich für alles bereit bin, jeden Weg mit ihm zu gehen und ihm auch seine Zeit geben. Die einzige Forderung von mir ist, dass er unser gemeinsames Leben nicht aufgibt und wir die Wohnsituation überdenken bzw. umgestalten müssen. Es geht dabei nicht um Rückzugsorte und Zeiten, sondern um die OBEN/UNTEN Situation, die wir zur Zeit leben.

Ich habe ihm auch erklärt, dass ich nicht bereit bin unten mein Leben alleine zu verbringen, um dann darauf zu warten das er irgendwann einmal wieder auf mich zukommt.

Er möchte in Ruhe über das gesagte nachdenken und wir sprechen es dann in ein paar Tagen noch einmal durch.

Heute Abend besuchen wir neue Bekannte zu einem Lagerfeuer im Garten und wollen wir eine Wanderung im Wald machen. Uns liegen wieder einige Steine im Weg und wir werden versuchen sie gemeinsam aufzuheben.

Ich habe auch für uns zwei wunderbare Bücher gekauft, die wir gemeinsam 88 Tage parallel jeder für sich ausfüllen möchten.

https://www.gluecksperiment.com/home/" onclick="window.open(this.href);return false;

Sollte der Link nicht erwünscht sein, bitte ich den Moderator ihn zu löschen.

Dienstag habe ich meinen Termin. Ich freue mich.

Danke für euren emotionalen Beistand.
Blätterwald
Beiträge: 9
Registriert: 15. Jul 2020, 07:49

Re: Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendri

Beitrag von Blätterwald »

Das habe ich natürlich auch gesagt.
Blätterwald
Beiträge: 9
Registriert: 15. Jul 2020, 07:49

Re: Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendri

Beitrag von Blätterwald »

16.08.2020

Jetzt sind wir genau 1 Monat weiter und es hat sich nichts geändert. Die Oben/Unten Situation herrscht weiter vor. Meinen Geburtstag und auch unseren Hochzeitstag im letzten Monat, habe ich unten alleine verbracht.

Mittlerweile war ich einmal bei der Diakonie, habe mit unserem Hausarzt gesprochen und mit der Psychologin, die mir nach ihren Aussagen mitteilte, dass er gar nicht ihr Patient sei.

Er schwindelt und fällt in alte Verhaltensmuster zurück. Wir können nicht zusammen leben, nicht reden, ich bin mit allem alleine. Ich habe wirklich alles versucht. Mit Verständnis, Liebe, mit Vorschlägen, Einsicht, auch Tränen..... nichts bewirkt irgendwas.

Nach meiner Meinung pflegt er seine Depressionen und ich stehe am Rand und kann nur zuschauen.

Seiner Arbeit geht er nach und auch seine kleine 1. Mann Firma bedient er.

Kommt er von der Arbeit geht er hoch und meistens schließt er die Tür ab, wenn er geht oder auch wenn er nicht gestört werden möchte.

Ich bin kein Mensch,der schnell vor etwas wegläuft aber mittlerweile geht mir das Ganze nur noch auf die Nerven und meine Einstellung zu ihm und unserer Situation verändert sich zu nichts gutem.

Wenn er sich wenigstens Hilfe suchen und auch annehmen würde....

Mir tut mein Mann leid keine Frage, aber die ganzen Angehörigen in diesem Forum, die jeden Tag mit den Depressiven leben und leiden gebührt mein Respekt. Oft reicht es nicht den Angehörigen zu sagen, achte auf dein Leben, mache was für dich.. Ich möchte aber nicht mit Freunden rausgehen, weil man mir mein Leid ansieht und mir zum weinen ist und nicht zum lachen. Die Einsamkeit in einer Partnerschaft, können auch keine Bekannten füllen, das ist etwas ganz anderes.

Auch uns Angehörigen zerreißt die Depressionen unser Leben und man kann nicht immer nur Verständnis dafür aufbringen. Ich liebe meinen Mann und weine jeden Tag um unser Glück was nicht mehr da ist...
AdNi
Beiträge: 3
Registriert: 14. Aug 2020, 16:48

Re: Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendri

Beitrag von AdNi »

Danke für Deinen Beitrag Blätterwald,

ich befinde mich gerade auf der anderern Seite, letzte Woche habe ich ein Feldbett im Keller aufgeschlagen.

Ich habe bisher nicht ansatzweise darüber nachgedacht, wie es meiner Frau damit geht.
DieNeue
Beiträge: 5365
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendri

Beitrag von DieNeue »

Hallo AdNi,

das finde ich interessant, dass du dich quasi auf der anderen Seite befindest. Darf ich fragen, was deine Beweggründe waren, in den Keller umzuziehen bzw. warum es dort für dich besser ist?
Du musst aber nichts erzählen, wenn du nicht magst.

