Verquere Wahrnehmung nur am Anfang?

Antworten
Nanaga
Beiträge: 5
Registriert: 9. Mai 2019, 16:37

Verquere Wahrnehmung nur am Anfang?

Beitrag von Nanaga »

Hallo zusammen ,
Es ist schön hier zu sein und Gleichgesinnte zu finden . Die genauso fühlen, trauern, verzweifeln aber auch hoffen.
Mein Mann ist seit 2 Wochen in der psychosomatischen Klinik, Burn-Out-Syndrom und Depression.
Es war ein schleichender Prozess oder vielmehr habe ich es nicht wahrhaben wollen. Als Mutter von 3 Kindern habe ich wohl jene Stärke die ich habe, auch von ihm erwartet und seine Belastungsfähigkeit ignoriert.
Jetzt ist er zusammengebrochen und erstmal weg... und wir hier allein . Allein mit all den Ängsten und Sorgen und soviele Fragen, die noch unbeantwortet bleiben .
Es ist ok, Beruf und Familie als auch Haushalt für mich zu stemmen, aber die psychischen Qual scheint mich kaputt zu machen.
Mein Mann hat eine völlig verquere Wahrnehmung. Er hängt sich an Dingen auf die nicht so sind, diese bespricht er auch mit den Psychologen, und ich kann mich nicht wehren.
Zb: es belastet ihn der Spagat zwischen Job und Haushalt, weil ER ALLES machen muss ( putzen, einkaufen, kochen ) Mein mann kocht nicht ... er putzt nicht , er räumt lediglich mal auf wenn ihn etwas stört . Warum hat er so ne Wahrnehmung.?
Wenn ich in Gesprächen es richtig stellen möchte, fällt er in Selbstmitleid ( ich mach nichts richtig, was ich sage ist falsch, ist doch eh egal was ich sage, es interessiert niemanden )
Wenn er für das Woe zuhause ist , schläft er viel ... steht nach Stunden auf und beklagt sich dass er Schlafmangel hat. Es ist so schwer zuzusehen wie er alles schlecht redet und drunter leidet. Und ich kann nichts dagegen tun. Ich sitze oft nur da, höre zu und staune was er da von sich gibt. Mit dem Wissen dass er in der Klinik auch so redet. Meine Sicht ist egal. Er wird daraufhin therapiert, Bein zu sagen, an sich zu denken, Auszeiten schaffen ... alles super, wenn es denn tatsächlich so zuhause wäre.
Es ist verrückt.
Mich macht das ziemlich fertig, weiß einfach nicht wohin das führt. Was passiert wenn er wieder ganz zuhause ist ? Wo bleibe ich ? Wo bleibt die Familie ? Wir alle leiden unter der Situation ziemlich und versuchen irgendwie zu funktionieren und ihn zu unterstützen. Aber geben wir da nicht viel selbst von uns auf ? Ein entspanntes Miteinander ist es nicht mehr .
War das anfangs bei euren Partnern auch so ? Wird es besser, wenn es tiefer geht ( ich denke viele Verhaltensweisen kommen von der Kindheit... irgendwie verwechselt er mich gerade mit seiner Mutter )
Was kann ich für mich und die Kids tun dass wir weitermachen ohne diese ständigen Zweifel und Sorgen ?
Zuletzt geändert von Nanaga am 12. Mai 2019, 23:22, insgesamt 1-mal geändert.
Monchen12345
Beiträge: 1873
Registriert: 18. Nov 2018, 23:21

Re: Verquere Wahrnehmung nur am Anfang?

Beitrag von Monchen12345 »

