Am Boden zerstört...

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Ostfriesin
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Am Boden zerstört...

Beitrag von Ostfriesin »

Hallo an alle,
Ich habe die letzten Tage hier im Forum viel rumgeschmöckert und möchte nun gerne selbst meine Geschichte erzählen. Ich hoffe das ich die Situation, meinen (Ex)Freund und die Krankheit dadurch etwas besser verstehe...
Wir waren 4 Jahre zusammen, bis er sich vor einer Woche,für mich relativ plötzlich, trennte...
Seine Vorgeschichte ist relativ lang... Kriegseinsatz, Hirnhautentzündung, schwerer Verkehrsunfall bei dem jemand starb, Trennung seiner Frau inkl. Rosenkrieg und Selbstmordversuch, seit Jahren Bandscheibenprobleme mit OPs und anschließender Berentung und Arbeitsverbot, schwere Blutvergiftung, schwere Thrombose mit anschließender Lungenembolie, seit 4 Jahren so gut wie kein Kontakt zu seinen Kindern, von allen Freunden abgewand (auch wegen der Trennung von seiner Frau) ... Ihr seht, die Liste ist lang!

Angefangen das er sich verändert hat, hat es glaube ich vor drei Jahren. Zu der Zeit hat er, wegen den Bandscheibenproblemen, ziemlich hochdosierte Fentanylpflaster bekommen. Da fing es an das er keine Lust mehr auf Sex hatte, er hat es auf das Fentayl geschoben und ich habe es ihm geglaubt. Warum auch nicht?! Sein restliches Verhalten fand ich damals eigentlich normal, eben so normal wie es sein kann wenn man jeden Tag höllische Schmerzen hat und nicht arbeiten darf und kann.

Irgendwann Fang es an das es immer weniger körperliche Zuneigung gab, fast keine Umarmungen, Küsse usw. Ich habe es ihm ein paar Mal "vorgeworfen" und von ihm kam nur das er nicht weiß woran es liegt. Ich habe immer gedacht, dass solange wir noch kuschelnd vorm TV liegen alles gut ist.
Das er sich generell immer mehr von mir zurück gezogen hat ist mir erst gar nicht so aufgefallen (Ich muss dazu sagen das ich ein ziemlich mundfauler Typ bin und nicht ständig reden muss). Irgendwann hat er aber noch nicht einmal mehr gefragt wie mein Tag war und wenn ich nach Hause kam und meinte: was ein stressiger Tag, zum Glück ist Feierabend, ist er komplett drüber weggegangen und hat mir z.b. zum gefühlten 500. Mal was über Autos erzählt.

Letztes Jahr hatte er kurz Kontakt zu seiner ältesten Tochter. Sie haben sich zum Essen getroffen und sie wollte seine Seite der Trennung hören. Selbstverständlich hat sie ihre Mutter drauf angesprochen. Nach einigem hin und her hat seine Tochter dann geschrieben das er ein Lügner sei und er sie in Ruhe lassen soll. Im Nachhinein glaube ich das ihm diese Situation den Rest gegeben hat... Er wurde immer grummliger, hatte noch mehr Schlafprobleme und ging fast nur noch zum Einkaufen raus. Trotzdem ist er immer aufgestanden (mit Problemen wach und fit zu werden), sich gepflegt und sich um den Haushalt gekümmert

Da ich mit dem Thema Depression noch nie was zu tun hatte, habe ich die Anzeichen wahrscheinlich auch nicht richtig wahrgenommen und immer viel auf seinen Rücken geschoben. Mittlerweile könnte ich mich dafür Ohrfeigen!!
Natürlich hat man immer automatisch Rücksicht genommen weil es eben die Rückenprobleme gibt. Wir waren selten weg, haben viel vorm TV gelegen und eigentlich ein ziemlich langweiliges Leben gehabt. Da ich aber schon immer gerne zu Hause bin hat mich das nie großartig gestört

Wir haben auch nie wirklich gestritten und wenn es alle paar Monate mal zu einer Diskussion kam, war meistens mein 12 jähriger Sohn das Thema, der dies nicht macht oder das doof ist... Es kam mir meistens so vor als wenn er erwartet das mein 12 jähriger ein kleiner, perfekter Roboter sein müsste

Anfang des Jahres ging es dann darum das er für 6 Wochen in eine Psychosomatische Klinik soll und ich dachte das es vielleicht endlich was ist was ihm vielleicht helfen kann, das er wieder glücklicher wird. An Depressionen habe ich zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht gedacht...

