Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

FrauAnonym
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Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von FrauAnonym »

Hallo zusammen,

die liebe juli hat mich auf die Idee gebracht darüber zu schreiben, wie das Leben in Level 2 (wenn man über den Berg ist) aussehen kann.
-> das Zitat wird nachgeliefert

Deshalb möchte ich Euch hier einmal erzählen, wie es mir heute im Gegensatz zu früher geht, und, weshalb ich denke, dass ich über den Berg bin. Meine Geschichte ist natürlich rein individuell und kann bei jedem anders aussehen. Ihr dürft selbstverständlich kritisch sein und alles in Frage stellen. Ich halte das aus. :)

Der goldene Mittelweg:
Ich schwanke nicht mehr zwischen extremen Gefühlen oder extremen Einstellungen. Es gibt nicht nur schwarz und weiß, sondern 100 Tönungen dazwischen.

Schlechte Tage:
Auch, wenn ich mich selbst für gesundet halte, habe ich miese Tage oder Stunden. Tja, so ist das Leben eben. Kein Tag ist wie der andere und man kann nicht jeden Tag fröhlich sein - auch nicht, wenn man gesund ist.

panta rhei - alles fliesst:
Veränderungen sind normal und gehören einfach zum Leben dazu. Auf Dauer bleibt gar nix, wie es im Moment ist. Es gibt zwar einen roten Faden im Leben, aber keinen Hafen, in dem das eigene Schiffe für immer ohne Änderung des Wetters oder der gesellschaftlichen Verhältnisse oder was auch immer vor Anker gehen kann.

Perfektion:
Ich erwarte von mir nicht mehr, perfekt zu sein. Mein Motto: "Keiner kann alles, aber jeder kann irgend etwas". Warum sollte also ausgerechnet ich perfekter sein, als alle anderen Menschen auf diesem Planeten? Mir ist nämlich noch niemand begegnet, der immer alles richtig macht - nur viele Leute, die das von sich glauben. ;)

die Vergangenheit ist passé:
Klar, ich hätte gern auf die eine oder andere Erfahrung in meinem Leben verzichtet, aber das geht nun mal nicht. Außerdem weiß ich nicht, ob ich dann heute zufriedener mit meinem Leben wäre. Also: die Vergangenheit ist vorbei. Die Gegenwart und die Zukunft zählen.

Scham oder Schuldgefühle sind meistens blöd:
Ich schäme mich für so gut wie nix mehr. Wozu auch? Ich brauche nur die Nachrichten zu lesen und sehe, dass es so viele andere gibt, die viel mehr Grund haben sich zu schämen.
Für Schuldgefühle gibt es ebenso selten einen echten Grund. Es wurde mir meistens nur eingeredet, dass ich für alle möglichen Menschen oder Sachen Verantwortung trage. Ich trage Verantwortung für mein Leben und mein Kind. Alles darüber hinaus ist Kür.

Achtsamkeit:
Ich achte darauf, dass mich andere nicht mehr benutzen oder aussaugen (ich nenne diese Leute Seelenvampire). Dabei verliere ich nicht aus den Augen, dass nicht alle so sind. Ich differenziere da sehr stark. ;) Ich behalte also meine Grenzen im Blick und sorge dafür, dass niemand diese Grenzen überschreitet. Wer es dennoch tut, kriegt von mir Saures. :D

Hilfsbereitschaft:
Ich helfe unverändert gern Menschen, die Hilfe benötigen, aber ich lasse mich nicht mehr ausnutzen (egal, ob von den anderen bewußt oder unbewußt herbeigeführt). Leute, die nur nehmen und nicht geben können, fliegen rigoros aus meinem Leben. Hilfe zur Selbsthilfe ist das Motto oder eben Gegenseitigkeit.
Ausnahme: Für mein Kind wäre ich jederzeit ohne Einschränkung bereit alles zu tun - auch weit über meine eigene Leistungsgrenze hinaus. Jedes liebende Elternteil wird mich da hoffentlich verstehen. ;)

Selbstwert:
Ich weiß, was ich kann und, was ich nicht kann. Mit dem Ergebnis bin ich unter dem Strich zufrieden. Warum sollte ich von mir also was verlangen, was ich eben nicht kann?

Toleranz:
Genau wie ich es nicht bin, ist auch sonst niemand perfekt. Also lasse ich die anderen ihre eigenen Entscheidungen treffen und mische mich gewöhnlich nicht ein. Wenn mich jemand nach meiner Meinung fragt, sage ich diese. Dabei bleibe ich jedoch bei mir und sage lediglich, wie das Verhalten des anderen auf mich wirkt.

Humor:
Viele Situationen lassen sich durch Humor (auch Galgenhumor) und Selbstironie bewältigen. Lachen ist gesund. :)

So, das wäre es, was mir spontan so einfällt. Ich bin mal gespannt, ob und ggf. was Ihr dazu meint.

Lieben Gruß an Euch alle. *knuddel*
holleridudödeldi
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Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von holleridudödeldi »

Salve Frau Anonym und salvete alle anderen,

dieses Thema ist sehr interessant: Ab wann weiß man eigentlich, dass man es geschafft hat? Habe ich es geschafft? Wir sind wohl alle Wanderer in Seelenlandschaften und tragen mehr oder weniger schwere Rucksäcke mit uns herum. Manche werden mit der Zeit leichter. Doch verschwinden sie ganz?