Hallo Nanaga,

Ich würde mich hier vor allem als selbst Betroffene bezeichnen. Habe zwar auch Familien-Angehörige mit der Erkrankung, aber da sieht es ganz gut aus.
Ich schreibe hier, weil mich die Schilderungen über deinen Mann stark an mich erinnern. Da ich ohne Partner lebe, kann ich dir auch nur in Teilen eine Antwort geben.
Die verquere Wahrnehmung gehört zur Erkrankung.
BurnOut ist keine Diagnose, sondern man sagt dass BurnOut Depressionen mit einem bestimmten Symptomatikbereich sind.
Wenn man da so stark drin ist, wie dein Mann, dann ist einem wirklich alles und jede Kleinigkeit absolut zu viel. Auch negatives Denken, Katastrophalisieren und pauschalisieren gehört dazu.
Hat dein Man einmal den Lappen genommen und den Tisch abgewischt, so ist das in seiner Wahrnehmung soviel wie ein ganzes Haus putzen.
Hat er sich selbst mal ein Brot gemacht, so ist das für ihn kochen und zwar so dass er immer alles alleine machen muss.
Bei mir ist mit zunehmender Gesundheit diese Wahrnehmung wieder in die richtige Richtung gerückt, aber bei Dingen die mich triggern ist das auch ganz schnell mal wieder präsent.
Das geht, wie du richtig bemerkst, auch bei der leisesten Kritik so. Da ist es dann in der eigenen Wahrnehmung wirklich so dass man immer alles falsch macht, auch wenn es eigentlich nur um eine Kleinigkeit geht. Man nimmt dannhalt auch jede Kleinigkeit sehr persönlich. Wenn du ihm sagst: aberdas mit dem Aufräumen ist doch garnicht so, dann ist es für deinen Mann eine extreme nicht Beachtung seiner Leistungen.
Dass er sich nach einem langem Schlaf immernoch müde fühlt, kann verschiedene Ursachen haben.

Nimmt er Medikamente? - dann kannes daher kommen.

Wirklich Alles, auch sonst sehr simple Alltagstätigkeiten wie duschen, anziehen, Smaltalk... sind extrem anstrengend. Dies überhaupt zu schaffen kostet richtig viel Kraft und man ist dann schneller müde.

Viel Schlaf ist nicht gleichbedeutend mit gutem Schlaf. Wenn man Nachts immer wieder wach wird, nachts lange Wachphasen hat oder, oder,oder... dann schläft man zwar viel aber der Schlaf ist halt alles andere als effektiv.

Ich war nur in einer Tagesklinik, aber dort gab es bei bestehenden Beziehungen auch immer die Möglichkeit, dass man mal eine Therapiestunde gemeinsam mit dem Partner macht,sofern alle einverstanden sind. Vielleicht ist das mal ne Idee für euch. Frag doch mal deinen Mann ob er sich das vorstellen kann.

Du fragst wo du bleibst? - das ist erstmal auch deine Aufgabe für dich zu
sorgen. Schaffe dir auch ganz bewusst mal Auszeiten für dich oder mach etwas Nettes mit den Kindern.
Ich hoffe ich hab dir nen kleinen Einblick geben können.
LG, Monchen
FrequentFlyer
Beiträge: 293
Registriert: 23. Dez 2017, 02:20

Re: Verquere Wahrnehmung nur am Anfang?

Beitrag von FrequentFlyer »

Hallo ihr Lieben!

Danke Monchen für die Erläuterungen. Das jede Kleinigkeit zu viel ist, würde ich jetzt auf meine Freundin nicht so krass übertragen – aber das alltägliche Arbeitspensum ist bei ihr so groß, dass kein Platz für Anderes (Beziehung) bleibt.
Um meine Söhne mache ich mir jetzt allerdings keine Sorgen – die meinen auch wenn sie den Mülleimer raus bringen, dass sie den ganzen Haushalt erledigt haben und schmeißen sich im Anschluss aufs Sofa um erst mal zur Erholung eine Runde auf dem Handy zu zocken. Wir waren natürlich nicht so ;-)

Was mir bei meiner Freundin noch auffällt ist, dass sie in einer Episode Aussagen ganz häufig wie in Stein gemeißelt sagt. Also so Aussagen wie: „Nie wieder werde ich mich mit dir treffen“, „das mache ich nicht“ oder „ich gehe jetzt“. Das ist kein möchten, wünschen, wollen, wie sie eine Aussage normalerweise in abgeschwächter Form sagen würde, sondern jetzt definitiv und endgültig. Das macht halt Gespräche in einer Phase in der es eh schon schwer ist solche zu führen, nicht einfacher.

Ist mir halt mal aufgefallen.

Schönes Wochenende.

