Lebenslauf in der Therapie abarbeiten

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DieNeue
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Lebenslauf in der Therapie abarbeiten

Beitrag von DieNeue »

Hallo ihr,

habe mal ne Frage... ich habe hier schon öfter gelesen, dass manche von euch am Anfang oder in der Therapie ihr ganzes Leben von Geburt bis jetzt erzählen müssen, dass das tw. auch aufgeteilt wird in Zeitabschnitte und jedes Mal wird ein Zeitabschnitt bearbeitet o.ä.

Ist das immer nötig, da am Anfang so lange mit sowas rumzutun? Ich überlege nochmal eine Therapie zu machen, aber ich habe nicht wirklich den Nerv erstmal mein ganzes Leben von A bis Z durchzukauen, nur damit die Therapeutin mich kennenlernt. Manches will ich auch nicht am Anfang erzählen, manches ist auch nicht wichtig, weil ich damit abgeschlossen habe und ich keine Lust habe, dass wieder jemand meint, er müsse da drin rumbohren, auch wenn ich sage, da gibts nichts zu bohren.
Ich habe schon mal eine Therapie gemacht, aber die Therapeutin war Heilpraktikerin für Psychotherapie, die sind da nicht so fixiert auf irgendwelche bestimmten Vorgaben. Ich weiß nicht mehr genau, wie das bei ihr damals war, aber ich kann mich nicht erinnern, dass wir da wochenlang meine Biografie beackert haben. Viele Infos über meine Biografie haben sich einfach im Lauf des Gesprächs ergeben.

Ich finde das irgendwie befremdlich, dass ich jemandem erstmal mein komplettes Leben erzählen muss, nur damit derjenige mich kennenlernt, bevor ich zum eigentlichen Problem komme. Kennenlernen tue ich ja jemanden nicht wirklich, indem derjenige mir nur seinen Lebenslauf aufzählt, sondern indem ich über konkrete Probleme rede und dann gute Fragen gestellt bekomme. Und auch die Mimik, Gestik, die emotionale Reaktionen in dem Gespräch, das sagt ja auch alles was über einen aus. Klar, dass ich auch mal grob mein Leben erzähle, aber ich habe den Eindruck, dass manche hier wochenlang nichts anderes machen... und viele werden am Anfang mit Fragebögen überhäuft, das kenne ich so auch nicht.
Ich habe immer den Eindruck, dass man durch solche Fragebögen den Klienten nicht wirklich erfasst. Für mich macht es schon einen Unterschied, ob ich einen Fragebogen über jemanden lese oder ob mir jemand irgendwas persönlich live erzählt hat.

Ich hatte damals eine richtig gute Therapeutin, mit den Therapeutinnen in den Kliniken danach habe ich viele schlechte Erfahrungen gemacht, wurde oft nicht respektiert und bin deshalb etwas allergisch auf manche Sachen...
Mich würde es total nerven, wenn ich mein Leben von A bis Z nochmal durchgehen müsste, ob ich will oder nicht. V.a. braucht man als Therapeut manches echt nicht wissen, um bestimmte Probleme zu bearbeiten, und man muss auch kein Fass aufmachen bei Sachen, mit denen ich grad kein Problem habe.

Würde mich freien, von euch ein paar Erfahrungen dazu zu hören!

Liebe Grüße und danke im Voraus,
DieNeue
Sul
Beiträge: 440
Registriert: 25. Dez 2019, 12:33

Re: Lebenslauf in der Therapie abarbeiten

Beitrag von Sul »

Hallo DieNeue,
ich kenne es nur so, dass ich grob meine Vergangenheit zusammenfasse und nicht Abschnitt für Abschnitt durchgehe. Eine ausführliche Anamneseerhebung ist auch von Kassenseite her nicht mehr nötig, weil Kurzzeittherapien ohne Gutachten genehmigt werden (2 x 12 Stunden plus probatorische Sitzungen). Wichtige Aspekt meines Lebens haben sich automatisch im Therapieverlauf ergbeben. Aber es gibt auch Therapeuten, die einen Lebenslauf fordern, ist wirklich unterschiedlich. Ist aber verhandelbar, so meine Erfahrung.
Viele Grüße, Sul
avelarte
Beiträge: 290
Registriert: 3. Nov 2008, 12:30

Re: Lebenslauf in der Therapie abarbeiten

Beitrag von avelarte »

Ich hatte bisher zwei Psychotherapien, und in beiden wurde kein Lebenslauf abgefragt.

