Verloren in mir selbst

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Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Verloren in mir selbst

Beitrag von Antiope »

Das Gefühl zu haben, das Leben ist vollkommen außer Kontrolle geraten.
Am Wochenende an innerer Einsamkeit zu ersticken.
Nichts mehr geregelt bekommen.
Keine Energie mehr aufbringen wollen, den Single-Haushalt im Griff zu behalten.
Den Tag nicht planen zu können, weil es nichts gibt, das man machen könnte.
Emotional graue Wände anstarren.
Motivation für irgendetwas aufbringen, ist fast nicht möglich.
Keine Selbstdisziplin, mich aus dieser Trägheit aufzuwecken.

Und ich weiß nicht, wieviel von dem ganzen einer schlechten Coach-Potato-Gewohnheit ist.
Ich könnte ja, wenn ich wollte. Aber viel lieber bin ich passiv-aggressiv. Jedenfalls fühlt sich dieses Nichtstun schon aggressiv an.

Und nein, ich habe keinen Rückhalt in der Familie. Freunde haben sich vor Jahren schon vom Acker gemacht, weil sie mit der damaligen schweren Depression nichts anfangen konnten. Das Übliche halt.

Diese gesamte Situation kann ich nicht bewerten: ist es emotionale Faulheit, geistige Trägheit, die mich in diese negativ bewertete Situation manövriert hat? Ist hier der Hebel, um die Situation zu verbessern?
Nadine1975
Beiträge: 45
Registriert: 8. Mai 2020, 15:20

Re: Verloren in mir selbst

Beitrag von Nadine1975 »

Hallo a tippe, das was ich hier lese kenne ich zu gut. Ich weiss auch überhaupt nichts mit mir anzufangen, bin umstrukturiert und kraftlos. Bei mir kommen allerdings noch Schmerzen im ganzen Körper hinzu. Einsam bin ich auch. Mal mehr mal weniger, eher weniger als mehr. Ich habe mir Hilfe geholt, da meine Therapie ausgelaufen ist. Es gibt einen ambulanten psychiatrischen pflegedienst. Es ist nicht sowas wie man sich vielleicht vorstellt, aber sie helfen dir und schauen was man noch so machen könnte. Ich habe morgen den ersten Termin, Berichte dann.
Vielleicht wäre sowas ja auch was für dich.
LG
Nadine
DasPhantastikS
Beiträge: 280
Registriert: 27. Dez 2019, 00:16

Re: Verloren in mir selbst

Beitrag von DasPhantastikS »

Vergiss es nie, du bist wertvoll. Auch ich komme mir vor oft wie Dreck. Ich sage aber, wir müssen auf stehen, sonst verändert sich auch nichts.

Kammst du mal auf die Idee in einen Klinik zu gehen? Als ich so unten war hat es mir geholfen.
Katerle
Beiträge: 11383
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Verloren in mir selbst

Beitrag von Katerle »

Hallo Antiope

Faulheit ist das nicht, das hängt ganz einfach mit deinem Krankheitsbild zusammen. Ich hatte auch eine Zeit, da ging auf einmal nichts mehr, als ich den Zusammenbruch hatte. Ging in die Klinik und ein weiterer Klinikaufenthalt folgte. Dort erlernte ich dann eine Entspannungstechnik, die ich auch heute nach sehr vielen Jahren zu Hause täglich anwende. Oder ich mache meinen Sport, auch wenns nicht so viel ist und andere Sachen und raffe mich dazu auch immer wieder auf. Ne Pause brauche ich auch mal zwischendurch, aber die habe ich auch. Denn wenn ich das nicht machen würde, dann ginge es mir wohl noch schlechter. Aber so habe ich immer ein Ziel vor Augen und das erfordert auch ein gewisses Maß an Selbstdisziplin. Wegen meinen Kindern war ich eh immer wieder aufgestanden, auch wenn ich einige Rückschläge hinnehmen musste... Vielleicht gehst du auch mal in eine Klinik?

Alles Gute und viel Kraft,
Katerle
Zuletzt geändert von Katerle am 1. Jul 2020, 08:10, insgesamt 1-mal geändert.
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Verloren in mir selbst

Beitrag von Antiope »

Ich war schon vor einigen Jahren in der Klinik. Damals war es notwendig. Und ich möchte das nur für den Notfall.
Jetzt bin ich ja eigentlich voll funktionsfähig, will aber nicht mehr.
Sport machen geht nicht mehr, was mal mein Überlebensrettungsring war.
Dieser Zustand ist nun seit Monaten (mehreren Handvoll), hat sich halt durch die mangelhafte Selbstdisziplin oder was auch immer durch mein ganzes Leben hindurchgefressen.
Katerle
Beiträge: 11383
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Verloren in mir selbst

Beitrag von Katerle »