Mitte Februar ist er also in die Klinik. Wenn wir telefoniert haben, hat er mir von der Klinik erzowas gut ist und was nicht. Wenn er damit fertig war, war meistens auch das Telefonat zu ende...
Nach 1 1/2 Wochen habe ich ihn dort besucht und er hat mir unter Tränen gesagt das er mich zwar noch liebt aber nicht weiß ob es noch reicht und er evtl beziehungsunfähig wäre, weil er mir die Zuneigung nicht geben kann und nicht weiß warum das so ist. Trennen möchte er sich aber eigentlich nicht!
Für mich begann eine höllische Woche zwischen Hoffen und Bangen und zu der Zeit habe ich mich erstmals mit dem Thema Depression beschäftigt und festgestellt das doch einiges an Symptomen auf ihn zutrifft.
Nach einer Woche habe ich ihn wieder besucht und er war zu mir wieder "normal", hat das Thema Trennung auch nicht mehr angesprochen. Ich habe ihm erzählt das einige Symptome der Depression auf ihn zu treffen, ob er da mal drüber nachgedacht hat. Er hat es mehr oder weniger mit nem Achselzucken abgetan.
Da er am nächsten Tag die Therapie abbrechen wollte weil es in der Klinik einige, für mich nachvollziehbare, Probleme gab bin ich auch auf das Thema Trennung oder Depression nicht weiter eingegangen.
Am nächsten Abend war er also wieder zu Hause. Im Arztbericht stand als Diagnose mittelschwere Depression...
Als ich ihn an dem Abend noch mal auf die Trennung ansprach, klang es als wenn ich mir alles nur eingebildet hätte. Wir haben an dem Abend viel geredet, hatten Sex,haben wieder geredet und ich dachte alles ist gut.
Am nächsten Tag hat er beschlossen einen kalten Entzug von seinem restlichen Morphium zu machen und dadurch lag er fast 14 Tage nur im Bett. Dadurch hat er sich natürlich komplett zurück gezogen und ich ihn auch in Ruhe gelassen.

Freitag vor einer Woche dann der Schock: Er zieht aus! Er weiß nicht ob seine Gefühle noch reichen und während des Klinikaufenthaltes hat er wohl gemerkt das er mich überhaupt nicht vermisst (angeblich vermisst er auch seine Kinder nicht). Wir würden auch keine richtige Beziehung mehr führen und nur noch auf dem Sofa liegen, ein WG Leben führen. Auch könnte er nicht mit mir reden, er will mich nicht runterziehen und mich nicht belasten... Aber, wer weiß was die Zeit bringt

Als er am nächsten Tag wieder hier war um noch Sachen zu holen haben wir zwei Stunden geredet und ich habe ihn gebeten sich Hilfe zu holen. Er klang auch sehr einsichtig, hatte wohl schon bei einer Therapeutin angerufen die aber wohl meinte nicht die richtige zu sein.
Mittwoch war er wieder hier um sein Fahrrad abzuholen. Er war fast wie ausgewechselt, 300% besser drauf. Er war den Tag vorher shoppen und es hat ihm Spaß gemacht und er hat sogar Pläne geäußert mal spontan wegzufahren...
Einerseits hat es mich gefreut ihn mal wieder besserdrauf zusehen, andererseits kann ich mir nicht vorstellen das es jemanden auf einmal wieder soooo gut gehen kann...
Jetzt am Samstag hatte ich ihn angeschrieben weil ich etwas wissen musste und von ihm kam das er ein paar Tage weggefahren ist und sich nächste Woche meldet...
Anscheinend geht es ihm doch nicht soooo gut.

