Vertrauen zur Therapeutin

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agentcooper
Beiträge: 124
Registriert: 9. Apr 2020, 14:07

Vertrauen zur Therapeutin

Beitrag von agentcooper »

Ich bin ganz neu hier im Forum, in diesem Sinne: Hallo erstmal in die Runde! :hello:

Seit Februar habe ich einen neuen Einzel-Therapieplatz (Verhaltenstherapie).

Ich merke bereits, dass ich ganz kleine Fortschritte mache. Dennoch habe ich vor allem noch ein Problem mit dem Vertrauen zur Therapeutin. Sie befindet sich noch in der Ausbildung, es findet also eine Supervision statt.

Mir macht z.B. große Angst, dass ich mich schon jetzt sehr verletztlich ihr gegenüber gezeigt habe. Zuvor habe ich bei noch keinem Therpeuten geweint, hier passiert das einfach so. Ich denke, das ist eigentlich ein gutes Zeichen, da ich mich danach auch etwas befreiter fühle?

Trotzdem komme ich zurzeit mit diesem Gefälle (ich muss alles preisgeben, ich weiß aber gar nicht, wer mir gegenüber sitzt im Grunde genommen) sehr schwer. Leider komme ich aus genau so einer Art "Beziehung" mit einer Frau, die mein Vertrauen schwer missbraucht hat, sehr manipulativ war und mich im Prinzip von heute auf morgen hat fallen lassen. On Top kommt, dass besagte Frau im psychologischen Bereich Fuß fassen will (Studium und Ausbildung zur Therapeutin). Daher hat sich mein Bild von Therapeten nicht unbedingt zum Positiven verändert.

Mir ist schon klar, dass wir hier von einer therapeutischen Beziehung reden, die nicht mit einer echten Freundschaft oder Beziehung gleichzusetzen ist.

Ich möchte ihr wirklich vertrauen und tue das im Ansatz ja auch schon. Nur habe ich Angst, dass ich mich erneut täuschen lasse und hinterher als "Opfer" dastehe.

Habt ihr Tipps? Wie geht oder würdet ihr mit so einer Situation umgehen (aus Patienten-Sicht)? Oder gibt es evtl. auch Therapeuten hier, die ihre Erfahrungen dazu teilen wollen würden? Werde das Thema auch ansprechen in einer der nächsten Sitzungen, möchte mich aber trotzdem mal hier umhören. Ich freue mich auch über PNs, falls ihr nicht öffentlich antworten wollt!
Cynthia
Beiträge: 445
Registriert: 29. Dez 2014, 17:04

Re: Vertrauen zur Therapeutin

Beitrag von Cynthia »

Als erstes würde ich das Thema direkt mit der neuen Therapeutin besprechen und gucken wie sie reagiert. In wie weit hast Du sonst (bis auf diese eine Bekannte, die therapeutisch tätig werden will)gute Menschenkenntnis und kannst Dich auf Dein Bauchgefühl verlassen? Wie gut bist Du da aufgestellt? In einer persönlichen Beziehung Vertrauensmissbrauch erlebt zu haben, ist schlimmer als bei einer Therapeutin. Ich persönlich habe lange und sehr schlechte Erfahrungen mit Psychotherapeuten. Mir wurde in Summe nur geringfügig geholfen. Ich empfinde diese Menschen als sehr theoretisch und wenig alltagstauglich. Und ich meine auch, daß die meisten das studiert haben womit sie ein Problem haben, nämlich sich selbst, auch wenn das ein Klischee ist. Als Literatur empfehle ich Dir das Buch: Pätzold/ Mertens: Therapieschäden- Risiken und Nebenwirkungen von Psychotherapie.
John4155
Beiträge: 395
Registriert: 23. Mai 2011, 18:41

Re: Vertrauen zur Therapeutin

Beitrag von John4155 »

Hallo Agent Cooper,

Vertrauen entsteht mit der Zeit, und muss m.E. verdienst werden. Du bist erst seit Februar bei der neuen Therapeutin. Das ist noch nicht lange genug um zu wissen wie sie in verschiedenen Situationen reagiert. Ich brauchte immer erst ein paar Monate Zeit bis ich Vertrauen aufbauen konnte. Das du dich ihr gegenüber verletzlich zeigen konntest ist doch ein guter Anfang. Das man generell von Therapeuten/ Innen wenig über ihr Privatleben erfährt, während man sich selbst "nakisch" macht ist strange, gehört aber zum deal dazu. Wenn ich zu einem Arzt gehe, wird auch er wenig geneigt sein mir von seinem Privatleben zu erzählen. Mir ist es wichtiger das er mir dabei hilft zu gesunden. Von dem was du schreibst habe ich die Vermutung das du jetzt einfach auf alles allergisch reagierst was weiblich ist und mit Psychologie zu tun hat. Das kann ich verstehen. Auch ich habe dazu geneigt meine Erfahrungen mit anderen Menschen auf meine Therapeuten/ Innen zu übertragen. Ich nahm das wahr und sprach mit ihnen darüber. Ich machte den Realitätscheck um zu sehen wie sie wirklich sind. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht alle meine Gefühle, Bedenken und Sorgen die ich gegenüber dem therapeutischen Personal hatte in einer sachlischen Art und Weise in der SItzung anzusprechen und zu bearbeiten. Das ist eine große Chance mehr darüber zu erfahren wie man selbst so tickt. Die therapeutische Beziehung ist rechtlich und ethisch geregelt. In meiner langen Erfahrung als Patient und mit vielen verschiedenen Therapeuten/ Innen ist mir Missbrauch von Vertrauen oder Manipulation noch nicht untergekommen.
Viele Grüße

John
Strohi
Beiträge: 388
Registriert: 17. Mai 2015, 22:45

Re: Vertrauen zur Therapeutin

Beitrag von Strohi »

Hallo agentcooper,

meine Erfahrung mit der Verhaltenstherapie ist, dass ich bisher immer wieder Vertrauen schenken konnte. Ich bin nun seit 2012 bei der vierten Therapeutin: die erste und zweite sind aus der jeweiligen Praxis ausgeschieden, sind weggezogen und haben sich an anderen Orten selbständig gemacht, die dritte hat aus Altersgründen ihre Praxis geschlossen.