Antiope hat geschrieben:Ich war schon vor einigen Jahren in der Klinik. Damals war es notwendig. Und ich möchte das nur für den Notfall.
Jetzt bin ich ja eigentlich voll funktionsfähig, will aber nicht mehr.
Sport machen geht nicht mehr, was mal mein Überlebensrettungsring war.
Dieser Zustand ist nun seit Monaten (mehreren Handvoll), hat sich halt durch die mangelhafte Selbstdisziplin oder was auch immer durch mein ganzes Leben hindurchgefressen.
Naja, mache auch nur wenig Sport, weil halt auch die Kraft fehlt. Aber besser wenig, als nix. Hattest du viel Sport getrieben? Konnte früher auch mehr machen, aber geht halt nicht mehr und so mache ich was geht.
War auch mal an meinem Tiefpunkt im Leben angekommen, weil ich keinen Bock mehr drauf hatte, von einigen als dumm und faul abgestempelt zu werden, oder als verrückt, nur weil ich in p. Kliniken war und mich behandeln ließ..., also Hilfe annahm, weil ich krank war. Und ich hatte es auch satt, schlecht behandelt zu werden... Das konnte ich auf Dauer nicht mehr ertragen. Und interessiert hatte sich auch keiner aus meiner Umgebung mal, wie es mir ging. Bis auf eine. Da war ich dann auch nicht mehr zur Therapie gegangen oder zum Psychiater... undwar in einem Zwiespalt zwischen aufgeben oder weitermachen. Auch darüber redete ich mit niemanden und machte das alles mit mir alleine aus. War auch tief in der Angst drin, hatte Schuld- und Schamgefühle. Doch dann kam ein Licht daher und ich war wieder aufegstanden...

Ist schon schwer für Betroffene, wenn Angehörige nichts mit der Krankheit anfangen können oder sich alle vom Acker machen, man alleine ist damit. Zum Glück habe ich gute Therapeuten an meiner Seite gehabt und auch heute werde ich von meiner Psycholigin immer weiter bestärkt. Kann auch sehr gut mit ihr reden, tut mir sehr gut. Natürlich gehts mir nicht immer gut, mal besser oder mal schlechter, aber ich mache weiterhin das Beste draus.

Liebe Grüße
Katerle
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Verloren in mir selbst

Beitrag von Antiope »

Ja, ich habe regelmäßig Sport getrieben. Eine Bandverletzung im Sprunggelenk vor knapp 3 Jahren verhindert das jetzt. Es hat erstmal 2 Jahre gedauert, bis Orthopäde Nr 5 das "bisschen Umknicken" ernst nahm. Irgendwelche konkreten Schritte weiterhin nicht, obwohl sich wirklich ernsthafte Folgen abzeichnen. Nicht frühzeitige Behandlung einer Knochen-Knorpelverletzung führt innerhalb weniger Jahre - STOPP des Kopfkinos.
Das lange, erzwungene Abwarten-Müssen (Hinhaltesalamitaktik) und Nichts-Tun-Können-Dürfen ... naja, fast eine Art von Folter.

@Kolibri: Interessante Frage. Meine Umschreibung wäre vielleicht so: In-Sich-Selbst-Gefahren-Sein, orientierungslos im Hinblick auf Ziele, auf Dinge, auf Absichten. Sich selbst verloren haben. Nein, nicht sich selbst, sondern ein unbestimmbares, ungreifbares Etwas. Luftlosigkeit. Nein, als hätte etwas die Luft rausgesaugt.

Diese Erfahrung mit der aggressiven Lethargie - mir unbekannt, ich weiß es nicht einzuschätzen. Daher bin ich froh um Eure Erfahrungen und Euer Wissen.
Katerle
Beiträge: 11383
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Verloren in mir selbst

Beitrag von Katerle »

Das ist dann wirklich einschneidend, keinen Sport mehr machen zu können... LG
Antiope
Beiträge: 1695
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Re: Verloren in mir selbst

Beitrag von Antiope »

@Kolibri2: Bei einer solchen andauernden Instabilität gibt es zwei Möglichkeiten, um es zu lindern.
1. Fußgymnastik und Kräftigung der gesamten Fußmuskulatur.
2. Sprunggelenksorthese zum Schnüren. Nicht eine einfache Bandage oder Kompressionsstrumpf, sondern eine regelrechte Orthese. Sie besteht hauptsächlich aus einem U-Bügel aus hartem Material, das das Umknicken verhindert. An beiden Seiten hat sie ein langes, festes Band, das kreuzweise um den Knöchel herum geschlungen wird und per Klettverschluss auf der gegenüberliegenden Seite des Knöchels angeklettet wird. Der Hausarzt wird dir das verschreiben - aber bestehe darauf, dass es eine Orthese ist und nix anderes.

Leider habe ich kein passendes Wort, um den aktuellen Zustand zu beschreiben.
1. Es ist Aggressivität spürbar. Weil alle Mühen und alle Energien kein Ergebnis zeitigen. Weil keine Ideen oder Möglichkeiten existieren. Weil jeglicher Versuch, Hilfe zu erhalten, scheitert. Weil ich die Lethargie zulasse und sie nicht durch Aktivität beseitige.
2. Lethargie. Ich tue einfach nichts, obwohl ich etwas tun sollte. Ich werde morgens nicht wach. Die Sonne scheint und ich gehe nicht raus, weil es keine Motivation dazu gibt. Es gibt kaum mehr etwas, was mich interessiert. Ob ich ein Bedürfnis nach Bewegung habe, weiß ich nicht. Bisher hat dieser Impuls immer existiert. Selbst der Zustand "Lethargie" macht mich fertig. Ich kann nicht mal mehr einen Urlaub planen. Ich will weg, aber es gibt nichts, wohin ich wollen könnte. Die Suche nach Angeboten überfordert mich. Das Planen einer Tageswanderung im Schwarzwald überfordert mich.
Aber je weniger ich das trainiere, umso weniger kann ich das.
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