In meinem Rucksack befindet sich eine Dysthymie – Fremdworte wiegen extra. Es hat lange Jahre gedauert, bis mir klar wurde, dass das, was ich mit mir schleppe, eine Krankheit ist. Mein Arzt gab mir mit auf den Weg, sie nicht zu unterschätzen. Er lächelte und meinte, zwischen schwer und chronisch gäbe es nur einen Unterschied: Beide sind lebensgefährlich, bei der chronischen dauert es nur länger. Dies hieß also: Pass auf Dich auf, geb auf Dich acht. Auch wenn es noch so schwer ist.

Nach einer längeren Zeit der Therapie und einer dann doch medikamentösen Einnahme kam plötzlich ein Lichtstrahl, eine solche Veränderung, die ich nie mehr erwartet hatte. Dabei war das Medikament nur Laif 900. Aber wie dem auch sei: Ich war dankbar. Denn plötzlich war das, was mir schwer fiel, nur eine Übung. Ich sah, dass diese Gesunden um mich herum ja gar keine Titanen waren, sondern ich ebensolches locker schaffen konnte. Ganz im Gegenteil kam es mir so vor, als ob die Depression mich in Zähigkeit und Kraft so gestählt hatte, dass ich locker mit ihnen, den Gesunden, mithalten konnte. Oder sie sogar abhängte. Veränderungen waren Herausforderungen, die ich mit Neugier annahm wie ein Kind, das nur nach dem nächsten Hindernis auf der Wiese sucht, weil Geradeauslaufen schlicht zu langweilig ist. Eine tolle Zeit.

Leider blieb es nicht so. Warum? Ich weiß es nicht. Ich hatte den Eindruck, dass das Medikament zwar nach einem Jahr und in den Folgejahren durchaus noch wirkte, aber nicht mehr so, wie in den ersten zwölf Monaten. Es wurde wattiger, die Spitzen ebneten sich ein und irgendwann beschloss ich, auf Laif zu verzichten, damit ich die Wirklichkeit härter spürte.

Es ging erstaunlich gut. Geholfen hatte mir sicher auch noch einmal eine zweite Therapie. Die Ärzte, die ich hatte, waren für mich wie Bergführer, die mir das alpine Gehen im Gelände beibrachten. Ich lernte, mit den Auf und Abs umzugehen. Und übe es immer noch.

Habe ich es also geschafft? Leider ist eine chronische Depression, die man schon aus der Jugendzeit unerkannt lange Jahre mitschleppte, wohl eine hartnäckige Angelegenheit. Immer wieder kommt es zu depressiven Wellen, von denen ich gelernt habe, mich nicht gegen sie zu stellen, gegen sie anzukämpfen und Energie zu verschwenden, sondern mitzugehen, um dann aus ihnen seitlich zu entkommen. Was mir nach wie vor zu schaffen macht, ist der Verlust von Lustigkeit. Darunter ist die Freude zu verstehen, die einen im normalen Leben begleitet, wie ein treuer Dackel. Ich empfinde sie kaum und kann zum Beispiel in der Gemüseabteilung meistens nichts kaufen, da ich spontan Lust zu nichts habe. Das ist dann frustrierend, wenn man nach der Mühe, dort überhaupt hinzugehen, mit einer großen Tüte Nichts nachhause fährt. Lautstärke, aber auch Veränderungen im Trott des Alltags sind manchmal für mich Überreizungen und führen zu depressivem Unwohlsein. Dabei geht einher, gern den Alltag verändern zu wollen: Doch nur wie?

Habe ich es also geschafft? Ich habe in den gesamten Jahren nie meinen Beruf aufgegeben. Die Angst, dann den Boden unter den Beinen zu verlieren, war zu groß. Allerdings bleibt dadurch wenig Energie übrig. Habe ich es also geschafft?

Mir kommt meine Seelenlandschaft wie ein Gebirge vor. Und ich muss wohl akzeptieren, dass ich die Weiten moderater Steppe niemals erreichen werde. Bin ich über dem Berg steht vor mir schon wieder ein Neuer. Das zu akzeptieren, ist aber vielleicht auch ein Zeichen von Gesundung.

Ein herzliches hollderidudödeldi an alle Wanderer
FrauAnonym
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Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von FrauAnonym »

Hallo holle, :)

bei mir ging es mit Depression mit ca. 13 Jahren los (das weiß ich aus meinen alten Tagebucheinträgen von damals). Inzwischen bin ich 56 Jahre alt und noch gar nicht so lange über den Berg. Also habe ich auch einen ziemlich langen Weg hinter mir. :)

Mir ist im Moment eigentlich egal, ob ich jetzt wirklich geschafft habe, den bösen Berg Depression zu besteigen/überwinden. Mir geht es so gut, wie nie zuvor und ich fühle mich innerlich gut (stabil, ausgeglichen, selbstbewußt, widerstandsfähig). Wenn das in 1-2 Jahren oder wann auch immer mal wieder anders ist, dann werde ich mich erinnern, dass ich es schon einmal geschafft habe und werde es wieder schaffen. Ich lasse mich nicht mehr stoppen.