Auf jeden Fall geht es mir seit dem echt beschissen, es war zwar nicht immer einfach und teilweise anstrengend aber ich liebe ihn und habe nie an Trennung gedacht und würde alles dafür tun das wir wieder zusammen kommen.
Da ich mir extrem Sorgen um ihn mache fällt es mir sehr schwer ihn nicht anzuschreiben... Aber er muss ja schließlich Zeit haben um zu merken ob er mich vermisst oder nicht...

Vielleicht habt ihr ja auch für mich ein paar Ratschläge oder könnt mir dabei helfen die Krankheit Depression besser zu verstehen
Candless
Beiträge: 190
Registriert: 7. Okt 2018, 22:10

Re: Am Boden zerstört...

Beitrag von Candless »

Liebe Ostfriesin,

willkommen im Club, ich kann mir vorstellen, was du durchmachst. Meine Ex hat sich auch plötzlich von mir getrennt, und sprach einen Monat vorher sogar noch von Hochzeit.
Ostfriesin hat geschrieben: Auf jeden Fall geht es mir seit dem echt beschissen, es war zwar nicht immer einfach und teilweise anstrengend aber ich liebe ihn und habe nie an Trennung gedacht und würde alles dafür tun das wir wieder zusammen kommen.
Da ich mir extrem Sorgen um ihn mache fällt es mir sehr schwer ihn nicht anzuschreiben... Aber er muss ja schließlich Zeit haben um zu merken ob er mich vermisst oder nicht...
Ich denke, das erste Ziel für dich könnte sein, die Situation erst einmal so anzunehmen, auch wenn das mehr als schwierig ist! Ich habe das auch alles mitgemacht und mit jedem Tag wurde mir klarer, dass ich gar nichts tun kann, um die Beziehung zu retten.

Bei einer Depression sind die Gefühle blockiert, da kann man auch nicht von ausgehen, dass Depressive durch Trennung merken, dass sie den anderen vermissen, denn für dieses Vermissen würde ein funktionierendes emotionales Erleben da sein müssen.

Bei Depressiven ist es so, dass eine Beziehung nicht Halt gibt und gut tut, sondern es ist auch unglaublich anstrengend für die Betroffenen, weil sie merken, dass sie nicht mehr "funktionieren" und auch Gefühle nicht mehr da sind.

Ich glaube, dass du einen sehr langen Atem brauchst und davon ausgehen kannst, dass sich schnell gar nichts entscheidet. Wieder zusammenkommen kann man ja nur, wenn seine Gefühle wieder zurückkommen, also wenn die Depression merklich abklingt. Da sie sich ja über mehrere Jahre entwickelt hat, wird das vermutlich nun auch lange dauern.

Ich würde dir raten, das Beziehungsthema erst einmal ad acta zu legen und zu akzeptieren, dass die Trennung Ausdruck der Krankheit ist. Es macht keinen Sinn, jetzt um eine Partnerschaft zu kämpfen, da du nicht gewinnen kannst. Wenn Gefühle blockiert sind, stimmt es ja, man ist nicht in der Lage, eine Beziehung zu führen.

Ich würde versuchen, ohne Druck und ganz niederschwellig mit ihm lockeren Kontakt zu halten, keine tiefgründigen Themen, nur mal ein Melden und schönen Tag wünschen.

Anders als du dir erhoffst wird er die Zeit jetzt nicht zur Reflektion der Beziehung nutzen, vermute ich. Depressiv Erkrankte beschäftigen sich mit sich und sind damit schon komplett ausgelastet. Es könnte daher gut sein, dass er sich jetzt tatsächlich erst einmal erleichtert fühlt und froh ist, dass er alleine ist. Bei meiner Ex war und ist das so. Erst wenn eine Besserung eintritt, kann auch die Liebe und ein Vermissen wiederkommen.

Ich für mich kann nur sagen, dass ich heute, ich habe meine Ex inzwischen seit 11 Monaten nicht mehr gesehen, aber sie meldet sich mehrfach die Woche, sogar froh bin, dass ich sie nicht gedrängt habe, wieder mit mir zusammen zu kommen, noch in der depressiven Krise. Denn dann hätte ich mit einem Menschen eine Partnerschaft geführt, die mich nicht liebt - weil sie derzeit keine Liebe spüren kann.

