Rückzug von den Helfern

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titanic
Beiträge: 362
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Rückzug von den Helfern

Beitrag von titanic »

Hallo,
ich rutsche momentan in eine Situation rein, die ich weder verstehe noch für gut finde, aber ich verhalte mich dennoch so:
Obwohl es mir nicht gut geht, ich instabil bin (mal fröhlich- mal verzweifelt) und regelmäßig abendliche Zusammenbrüche mit Weinattacken und SZ-Gedanken habe, neige ich dazu, mich von meinen Helfern, z.B. dem Arzt-Therapeut, zurückzuziehen, mich zu distanzieren. Ich möchte nicht mehr wirklich über meine Probleme sprechen, stelle an mich selbst die Erwartung, endlich alleine klar kommen zu müssen, aber habe es innerlich aufgegeben, dass es dauerhaft besser wird. Beim Gespräch mit dem Arzt bin ich sehr einsilbig und bringe kaum mehr was davon zum Ausdruck, was ich mir vorher eigentlich vorgenommen habe und in Gedanken so oft durchgespielt habe.
Den nächsten Termin versuche ich, zeitlich möglichst weit nach hinten zu verlegen (worauf kaum eingegangen wird)
Momentan erlebe ich viele Gesprächssituationen sehr belastend und verkrampft. Ich würde am liebsten verstummen...
Doch auch das schaffe ich nicht, ehrlich zu sagen, weil ich keinem wehtun möchte (auch nicht dem Therapeuten).
Seit meiner Klinikzeit vor zwei Jahren bin ich in einer ambulanten Einrichtung, die zu dieser Klinik gehört, in "Nachbehandlung" - daher fühle ich mich ein bisschen wie an einem "Rückholbändchen" (über das Wort dürft ihr ruhig lachen.....)
Ich frage mich, ob es einfach nur Zeit für mich ist, einen Arztwechsel zu machen oder ist's einfach nur eine Krise?
Geht es einigen von euch auch so ähnlich, dass da so ein Widerspruch ist zwischen Hilfesuchen und Rückzug?
Viele Grüße
Titanic
tomroerich
Beiträge: 3102
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52
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Re: Rückzug von den Helfern

Beitrag von tomroerich »

Liebe Titanic ,

schön, dich wieder zu lesen!
Kann es nicht einfach sein, dass Rückzug von den Helfern bedeutet, dass du sie nicht mehr in jeder Hinsicht brauchst? Irgendwann ist alles erzählt, oder? Jedenfalls ging mir das in meiner Thera so. Man kann nicht immer und immer wieder alles durchkauen und das dann noch als hilfreich erleben. Irgendwann nervt es einfach. Oder die Helfer haben sich als nicht hilfreich erwiesen, sie wissen auch nicht so viel, wie man mal gehofft hat.

Lieben Gruß von

Thomas
Betroffene für Betroffene

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titanic
Beiträge: 362
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Rückzug von den Helfern

Beitrag von titanic »

Lieber Thomas,
Ja, mich gibt's auch noch im Forum.
Dir wollte ich schon lange mal an geeigneter Stelle sagen, dass ich es ganz toll finde, dass du hier im Forum auch nach sooo langer Zeit (3 Jahre oder mehr?) auf Beiträge so hilfreich und einfühlsam reagierst.
Ich lese weiterhin öfters mal mit, schreibe auch hin und wieder, aber habe doch ziemlich den Überblick über unsere "Gemeinde" verloren.
Ja, es stimmt schon - das etliche Male in der Therapie Durchgekaute will man irgendwann nicht mehr wiederholen. Ich für meinen Teil komme mir auch recht "blöd" vor, dass ich in vielen Lebensbereichen einfach nicht die Änderungen herbeiführe, die endlich zu einer dauerhaften Zustandsverbesserung angesagt wären.....Dabei hat mir der Therap. in keinster Weise das zu verstehen gegeben: Im Gegenteil versucht er mich immer wieder auf die winzig kleinen Schritte aufmerksam zu machen, die ich (angeblich) gemacht habe und an die ich selbst gar nicht glaube.
Es gibt noch so viel zu erarbeiten und trotzdem wird man vorher müde, will einfach mal unbeschwert vor sich hin leben, doch die Depri schnappt einem immer wieder dann am Ärmel, wenn du nicht mehr damit rechnest....
Viele liebe Grüße und dir alles Gute
die ewig mit Eisbergen kollidierende Titanic
like_a_jojo
Beiträge: 3
Registriert: 13. Sep 2004, 02:28