Ich sag es mal mit Gloria Gaynor (nach all den Jahren immer noch ein genialer Song!):

I am what I am
I don't want praise, I don't want pity
I bang my own drum
Some think it's noise, I think it's pretty
And so what if I love each sparkle and each bangle
Why not try to see things from a different angle
Your life is a sham
Till you can shout out
I am what I am

I am what I am
And what I am needs no excuses
I deal my own deck
Sometimes the aces sometimes the deuces
It's one life and there's no return and no deposit
One life so it's time to open up your closet
Life's not worth a damn till you can shout out
I am what I am

I am, I am, good
I am, I am, strong
I am, I am somebody
I am I do belong
I am, I am, good
I am, I am, strong
I am, I am somebody
I am I do belong
I am, I am, useful
I am, I am true
I am, I am worthy
I am as good as you
I am, I am, useful
I am, I am true
I am, I am worthy
I am as good as you
"Ich gönne mir den Luxus einer eigenen Meinung."
Unhappy38

Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von Unhappy38 »

Hallo Frau Anonym und Holle (ich hoffe die Abkürzung ist okay),

das was ihr geschrieben habt, berührt mich und gibt mir Hoffnung. Mir wurde erst vor vier Monaten Dysthymie diagnostiziert und ich begreife das alles noch gar nicht so richtig. Probleme habe ich immer wieder, seit meiner Jugend. Richtig begreifen, dass ich krank bin, kann ich immer noch nicht. Ich finde es sehr schön von dir zu lesen, Frau Anonym, wie viele positive Dinge du aus den ganzen Erfahrungen ziehst. Auch bei dir Holle finde ich, dass das eine sehr gelassene Art ist, damit umzugehen. Ich habe den Eindruck, dass ihr die Krankheit als Teil eures Lebens akzeptiert habt und damit leben könnt.

Da bin ich leider noch weit davon entfernt. Habe extreme Stimmungsschwankungen, Tage, die neutral bis ganz gut sind und dann Tage, in den ich völlig abstürze und mein ganzes Leben anzweifele. Was kann und sollte ich verändern, was sollte ich einfach akzeptieren? Das ist die große Frage, die mich momentan beschäftigt. Sollte ich den Kontakt zu meiner Mutter abbrechen, weil sie mir eine schlimme Jugend beschert hat und ich ihr bis heute nicht verzeihen kann? Oder sollte ich vielmehr versuchen, ihr zu verzeihen? Wenn ich mich völlig isoliere, jeden von mir weg stoße, geht es mir bestimmt nicht besser... oder doch? Das sind alles so Dinge, die ich noch rausfinden muss. Jedenfalls macht es mich ein bißchen optimistisch zu lesen, dass andere es auch geschafft haben... vielleicht schaffe ich es dann auch, meinen Weg zu finden.

Alles Gute euch beiden,
unhappy
juli74sara
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Registriert: 3. Mai 2019, 21:50

Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von juli74sara »

hallo liebe gipfelstürmer!

die punkte, die anonym auflistete, sind nahezu identisch mit meinen punkten. bis auf die seelenvampire, da hapert es noch ein bißchen. ich finde jedoch momentan heraus, ob eine bestimmte, wichtige person ein solcher ist und falls ja, was machen? mir fiel nichts besseres ein als eine auszeit, in der ich prüfe, wie es mir ohne ihn geht. soweit erstaunlich gut :P fazit: probleme müssen nicht sofort gelöst werden und müssen trotzdem nicht alles andere überschatten.

was mir noch probleme bereitet, ist dieses beklommenheitsgefühl, das mich zwischenzeitlich überkommt. ich vermute, es ist dieses mißtrauen der gesundung gegenüber. ein mißtrauen gegenüber dem guten. bin ich ausgeschlafen und fühle mich kräftig, dann schaffe ich es, es in die schranken zu verweisen. habe ich eine schlaflose nacht und einen tranigen tag hinter mir, versuche ich es lediglich hinzunehmen.

ich habe ein bißchen "beschlossen", daß ich jetzt geheilt bin. ich weiß nicht mehr wer jetzt das überwinden der depression mit einem trockenen alkoholiker verglichen hat. der gedanke kam mir schon selbst in den sinn und so sehe ich das auch. das ich lediglich eine kandidatin bin und mehr auf der hut sein muß, als andere.

was mich jedoch bestärkt in level2 modus ist die tatsache, daß ich mich wieder so richtig freuen kann, mich richtig hineinsteigere in meine "projekte". gut, das ist meiner persönlichkeitsstruktur geschuldet, daß ich zur übertreigung neige und an einer art hinderlichem perfektionismus leide :oops: und so lassen sich diverse tage ziemlich holprig an. mit der achtsamkeit habe ich es auch nicht so.

aktuell habe ich feststellen müssen, daß der tag zu kurz für meine vorhaben und meine energie noch immer begrenzt und meine frustration darüber hausgemacht ist. es geht mir da ähnlich, wie holla es beschrieb...komme mir vor wie ein kind im spielzeugland, plötzlich sind da so viele möglichkeiten und am liebsten würde ich alles gleichzeitig machen.

fühle mich ein bißchen so, wie nach einer grippe, noch ein bißchen geschwächt, aber es geht immer mehr. ich denke nicht mehr so grübelnd tiefsinnig nach, sondern habe freude daran, mir über oberflächlicheren kram gedanken zu machen, z.b. meine haare oder was ich im fitneßcenter anziehen werde :P . ja, im fitneßcenter bin ich ab heute angemeldet, um auch äußerlich wieder in kraft zu sein. so lange hatte ich keine energie dafür und hätte ich gestern nicht so übertrieben mit meinem ausflug, dann hätte ich heute die energie gehabt. aber egal, achtsamer mit der energie haushalten und nicht so streng mit sich sein.

ich muß vermeiden, für alles perfekte voraussetzungen schaffen zu wollen, sondern mit den gegebenheiten arbeiten, die nun mal vorhanden sind.

