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Liegt es an der Depression oder an mangelnden Gefühlen?

Verfasst: 4. Mär 2020, 15:37
von Animallover
Liebes Forum,

ich habe lange überlegt, ob ich mich hier anmelden soll.
Bereits vor knapp 10 Jahren habe ich eine Therapie gemacht (Prüfungsangst usw.). Im Rahmen dieser Therapie wurde ebenfalls eine Depression diagnostiziert. Seitdem nehme ich auch Medikamente. Die heftigen Phasen sind überstanden. Auch habe ich mittlerweile gute Methoden um sich anbahnende Phasen abzufangen, sodass „Chaos“ (in der Wohnung) gar nicht erst mehr entsteht. Das tut sehr gut, war aber sehr viel Arbeit. Im Sommer letzten Jahres habe ich mich nach vielen Jahren ohne Therapie dazu entschlossen nochmals eine Therapie zu machen, da gewisse Punkte immer mal wieder Thema waren in den letzte Jahren.

Was mich aktuell umtreibt ist die Frage, ob meine Gefühllosigkeit, die in meiner Beziehung kritisiert wird, mit der Depression (aktuell fühle ich mich an sich richtig gut), meinem Charakter der einfach so ist, mangelnden Gefühlen oder damit zu tun hat, dass ich gar keine Beziehung möchte? Ich habe keine Antwort auf diese Frage.
Ihr kennt es sicherlich, dass Außenstehende (Freunde usw.) davon gar nichts merken (nicht unbedingt so sehr).
Ich bin nett, freundlich usw., kann jedoch keine Nähe (mehr) zulassen und fühle mich wohler, wenn ich für mich bin.

Kennt das jemand von euch? Früher waren meine Beziehungen meinerseits immer sehr innig.

Ich danke euch für eure Zeit :-)

Re: Liegt es an der Depression oder an mangelnden Gefühlen?

Verfasst: 6. Mär 2020, 17:15
von Animallover
Hat denn wirklich keiner Erfahrungen mit einer ähnlichen Situation? :-\

Re: Liegt es an der Depression oder an mangelnden Gefühlen?

Verfasst: 6. Mär 2020, 17:20
von DieNeue
Hallo,

ich hab keine Erfahrungen damit, aber ich weiß, dass das Thema oft im Angehörigen-Forum diskutiert wird. Zwar aus Sicht der Angehörigen, es gibt dort aber auch Beiträge von Betroffenen zu diesem Thema.
Vielleicht hilft dir das schon mal weiter.

Liebe Grüße,
DieNeue

Re: Liegt es an der Depression oder an mangelnden Gefühlen?

Verfasst: 6. Mär 2020, 19:45
von Animallover
Danke dir für den Hinweis, ich werde dort mal nachschauen :-)

Liebe Grüße

Re: Liegt es an der Depression oder an mangelnden Gefühlen?

Verfasst: 29. Mär 2020, 22:06
von sändy
hey animallover,
hab mich heute erst angemeldet, sonst hätte ich dir gerne schon früher geschrieben.
ich bin 41 jahre und wurde mit mitte zwanzig mit bipolarer störung diagnostiziert. allerdings sind die depressiven phasen sehr viel ausgeprägter.
zum thema gefühllosigkeit möchte ich folgendes sagen:
ich lebe seit 17 jahren mit meinem mann zusammen und es gibt immer phasen in denen ich diese beziehung nicht mehr will. ich habe das gefühl, dass die depressionen mich im laufe der jahre irgendwie wund geschliffen haben und ich glaube auch, dass man mit dem älter werden auch verletzlicher werden kann.
ich habe manchmal keine ressourcen um beziehungen positiv zu gestalten und ziehe mich dann zurück. inzwischen kann ich das den menschen in meinem umfeld mitteilen, dass ich gerade überfordert bin oder zeit für mich alleine brauche.
es ist niederschmetternd vorgeworfen zu bekommen, dass man gefühlskalt ist. manchmal muss man sich einfach ein bischen beschützen und mit seinen kräften haushalten.
ich fände es produktiver, wenn das umfeld zu einem sagen könnte:
"ich vermisse dich. du bist mir wichtig. schade, dass es dir so schlecht geht......ich fühle mich so zurückgelassen....etc." anstatt zu sagen "du bist gefühlskalt." das ist so destruktiv.
ich finde, dass die partner und das soziale umfeld auch etwas lernen müssen.
ich hoffe sehr, dass in meinem text irgendetwas brauchbares für dich dabei bist.
ansonsten freue ich mich, dass ich mich hier angemeldet habe und wünsche allen die das lesen sollten einen schönen tag.
sändy

Re: Liegt es an der Depression oder an mangelnden Gefühlen?

Verfasst: 31. Mär 2020, 18:40
von Freigeist
Hallo animallover,

ich kenne ebenfalls das Gefühl keine Emotionen wahrzunehmen. Bzw bin ich eher kaum und wenn dann nur kurzfristig in der Lage Emotionen zu empfinden. Meine Beziehung ist damals daran zu Bruch gegangen, da ich nicht recht wusste was genau ich ändern muss um wie jede/r andere/r zu sein. Nach der Trennung hab ich mich sozial von den meisten meiner Freunde distanziert und sozial weitesgehend isoliert. Somit kann ich dir nur eines sagen, ich bereue es ihr nicht gesagt zu haben. Ich bereue es überhaupt jemanden so spät erst gesagt zu haben. Freunde können es vlt nicht nachvollziehen, aber sie spüren den Schmerz den du in dich trägst. So schwer es auch vlt sein mag dich ihnen zu öffnen, es hilft unwahrscheinlich. So hab ich z.B. seit Jahren mal wieder gelacht. Solche Momente sind es dir mir zurzeit weiter helfen.