Liebe Grüße,
DieNeue
remi66
Beiträge: 2
Registriert: 18. Aug 2020, 20:46

Re: Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendri

Beitrag von remi66 »

Hallo Blätterwald!
Ich bin ganz neu hier und kann dich so gut verstehen.
Mein Partner (wir wohnen nicht zusammen) hat mir vor ein paar Wochen aus heiterem Himmel eröffnet ,dass er lieber nur noch für seine Arbeit lebt und aus diesem Grund nicht mehr mit mir reden will. (Das ist die Kurzversion)
Ein ansonsten liebenswerter Mensch der sich momentan beruflich in einer Ausnahmesituation befindet und keinen anderen Gedanken mehr fassen kann/will.

Durch viele vorherige Vorfälle und Gespräche mit seinem Bruder ist mir bewusst geworden dass er depressiv ist. Lange Zeit habe ich sein Verhalten nicht zuordnen können. Auch ich bin völlig verzweifelt weil ich nicht an ihn rankomme. Anfangs bin ich zu ihm gefahren - er hat mir nicht geöffnet - Anrufe wurde ignoriert - geschriebene Nachrichten nicht beantwortet/gelesen.
Da ich weiß dass die anstrengende berufliche Situation scheinbar noch anhält habe ich mir vorgenommen ihn in Ruhe zu lassen (fällt mir sooo schwer)
Gerne hätte ich von einem Betroffenen erfahren was in einer depressiven Phase in einem vorgeht, anderseits ist mir klar dass jeder individuell reagiert. In deiner Schilderung kann ich mich sehr gut erkennen.
Bis ich dieses Forum entdeckt habe ging es mir noch schlechter - hier habe ich erfahren dass ich nicht die einzige bin die damit gar nicht umgehen kann.....
Gerne würde ich von dir hören ob sich die Situation entspannt hat und wenn ja, wie es dazu gekommen ist.
Wenn nicht.....wie gehst du damit um..... ?
Ganz lieben Gruß
remi66
DieNeue
Beiträge: 5365
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendri

Beitrag von DieNeue »

Hallo remi66,

vielleicht hilft dir dieser ältere Thread weiter, um zu verstehen, wie sich Depressionen anfühlen:
https://www.diskussionsforum-depression ... ead#unread" onclick="window.open(this.href);return false;

Liebe Grüße,
DieNeue
remi66
Beiträge: 2
Registriert: 18. Aug 2020, 20:46

Re: Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendri

Beitrag von remi66 »

Hallo Jupiter19!
Vielen Dank für Deine Antwort.
Ich bin jemand der ,bevor er sich anderen Personen anvertraut, ein Bild über die jeweilige Situation macht. Informationen über Depressionen habe ich bereits "gesammelt". Wie bereits erwähnt tut es schon gut zu wissen ,dass man selbst eigentlich nichts falsches getan hat, sondern dass die Welt des Partners momentan keinen Platz für einen vorsieht.
Dass ich gerne von Betroffenen Informationen hätte sehe ich in der Hinsicht, dass ich gerne die "Welt" eines depressiven Menschen verstehen würde. Die Rolle des Angehörigen habe ich selbst inne - ich möchte auch keine Diagnosen von Menschen die die Krankheit selbst nie hatten.
Dass mein Partner depressiv ist weiß ich - in ärztlicher Behandlung ist er nicht (was meiner Meinung auch das Problem ist)
Für mich ist die Hilflosigkeit das schlimmste und die Tatsache ,dass ein liebenswerter Mensch von heut auf morgen nicht mehr in meinem Leben ist. Das ist so, als hätte ich einen geliebten Menschen durch einen Unfall verloren, ohne vorher die Möglichkeit bekommen zu haben mich zu verabschieden.
Hier fehlt mir ein wenig die Erfahrung von Menschen die sowas bereits miterleben mussten und die Ratschläge welche Fehler man als Angehöriger tunlichst vermeiden sollte.
Aber wie gesagt : lieben Dank für Deine Anteilnahme und Antwort.
remi66
Blätterwald
Beiträge: 9
Registriert: 15. Jul 2020, 07:49

Re: Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendri

Beitrag von Blätterwald »

25.08.2020

Jetzt sind wieder fast 14 Tage vergangen. Langsam habe ich mein Zeitgefühl für diesen langatmige Zustand verloren.