Re: Rückzug von den Helfern

Beitrag von like_a_jojo »

Vielleicht brauchst Du dringend eine medikamentöse Therapie. Diese ganzen Analytiker raten gerne davon ab, doch oft bringen erst Antidepressiva/Lithium in einem das Ich und die Lust am Leben zurück, man sieht alles viel klarer und... man ist endlich fähig zu handeln
tomroerich
Beiträge: 3102
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52
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Re: Rückzug von den Helfern

Beitrag von tomroerich »

Liebe Titanic,

vielen Dank für die Positiv-Rückmeldung

Dein Thera hat sehr wahrscheinlich Recht mit seiner Einschätzung. Auch ich habe erst Jahre nach meiner Stabilisierung rückblickend erkennen können, dass ich mich verändert habe- und zwar gewaltig. Man wird ja kein anderer Mensch- der Blick aufs Leben wird ein anderer und man gewinnt andere Überzeugungen. Und weil Überzeugungen und Glaubenssätze darüber bestimmen, wie wir handeln, ändern sich die Verhaltensweisen sozusagen als Nebenwirkung mit. Genau das merkt man selbst gar nicht so sehr, weil es einem nicht auffällt- Überzeugung und Handeln sind ja im Einklang. Die anderen merken es eher als wir selbst.

Ist die Titanic zum Eisbrecher geworden?

Lieben Gruß

Thomas
Betroffene für Betroffene

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girasol
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Registriert: 9. Jan 2004, 23:10

Re: Rückzug von den Helfern

Beitrag von girasol »

Hallo Titanic,

mir hilft es oft, einen Vergleich anzustellen, wie ich vor der Thera reagiert hätte und wie heute. Ich habe früher oft eher agiert als wirklich reagiert. Für mich beinhaltet reagieren, nachdenken über das, was ausgelöst wurde oder wird durch ein bestimmtes Verhalten von meiner Seite. In vielen Fälle hätte ich viel schneller und natürlich auch spontaner (klingt viel positiver als unüberlegter) reagiert besser gesagt agiert. Durch diesen Vergleich konnte ich erkennen, wie sich mein Verhalten verändert hat. Das ist natürlich nicht immer so leicht wie es sich hier ließt, aber immer wenn ich mich in einer für mich schrecklichen Situation befand, dann habe ich mir eine Karteikarte herausgenommen, auf der stand, was ich jetzt machen kann, so eine Art Verhaltenskonzept, was ich mir vorher genau überlegt habe. Das ist wie beim Autofahren, bevor du losfährst, mußt du den Schlüssel reinstecken. Und auch ich wollte irgendwann nicht mehr zur Thera, weil alles wichtige gesagt war, und ich auch endlich wieder auf "eigenen" Beinen stehen wollte. Das ist ein bischen wie bei den Eltern, irgendwann ist man "flügge" und dann will man losgehen. Es ist immer nur ein Zeitabschnitt, und mein Thera hat es immer mir überlassen, wann der Zeitpunkt ran ist. Natürlich hatte ich auch Angst, diesen Schritt zu tun, weil ich dachte, ich kann dann nicht mehr zurück, aber das stimmt jedenfalls bei mir nicht, ich kann jederzeit anrufen, und wir finden einen Termin. Hat jedenfalls beim letzten Mal super geklappt.

Ciao Girasol
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