LG
avelarte
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Ein Optimist denkt genauso einseitig wie ein Pessimist, nur lebt er froher. (A. Lassen)
trübetasse77

Re: Lebenslauf in der Therapie abarbeiten

Beitrag von trübetasse77 »

Hallöchen,
Bin seit Sommer 17 in Thera. Begonnen haben wir mit akuten Problemen die kurz vor, während und kurz nach Klinikaufenthalt überwogen.daraus ergaben sich dann weitere Themen und das eintauchen in die Vergangenheit. Das ergibt sich aber in jeder Sitzung aufs Neue. Manchmal ist ein aktueller Punkt an der Reihe, das andere mal mehr Vergangenheit. Selbst jetzt liegt noch vieles verborgen und wird auch noch bleiben... Ein solch straffes Programm gibt es bei mir so nicht und das ist auch gut so. Das ist dann wohl von Thera zu Thera verschieden.
Liebe Grüße und alles Gute euch allen, Tini
Peter1
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Re: Lebenslauf in der Therapie abarbeiten

Beitrag von Peter1 »

Hallo DieNeue
Die erste Thera, in der Klinik, begann mit zwei Sätzen.
„Warum sind sie hier?“
„Woher kommen ihre Depressionen?“
Die erste Frage war vermutlich nur, um mich zum reden zu bringen, weil ich stumm in meinem Sessel saß. Die zweite Frage zwang mich mehr oder weniger meine Baustellen zu benennen. Das Verhältnis zu den Eltern, meiner Schwester, und meinen Großeltern. Die Zeit mit Carola und Marie war natürlich auch Thema, die Arbeit, und der Tod meiner Mami.
Sie legte keinen Wert auf einen chronologischen Lebenslauf, sie bat mich nur, die für mich wichtigen Erlebnisse aus meinem Leben zu erzählen. Später hat sie dann Zwischenfragen gestellt, wenn sie etwas mehr wissen wollte.
Auch später, die ambulante Thera fragte nie nach einem Lebenslauf, sondern nur danach, was ich mir von der Therapie erwarte. Als ich nach der ersten Sitzung ihr Sprechzimmer verließ, kannte sie fast alle Macken, die ich hatte. Mir haben viele, hier im Forum geschrieben, das man zu einer Thera erst mal Vertrauen aufbauen muss. Ich sehe das allerdings etwas anders. Bei mir hatten beide Theras einen Vertrauens Vorschuss, und sie haben mich nicht enttäuscht.

Alles Gute und Schöne Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
DieNeue
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Re: Lebenslauf in der Therapie abarbeiten

Beitrag von DieNeue »

Hallo ihr,

danke für eure Antworten! Das ist ja schon mal beruhigend zu wissen, dass das nicht unbedingt zwingend notwendig ist, das alles durchzukauen.

Liebe Grüße,
DieNeue
lt.cable
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Registriert: 5. Mär 2008, 20:55
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Re: Lebenslauf in der Therapie abarbeiten

Beitrag von lt.cable »

Peter1 hat geschrieben:„Woher kommen ihre Depressionen?“
[...]
Auch später, die ambulante Thera fragte nie nach einem Lebenslauf, sondern nur danach, was ich mir von der Therapie erwarte.
Ahoi in die Runde!