zu dir holla...ich musste ein bißchen lachen über deine tüte "nichts". vielleicht solltest du so richtig ausgehungert einkaufen gehen? ich habe schon einmal deine taktik angewandt...mich nicht gegen die welle zu stemmen, sondern drunter abzutauchen und seitlich hinaus zu treiben. das hat funktioniert und lässt sich auch auf anderes übertragen, z.b. beklommenheitsgefühl, mißtrauen. wie gesagt, ich habe regelrecht beschlossen, daß es vorbei ist. auf eine gute welle gewartet und die surfe ich jetzt, so lange sie mich trägt...die berge türmen sich immer wieder vor einem auf und es nervt kollosal, da immer wieder drüber zu müssen, obwohl man lieber in der ebene spazieren möchte. aber kann es sein, daß diese berge sich schrumpfen lassen? oder man außen herum gehen könnte? nicht jedes problem muß gleich gelöst werden. ich übe mich gerade im "ich lass`das mal so stehen und kümmere mich später darum" und stelle fest, daß diese berge dann doch garnicht so groß sind und schatten werfen. außerdem, warum muß man denn lustig sein? ich finde deine tüte nichts z.b. sehr lustig. es kann auch möglich sein, wie du sagtest, daß deine arbeit dich sehr fordert und dann keine energie mehr für "ich freu mich jetzt auf das und das" übrig ist.

also ich freue mich, daß es diesen thread gibt und bin gespannt auf die berichterstattungen und diskussionen, wie man seine stabilität am besten beibehalten kann.

p.s gerade las ich noch unhappy: ja, depression als einen teil seines lebens zu akzeptieren hilft. ich wünsche dir viel kraft beim antworten auf deine fragen finden.
"die vergangenheit kannst du nicht ändern, aber das heute so gestalten, daß du morgen eine andere zukunft hast"
Monchen12345
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Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von Monchen12345 »

Hallo zusammen,

Ich frag mich gerade wo ich so stehe. 2.0 ist noch nicht, aber vielleicht so 1,75... Ich orientiere mich mal an den Punkten von Frau Anonym.

Gefühlsschwankungen: ja, es gibt sie noch. Aber eben viel seltener und weniger heftig. Extreme Einstellungen kommen noch mal vor, mir ist es aber bewusst wo es her kommt und ich bemühe mich sehr, das entsprechend zu relativieren. Insgesamt ist das durchs BTZ wieder etwas schlimmer geworden. Die schrieb ich aber auf Stress, Anstrengung und die Veränderungen.

Schlechte Tage: wenn eine Sache schlecht läuft, kann ich damit leben und ich kann das auch entsprechend kompensieren. Aber wenn Mehreres zusammen kommt, wird es schwer.

Veränderungen: größere Veränderungen waren noch nie meins. Ich hab schon immer viel nachgedacht, gelesen, mich informiert, für und wieder abgewogen und mich dann entschieden. Immerhin kann ich wieder Entscheidungen treffen.

Perfektion: da bin ich inzwischen, für meine Verhältnisse, richtig gut drin auch Macken, Kanten, Schönheitsfehler etc. zu akzeptieren und auch die geleistete Arbeit als positiv anzusehen.

Körperliche Symptome: ich schlafe immer noch schlecht. Hab aber inzwischen gelernt, dass ich auch Durchschlafen kann. Nur sobald mich irgendwas beschäftigt, geht das zu Lasten des Schlafes. Dabei idt tatsächlich egal ob das positiv oder negativ ist. Macht mir was zu Schaffen bekomme ich schnell Bauchweh. Der Rücken macht sich auch schnell mal bemerkbar.

Vergangenheit: da gab es nur ein Problem, das ist halt passiert und es kann nicht mehr geändert werden. Da kann auch nichts nehr passieren, weil die andere Person nicht mehr lebt. Ich kann nur meine Einstellung dazu ändern. Das geht inzwischen an den allermeisten Tagen ganz gut.

Scharm, Schuldgefühle, schlechtes Gewissen: ich bin selbstbewusster geworden und schäme ich deutlich weniger. Manchmal staune ich über mich selbst. Schuldgefühle und schlechtes Gewissen werden hinterfragt und ich komme meistens zu dem Entschluss: muss ich nicht haben. Ich sehe auch einiges nicht mehr so eng.

Achtsamkeit: Menschen die mir nicht gut tun halte ich auf sehr viel Abstand. Ich bin auch schneller bereit nen Schlussstrich zu ziehen. Auch merke ich inzwischen viele früher, wenn micv etwas überlastet. Nur an den Punkten Komunikation des Ganzen muss ich noch arbeiten. Da gibt es nen Level, wenn das überschritten wird ist nichts mehr mit reden. Erst wenn ich mich wieder entspannt habe.

Hilfsbereit bin ich weiterhin, aber ich ziehe auch Grenzen. Nehme mir auch das Recht raus mal "Nein" zu sagen wenn mir das nicht passt.

Selbstwert: beruflich, fachlich, handwerklich weiß ich was ich kann, zeig das aber nicht immer. Auch lass ich mich noch beeinflussen. Meine Therapeutin meinte letztens ich soll andere nicht mehr so ernst nehmen und mehr meins machen. Achso und durch Bewerbungen lernen ich gerade meinen Marktwert kennen.

Toleranz: ich war immer schon sehr tolerant. Nur wenn mir einer doof kommt, stellt sich das auch ganz schnell ab.

Humor: ich lache wieder etwas mehr. Ab und an kommt auch mal meine sarkastische Ader wieder durch, aber da war auch halt auch mal mehr.

Medikamente: ich nehme ein AD und würde halt den Versuch starten wollen das zu reduzieren. Mal gucken was der Doc übermorgen sagt.

