Co-Depression

Chim
Beiträge: 4
Registriert: 25. Sep 2023, 22:35

Re: Co-Depression

Beitrag von Chim »

Hallo,

was für wertvolle Beiträge es hier im Forum gibt. Es tut gut das alles zu lesen.

Vielleicht hilft es auch, wenn ich als Person schreibe, die die Depressionen aus beiden Blickwinkeln erlebt hat. Als Partnerin einer Betroffenen und nun selbst als Betroffene.

Für 3,5 Jahre war ich in einer Beziehung mit einer depressiven Person und diese haben sich im Laufe der Beziehung auch auf mich übertragen. Die vielen Telefonate in denen sie mir stundenlang unter Tränen von ihren dunklen Gedanken und Verlustängsten erzählt hat, haben viele negative Gedanken und Gefühle in mir losgelöst. Ich war ein sehr lebensfroher Mensch und am Tag immer dankbar für die kleinen Momente, die Freude in mir ausgelöst haben. Jetzt würde ich mich eher als gefasst und sorgenvoll/vorsichtig beschreiben; wie die Depressionen einen verändert…

Auf jeden Fall habe ich nach 3,5 Jahren nach einem Klinikaufenhalt trotz noch bestehender Liebe die Beziehung beenden müssen. Sonst hätte mir die Kraft gefehlt, mich selbst noch neben meiner Freundin wieder aus diesem Loch zu ziehen.

Durch diese Beziehung habe ich viel lernen können, das mir in meiner jetzigen Beziehung sehr hilft. Auch wenn der Prozess des Lernens zu langsam war um die Beziehung noch zu retten und mich vor den Co-Depressionen zu bewahren, hat es mir sehr geholfen, vor allem in den dunklen Phasen meiner Partnerin, Grenzen für mich zu setzen. Zeiten, in denen ich mit meinen Aufgaben beschäftigt bin, sind Zeiten in denen ich eben nicht unterbrochen werden möchte. Wenn mich eine Freundin fragt ob wir uns treffen wollen und ich sie treffen möchte, dann treffe ich sie. Auch wenn meine Partnerin mir das, in ihren schlechten Gefühlen gefangen, nicht gönnen kann und ich weiß, dass sie zuhause sitzt und sich alleine fühlt. Es ist meiner Erfahrung nach genau der richtige Weg als Partner*in den Versuch die Mitverantwortung auf sich übertragen zu lassen konsequent abzulehnen und für die eigenen glücklichen Momente im Notfall auch zu kämpfen. Gegen das schlechte Gewissen hilft der Gedanke es für euch und für die Partnerschaft zu tun. Wenn beide depressiv sind hat das starke Mitfühlen auch der Partnerin nicht geholfen.

Das alles mag hart klingen, aber mit solchen Grenzen habe ich Fürsorge für unsere Beziehung gefühlt. Mir war außerdem klar, nur wenn es mir selbst gut geht, habe ich die Kraft für sie da zu sein. Und es sind nicht meine Depressionen gewesen, die ich tragen musste. Sie hat die Verantwortung für sich und ihre Erkrankung, auch wenn es unfair ist, dass sie sie überhaupt hat.

Vor allem am Ende der Beziehung hat mich ein ewiger Groll begleitet, auf mich selbst und unfairerweise auch auf meine damalige Partnerin. Weil sie mich so sehr gebraucht hat und ich nicht genug hingehört habe wie sehr ich mich gerade selbst brauche. Dieser Groll und die Tatsache selbst in die Depressionen gerutscht zu sein haben letztendlich zur Trennung geführt.

Sätze, die ich meiner Freundin zu der Zeit gesagt habe und die mir gutgetan haben: „Ich gehe jetzt, weil mich die dunkle Stimmung hier sehr belastet, aber ich bleibe in der Liebe mit dir verbunden.“ „Bitte melde dich bei deiner Therapeutin.“ „Ich bin später unterwegs, aber wenn du das Gefühl hast es hilft dir mit mir zu reden, kannst du mich anrufen.“ „Gerade kann ich das nicht mittragen, bitte rufe eine Freundin an.“ „Die nächsten vier Stunden werde ich mein Handy ausschalten, da bin ich dann nicht erreichbar für dich.“ „Ich sehe den Schmerz den du gerade fühlst und glaube daran, dass du die Stärke hast damit umzugehen.“ „Nein, ich will heute Abend nicht zuhause verbringen, würde mich aber freuen, wenn du mich später nach Draußen begleitest.“ „Gerade belastet mich die dunkle Stimmung so sehr, dass ich über eine Trennung nachdenke. Das zeigt mir, das ich nicht genug auf mich achte. Magst du mich unterstützen dabei?“