Sein Verhalten geht also gar nicht gegen dich persönlich, sondern es ist einfach Ausdruck der Depression. Ob und wann die Partnerschaft noch eine Chance hat, hängt nun davon ab, wie er mit seiner Krankheit umgeht, was er unternimmt, und wie es sich dann weiterentwickelt. Du kannst an dem Verlauf nichts ändern, nur für dich schauen, wie du die Zeit jetzt unbeschadet überstehst.

Ich habe das ja auch mitgemacht und habe noch immer Liebeskummer-Attacken, aber habe auch meine Strategien entwickelt, dass mein Leben gut ist und ich ein erfülltes Leben habe. Man kann es schaffen, aber es kostet schon viel Kraft und den wirklichen Wunsch, es hinzukriegen. Die Gefahr besteht immer, dass Angehörige von Depressiven selbst depressiv werden. Ich glaube, man muss aktiv dieser Gefahr entgegentreten.

Ich wünsche dir ganz viel Kraft!
Ganz liebe Grüsse!
Ich bin hier, weil ich mich mit anderen Angehörigen offen über alles austauschen möchte.
Ostfriesin
Beiträge: 6
Registriert: 23. Mär 2019, 18:13

Re: Am Boden zerstört...

Beitrag von Ostfriesin »

Hallo Candless,
danke das du dir mein "gejammer" durchgelesen hast. Es ist doch länger geworden als erwartet...

Ich weiß das ich an der momentanen Situation nichts ändern kann, ich kann ihn ja nicht zwingen bei mir zu bleiben. Will ich auch nicht, würde uns beide ja todunglücklich machen!!
Ich habe ihm auch gesagt das ich seine Entscheidung respektiere...

Ich kann mir wohl vorstellen das ihm durch die Trennung eine Last von den Schulter genommen wurde, da er jetzt ja keinen mehr hat auf den er Rücksicht nehmen muss.
Allerdings sind seine Gefühle ja anscheinend nicht komplett blockiert, sonst hätte er mir ja nicht unter Tränen erzählt das er nicht weiß obs reicht usw.

Habe mir auch fest vorgenommen erst einmal an mich zu denken, allerdings ist der Schmerz momentan noch so groß das ich noch nicht mal was esse mag und ich froh bin wenn ich den Tag überstehe ohne in Tränen auszubrechen...
Sybilix
Beiträge: 79
Registriert: 11. Mär 2018, 23:58

Re: Am Boden zerstört...

Beitrag von Sybilix »

Hallo Ostfriesin,

es ist kein Gejammer - meiner Meinung nach weit davon entfernt. Außerdem für dich sehr wertvoll sich kundzutun, ohne Rücksicht auf ihn oder andere mit der Gewissheit (anders als oft im Freundeskreis) verstanden zu werden. Leute die dir ggf. nachfühlen können. Das tut gut. Auch wenn scheinbar alles anderswo gesagt wurde, tut es gut die eigene Geschichte mit anderen zu teilen.
Ostfriesin hat geschrieben:Ich habe ihm auch gesagt das ich seine Entscheidung respektiere...
Respektieren mag aktuell sehr zutreffend sein, aber es ist langfristig nicht richtig. Warum? Hättest du so entschieden? Begrüßt du die Entscheidung? Du gestehst sie ihm zwar zu, aber gefühlsmäßig sträubt sich alles dagegen.
Ich war zu einerm früheren Zeitpunkt auch an der Stelle, dass ich ihre Entscheidung "respektiert habe". Heute bin ich dankbar für das was aus dieser Misere geworden ist und habe für mich selbst entschieden, den Weg beschreiten zu wollen der vor mir liegt. Ich respektiere dass was passiert ist nicht, ich begrüße es. Mag kleinlich oder kaum einen Unterschied vermitteln, in der Auswirkung jedoch immens.
Ostfriesin hat geschrieben:Allerdings sind seine Gefühle ja anscheinend nicht komplett blockiert, sonst hätte er mir ja nicht unter Tränen erzählt das er nicht weiß obs reicht usw.
Das kenne ich nur zu gut, man klammert sich an jeden noch so kleinen Strohhalm. Ich kann nur auf meinen eigenen Thread verweisen Was mir hilft besser damit umzugehen... hier habe ich schon einige (mögliche) Beweggründe erläutert.