Techniker-Ausbildung also Abendschule zu schaffen, neben dem Vollzeit-Job, hab ich geschafft. Krank das Ganze durchzuziehen ist nochmal nr andere Nummer. Meinen alten Job hab ich verloren aber ich hab es nicht einr Minute bereut. Mit Erkrankung konnte ich einen Teil meiner Hobbys aufrechterhalten, was mir sehr geholfen hat. Hier will ich auch in Zukunft drauf achten.
Ich hab rezedivierde depressive Episoden. Irgendwann wird es wieder kommen, ich kann nur versuchen, so lang wie möglich gut für mich zu sorgen und schneller zu reagieren.
So das war es spontan dazu.
holleridudödeldi
Beiträge: 6
Registriert: 7. Jun 2019, 22:08

Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von holleridudödeldi »

Salve Unhappy38,

danke für Deine Wünsche, Deinen Wandergruß. So jodel ich zurück und will nur kurz sagen, dass mich die Diagnose erleichterte, damals. Sie gab der Sache einen Namen und entlastete mich: Ich war nicht schuld. Ganz im Gegenteil: Diese Krankheit hat wirklich körperliche Ursachen.

Frau Anonyms Aufstellung könnte man als unverbindliche Checkliste nehmen, mal zu klären, wie man selbst zu den einzelnen Punkten steht. Womöglich erhält man dadurch einen Überblick über die momentane Seelenlandkarte. Oh, ich sehe gerade, es wird bereits so gemacht. Schreibe ich tatsächlich so langsam?

Ich wünsche Dir gute Ärzte, die auch gute Bergführer sind, die Dich über manche Engstelle hinüberführen, vor der allein man zurückgeschreckt wäre. Oder Segellehrer, die Dich lehren, die Flaute, wie den Orkan zu meistern – wenn Dir das Maritime mehr liegt.

Für mich hat das tatsächliche Wandern philosophische Qualität: Du kommst jede Steigung hoch, wenn Du Deinen Rhythmus findest. Denn nur auf diesen eigenen Rhythmus kommt es an. Ob andere schneller sind, ist nebensächlich.

Nichtsdestotrotz: Manchmal bin ich wirklich überrascht, wie es mich noch erwischen kann. Doch dann frage ich mich, ob das für Gesunde nicht genauso schwierig wäre? Ob es nicht ganz natürlich ist, jetzt so oder so zu reagieren? Und gehört man zu den sensibleren Naturen, ist das dann eigentlich noch viel verständlicher. Das soziale Umfeld im Alltag kann herausfordernd sein. Dieser Unsinn, diese Lautstärke. Mit der Zeit wurde mir die Diagnose dieser Krankheit jedenfalls nicht mehr so wichtig. Ich weiß darum, aber ich will mich nicht hinter ihr verstecken. Kann ich Dinge nicht tun, dann will ich das einfach akzeptieren. Denn es ergaben und ergeben sich auch Einsichten, die wertvoll sind. Alles hat eben zwei Seiten. Und so lässt sich manches Mal die Krankheit womöglich einfach für beendet erklären. Ungefähr so wie den Sturm. Dass damit das Wetter nicht aufhört, ist klar. Denn es gehört zum Leben. Es ist das Leben.

Dir einen guten Anfang, einen guten Weg, es ist Deiner ...

holleridudödeldi, dem es egal ist, wie man das hier abkürzt, denn er hat – nach Loriot – wirklich was Eigenes ...
juli74sara
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Registriert: 3. Mai 2019, 21:50

Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von juli74sara »

holleridudödeldi hat geschrieben: holleridudödeldi, dem es egal ist, wie man das hier abkürzt, denn er hat – nach Loriot – wirklich was Eigenes ...
:lol: :lol: :lol: ach komm schon holleridudödeldi...dein humor ist unübersehbar und ich mag deine art zu schreiben so gerne.

@monchen: also diese 0,25 bekommst du bestimmt bald hin, wenn das da in deinem btz nicht mehr ganz so stressig und einnehmend für dich ist. und wer weiß, vielleicht bekommst du aufgrund der bewerbungen auch den job, in dem du aufgehst? kann man für sich selbst nicht sagen: "ich hatte rezidivierende episoden" anstatt "irgendwann wird es wieder kommen"? an seine gesundung zu glauben ist schon mal ein anfang, um es auch tatsächlich zu werden oder sich so zu fühlen. nicht mehr krank, sondern am genesen.
"die vergangenheit kannst du nicht ändern, aber das heute so gestalten, daß du morgen eine andere zukunft hast"
Unhappy38

Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von Unhappy38 »

Hi Monchen,

das mit der Ausbildung neben deinem Vollzeitjob finde ich sehr beeindruckend! Toll, dass du das durchgezogen hast!

Ich kann noch nichts zu dem Thema Level 2 beitragen aber bin froh, dass ich mitlesen kann und neue Denkanstösse bekomme.

"Probleme müssen nicht direkt gelöst werden und müssen nicht alles andere überschatten"... find ich gerade eine sehr hilfreiche Einstellung :-)

Eine gute Nacht euch allen!
Unhappy
Monchen12345
Beiträge: 1873
Registriert: 18. Nov 2018, 23:21

Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von Monchen12345 »

@Unhappy: die Einstellung gefällt mir auch.

@juli72sara: an den Job arbeite ich schon :-)
Ich hab lange gebraucht um so weit zu kommen. Die Chance, dass es zu einer nächsten Episode kommen wird, ist in meinem Fall sehr hoch. So weiß ich und mache mir auch immer bewusst dass ich auf mich aufpassen muss. Ich hatte bei diese Episode ganz öange Probleme mir das überhaupt einzugestehen. Dass ich wieder erkrankt war, war für mich auch ein Versagen. Ich glaube daher, dass das so für mich die realistischere Einschätzung ist, mit der ich auch bei Rückschlägen besser klar komme.
Unhappy38

Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von Unhappy38 »

Guten Morgen Holle,

war gestern auch zu langsam zum tippen und einfach zu müde. Ich mag deine Art zu schreiben auch sehr, du hast nicht nur Humor, du bist auch ein kleiner Philosoph:-) sitze gerade in der Sonne und das Wetter in mir ist bis jetzt auch ruhig. Habe heute meine nächste Therapiestunde und habe etwas Angst davor. Muss es noch schaffen, dem Bergführer richtig zu vertrauen.