Obwohl meine Depression und die Persönlichkeitsstörung vor allem und hauptsächlich von meiner Mutter, ihrer Erziehung und ihrem Verhalten in der Familie, ausgelöst und verursacht wurde, ich also meine Schwierigkeiten von dem Menschen habe, dem ich doch ab der Geburt vollständig vertrauen sollte, war es mir möglich, jeder neuen Verhaltenstherapeutin wieder zu vertrauen.

Dass Du Dich nach dem Weinen befreiter gefühlt hast, ist, so denke ich, ein gutes Zeichen, denn ohne (ein Mindestmass an) Vertrauen weint man nicht.

Meiner Meinung nach gibt's nur einen Weg, mit Deinem aktuellen, akuten Problem sinnvoll umzugehen: spreche es mit Deiner Therapeutin/Deinem Therapeuten offen und ehrlich sowie in allen Aspekten und Facetten an. Je bälder, desto besser. Vielleicht ist es sinnvoll, Dir dazu ein paar Gedanken zu machen und diese - mind. stichwortartig - aufzuschreiben (Nebeneffekt: etwas aufzuschreiben entlastet das Hirn und auch die Seele).

Ich wünsche Dir gutes Gelingen.
yellohmellow
Beiträge: 231
Registriert: 2. Mär 2019, 09:01

Re: Vertrauen zur Therapeutin

Beitrag von yellohmellow »

Hallo,

Ich habe als jetzt Betroffener früher selbst eine psychotherapeutische Ausbildung absolviert und zudem bin ich mit einer niedergelassenen Psychotherapeutin verheiratet.

Von daher verstehe ich Deine Problematik ganz gut. Natürlich habe ich auch selber Psychotherapie in Anspruch genommen. Mein Problem war dabei auch, Vertrauen herzustellen. Irgendwie sieht man durch eigene Einblicke den Psychotherapeuten vermutlich anders als Menschen, die diesen Hintergrund nicht haben.

Es hat bei mir lange gedauert, ein Vertrauensverhältnis herzustellen. Als Mann hatte ich gleich zu Anfang große Probleme mit einem weiblichen Psychotherapeuten. Es lief schon bald darauf hinaus, das sie mir ihre Probleme erzählte und sich für meine nur noch wenig interessierte, nach meiner Einschätzung. Nach den probatorischen Sitzungen habe ich das beendet.

Ich habe mich dann bewußt für einen männlichen Psychotherapeuten entschieden. Aber auch hier brauchte ich sehr lange, um eine Vertrauensbasis herzustellen. Erst in der Verlängerungsphase gelang das dann und er hat mir dann auch wirklich sehr geholfen.

Ich mag Dir keinen Ratschlag geben, aber immerhin habe ich Dir hier meine Geschichte erzählt, vielleicht kannst Du ja selber Schlüsse daraus für Dich ziehen.

Ich wünsche Dir, daß Du schon bald die Hilfe findest, die Du benötigst!

LG yellohmellow
agentcooper
Beiträge: 124
Registriert: 9. Apr 2020, 14:07

Re: Vertrauen zur Therapeutin

Beitrag von agentcooper »

Hallo zusammen,

vielen Dank für eure aufmunternden Antworten!

Wie ich es mir vorgenommen habe, habe ich das jetzt angesprochen. Sie war verständnisvoll und fand es auch wichtig, dass ich damit auf sie zugegangen bin. Sie hat dann noch ein paar beruhigende Worte gesagt.

Ich will es ehrlich gesagt dabei belassen und mich einfach darauf einlassen, weil mich die Zweifel zu sehr anstrengen. Grundsätzlich habe ich ja ein gutes Gefühl.
Chinchine
Beiträge: 65
Registriert: 26. Mär 2015, 10:41

Re: Vertrauen zur Therapeutin

Beitrag von Chinchine »

Lieber agentcooper,

ich finde, dass was du geschrieben hast lässt hoffen...

Gerade mache ich Ähnliches durch: habe auch im Februar eine neue Einzeltherapie angefangen. Ich wurde vor 3 Jahren von meiner damaligen Therapeutin und Psychiaterin fallen gelassen. Die schlimmste und schmerzhafteste Erfahrung meines ganzen Lebens...

Ich habe die Erfahrung gemacht: auch wenn es schwerfällt, Vertrauen zu schenken, es lohnt sich!

Mir ist vor 2 1/2 Jahren ein Stein vom Herzen gefallen als ich wieder einen Psychiater hatte. Und es hilft mir gerade in dieser Zeit jetzt sehr, einen Therapeuten zu haben.

Ich war nach der ersten probatorischen Sitzung über mich selbst überrascht, gleich so offen mit ihm reden zu können. Das gute Gefühl hat sich in den nachfolgenden Terminen bestätigt...

Hör auf dein Bauchgefühl, das hat mir mein Psychiater für die Therapeutensuche mit auf den Weg gegeben!

Alles Gute für dich
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