Wie Candless schon geschrieben hat, verabschiede dich von dem Gedanken dass eine Wunderheilung stattfindet bzw. sich alles in Wohlgefallen auflöst - das wird es unter keinen Umständen. Es wird nie wieder so wie zuvor... es kann ähnlich werden, dem sehr nahe kommen, aber es wird nie wieder gleich sein. Die Depression ist die Folge dieser Umstände und diese Konsequenz würde logischerweise erneut eintreten = nicht gut.

Die Historie deines Ex und sämtlicher möglicher Ursachen, ist ungewöhnlich lang. Gleichzeitig ist es alles andere als offensichtlich, worin die Depression letztlich begründet liegt. Aber, genau das muss er mittelfristig aufarbeiten, alles andere ist Symptombekämpfung.
Ich für mich z.b. bin an dem Punkt gelandet, solange meine Frau sich nicht mit den Ursachen auseinandersetzt und diese aufarbeitet, solange brauche ich nicht einen Funken Hoffnung für eine gemeinsame Zukunft hegen.

Was mir sehr hilft, was in der aktuellen Situation die Alternativen wären?
Was wäre, wenn ihr (formal) noch zusammen wärt?
Was wäre, wenn ihr (ob zusammen oder nicht) zusammen wohnt?
Wäre einem oder beiden von euch damit geholfen?
Warum wünscht du es dir dennoch?
Hast Du Angst ihn zu verlieren? Du hast ihn doch bereits "verloren".
Hast Du Angst allein zu sein? Wende dich (wieder) verstärkt Familie und Freunden zu, es ist nicht das Gleiche, allerdings können diese Beziehungen weit mehr Kraft, Nähe und Wärme geben, als man das üblicherweise vermutet bzw. nutzt.
Irgendwelche eigenen Baustellen, die er für dich in der Vergangenheit gelöst hat / du dachtest dass er die Lösung dafür ist? Falls ja, setz dich (zu einem späteren Zeitpunkt ;) ) damit auseinander.

Das Gefühlschaos - ganz normal. Nimm es an, erlebe es, nicht verdrängen... im Idealfall kannst du die daraus resultierenden Emotionen für etwas positives nutzen.
Du scheinst ansatzweise dein "altes" Leben nicht zu 100% als toll zu empfinden (langweilig, viel zu Hause etc.). Entweder ist es falsche Sehnsucht, oder echte. Du hättest jetzt die Chance herauszufinden was es ist!

Die Stimmungsschwankungen die er hat / zeigt: Das ist alles im Rahmen des möglichen. Depressionen haben oft Begleiterscheinungen oder gar kombinierte Krankheitsbilder. Bei einer Manie kann bestimmtes Verhalten exzessiv auftreten. Mal da, mal weg.
Vielleicht hat er an einem Tag die Kraft ein "gut gelauntes Schauspiel" abzuliefern, am nächsten nicht. Man steckt nie drin und kann selten hinter die Fassade sehen.

Dass du ihn liebst ist ok. Du kannst ihn auch weiter lieben, die Entscheidung liegt bei dir. Ob etwas zurückkommt, das liegt leider nicht bei dir.
Alles tun um wieder zusammen zu kommen? Auch wenn es schlechter für euch beide wäre? Sicher?

Bzgl Essen, auch das ist normal. Ich habe letztes Jahr zeitweise ca 10kg abgenommen, zwischenzeitlich sind 2-3 wieder drauf und dort pendelt es. Ich habe meine Einstellung zum Essen mitunter dadurch (vorsätzlich) geändert. Ich habe wie zuvor geschrieben die starken negativen Traueremotionen genutzt um diese (im Alltag) schier unmögliche Aufgabe der Verhaltensänderung hinsichtlich essen zu erreichen. Ich dachte mir, wenn ich schon leiden muss, was ich nicht verhindern kann, dann wenigstens etwas positives als Trittbrettfahrer aufsatteln.
Wenn dein Ausgangsgewicht ohnehin niedrig ist, dann ist es für eine geraume Zeit kein Problem (wir können viel besser ohne Nahrung als wir denken z.b. Thema Fasten u.a.) und der Appetit wird wiederkommen bzw. such dir gezielt Dinge die dir Freude bereiten, besonders lecker sind.