Danke für deine berührenden Worte.

Ich wünsche euch allen einen schönen Tag,
Unhappy
Lavendel64
Beiträge: 548
Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo,

das ist ja spannend. Einige mögen mich noch kennen, mein Tief war 2014 und ich stehe jetzt an einem anderen Punkt in meinem Leben.

Ich kann FrauAnonyms Aufstellung -fast- unterschreiben. Ich füge hinzu: Dankbarkeit für das, was mich die schlimmen Tage gelehrt haben. Sie haben mich auf eine gewisse Weise weiter gebracht, mir Nuancen gezeigt, Schönheiten, die ich sonst nie gesehen hätte. Ich hätte nie Erfahren, wie heilsam und erdend es sein kann, einen Baum zu umarmen, Erde durch die Finger rinnen zu lassen.

Schön ist es, Grenzen zu sehen und zu akzeptieren. Merkwürdigerweise wird oft ein "nein" auch akzeptiert - die Erwartungshaltung ist häufig nur die eigene, nicht die der Umwelt.

Doch als Mutter widerspreche ich: auch gegenüber meinen Kindern (die erwachsen sind, vielleicht macht das den Unterschied) gibt es Grenzen. Meine Tür steht offen, doch ihr Leben müssen sie selber leben. Und ebenso ein "nein" meinerseits akzeptieren. Auch Kinder können zu Vampiren mutieren .... Wenn es mir nicht gut genug geht, bin ich auch nicht in der Lage, ihnen zu helfen.

Ich glaube - nach diesen fast fünf Jahren - nicht, dass eine "GEsundung" in dem Sinne möglich ist. Die Veranlagung, zu viel von sich selbst zu wollen, ist vorhanden und lässt sich nicht weg therapieren. Für mich empfinde ich, dass ich immer achtsam sein muss - mehr als andere. Und täglich in mich hinein horchen, wie es mir geht und welche Hürden möglich sind und welche nicht. Ich brauche mindestens zwei freie Nachmittage pro Woche und die verteidige ich wie ein Löwe. Manchmal merke ich, w ie die Zügel mir aus der Hand gleiten, dann heißt es ... Stop und wieder auf dem Regiestuhl des Lebens Platz nehmen. Denn nur ich als Regisseur entscheide, was ist und was nicht.


LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
juli74sara
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Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von juli74sara »

hallo!

@monchen: ich hoffe, du siehst es mittlerweile nicht mehr als versagen an, wieder in eine depressive episode gefallen zu sein. das klingt so hart mit sich selbst. früher habe ich es auch nicht so verstanden, daß ich krank war, erst im rückblick und während der therapie, wurde mir bewusst, was überhaupt mit mir los ist. also so ähnlich, wie dein sich selbst nicht eingestehen wollen. so verstehe ich jetzt besser, daß du eine weitere episode nicht ausschließt, um dich einfach besser zu schützen? so, in etwa?

ich hoffe nämlich, daß meine gesundung per "beschluß" nicht nur so lange hält, wie mein leben einigermaßen in ordnung ist...sondern auch, wenn es wieder schwierig wird. hmmmm. interessant, interessant...diese verschiedenen "taktiken" 8-) aber allen ist achtsamkeit gemeinsam und da erkenne ich ein defizit bei mir. aber als versagerin sehe ich mich nicht mehr, seit ich im forum aktiv bin und so viel erfahren habe über das thema depression.

@lavendel: auch ich habe erst kürzlich mal "nein" gesagt, bzw. eine ganze latte an bedingungen gestellt, mit der erwartung, daß darauf eh nicht eingegangen wird. aber mir war wichtiger, daß ich mich das mal getraut habe! und tatsächlich...bedingungen wurden akzeptiert :P . ermutigt durch diese erfahrung werde ich das nun immer machen, wenn etwas über meine grenzen hinaus geht.

da komme ich wieder zur achtsamkeit...ich sehe meine grenzen erst, wenn ich sie selbst überschreite :roll: sei es nun physisch oder emotional. das will ich auch abstellen in zukunft und mir mehr ruhe gönnen. also meine tage so planen, daß wirklich mal tage gibt, an denen ich nichts zu tun habe. an denen offenheit für spontanität ist.

in der natur zu sein ist mir auch extrem wichtig, das ist in der großstadt zwar mit fahrerei verbunden, aber momentan habe ich hierfür zeit...und dafür bin ich dankbar. auch, daß ich in der ersten welt lebe, in der man hilfe findet und unterstützt wird, wenn man nicht "einwandfrei funktionstüchtig" ist ;)

na ja, an seiner veranlagung kann man schon arbeiten. zuviel von sich selbst zu verlangen, ist ja keine krankheit, sondern eine verhaltensweise, die man sich im laufe des lebens antrainiert hat. ich möchte solche verhaltens- und denkweisen, die eine depression nähren könnten, sanft umleiten, damit ich weiter stabil bleibe und gesund werde. ich kann für nichts garantieren, das leben kann für nichts garantieren, aber ich persönlich, möchte dem gedanken an eine mögliche, weitere episode nicht soviel raum geben.

ich wünsche allen einen schönen, achtsamen abend!
"die vergangenheit kannst du nicht ändern, aber das heute so gestalten, daß du morgen eine andere zukunft hast"
FrauAnonym
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Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von FrauAnonym »