Fakt sind nach wie vor folgende Dinge:

Er wohnt oben, ich unten.
Er arbeitet zu viel, ist nach wie vor erschöpft, kann nicht richtig schlafen und zieht alles andere meiner Person vor. Er ist in keiner Therapie. Hin und wieder verbringen wir 15 Minuten am Tag zusammen und ich gehe ab und zu ihm hoch, um ihn wenigstens hin und wieder zu sehen.

Wie es mir geht? Ich gewöhne mich an den Zustand und gestehe mir immer öfter ein, dass ich ihn in dieser Stimmung gar nicht mehr hier unten haben möchte. Er hat sich sehr verändert, ist sehr egoistisch, schnell gereizt und mit meinen Gefühlen überfordert.

Nun, nächsten Samstag fängt unser Dänemark Urlaub an. Wir haben schon letztes Jahr, 14 Tage ein großes Ferienhaus in den Dünen gemietet. Im letzten Jahr haben wir dort 14 wundervolle Tage mit unseren Hunden verbracht. Ob wir gemeinsam fahren? Ich weiß es nicht, einerseits denke/hoffe ich das es noch klappt, weil ich denke dieser Reset würde uns gut tun, anderseits haben wir wohl beide auch Angst. Da bleibt ein Ende noch auf.

Ich habe meinen Mann noch einmal gebeten in eine Therapie zu gehen, ob es ihm wichtig genug für unsere Zukunft ist, kann ich nicht einschätzen. Eigentlich kann ich gar nichts einschätzen und ich kann auch nicht auf etwas hoffen, was sich nicht einstellt. Hin und wieder weine ich, meistens wenn wir über uns sprechen, es kommt unwillkürlich. Ich möchte stark sein, aber die Depression/ oder Verstimmung meines Mannes und Monate alleine, haben mich in Gesprächen in Bezug auf uns schwach und verletzlich gemacht.

Wie diese Geschichte ausgeht, kann niemand sagen.... Es ist ein Trauerspiel und wenn ich darüber nachdenke, merke ich wie machtlos ich bin.

Zwei tolle Bücher habe ich auf diesem Weg gefunden, die ich gerne den unverstandenen Betroffenen ans Herz legen möchte:

So nah und doch so fern – Jeannette Bischkopf

Die Liebe in dunklen Zeiten – Alina Bach.

Ratschläge kann ich nicht geben, ich kann euch an meinen Weg mit der Situation und an meinen persönlichen Gefühle teilhaben lassen. Ich habe das Gefühl unser gemeinsames Leben ist vorbei..
AdNi
Beiträge: 3
Registriert: 14. Aug 2020, 16:48

Re: Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendri

Beitrag von AdNi »

Hallo Blätterwald!

danke für Deine Beiträge, sie helfen mir die Perspektive zu wechseln, ich sehe viele Parallelen zu meiner Situation.

Wie Dein Mann, bin ich in keiner Therapie, ich weiß aber, dass ich ein Problem habe....

Meine Frau hatte auch die Idee, wir brauchen Urlaub, 2 Wochen Frankreich. ... Um es kurz zu halten, es war schlimm. Ich mußte sehr an mich halten, damit die Stimmung nicht kippt. Im Urlaub ist es nun mal so; man kann nicht weg. Die Unterkunft ist oft beengter, man tritt sich zwangsläufig auf die Füße. Und wenn Du sowieso schon viele Deiner Päckchen vor Dir her tragen mußt, kenn ein weiters Dich zu Fall bringen .... es war ein Eiertanz ... ich bin froh wieder bei der Arbeit zu sein ...

Meine Frau meinte, es wäre fantastisch gewesen und den Kindern hat es auch super gefallen... trotz Corona
(ich habe gefragt ... und wenn die Augen läuchten, dann war es die Wahrheit)
AdNi
Beiträge: 3
Registriert: 14. Aug 2020, 16:48

Re: Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendri

Beitrag von AdNi »

Hallo DieNeue,

nichts davon war gewollt oder geplant. Ich habe einfach nur den Weg des geringsten Widerstandes genommen.

Ich war immer sehr aufgeräumt, habe Dinge immer sofort und zuverlässig erledigt.
Das bekomme ich jetzt einfach nicht mehr hin. Kleinste Widrigkeiten schmeißen mich aus der Bahn.... es ist als hätte ich Klebstoff an den Händen, die kleinsten Handgriffe werden zum Albtraum.... ständig denke ich darüber nach, wie, wann und auf welche weise ich irgendwas, irgendwann zu Tun habe, so dass mir dann die Zeit fehlt, um es dann tatsächlich zu tun... der Berg von Päckchen wird immer größer... es geht immer irgendwas schief... alles dauert so unendlich lange... und dann, ganz geschlechtsspezifisch werde ich genervt und aggressiv, anstatt zu heulen.... und dann wird alles noch schlimmer... und ich bin wieder im Land der selbst erfüllenden düsteren Prophezeiungen...