Den Schmerz kann dir keiner nehmen, weder er noch du noch sonst jemand. Aber es gibt auch viele Hilfsangebote. Halten die Symptome bei dir länger an (>3-4 Wochen) -> kann ein Erstgespräch mit dem Hausarzt helfen. Man kann ein Ertgespräch mit einem Therapeuten vereinbaren, da wird oft schnell klar ob Hilfe möglich / notwendig ist. Es mag komisch klingen, aber allein die Gewissheit dass es jemanden geben würde der helfen könnte wenn man es wirklich bräuchte, kann dafür sorgen dass man es nie in Anspruch nehmen muss. Zumindest ging es mir so.
Es gibt Angehörigentreffen bei Depression, meist auch lokal. Familienhilfevereine o.ä. bieten unterschiedliche Beratungs- oder Gesprächsangebote. Es ist kein Zeichen von Versagen oder Schwäche so etwas anzunehmen. Im Idealfall gehst du gleichzeitig zum ersten und letzten Mal dorthin.

Ganz viel Kraft und liebe Grüße,
Sybilix
Candless
Beiträge: 190
Registriert: 7. Okt 2018, 22:10

Re: Am Boden zerstört...

Beitrag von Candless »

Liebe Ostfriesin,

du hast die Vermutung geäussert, dass die Gefühle bei ihm doch nicht richtig blockiert sind. Ich würde dir gerne die Passagen nenne, die mir gezeigt haben, dass das der Fall ist.
Ostfriesin hat geschrieben: Nach 1 1/2 Wochen habe ich ihn dort besucht und er hat mir unter Tränen gesagt das er mich zwar noch liebt aber nicht weiß ob es noch reicht und er evtl beziehungsunfähig wäre, weil er mir die Zuneigung nicht geben kann und nicht weiß warum das so ist. Trennen möchte er sich aber eigentlich nicht!
Genau so war es bei meiner Ex auch, sie hat viel geweint, immer wieder gesagt, wie sehr sie mich mag, dass da irgendwo verborgen noch etwas ist, dass sie weiss, wie weh sie mir tut, dass sie beziehungsunfähig ist. Das ist ganz typisch für diese Krankheit. Es ist ja nicht so, dass sie abgestumpft wären und da gar nichts mehr ist, sondern spontane Gefühlsregungen sind da schon, auch Trauer, Wut, Angst, das ist alles da. Manchmal verlieben sie sich auch spontan oder sind von irgendwas völlig begeistert, das ist alles möglich, trotz Depression. Aber die Gefühlsebene ist ja normalerweise unterlegt mit einem festen Netz an Emotionen, die auch strukturell mit dem Leben verwoben sind, Liebe zum Partner und zu Kindern, langjährige, verbindliche Freundschaften, ein Verbundenheitsgefühl mit dem Arbeitsplatz und Nachbarn. Wenn das so nicht wäre, würde man sich ja jeden Tag fragen, warum gehe ich noch zu dieser Arbeit, und nach 20 Jahren Ehe, warum noch, warum wohne ich hier, was bedeuten mir meine Kinder? Und mir scheint diese tieferliegende Ebene bei Depressiven in erster Linie blockiert, denn genau diese Fragen stellen sie ja. Ich bin mir deshalb ganz sicher, dass das bei dir auch so ist, denn er vermisst ja auch seine Kinder nicht und das ist mit nichts anderem als der depressiven Erkrankung zu erklären, wenn er eigentlich ein gutes Verhältnis zu ihnen hatte. Dass er oberflächliche Ablenkung sucht, kenne ich auch von meiner Ex. Das bestätigt für mich eher das Krankheitsgeschehen, als es in Frage zu stellen. Bekannt kommt mir auch vor, dass er keine Zuneigung geben kann und selbst nicht weiss, warum. Meine Ex hat diesen Satz schon oft gesagt -immer in den Episoden-, so dass sie mir zum sicheren Indikator wurden, dass sie wieder in eine Krise gerät bzw. schon drin steckt. Für mich sind diese Äusserungen sichere Symptome für die Depression.
Ostfriesin hat geschrieben: Freitag vor einer Woche dann der Schock: Er zieht aus! Er weiß nicht ob seine Gefühle noch reichen und während des Klinikaufenthaltes hat er wohl gemerkt das er mich überhaupt nicht vermisst (angeblich vermisst er auch seine Kinder nicht). Wir würden auch keine richtige Beziehung mehr führen und nur noch auf dem Sofa liegen, ein WG Leben führen. Auch könnte er nicht mit mir reden, er will mich nicht runterziehen und mich nicht belasten... Aber, wer weiß was die Zeit bringt.
Hier sind die Punkte, er stellt alles in Frage, das emotionale Band, das eigentlich der Partnerschaft, der Familie, dem Alltag dauerhafte Struktur verleiht, spürt er nicht mehr. Dazu kommen die typischen Aussagen, man könne ja nicht reden, er zieht dich nur runter, will dich nicht belasten. Das habe ich in allen depressiven Episoden meiner Ex immer wieder gehört. Genau diese Aussagen. Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass er tief in der depressiven Episode steckt und du derzeit mit normalen Massstäben nicht herangehen kannst.

