Warum ?

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Peter1
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Warum ?

Beitrag von Peter1 »

Hallo
Warum kann ich bei tragischen Opern besser entspannen, als bei lustigen ?
Normal sollte man doch meinen, das wenn ich lache, die Depressionen eher verschwinden. Bei mir ist es genau umgekehrt. Ich möchte zwar immer in den Bildschirm springen, und dem Fiesling den Hals umdrehen. Gleichzeitig möchte ich gerne die Gequälten in die Arme nehmen und trösten. Aber wenn die Oper dann zu Ende ist, bin ich vollkommen entspannt. Auch wenn Tosca sich von der Engelsburg in die Tiefe stürzt, oder Edgardo sich einen Dolch ins Herz stößt, weil seine große Liebe, Lucia gestorben ist, wenn Simon Boccanegra vergiftet wird, oder Violetta Valery an Schwindsucht stirbt, bin ich hinterher ein glücklicher Mensch. Warum ist das so ? Sehe ich es gerne, wenn andere Menschen leiden ? Ich weiß es nicht ! :?:

Alles Gute und Schöne Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
Elaine_4Punkt0
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Re: Warum ?

Beitrag von Elaine_4Punkt0 »

Hallo Peter,

da musste ich gleich an die Theorie der Katharsis denken. Vielleicht trifft das ja wirklich ein bisschen zu bei dir?

Liebe Grüße
Elaine
szegfue75
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Re: Warum ?

Beitrag von szegfue75 »

Hallo Peter,

sind nicht alle Opern dramatisch? frage ich mich gerade... Ich dachte, die Operette ist die komödiantische Version der Oper?

Also, ich glaube, da bist du nicht alleine. Opernfans lieben es dramatisch. Warum das so ist, weiß ich im Moment nicht. Vielleicht weil Drama doch nicht ein alltägliches Gesprächsthema ist und doch jedem irgendwann mal in irgendeiner Weise widerfährt. In der Kunst gibt es dieses Tabu nicht. Dort ist alles erlaubt und trifft den ein oder anderen Menschen in der Seele, im Herzen oder regt zum Nachdenken an.

Liebe Grüße
"Glücklichsein ist eine Angelegenheit rein persönlicher Anpassung an ihre Umgebung."
Zitat aus Cluny Brown auf Freiersfüßen
Peter1
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Re: Warum ?

Beitrag von Peter1 »

Hallo szegfue
Nein, es gibt auch lustige Opern (Dramma Giocoso) La cenerentola zB. Der stolze Baron und seine beiden Töchter werden nach Strich und Faden verar... oder Le Nozze di Figaro, Der Graf wird von seiner Frau, und einigen Dienern hinters Licht geführt, und muss sich am Ende, öffentlich, auf Knien bei seiner Frau entschuldigen. Es gibt noch sehr viel mehr lustige Opern, aber das würde hier zu weit führen.

Alles Gute und Schöne Peter und Chilly
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
mime
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Re: Warum ?

Beitrag von mime »

Hallo Peter1,

ist es eher die Musik, die jeweilige Gesangsstimme oder das Libretto, die Figur mit ihrer Geschichte, das dich in den jeweiligen Fällen anspricht?

Mir gefallen dramatische Musik, Melodien in Moll usw. wesentlich besser als "leichte", lustige Musik. Gerade im Klassikbereich hat man da ja einiges an Auswahl, wobei mir auch Modernes gefällt (das kann auch mal vom Metal-Genre sein). Opern höre ich allerdings so gut wie nie. Für mich ist immer (nur) die Musik/Melodie/Orchestrierung maßgebend, und leider ganz selten nur der Text eines Stückes.

Mein Facharzt meinte mal, als ich in meinen schlechten Zeiten nach Musikhören gefragt wurde (und dies verneint habe, weil mich Musik damals über die Maßen stark angesprochen hat), dass "Musik einen evtl. auch trägt". Also, in der jeweiligen Stimmung auch mittragen kann.

Eine Antwort auf deine Frage ist das natürlich nicht. Aber ich denke, dass es nicht so ungewöhnlich ist, wenn man eher zur "traurigen"/tragischen Musik / Story neigt.

Viele Grüße
Mime
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
Sul
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Re: Warum ?

Beitrag von Sul »

Hallo Peter1,
ich habe auch erst an Karthasis gedacht. Aber dann fiel mir noch ein, dass Mitgefühl für das Leiden anderer uns selbst auch trösten kann und die Stimmung steigen lassen kann. Ja, und dann spricht die Musik ja Gefühle ganz direkt an, aktiviert sie und steuert so dem Nicht-Fühlen einer depressiven Phase entgegen.
Viele Grüße und Spaß bei deinen Opern, Sul
Ein Sommertag
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Re: Warum ?