Das sind z.B. Dinge, die mir jetzt nicht so wirklich weiterhelfen. In die Vergangenheit gucken, ein Kennenlernen, finde ich sinnvoll - nur sollte man dort natürlich nicht hängen bleiben. Was jetzt ist und auch das, was noch kommt, ist für eine Fortentwicklung wichtig, kann aber wohl kaum allein erklären, wie wir und warum wir so sind. Ein gesundes Interesse am Patienten halte ich für gut. Und die Gegenseite soll auch mal da aufmachen, wo es vielleicht wehtut.

Es grüßt

lt.cable

Unaufgefordert editiert, um missverständliche sowie zu sehr auf mich bezogene Textteile zu entfernen. Weder will ich nämlich für Missverständnisse sorgen, die andere von eine Psychotherapie, einem Klinikaufenthalt oder einer Reha abhalten könnten, noch soll der Thread mit meinen Storys "gekapert" werden.
Zuletzt geändert von lt.cable am 12. Mai 2020, 20:30, insgesamt 2-mal geändert.
Ein Nilpferd wollte zum Ballett
als schönster aller Schwäne.
Nur war es fürs Ballett zu fett.
So scheitern viele Pläne.
- Charles Lewinsky
Strohi
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Registriert: 17. Mai 2015, 22:45

Re: Lebenslauf in der Therapie abarbeiten

Beitrag von Strohi »

Hallo lt.cable,

das, was Du da berichtest, klingt ja, wenn ich es richtig verstanden habe, alles andere als gut.

Habe ich das denn richtig verstanden:
- in der Klinik, in den Kliniken, in denen Du warst, sind junge Frauen als Therapeutinnen eingesetzt, die schlampig diagnostizieren und die versuchen, sich aus der Therapie herauszuhalten?, und
- Du wurdest, als vielleicht schwieriger Patient, aus der Gruppentherapie "ausgeschlossen", dh Du warst zwar mit dabei aber Deine Wortmeldungen wurden ignoriert?

Das würde in der Tat dafür sprechen, keine Reha mehr zu machen.

Es interessiert mich, weil ich in den letzten Tagen wieder einmal stärker in die Depression abgeglitten bin (weshalb mein Arzt die Medikation ändern, also um ein Präparat erweitern möchte) und ich auch mit dem Gedanken spiele, eine Reha zu beantragen.

Mich würde freuen, wenn Du mir mit einer Antwort helfen könntest. Denn meine letzte Reha (2016) war eine Katastrophe.
Der Leitspruch dort "auf christlicher Grundlage" entpuppte sich, mindestens in der Zeit, in der ich dort war, eher als sektiererisch, mit Ausgrenzung und was noch so "dazu" gehört, da die Patientinnen und Patienten unterschiedlichen evangelikalen Freikirchen angehörten, und so manche(r) Ärztin/Arzt, Therapeutin/Therapeut und Pflegekraft auch dazu gehörten); die Reha für mich in der vierwöchigen Psychiatrie, in die ich von dort aus verlegt wurde.

Liebe Grüsse und alles Gute für Dich
Strohi
Nadine1975
Beiträge: 45
Registriert: 8. Mai 2020, 15:20

Re: Lebenslauf in der Therapie abarbeiten

Beitrag von Nadine1975 »

Hallo strohi,
ich war 2015/16 in Reha und fühlte mich gut aufgehoben. Ich war in der roswitha klinik in Bad gandersheim. Die Klinik selbst ist etwas runtergekommen aber das störte mich nicht da ich ja kein Urlaub im 5 Sterne hotel gebucht hatte. Falls du fragen hast, schreib mich ruhig an.
Psychiatrische klinik kann ich die danuvius klinik in Pfaffenhofen empfehlen. War sehr gut da.
LG
Nadine
Nadine1975
Beiträge: 45
Registriert: 8. Mai 2020, 15:20

Re: Lebenslauf in der Therapie abarbeiten

Beitrag von Nadine1975 »

lt.cable hat geschrieben:
Peter1 hat geschrieben:„Woher kommen ihre Depressionen?“
[...]
Auch später, die ambulante Thera fragte nie nach einem Lebenslauf, sondern nur danach, was ich mir von der Therapie erwarte.
Ahoi in die Runde!

