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Ratlos

Verfasst: 1. Jun 2019, 18:26
von Windhauch
Hallo Ihr,

seit geraumer Zeit lese ich hier im Forum mit und mache mir viele Gedanken dazu. Ich befinde mich in einer Beziehung mit meinem Partner seit fast 1 Jahr. Er ist in der Zeit arbeitslos geworden und dadurch in eine tiefe Krise gestürzt. Mittlerweile ist es bei ihm so, das ihm jegliche Gespräche mit mir, Lebensmittel einkaufen usw komplett überfordert. Da er mit dieser Überforderung kaum umgehen kann wird er extrem wütend und zerstört alle möglichen Dingen Handys usw.

Er ist in einer Therapie und nun hat ihm die Therapeutin gesagt, wenn er noch weitere Dinge kaputt macht beendet sie die Therapie. Er hatte erst vor kurzem wieder angefangen täglich Aufgaben nachzugehen und etwas Hoffnung zu finden und dann kommt sie mit sowas an. Durch die DEpression haben wir in unserer Beziehung ein recht hohes Konfliktpotential und nun sieht es so aus, das er mich erstmal nicht mehr sehen möchte. Ich kann das alles nicht nachvollziehen, da er sich mit Freunden treffen kann und sich dafür Zeit nimmt aber für mich nicht.

Ich weiß also zur Zeit echt nicht mehr was ich tun kann oder sollte. Danke, das ich mir meinen Frust und meine Trauer von der Seele schreiben konnte. Es tut mir leid, falls es etwas unklar ist. Meine Gedanken dazu sind einfach ziemlich wirr.

Vielleicht hat jemand ähnliche Erfahrungen und kann mir Tipps geben. Ich habe mich mit Literatur schon auseinandergesetzt aber bisher nichts brauchbares gefunden.

Re: Ratlos

Verfasst: 2. Jun 2019, 22:06
von Candless
Liebe Windhauch,

ja, die Depression hat leider viele Gesichter und ist sehr tückisch und für alle belastend.

Eine Frage, die sich mir stellt, ist, wird er auch dir gegenüber aggressiv? Denn dann musst du die Notbremse ziehen, meine ich und dich selbst schützen.

Falls er "nur" Gegenstände zerstört, das passt schon ins Bild. Irgendeine Form von Aggressivität ist ja leider meistens dabei, gegen sich selbst (Zerstörung von Beziehungen und eigenen Lebensträumen oder sogar Suizidgedanken) oder auch gegen andere, Beleidigungen, Wegstossen, Liebesentzug usw. Wenn die Therapeutin ihm ein Ultimatum stellt, würde ich mich aus taktischen Gründen immer auf ihre Seite stellen. Denn dann kann er nicht so leicht in die Opferrolle und sie verantwortlich machen, wenn die Therapie abgebrochen wird. Diese Opferrolle, dass immer jemand anderes an der Misere schuld ist, verhindert in meinen Augen auch eine Besserung, da ja in der Opferrolle keine Verantwortung übernommen wird. Ich glaube aber, das ist ganz wichtig, weil sonst Stillstand ist. Und es ist auch sehr belastend, es wird ja in dieser Opferrolle auch sehr stark gelitten, aber oft der Ausweg nicht gefunden, so scheint mir.

Dass er mit Freunden etwas unternimmt, dich aber nicht sehen will, ist ja leider auch recht typisch. Bei Freunden kann er eher eine Fassade aufrecht erhalten, weil dort keine starke emotionale Bindung vorliegt und man sich nicht so wichtig ist.

Ich an deiner Stelle würde mich auf mich besinnen und das nicht mitmachen, auch keine Konflikte austragen, die ja Scheinkonflikte sind, da er sie eigentlich mit sich und nicht mit dir hat. Du bist die falsche Adressatin. Mit diesem Bewusstsein würde ich vielleicht eine Strategie überlegen, wie du weiter vorgehen kannst.

Ganz liebe Grüsse!

Re: Ratlos

Verfasst: 3. Jun 2019, 12:03
von SebastianO
Hallo Windhauch,

ich bin selber noch ganz frischer Betroffener und genauso wie du, war bzw. bin auch ich immernoch ratlos.
Ich kann einige Beispiele aus meinem Fall nennen, die einige Vergleiche und parallelen aufweist.

Leider scheint es normal zu sein, dass depressive Personen stark aggressiv auf Konfliktsituationen reagieren.
Meine Freundin zerstört dabei keine Gegenstände, allerdings wird sie äusserst gemein, fies und geht weit unter die Gürtellinie - richtig verletzend.
All das ist eine starke Form von Selbstschutz und den anderen von sich zu schieben - denn Konflikt und Streit bedeutet Stress und zuviele Gedanken. Und da wird der leichteste Weg genommen, nämlich den Partner abzustossen.