LG
Hlfe123
Beiträge: 61
Registriert: 8. Aug 2015, 23:00

Re: Verquere Wahrnehmung nur am Anfang?

Beitrag von Hlfe123 »

Hallo Nanaga,
das mit der verqueren Wahrnehmung und Darstellung gegenüber anderen kenne ich auch. Bei meinem Mann hat es sich nicht gegeben. Präsentiert sich in Krisenzeiten gerne als Superman mit naiver, überemotionaler Ehefrau. Die Welt ist schlecht und wird immer schlechter, um es mal aus seiner Sicht zusammenzufassen. (Und Schuld daran sind nur die anderen) Ich kann nur hoffen, dass der eine oder andere in seiner langen Therapeutenliste das zumindest hinterfragt. Ach doch, einer hat bei ihm zusätzlich auch Narzissmus diagnostiziert. Aber diese falschen Wahrnehmungen, die gegenüber anderen sehr überzeugend vertreten werden, tun schon weh. Das Verallgemeinern gehört wohl oft auch zur Diagnose Depression dazu.
Kopf hoch und alles Gute!
Nanaga
Beiträge: 5
Registriert: 9. Mai 2019, 16:37

Re: Verquere Wahrnehmung nur am Anfang?

Beitrag von Nanaga »

Danke Monchen für die Erklärungen.
Mann kann sich das ja garnicht vorstellen was da in dem Kopf vorgeht.
Tabletten nimmt er keine. Lediglich homöopathische Bachblüten .
Es ist ein Auf und ab. Er war für einen Tag zu Hause, ein guter Rag aber wir alle sind sehr vorsichtig. Was darf ich sagen? Was lieber nicht? Eigentlich höre ich nur zu und lobe ihn für die kleinen Schritte die er in die richtige Richtung macht. Doch jeder Strsss wirft ihn schnell aus der Bahn . Wird dann ruhig und in sich gekehrt, als würde er meditieren
Es ist schön hart zu sehen wie sich ein Mensch den man glaubt Inn und auswendig zu kennen, verändert .
Ich hoffe wir schaffen das.
An guten Tagen habe ich keine Zweifel. In schlechten Phasen scheine ich innerlich zu zerbrechen.
Nanaga
Beiträge: 5
Registriert: 9. Mai 2019, 16:37

Re: Verquere Wahrnehmung nur am Anfang?

Beitrag von Nanaga »

Und ja es tut sehr weh, weil man ja weiß dass es nicht so ist... er sieht es nur gerade nicht.
Und wenn ich es richtigstelle kommt: ja eh klar, ich sehe alles falsch, ich sag eh nix richtig .
Anstrengend und traurig zugleich. Hoffentlich ändert sich das wieder.
Therapeutisch gesehen läuft alles noch sehr oberflächlich. In die Kindheit wird nicht gebohrt, noch ist es das JETZT.
Zuletzt geändert von Nanaga am 12. Mai 2019, 23:04, insgesamt 1-mal geändert.
Nanaga
Beiträge: 5
Registriert: 9. Mai 2019, 16:37

Re: Verquere Wahrnehmung nur am Anfang?

Beitrag von Nanaga »

Hallo Hlfe123,
Mein Mann stellt mich öffentlich nicht böse dar, sondern erzählt es eher beiläufig
Und ja es tut sehr weh, weil man ja weiß dass es nicht so ist... er sieht es nur gerade nicht.
Und wenn ich es richtigstelle kommt: ja eh klar, ich sehe alles falsch, ich sag eh nix richtig .
Anstrengend und traurig zugleich. Hoffentlich ändert sich das wieder.
Therapeutisch gesehen läuft alles noch sehr oberflächlich. In die Kindheit wird nicht gebohrt, noch ist es das JETZT.
Zuletzt geändert von Nanaga am 12. Mai 2019, 23:02, insgesamt 1-mal geändert.
Nico Niedermeier
Moderator
Beiträge: 2837
Registriert: 21. Mär 2003, 11:10

Re: Verquere Wahrnehmung nur am Anfang?