Huhu Lavendel,

mein Kind ist erst 11 und ich bin 56 - zudem bin ich die Einzige (Familie, Verwandte, Paten), die er hat. ;) Jetzt, da ich ihn noch erziehe, achte ich darauf, dass er Grenzen von anderen akzeptiert und diese Grenzen auch selbst setzt. Und - altersgemäß - klappt das auch gut. :D Fakt ist aber, wenn mein Kind jemals in eine Notlage käme, würde ich alle Hebel in Bewegung setzen, um ihm zu helfen. Da ich inzwischen über ein gutes Maß an Lebenserfahrung verfüge (*hüstel* und *angeb*), würde ich wohl Mittel und Wege finden, die meine Selbstaufgabe nicht verlangt. Vielleicht habe ich mich da etwas sehr übertrieben ausgedrückt. *hihi* Ich bin einfach so froh darüber, wie er sich entwickelt und, dass ich wohl bei der Erziehung einiges richtig gemacht habe. Darauf bin ich sogar ein wenig Stolz, da ich keine Vorbilder hatte, denen ich hätte nacheifern können. Er ist einfach ein toller Junge. ;)

lG FA
juli74sara
Beiträge: 469
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Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von juli74sara »

also mein hund ist bisweilen ein ganz schöner klotz am bein :D aber den liebe ich so sehr, daß ich das schon irgendwie hinbekomme...ist halt mein "hundekind", leider sind ihm meine grenzen ziemlich wurscht, er will gassi, schmusen und möglichst dauernd bei mir sein. mit kind hat es bei mir nicht geklappt, was mir sehr weh tut, deshalb verstehe ich frauAnonym total und ich würde es ganz genau so machen, wenn ich vielleicht doch noch super spät mutter werden würde :P
"die vergangenheit kannst du nicht ändern, aber das heute so gestalten, daß du morgen eine andere zukunft hast"
FrauAnonym
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Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von FrauAnonym »

Liebe juli,

wie gesagt war ich 45, als ich Mutter wurde. Mit 40 hatte ich das Thema irgendwie abgehakt und mich nicht mehr damit beschäftigt. Ist schon merkwürdig, wie das Schicksal manchmal spielt. :D Aber, ich verstehe vollkommen, dass ein Haustier zum Kind-Ersatz wird ... ich hatte nämlich im Laufe der Jahre eine Menge Katzen. *löl*

@ Lavendel ...
Zum Thema "Dankbarkeit" ... das ist bei mir eine echte schwierige Sache ... vielleicht definiere ich das falsch ... keine Ahnung. Also, ich bin durchaus fähig mich an Dingen, Menschen oder Situationen zu erfreuen - aber dankbar? Nein, nicht wirklich. Es gibt 3 Menschen, für deren Existenz ich wirklich dankbar bin: meine liebe Oma, mein süßer Sohn und die Grundschullehrerin meines Sohnes, die mich damals "erkannt" hat und mir eine Therapiestelle bei einer hervorragenden Therapeutin besorgt hat. Darüber hinaus empfinde ich keine Dankbarkeit. Finde ich aber auch nicht weiter schlimm. :D

Es gibt noch etwas, wozu ich einfach nicht fähig bin: Bewunderung. Wenn Menschen etwas Großartiges leisten, finde ich das super oder cool oder so. Aber, ich kann niemanden bewundern. Mmh, wenn ich Einstein mal treffen und mich mit ihm austauschen könnte, würde sich das vielleicht ändern. Möglich ist es. Ansonsten sehe ich schwarz. ;)

lG an Euch alle :)
"Ich gönne mir den Luxus einer eigenen Meinung."
juli74sara
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Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von juli74sara »

ich bewundere auch niemanden, ich denke, das ist eher so eine redensart oder? genau so wie man sagt "ich liebe meine spülmaschine". natürlich liebe ich meine spülmaschine nicht :lol:

ja, ist auch schon mein dritter hund, nach den 2 katzen...wer weiß, wer weiß...vielleicht wird es ja noch was ;)

so, ich bin erledigt, denn ich war beim sport und das war super. hatte so ein weinerliches glücksgefühl, als die mucke anging und ich die hanteln hochstemmte..vor lauter freude, das ich es geschafft habe, tatsächlich wieder lust auf sport zu bekommen. noch eine bestätigung für level2.

sayonara ihr lieben!
"die vergangenheit kannst du nicht ändern, aber das heute so gestalten, daß du morgen eine andere zukunft hast"
GiseEli
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Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von GiseEli »

....nur SOVIEL:

ein spitze Thread, in dem ich gerne lese.
Jeder, der sich die Fähigkeit erhält,
Schönes zu erkennen,
wird nie alt werden.


Franz Kafka
Lavendel64
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Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo,

ja, die Achtsamkeit ... Grenzen erkennen lernen ,das Thema möchte ich nochmal aufgreifen.

Ich merke es inzwischen, wenn die Überlastung einsetzt. Es ist ein Unwohlgefühl, eine Überforderung, die dich spüre. Wenn es geht, suche ich ein "stilles Örtchen", um fünf Minuten durchzuschnaufen und ganz bei mir zu sein. Wenn nicht, dann schicke ich einen Gedanken "durchhalten jetzt!" und nehme die nächste Gelegenheit zur Pause wahr.

Grundsätzlich plane ich meine Wochen mit viel "Leerlauf", der entweder auch Leerlauf bleibt oder, wenn ich mich gut fühle, auch ausgefüllt wird. Aber das entscheide ich, wenn es soweit ist.