Das gleiche gilt für das Treffen mit Freunden.
Ich habe meine Partnerin in den letzten 5 Monaten nur 4 mal gesehen - für je 2 Stunden.
Sie hat allerdings die Stärke und den Willen mit Freunden und Familie zu reisen, zu lachen, auch Patenkinder aufzupassen und diese gut zu behandeln.
Ich vermute den Grund darin, dass es bei Familie und Freunden leichter ist eine glükliche Fassade aufzubauen, denn ein Partner dringt in den Bereich der depressiven Person ein und das wird mit aller Macht verhindert.
Seine Tendenzen werden sich noch sehr oft ändern und wechseln, vorallem in der Anfangszeit.
Ich weiss wie unfassbar schwer es ist, ich habe tagelang geweint und war verzweifelt, aber das beste was du machen kannst, ist ihm Zeit und Raum zu lassen und dich nicht zu melden.
Denn jedes melden wird als einengen gewertet und er wird sich somit jeden Tag weiter von dir entfernen.

Ich wünsche euch, dass ihr das hinbekommt und dir ganz viel Kraft.

Re: Ratlos

Verfasst: 3. Jun 2019, 19:37
von Windhauch
Liebe Candless,

vielen Dank für deine Antwort. Es tut gut sich mit anderen auszutauschen und zu merken das ich nicht alleine bin.

Er wird mir gegenüber nicht aggressiv also "nur" verbal.

Das mit dem Ultimatum finde ich avber schon auch ziemlich heftig, da er jetzt gerade jegliche Hoffnung verloren hat und dermaßen unter DRuck steht. Ich kann jetzt nichts mehr konfliktreiches ansprechen, da es viel zu riskant ist.. Wenn er die Therapie verliert dann gibt es unglaublich vierle Schwierigkeiten.


Das mit den Freunden erscheint mir nach deiner Erklärung logisch nur finde ich es irgendwie ziemlich ungerecht und auch traurig. Da er ja auch mit mir Sachen unternehmen könnte.

Das mit den Konfilkt austragen finde ich eine schwierige Sache. Er wendet sich ganz oft an mich und schreibt mir. Ich versuche ihm dann zuzuhören aber das ist eher schwierig.



Das mit der Strategie ist spannend aber ich weiß nicht, wie ich das angehen kann. Also ich denke das ich es auch nicht mehr so lange schaffe zu kämpfen. Ich setze mir selbst ein Limit, da ich auch manbchmal das Gefühl habe das seine Depression und auch ein fehlender Wille vermischt ist. Er hat den Termnin bei der Psychologin abgesagt, da er erstmal mit der Situation umgehen muss hat er mir erklärt. Dann meinte er noch, wenn ich bei ihm wäre müsste er sich mit der Realität auseinandersetzen , bin ich nicht da versucht er sich mit Pc spielen abzulenken. Danke fürs Lesen.

Ganz liebe Grüße

Re: Ratlos

Verfasst: 3. Jun 2019, 19:43
von Windhauch
Hallo SebastianO,


das mit der verbalen Aggressivität kenne ich ebenfalls auch. Ich frage mich wirklich, wenn ich das so lese wie sehr ein Partner oder eine Partnerin das mitmachen kann.

Oh das ist sehr wenig was ihr euch gesehen habt. Wie kommst du damit denn zurecht? Und hast du psychische Unterstützung also gehst du zu einer Therapie?

Es ist einfach so ungerecht, man liebt die Person kann einfach nichts tun einfach irgendwie nur "aushalten und abwarten". Ziemlich festgefahren alles.

Danke für deine Worte, Ich würde mich freuen, wenn wir uns weiterhin austauschen könnten.

Viel Kraft und liebe Grüße.

Re: Ratlos

Verfasst: 3. Jun 2019, 19:53
von SebastianO
Hallo Windhauch,

Ja die verbalen Angriffe verletzen sehr!
Aber ich habe hier viel gelernt!
Nimm es nicht persönlich, denn das ist die Depression und nicht der Partner der das macht!
Leider ist das ein typisches Symptom!

Ich war zweimal bei einem Profi um zu reden...
Viel gebracht hat mir das persönlich aber nicht, wahrscheinlich weil ich wesentlich häufiger hingehen hätte sollen!
Sei Dir nicht zu schade Hilfe in Anspruch zu nehmen!
Das ist weder albern, noch peinlich!
Wenn du glaubst es kann dir helfen, dann versuche es!

Ja wir haben uns nur 4 mal gesehen, aber alles zur Anfangszeit!! Das letzte treffen ist bald 10 Wochen her!

Natürlich fehlt sie mir ohne Ende! Natürlich bringt es mich manchmal um, Vorfällen mit dem Wissen, dass sie andere mensxhen immer wieder trifft und dort halbwegs funktioniert!

Aber ändern kann ich es nicht!
Ich habe auch vieles falsch gemachten würde es rückwirkend anders machen...

Ich hoffe du hast Geduld und viel Verständnis.
Denn von beidem wirst du seeeeeehr viel benötigen!!

Re: Ratlos

Verfasst: 3. Jun 2019, 19:59
von Windhauch
Hallo SebastianO,

das mit einem Profi muss ich mir nochmal überlegen. Aber ich denke, das wäre schon sehr hilfreich.