Die Geduld Deiner Mitmenschen ist dann auch irgendwann erschöpft und sie sagen, was Du lassen sollst, was Du zu tun hast... noch mehr Päckchen... sie sehen aber den Berg nicht... und dann läufst Du weg, um die Lage für Dich irgendwie erträglicher zu machen...
Discordia
Beiträge: 21
Registriert: 9. Sep 2020, 23:14

Re: Schwere Zeiten kommen auf mich zu, bzw. stecke mittendri

Beitrag von Discordia »

AdNi hat geschrieben:Hallo DieNeue,

nichts davon war gewollt oder geplant. Ich habe einfach nur den Weg des geringsten Widerstandes genommen.

Ich war immer sehr aufgeräumt, habe Dinge immer sofort und zuverlässig erledigt.
Das bekomme ich jetzt einfach nicht mehr hin. Kleinste Widrigkeiten schmeißen mich aus der Bahn.... es ist als hätte ich Klebstoff an den Händen, die kleinsten Handgriffe werden zum Albtraum.... ständig denke ich darüber nach, wie, wann und auf welche weise ich irgendwas, irgendwann zu Tun habe, so dass mir dann die Zeit fehlt, um es dann tatsächlich zu tun... der Berg von Päckchen wird immer größer... es geht immer irgendwas schief... alles dauert so unendlich lange... und dann, ganz geschlechtsspezifisch werde ich genervt und aggressiv, anstatt zu heulen.... und dann wird alles noch schlimmer... und ich bin wieder im Land der selbst erfüllenden düsteren Prophezeiungen...

Die Geduld Deiner Mitmenschen ist dann auch irgendwann erschöpft und sie sagen, was Du lassen sollst, was Du zu tun hast... noch mehr Päckchen... sie sehen aber den Berg nicht... und dann läufst Du weg, um die Lage für Dich irgendwie erträglicher zu machen...
AdNi hat geschrieben:Hallo DieNeue,

nichts davon war gewollt oder geplant. Ich habe einfach nur den Weg des geringsten Widerstandes genommen.

Ich war immer sehr aufgeräumt, habe Dinge immer sofort und zuverlässig erledigt.
Das bekomme ich jetzt einfach nicht mehr hin. Kleinste Widrigkeiten schmeißen mich aus der Bahn.... es ist als hätte ich Klebstoff an den Händen, die kleinsten Handgriffe werden zum Albtraum.... ständig denke ich darüber nach, wie, wann und auf welche weise ich irgendwas, irgendwann zu Tun habe, so dass mir dann die Zeit fehlt, um es dann tatsächlich zu tun... der Berg von Päckchen wird immer größer... es geht immer irgendwas schief... alles dauert so unendlich lange... und dann, ganz geschlechtsspezifisch werde ich genervt und aggressiv, anstatt zu heulen.... und dann wird alles noch schlimmer... und ich bin wieder im Land der selbst erfüllenden düsteren Prophezeiungen...

Die Geduld Deiner Mitmenschen ist dann auch irgendwann erschöpft und sie sagen, was Du lassen sollst, was Du zu tun hast... noch mehr Päckchen... sie sehen aber den Berg nicht... und dann läufst Du weg, um die Lage für Dich irgendwie erträglicher zu machen...
Ja gut, die Geduld deiner Mitmenschen wären auch erschöpft, wenn du regelmäßig in eine Hyperglykämische Krise gleiten würdest, ohne mal zunächst einen Hausarzt und dann einen Endokrinologen aufsuchen würdest. Genau so sind sie halt "pissed", wenn du halt um dich trittst, ohne einen Fachmann für quasi "Neurotransmitter" aufzusuchen würdest.

Jetzt mal ganz ohne Selbstmitleid und nur aus der Perspektive deines Umfeldes: Was würdest du empfinden/tun?

Und jetzt aus deiner Perspektive: Willst du weiter mit einer tatsächlichen Erkrankung rumlaufen? (manche versuchen ja auch Krebs "weg zu meditieren"), oder Menschen konsultieren (Ärzte), die sich damit auskennen und sehr viele Jahre damit verbracht haben, das Wissen zu erlangen, welches den Menschen zu Gute kommt.

PS: Sag ja, bin direkt :(
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