Beitrag von Ein Sommertag »

Ich finde das Thema interessant, denn mir ergeht es ganz anders: Wenn ich mich mit traurigen Inhalten befasse, fühle ich mich ein und es zieht mich sehr runter. Bei Musik geht das ganz schnell, weil sie direkt ins limbische System dringt, wenn ich nicht irre.
Dafür bedarf es bei mir auch keines größeren Reizes.. es zieht mich runter, ich kann mich dann wunderbar in Melancholie suhlen, aber gut tut mir das nicht.

Auf die Frage, warum es Menschen gibt, die Drama lieben bin ich in einem Blog auf folgende Aussage gestoßen:

"Dazu gibt es interessante Erkenntnisse. Kinder, die in einem stressvollen Umfeld aufwachsen, mit traumatischen Erfahrungen, seelischem Leid oder unberechenbaren Gefühlsäußerungen von Bezugspersonen gewöhnen sich an dieses Wechselbad von Adrenalin (Stresshormon) und Endorphin (Glückshormon). Diese biochemischen Marker mit extremen Ausschlägen bilden Muster. Einfach gesagt ist der Organismus an diese typische Biochemie – auch wenn sie leidvoll und schmerzhaft ist – so gewöhnt, dass er danach strebt, dieses „Gleichgewicht“ immer wieder herzustellen.

Im Gehirn entsteht so etwas wie ein Suchtkreislauf, da es immer wieder nach diesem Endorphin verlangt, das aber an das Adrenalin gekoppelt ist. Jetzt hat man einen Menschen, der süchtig ist nach dem großen Drama. Vielleicht kennst du auch jemand, der so tickt und sich im Drama richtig wohlfühlt.

Ich finde man könnte es mit dem Rauchen vergleichen. Die ersten Zigaretten schmecken nicht und kratzen extrem im Rachen und Hals. Dann gewöhnt man sich daran und später ist man so konditioniert, dass man glaubt die Zigarette zu brauchen.

Wozu kann das nun gut sein? Schon das Erkennen von Mustern ist ein wichtiger Faktor. Ich kann ja nichts ändern, was ich nicht erkenne. Um den Fleck zu entfernen, muss ich erst mal sehen, dass da ein Fleck ist.

Die Aufgabe könnte sein, die großen Ausschläge nach oben und unten zu nivellieren. Lernen, aus den extremen Polen immer wieder der Mitte nahezukommen. Das Lebensthema könnte heißen: Ausgleichen lernen, statt zwischen den totalen Gegensätzen zu pendeln."

https://www-ava--coaching-com.cdn.amppr ... in-kann%2F" onclick="window.open(this.href);return false;
Ein Sommertag
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Re: Warum ?

Beitrag von Ein Sommertag »

Hier ist noch ein Artikel zu Endorphinen und Adrenalin, die quasi bei frühen schlimmen Erfahrungen aus der Bahn geraten und diesbezüglich auch einer Sucht nach Katharsis (wie oben schon angesprochen).

https://www.traumaheilung.de/trauma-und-drama/" onclick="window.open(this.href);return false;
Peter1
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Re: Warum ?

Beitrag von Peter1 »

Hallo
Ich wünsche euch einen schönen Sonntag, und möchte euch für die Antworten danken.
Die Idee, das ein Mensch gleichzeitig süchtig auf Drama und Empathie sein könnte, ist mir nie gekommen. Ich werde das Thema morgen in der Therapie ansprechen. Nur wird es schwierig werden, die Sucht, so es denn eine ist, zu bekämpfen, weil ich ohne die Opern kaum eine Methode finde, bei der ich so gut entspannen kann, außer Chilly.
Ja, ich kannte einen Menschen, der sich im Drama und der Empathie wohl fühlte, meine Mutter. Wie oft hat sie mich in die Arme genommen, und ganz fest an sich gedrückt, damit ich ihre Tränen nicht sah. Der kleine Junge hat trotzdem gemerkt, das Mami traurig war. Ich hätte am liebsten alle Menschen um uns herum angeschrien, tut doch endlich was, damit sie wieder lacht. Aber ich merkte auch damals schon, das es Niemanden interessiert, wie es meiner Mami geht.Darum habe ich gegen alle Menschen in unserem näheren Umfeld einen unbändigen Hass in mir aufgebaut. Erst jetzt, durch meine Thera, habe ich diese Gefühle abbauen können, nach 60 Jahren.

Genug gejammert. Ich wünsche euch noch einen schönen Tag. Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
Christiane1
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Re: Warum ?

Beitrag von Christiane1 »

Hallo Peter,

vermutlich fühlst du dich in tragischen Opern deshalb zuhause, weil du die Figuren darin besser verstehen kannst als in lustigen. Der Gleichklang in der Stimmung wirkt entspannend durch die
Widerspiegelung der eigenen Gefühle. Ich kenne jemanden, der sich nach einem Motorradunfall mit
drastischen Folgen für sein weiteres Leben Nacht für Nacht exzessiv Nachrichten anschaute mit all den schlimmen Bildern und dann für sich erkannte, dass sein Leid dagegen nichts sei. Was natürlich nicht stimmte, aber so beruhigte er sich selber immer wieder und bekam neuen Lebensmut.