Beitrag von Nico Niedermeier »

Hallo von der Moderation,
uns wäre wichtig, dass Sie etwas weniger despektierlich über Ihren depressiven Partner schreiben, unser Schreibklima hier ist vorsichtiger und weniger böse...
Beste Grüße
Die Moderation
Chrissi11
Beiträge: 24
Registriert: 10. Mär 2019, 00:53

Re: Verquere Wahrnehmung nur am Anfang?

Beitrag von Chrissi11 »

Hallo Nanaga,

du kannst wirklich nur versuchen, es nicht so sehr an dich ran zu lassen. Man spürt deine Verzweiflung und Angst, die sich natürlich auch über Ärger ausdrücken. Als Partner fühlen viele sich maßlos ungerecht behandelt. Objektiv gesehen ist das auch so. Schließlich versucht man den Haushalt allein zu stemmen, was man so liest geht das etlichen Partnern so. Eine gleichberechtigte Beziehung ist es für die Zeit der Depression nicht. Sobald ein Partner krank ist, wegen was auch immer, ist es das ja nie. Nur wichtig ist, überhaupt erstmal zu erkennen, was los ist und dann möglichst zügig eine Behandlung zu beginnen.

Dass ein an Depression erkrankter Partner vorwurfsvoll reagiert, ist anscheinend nicht immer der Fall, jedoch gibt es das auch. Das lässt den Ärger hochkommen. Man ist als Partner auf der anderen Seite schon überlastet mit all den Aufgaben (Arbeit; Kinder, Haushalt) und bekommt obendrauf noch den psychischen Stress (unangemessene Schuldzuweisungen sich gegenüber, anderen gegenüber).

Was unter den ganzen Wirrwarr, den Verlustängsten, hochkochenden Emotionen dann gern vergessen wird ist: "der andere hat sich die Krankheit nicht ausgesucht", er/sie findet es bestimmt nicht "toll" seinen Partner so zu behandeln, er/sie kann nur grad nicht anders bzw. kann das nicht mal so wahrnehmen. Das ist sehr deprimierend. Vor allem weil man als Partner ihn/sie nicht ändern kann.

Dafür muss eine Therapie her. Bei mindestens mittelschweren Depressionen finde ich persönlich eine "richtige" medikamentöse Unterstützung sinnvoll.

Es gibt ganze Studien zu Wahrnehmung und Sprache bei Depressionen, bzw. einlaufenden Depressionen. Das ist sehr von Absolutismen geprägt (immer, nie, alle, niemand), sehr "ich-lastig" (ich, mir mein) und sehr eng beleuchtet (Spotlight-Phänomen) vieles wird ausgeblendet. Im Verlauf der Therapie sollte sich der Spotlight, der Beleuchtungsradius wieder vergrößern und auch die Wahrnehmung wieder verändern.

Wie gesagt es ist eine Erkrankung, die behandelt werden kann.
Ich hoffe, das hilft etwas
Nanaga
Beiträge: 5
Registriert: 9. Mai 2019, 16:37

Re: Verquere Wahrnehmung nur am Anfang?

Beitrag von Nanaga »

Danke Chrissi11,
Deine Worte tun gut.
Ich weiß dass er nichts dafür kann, und wie du sagst, trotzdem fällt es sehr schwer all dies anzunehmen und zu verstehen
Ich äußere mich ihm gegenüber auch nicht wütend, ( oder vorwurfsvoll) ganz im Gegenteil, ich versuche stets einfach nur ruhig zuzuhören und es nicht zu werten, auch wenn vieles schmerzt.
An unsere Liebe und Zukunft glaube ich, werde alles versuchen es irgendwie hinzukriegen, ihm hoffentlich eine Stütze sein, dennoch kann ich nicht leugnen dass ich sehr an meine Grenzen komme.
Unsere Beziehung war immer sehr gut und lebendig, jetzt diesen Wandel zu erleben, macht hilflos und Angst.
Wo ist gerade all das was wir hatten ? Hätte ich es aufhalten können?
Und ich glaube es ist normal sich wütend, verzweifelt und einsam zu fühlen.
Darum suche ich hier Rat und Menschen die mir das Gefühl geben, mit all den vielen Facetten nicht allein zu sein.
Danke dass Du (und all die anderen die geantwortet haben) dazu beiträgt positiver ranzugehen
Antworten