Das sind z.B. Dinge, die mir jetzt nicht so wirklich weiterhelfen. Könnte ich in den wirren Strudel meines Lebens selbst Ordnung bringen und hätte ich Vorstellungen von irgendetwas, das ich erreichen will, würde ich mich weder in Kliniken noch bei Therapeuten herumtreiben.

Meine Erfahrungen zuletzt beschränken sich auf den klinischen Teil der Therapeutenriege - und die ganzen jungen Mädels, die in meiner Akutklinik fast nur noch herumgeistern, machen mir nicht viel Hoffnung, dass die Gesprächstherapie eine große Zukunft hat. Ohne Kennenlernen blieb es bei schlampiger Diagnostik und gar nicht erst versuchter Therapie. Das kann es also auch nicht sein. Überhaupt habe ich nun schon wiederholt die Erfahrung gemacht, als vielleicht schwieriger Patient einfach leise aus dem ohnehin kargen Gesprächsangebot der Akutkliniken ausgeschlossen zu werden. Aber wahrscheinlich müssen andere, die ab dem ersten Tag zuvorderst an der WLAN-Abdeckung verzweifeln, im ständigen Kontakt zu ihrem gewohnten Umfeld sind, zum Krafttraining ausrücken können und täglich Besucher empfangen einfach deutlich dringender unterstützt werden.

Kurzum: In die Vergangenheit gucken, ein Kennenlernen, finde ich sinnvoll - nur sollte man dort natürlich nicht hängen bleiben. Was jetzt ist und auch das, was noch kommt, ist für eine Fortentwicklung wichtig, kann aber wohl kaum allein erklären, wie wir und warum wir so sind. Um da das richtige Verhältnis, die richtige Dosis zu finden, müssen die Profis (gerade die jüngeren) aufhören, sich nur an ihre Lehrbücher und alte Kopien aus der Studienzeit zu klammern. Und die Gegenseite soll auch mal da aufmachen, wo es vielleicht wehtut. Ein gesundes Interesse am Patienten (und zwar nicht nur am pflegeleichten) halte ich für gut.

Es grüßt

lt.cable
Als ich damals mit meiner ambulanten Therapie angefangen habe, begannen wir mit meiner Vergangenheit. Wie es als Kind war und Verhältnis zu Familie usw. Wir haben alles durchgekaut bis zur Gegenwart. Ich fand das OK, denn man muss erstmal schauen wo das Problem herkommt um es vernünftig bearbeiten zu können. Wie gesagt, für mich war es ganz hilfreich und ich fand das gar nicht schlimm. Ist ja nicht nur dafür da um kennenzulernen sondern Ansätze zu finde um gut arbeiten zu können
Ein Sommertag
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Registriert: 20. Jan 2020, 10:24

Re: Lebenslauf in der Therapie abarbeiten

Beitrag von Ein Sommertag »

Ich denke auch, für eine ordentliche Therapie gehört eine Lebenslaufdiagnostik dazu. Wie sonst sollen (sich wiederholende) Muster erkannt und bearbeitet werden?
DieNeue
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Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Lebenslauf in der Therapie abarbeiten

Beitrag von DieNeue »

Hallo Nadine,

war das damals deine erste Therapie? Und wie lange habt ihr für den Lebenslauf gebraucht?

Liebe Grüße,
DieNeue
Nadine1975
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Registriert: 8. Mai 2020, 15:20

Re: Lebenslauf in der Therapie abarbeiten

Beitrag von Nadine1975 »

Hallo die neue,
Ja, es war die erste Therapie. Diese sachen die man aus der Vergangenheit erzählt, kamen bei mir immer mal wieder zum Vorschein weil ja alles ineinander übergeht.da kann man nicht genau sagen wie lange.
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