Was mir zusätzlich hilft, ist ein Innehalten morgens und abends. Morgens, um darüber nachzudenken, welche Herausforderungen anstehen ("Das wird ein emotional schwerer Tag, aber ... abends ist Zeit für eine leckere Pizza" und abends, um zu reflektieren ("hast du aber prima hingekriegt"). Morgens ein kurzer Blick in den Spiegel, ganz bewusst mit einem Lächeln in den Tag starten. Abends drei gute Dinge aufzählen und mit dem GEdanken (möglichst) einschlafen.

Aber das Wichtigste war wirklich, ein Gespür zu entwickeln für das, was machbar ist und was nicht. Da rutsche ich aber heute noch aus, weil sich das Umfeld nicht planen lässt.

LG Lavendel
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undansonsten
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Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von undansonsten »

schöner Thread, der mich sehr bereichert. Danke dafür.
juli74sara
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Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von juli74sara »

:hello: hello, inspiriert durch frauAnonym könnte man ja dem thread noch die kategorie lebensqualität beifügen, so als gemeinschaftsprojekt ;) was der ein oder andere so macht, um sein level2-leben um ebendiese zu bereichern. also dann fange ich mal an:

"lebensqualität"

1. ich habe mich im fitneßcenter angemeldet und mache jetzt sport
2. ich mache meinen mund auf, wenn mir etwas nicht passt
3. ich plane mehr leerlauf in meinen alltag ein

und ihr so?

auch heute wieder ein runder tag, mit ausgeglichenem leerlauf - mich mal wieder meinem tagebuch gewidmet - und verpflichtungszeitrahmen ( was für ein wort :lol: ). viel gequasselt heute und genieße jetzt die ruhe in meinen 4 wänden. ausgeglichenheit ist doch was schönes...

@giseli: schön, daß du hereingeschneit bist :P
@lavendel: auf die idee mit dem "leerlaufzeit" einplanen, hast du mich gebracht...und tatsächlich: ist schöner so!
@undansonsten: das freut mich im herzen, wenn du das gerne liest...und das hoffnung gibt
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cookie80
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Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von cookie80 »

da schließe ich mich gern an und füge meine 3 Lebensqualität Punkte hinzu:

1. ich spiele weiter mit Leidenschaft Footvolley
2. ich gehe jetzt mit meinem wundervollen Mann essen
3. ich bin gut so wie ich bin

wünsche euch einen schönen Abend, c.
"Wenn du an den Punkt kommst, wo du niemanden mehr beeindrucken musst, wird deine Freiheit beginnen."
Lavendel64
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Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von Lavendel64 »

Lebensqualität:

1. Gärtnern einschließlich "Therapierupfen" ... ohne Verpflichtung, einfach nur soviel wie Spaß macht.
2. Samstag Nachmittag auf dem Hundeplatz, Spielen, Training und vor allem nette Leute. Ich habe gelernt,
diesen Termin als meine Zeit zu reservieren und andere Verpflichtungen rigoros abzulehnen. Das tut so gut
3. Malen ... und das Highlight, als meine Kollegen die Bilder gerahmt und ins Büro gehängt haben.
4. Schreiben. Nichts ist schöner als heimzukehren und ein Brief wartet - von irgendwem in der Welt.
... oder einfach mal ein Seriennachmittag vor dem TV ohne schlechtes Gewissen.
LG Lavendel
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juli74sara
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Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von juli74sara »

@cookie: ich musste tante google erstmal fragen, was footvolley eigentlich ist..möööönsch, was für eine dynamik :D

@lavendel: "therapierupfen" hört sich gut an...so ein eigener garten ist ein traum von mir :) und überhaupt, mit dem hund in die "schule" zu gehen! zu sowas bin ich immer zu faul :oops: dabei könnte mein hund wirklich einen abschluß machen. malen und zeichnen...wow, das mache ich aus unerfindlichen gründen einfach nicht, obwohl hier alles ist. farben, leinwände, pinsel, etc. das ist noch so eine baustelle, so eine komische "sperre" in mir, um die ich herumgeistere. alles mögliche mache, nur nicht das. vielleicht kommt das ja bald. und wieder einmal lavendel, drückst du bei mir einfach knöpfe :) aber die richtigen!

liebe grüße!
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Lavendel64
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Re: Level 2 - ein mögliches Leben nach der Gesundung

Beitrag von Lavendel64 »

@juli74sara: Beim Malen ergeht es mir ähnlich - ich finde, das ist ganz schwer in den Alltag zu integrieren. In der Klinik damals war viel Zeit. Im letzten Jahr habe ich noch einen ambulanten Therapie-Malkurs in der Klinik genehmigt bekommen. Man fährt hin mit dem Vorsatz: jetzt habe ich Zeit für mich und zum Malen.
Hier zu Hause: schwierig. Auch hier ist alles da, aber man muss es hervorholen, anfangen ... und weiß im voraus, dass man viel Zeit braucht. Es lohnt sich nicht für eine Viertelstunde. Oder es ist die Unruhe durch Familienleben drumherum ... etwas anderes ist wichtiger ...

Mir half dabei der Spruch "alles hat seine Zeit". Im Winter wird wieder mehr Malzeit sein, im Moment lastet der Garten gut aus und therapiert ebenso gut. Das Therapierupfen macht übrigens aus einer ehemals lästigen Sache etwas Positives.

Der Hund, tja ... ich habe seit 25 Jahren Hunde ... und bin zum ersten Mal an einen Platz geraten, wo ich gerne hingehe und auch den Ehrgeiz hatte, etwas durch zu ziehen. Ansonsten ... kann man ja auch zu Hause vieles mit dem Hundi machen. Suchspiele oder einfach (wenn faul!) "Kontaktliegen". Fördert die Bindung.

LG Lavendel
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