Beziehe es nicht auf dich, wir alle hier erleben diese Dinge, und sie ähneln sich so stark, weil eben diese Krankheit dahintersteckt.

Ganz liebe Grüsse!
Ich bin hier, weil ich mich mit anderen Angehörigen offen über alles austauschen möchte.
Ostfriesin
Beiträge: 6
Registriert: 23. Mär 2019, 18:13

Re: Am Boden zerstört...

Beitrag von Ostfriesin »

Hallo Sybilix, hallo Candless,

das keine Wunderheilung statt finden wird ist mir schon bewusst und auch das eine Beziehung mit ihm momentan nicht möglich wäre. Ich kann ihn da nicht rausholen, selbst wenn ich wollte!
Ich hoffe nur das er einsieht das er Hilfe braucht und sich diese auch sucht!!
Mein Kopf ist, was das Thema Beziehung mit ihm angeht, schon ein Schritt weiter, das ich mir selbst keinen Gefallen tun würde in seinem momentanem Zustand mit ihm eine Beziehung zu führen. Abgesehen davon das er in diesem Zustand eh nicht "dazu fähig" wäre. Aber mein Herz ist halt noch nicht soweit, es war ja nicht alles scheiße oder schlecht...

Es tut aber auf jeden Fall gut seine Gedanken und Gefühle mit Leuten, mit euch, zu teilen die selber Erfahrungen damit gemacht haben! Dadurch versteht man das ganze besser, was hinter der Krankheit steckt
Herr Rossi
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Re: Am Boden zerstört...

Beitrag von Herr Rossi »

Hallo Ostfriesin.

Es ist bemerkenswert und schön, wie du an eurer Beziehung hängst, aber wie schon vorher geschrieben, hast du momentan keinen Einfluss darauf.
Setze ihn nur nicht unter Druck und ich würde im Moment an deiner Stelle eher einen Kontakt vermeiden. Das Wichtigste ist, dass er sich Hilfe holt und das kann nur er entscheiden.
Und eines solltest du nicht vergessen: selbst wenn es ihm z. B. nach einer Therapie wieder besser gehen sollte, die Krankheit an sich wird höchstwahrscheinlich nie verschwinden.
Und für einen Angehörigen kann (ist) die Belastung enorm sein.
Eine Trennung kam für mich ebenfalls nie in Frage, aber wir haben uns auch schon 30 Jahre. Ich bin da eher hartnäckig.
Aber noch einmal die Bitte: wenn ihr wieder zusammen kommt, unterschätze diese Krankheit nicht. Sie wird euch ein Leben lang begleiten.

Ich drücke die Daumen.