Liebe Grüsse
Christiane
Peter1
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Re: Warum ?

Beitrag von Peter1 »

Hallo Manu
Meine Mutter war ein halbes Jahr bei einem Psychiater in Behandlung. Dann stellte sie der Arzt vor die Wahl, entweder stationär, oder er bricht die Behandlung ab. Sie ging einfach nicht mehr hin. Ihr Mann, mein Erzeuger sagte, hab ich schon nen bekloppten Sohn, was sollen die Nachbarn sagen, wenn jetzt auch noch meine Frau in die Irrenanstalt geht ? Sie ging nicht ! Das Ende, das dann kam, hatte sie nicht verdient !
Der Sohn machte nach seinem Gesellenbrief auch noch seinen Meister, also kann er so dumm nicht gewesen sein. Aber wie meine Thera so schön sagt, daran denken, ja. Aber immer mit dem Gedanken, das es Vergangenheit ist, und nicht mehr zu ändern.

Alles Gute nund Schöne Peter
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Peter1
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Re: Warum ?

Beitrag von Peter1 »

Hallo Manu
Meine Mami war abhängig von Morphin Zäpfchen. Zehn Stück bekam sie wöchentlich vom Arzt, und 20 bis 30 hat sie in der Apotheke dazu gekauft. Wäre das heute, hätte ich den Apotheker angezeigt, aber vor 50 Jahren waren andere Zeiten. Sogar uns Kinder hat sie geschickt, und wir bekamen die Zäpfchen. Ich glaube das so was heute undenkbar ist.
Ihr Mann hat sich nicht um ihre Probleme gekümmert. Ich kann mich nicht daran erinnern, das meine Mami mal gelacht hat. Sie war ständig niedergeschlagen und traurig, und das über viele Jahre hinweg. Ich denke auch heute noch manchmal, das ich was hätte unternehmen müssen, aber sie wollte sich nicht helfen lassen. Was hätte ich auch 1970 als 14jähriger unternehmen können? Heute wäre ich erfahrener mit den Hilfs Angeboten,

Alles Gute und Schöne Peter
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Peter1
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Re: Warum ?

Beitrag von Peter1 »

Hallo
@Manu Die Schmerzmittel waren gegen psychosomatische Schmerzen, und zur Beruhigung. Der Hausarzt hat lieber jede Woche ein Rezept geschrieben, als den Grund der Schmerzen zu bekämpfen. Meine Mutter wollte nicht in die Klinik, wegen der dummen Sprüche ihres Mannes, und sie wollte mich nicht mit ihm alleine lassen.
Ich war ungefähr zehn oder elf Jahre alt, bin nachts aufgewacht, und ins Bad gegangen. Als ich an der Tür zum Keller vorbei kam, schien es mir, als ob mich jemand rufen würde, ohne das ich eine Stimme hörte. Auf dem Rückweg das Selbe. Ich öffnete die Tür, und sah die Axt im Hauklotz. Ich nahm sie, drehte mich um, und meine Mutter stand vor mir.“Wo willst du denn mit der Axt hin“? Ich schaute nur die Treppe zum Schlafzimmer hoch, und sie wusste Bescheid. Sie nahm mir die Axt aus der Hand, und wir setzten uns in die Küche, um zu reden. Sie hat meinem Vater nie von dem Vorfall erzählt.
Wenn im Kopf eines Zehnjährigen solche Gedanken auftauchen, stimmt entweder mit dem Jungen, oder seinem Umfeld etwas nicht. Ich habe bis heute nicht heraus bekommen, welche von den beiden Möglichkeiten zutrifft. Ich bin zwar für die unbedingte Einhaltung der Menschenrechte, aber solchen Menschen wie meinem Vater sollte es unmöglich gemacht werden, Kinder zu zeugen.

Alles Gute und Schöne Peter
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Peter1
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Re: Warum ?

Beitrag von Peter1 »

Hallo
Ich weiß gar nicht, wie ich mein Verhältnis zu meiner Mami beschreiben soll. Sie war mein Mentor, hatte immer einen Rat für mich.Mein Fels in der Brandung, von ihr kamen immer ein paar tröstende Worte, wenn ich traurig war, obwohl ihr auch nicht gerade zum lachen zumute war.
Sie war für mich da, wenn ich sie brauchte. Sie war, außer Carola, der einzige Mensch, der mich geliebt hat. Nur einen Fehler hatte sie. Sie wollte sich nicht von ihrem Mann trennen, aber welcher Mensch ist schon ohne Fehler?

Alles Gute und Schöne Peter
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