Ich hoffe ich konnte dir helfen

Freigeist

Re: Liegt es an der Depression oder an mangelnden Gefühlen?

Verfasst: 3. Apr 2020, 20:49
von Animallover
Liebe Sändy (herzlich willkommen im Forum), lieber Freigeist,

Danke für eure Nachrichten, die mir sehr weiterhelfen. Ich sehe mich an einigen Stellen wieder. Es klingt hart wenn ich das sage, aber ich habe so oft Zweifel (fast täglich), ob ich die Beziehung nicht beenden soll. Dann denke ich wieder nein, du wirst es bereuen. Es kostet mich jedoch einfach zu viel Kraft, mich auch manchmal so zu verhalten, nur um dem Partner etc. ein gutes Gefühl zu geben. Dieses gefühlskalt finde ich auch sehr verletzend. Man sucht sich diesen Zustand ja nicht aus... Zu Freunden: von meiner Erkrankung weiß keiner etwas. Ich merke immer wieder wie sie über solche Erkrankungen denken und andere verurteilen. Manchmal würde ich ihnen am liebsten alles mal an den Kopf werfen. Ich frage mich aktuell wirklich wie man eine Beziehung führen soll, wenn man immer wieder mit der Depression konfrontiert wird. Diese „Gefühllosigkeit“ ist seit ca. 3-4 Jahren extrem. Davor war ich eher gefühlsbetont und habe diese auch geäußert. Mittlerweile hülle ich mich immer in den Mantel des Schweigens. Schwierig...

Re: Liegt es an der Depression oder an mangelnden Gefühlen?

Verfasst: 4. Apr 2020, 13:28
von sändy
liebe animallover,

es tut mir leid, dass deine freunde so eine ignorante meinung haben. es gibt ja etliche leute die denken:"kann die/ der sich nich mal ein bischen zusammenreissen oder einfach mal ein bischen an die sonne gehen oder sich anstrengen?" wenn ich das höre, kann ich mir denken, dass die sich bestimmt auch keine schwächen erlauben.

glaubst du daran, dass eines tages der zeitpunkt kommt, an dem du die für dich richtige entscheidung fällen kannst?

ich hatte letztens ein nettes gespräch mit einer soziotherapeutin, die sagte (und das vergesse ich auch immer wieder), dass manche die depression auch für etwas brauchen in ihrem leben.
bei mir war es immer so, dass ich mir schutz und zuneigung und fürsorge gewünscht habe (das weiß ich aber erst jetzt nach vielen jahren) und die hab ich dann von manchen menschen bekommen.
wenn ich aus der depression rauskomme, fühle ich mich sehr schnell von diversen herausforderungen belagert und so überfordert, dass ich mich manchmal wieder zurückziehe.

ich hab das auch in meiner familie gelernt, von der kindheit bis zum auszug: dass man bei problemen und herausforderungen den kopf in den sand steckt und jammert oder dinge einfach so lange konsequent ignoriert bis sie immer bedrohlicher und größer werden. bei mir war das lange ein ganz normaler lebensstil.

in letzter zeit kommt auch vermehrt wut bei mir hoch, wenn ich aus einer depressiven phase auftauche.
ich finde die idee garnich so schlecht deinen freunden zu sagen was du über ihre meinung denkst.
es ist echt komisch mit einer völlig fremden person so persönliche dinge zu schreiben. ich bin etwas gehemmt und denk so:" hoffentlich schreib ich nix falsches oder missverständliches!"

du sollst nicht für andere so tun als wär alles ok. du hast doch das recht dazu traurig und verzweifelt, oder was immer du fühlst zu sein.

nagut. wünsche dir trotzdem ein guten tag. ich war gerade mit meinem hund im wald. das war schön.
tschüssi
sändy

Re: Liegt es an der Depression oder an mangelnden Gefühlen?

Verfasst: 7. Apr 2020, 11:49
von TheTower12
Hallo in die "Runde",

ich kämpfe auch stark mit diesem Thema. Allerdings bin ich derjenige, der den Druck aufbaut...
Meiner Meinung nach lebt mein Charakter eigentlich von meinen Gefühlen... bzw. konnte ich immer sehr gut damit arbeiten und mein Umfeld dadurch vieles wissen lassen (wie geht es mir...), aber auch meinem Umfeld zeigen, dass ich Sie verstehen kann und eine Reaktion zeigen.
Bereits seit längerem bin ich dazu nur noch SEHR selten in der Lage... mir macht das ungemein zu schaffen. Mein Ziel ist, wieder Gefühle zuzulassen um ein "normales" Leben zu haben. Zumindest so wie ich es mir vorstelle...
Es ist einfach bescheiden, wenn Personen die man LIEBT leiden, und du selber kannst keine Reaktion zeigen.
Leider habe ich noch keine dauerhafte Lösung gefunden, wenn ich auch mit Musik und lesen oft daran arbeiten kann, Gefühle zu zeigen.

Liebe Grüße!