In meiner jetzigen Beziehung ist es mir wegen dieser Erfahrungen so wichtig, dass meine Partnerin auch frei ist zu gehen, wenn ich im Bett liege und keine Sekunde meines Daseins genieße. Und sie geht auch, darum bin ich ihr so dankbar. Es braucht von meiner Seite aus immer wieder die Zusicherungen: „Du trägst die Verantwortung für meine Depressionen nicht, die trage ich.“ „Gerade fühle ich mich so schlecht, dass ich am liebsten einfach einschlafen würde, aber du darfst gehen. Und ich weiß du machst das aus Liebe zu dir selbst und das ist in Ordnung.“ „Danke, dass du vorhin auf dich geachtet hast, das schützt unsere Beziehung.“ „Ich suche mir nächste Woche bei meiner Therapeutin Hilfe, bis dahin müssen wir das nicht besprechen, auch wenn es mich ständig belastet.“ „Gerade brauche ich meine Ruhe. Dein Versuch mir zu helfen ist lieb gemeint, aber ich kann mir viel besser helfen, wenn ich mich nicht auch noch um deine Gefühle kümmern muss.“

Es darf dir gut gehen, du bist es wert, dass du auf dich achtest! Das wünschte ich, hätte jemand schon früher zu mir gesagt.

Gutes Grenzen-setzen und Auf-euch-achten! Es ist in Ordnung sich selbst wichtig zu nehmen.

Liebe Grüße,
Chim
SalsaSasa
Beiträge: 23
Registriert: 29. Jul 2023, 08:09

Re: Co-Depression

Beitrag von SalsaSasa »

Hallo Zusammen,

auch ich will Danke sagen für diese Beiträge. Ich glaube das hier ist das erste mal, dass ich mich hier im Forum wirklich so richtig richtig richtig verstanden fühle. Denn ihr beschreibt all das, was seit einigen Monaten in meinem Leben immer mehr Platz einnimmt.

Ich bin seit bald 4 Jahren mit meinem Partner zusammen. Es gab immer wieder depressive Episoden in denen er mich einfach zwei bis drei Wochen komplett aus seinem Leben gestrichen hat. Aber ich muss zugeben, danach war es mit ihm immer noch schöner als zuvor. Anfang des Jahres haben wir uns dafür entschieden zusammen zu ziehen.. Und einen Monat , nachdem wir das umgesetzt hatten fing mein persönlicher Albtraum an. Er schläft nicht bei mir im Bett, liegt nach Möglichkeit nur auf dem Sofa und ist am Handy. Am liebsten natürlich mit dem Rücken zu mir. Zwischendurch hatte er zwar immer mal wieder ein paar Tage, in denen es ihm besser ging, in denen es so aussah, als würde er zu mir zurück kehren.. Aber nun nach einem halben Jahr verliere ich langsam die Hoffnung. Er meinte mal zwischendurch, wir sind uns nicht mehr nahe. Ich weiß nicht, ob das nur an der Depression liegt, oder ob wir generell einfach Beziehungsprobleme haben.
Aber die Depression scheint zu verhindern, dass wir darüber reden können. Manchmal bricht es einfach aus mir raus und ich will reden und das strengt ihn so sehr an, dass er danach einen ganzen Tag durchschläft.
Er antwortet mir dabei nie. Er sagt nichts. Er sitzt nur da und starrt ins Leere. Manchmal treffe ich einen Wunden Punkt, dann rollt eine Träne. Meistens ist sein Blick aber leer... Bis hasserfüllt... Natürlich ist das in erster Linie nur mein Gefühl und deswegen nicht zwingend Realität. Aber es tut einfach weh.

Ich bin mittlerweile total verzweifelt. Ich weiß nicht mehr was ich machen soll. Er redet nicht, egal was ich sage. Dabei hasst er die Situation auch, aber fühlt sich offensichtlich überfordert damit daran zu arbeiten.

Ich schlafe mittlerweile so unruhig wie noch nie.ich fühle mich überfordert damit mich mit Freunden zu verabreden. An manchen Tagen, so wie auch heute, habe ich den ganzen Tag das Gefühl meine Knie zittern und ich konnte irgendwann einfach zusammen klappen. Ich will mich am liebsten nur noch unter meiner Decke verkriechen. Will dort verharren bis der Albtraum endlich endet.

Ich will nicht aufgeben.
Aber meine Kraft neigt sich dem Ende.
Das habe ich ihm auch schon genau so gesagt. Keine Reaktion.
Ich bin ratlos.

Danke fürs Lesen <3
Liebe Grüße, Sasa
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