Die Geduld ja das ist so ein schwieriges Thema manchmal frage ich mich wie viel Geduld denn noch? Und dann ist es so, das ich ihn immer besuche er kommt nicht mehr zu mir. Eine Beziehung kann doch nur wachsen, wenn beide geben und nehmen aber ist das bei einer Depression überhaupt möglich? Hauptsächlich geht es um ihn. Kennst du das auch? Ich bekam einen Gutschein für einen Theatergutschein der wurde bisher nicht eingelöst von ihm.

Danke

Liebe Grüße

Re: Ratlos

Verfasst: 4. Jun 2019, 13:05
von SebastianO
Hallo,

du fragst dich wieviel Geduld denn noch?

Wielange geht dieser Zustand jetzt zwischen euch?
Du besuchst ihr immer und er kommt nicht zu dir?!

Hier in dem Forum sind Menschen unterwegs, die ihren Partner ein ganzes Jahr nicht zu Gesicht bekommen.
Bei mir selber waren es 4 ganz kurze und kühle Treffen in 5 Monaten.

Also ich denke du hast nicht verstanden was ich mit sehr viel Geduld meine.

Und ja! eine gesunde Beziehung ist ein geben und nehmen.
Eine depressive Person ist allerdings nicht gesund.
Eine depressive Person nimmt alles anders war und hat sehr viel mit sich selbst zu tun und kann keine Rücksicht auf den Partner nehmen.
Das bedeutet nicht, dass sie es sie es nicht wollen, sie können es einfach nicht.
Ich denke du hast leider noch nicht allzuviel Ahnung was eine Depression bedeutet.


Ich hoffe du fühlst dich jetzt nicht angegriffen, aber ich denke du solltest dich mal schlau machen.
Denn du kritisierst, dass keine Gutscheine eingelöst werden und du zu ihm sollst, anstatt er zu dir.
Wie gesagt, andere bekommen den Partner monatelang nicht zu Gesicht.

Re: Ratlos

Verfasst: 4. Jun 2019, 13:10
von Windhauch
Mh entschuldige. Mir ist das anscheinend wirklich noch nicht ganz bewusst. Ich habe ja auch noch sehr wenig Ahnung.

Re: Ratlos

Verfasst: 5. Jun 2019, 13:23
von Candless
Liebe Windhauch,

du musst dich nicht entschuldigen, es ist schon richtig, dass du dich hier austauschst. Nur so kann man lernen, damit umzugehen.

Ich denke, es ist wichtig, dass man herausfindet, wo die persönliche Grenze ist. Wie weit kann man mitgehen, das Ganze auch ertragen, und vielleicht noch etwas positives abgewinnen, und wo ist es zuviel und wo fängt man selbst an, extrem zu grübeln oder zu leiden.

Thema Wille, dass er den nicht hat gehört schon mit zu der Erkrankung. Starke Antriebslosigkeit ist ein Hauptsymptom der Depression. Wenn er Medikamente nimmt, kann es sein, dass der Antrieb sich bessert, es kann aber auch sein, dass eine positive Wirkung ausbleibt. Einen einzigen richtigen Weg und eine Sicherheit gibt es leider nicht.

Und es stimmt leider, viel machen können wir nicht. Es ist ganz anders als bei anderen Erkrankungen, die man in der Partnerschaft gemeinsam bewältigen kann. Hier sind wir ausgeschlossen, aussen vor, unsere Partnerinnen und Partner ganz weit weg und zum Teil nicht mehr erreichbar.

Am Besten schaust du auf dich, überlegst, was du für dich tun kannst, damit es dir besser geht. Wenn dazu gehört, dass du ihn auch nicht mehr so oft besuchst, dann ist das so. Es bringt nichts, sich komplett auf ihn einzustellen, da sein Umgang mit dir ja derzeit gar nicht nur von ihm gesteuert wird, sondern von der Krankheit. Es wäre gut, einen gangbaren Weg zu finden, bei dem deine Gesundheit geschützt wird. Diesen Weg findet man nicht leicht, und es kostet viel Kraft. Ich drücke dir die Daumen, dass es dir gelingt.

Ganz liebe Grüsse!

Re: Ratlos

Verfasst: 5. Jun 2019, 14:09
von Empathie58
Candless hat geschrieben:... Und es stimmt leider, viel machen können wir nicht. Es ist ganz anders als bei anderen Erkrankungen, die man in der Partnerschaft gemeinsam bewältigen kann. Hier sind wir ausgeschlossen, aussen vor, unsere Partnerinnen und Partner ganz weit weg und zum Teil nicht mehr erreichbar. ...
Du sprichst mir aus der Seele. Genau das musste ich damals im Verhältnis zu meiner - inzwischen von mir geschiedenen - Frau erkennen. Es hat schmerzhaft lange gedauert, bis ich das akzeptieren konnte. Bis zu ihrer tiefgreifenden Persönlichkeitsveränderung gab es doch in all den Jahren immer gute, gemeinsame Lösungen.....