Herr Rossi
Aurelia Belinda
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Re: Am Boden zerstört...

Beitrag von Aurelia Belinda »

Hallo Ostfriesin,

Ich finde deine Geschichte auch bewegend.

Bin der selben Meinung wie Herr Rossi.
Es ist eine lebenslange Belastung mit schwierigen Phasen. Auch mal guten. Je nach Behandlung. Und Mitwirken vom Patieten.

Ich habe viel Erfahrung, bin selbst über 20 J. Betroffen. Und jetzt gleichzeitig Angehörige weil es meinen Mann nun ebenso erwischt hat.
Es ist wirklich kein Zuckerschlecken mit
Dieser Krankheit umgehen zu können.
Die beiden anderen Vorschreiber haben schon gute Erfahrungswerte eingebracht.

Alles gute,
Gruß Aurelia Belinda
Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen
Ostfriesin
Beiträge: 6
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Re: Am Boden zerstört...

Beitrag von Ostfriesin »

Hallo Herr Rossi,
hallo Aurelia Belinda,

klar hänge ich an unserer Beziehung, ich liebe ihn nun mal. Aber unter Druck setzen werde ich ihn nicht, das würde nur nach hinten losgehen!! Und den Kontakt meide ich momentan schon meinetwillen, damit ich an der Geschichte nicht kaputt gehe. Fällt mir aber extrem schwer, da ich ja trotzdem möchte das er weiß das ich ihn/uns nicht aufgebe...

Und wie es ist eine Beziehung mit einem depressiven zu führen, da habe ich ja nun schon einen kleinen Einblick bekommen...
Aurelia Belinda
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Re: Am Boden zerstört...

Beitrag von Aurelia Belinda »

Hallo nochmal,

Verstehen kann man es schon ja.
Dass du ab der Beziehung etc. Noch fest halten willst.

Zumindest bis vielleicht klar ist welche Fortschritte er unter Behandlung, Therapie Macht. Jede Depression wirkt sich anders aus. Und jede nimmt einen anderen Verlauf.
Gibt auch Genesung...Bei leichter Form.
Kann Rückfälle geben und und.
Wie es in eurem Fall ist, schwer zu sagen.
Ich will dich nicht ganz entmutigen.
Es muss halt einfach bewusst gemacht werden dass es eine schwerwiegende Krankheit ist
Kein Zustand der nach Behandlung wieder weg geht. Bei Therapie kann sich aber auch einiges zum Guten wenden.

Aber ich denke du wirst ihm jetzt die Zeit erst mal geben....nutzen für dich.
Nochmal darüber klar werden wie stark sind deine Gefühle, Liebe um mit so etwas umzugehen.
Wenn er denn an der Beziehung fest halten möchte.

Was ich nicht ganz kapiert habe, warum er gefrustet ist wenn die Beziehung überwiegend zu Hause statt findet.
Alleine vom Gesundheitszustand ist es doch gar nicht möglich ( schmerzpatient ) ständig raus zu gehen. Oder ist er so fit? Unterdrückt das Morphium das...

Mein Mann ist auch Schmerpatient.
Schwerst chronisch krank. Bewegung mehr als mies. Erschöpfung ist an der Tagesordnung, alleine wegen den Medikamenten.

Alles gute,
Aurelia Belinda
Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen
Ostfriesin
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Re: Am Boden zerstört...

Beitrag von Ostfriesin »

Für mich wäre eine Therapie auf jeden Fall Voraussetzung um die Beziehung vorzuführen! Sofern er das denn überhaupt möchte ;-(

Ja, warum er mir das "vorgeworfen" hat verstehe ich auch nicht ganz. Besonders weil er mir im Verlauf des Gespräches auch erzählt hat, das er sich teilweise gar nicht wirklich rausgetraut hat...
Schmerzmäßig ist natürlich auch nicht alles möglich, man musste halt immer mal kleine "Verschnaufpausen" einplanen oder es war irgendwann so schlimm das er fast nicht mehr laufen konnte...
Candless
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Re: Am Boden zerstört...

Beitrag von Candless »

Wahrscheinlich gibt es für diese Aussage keine sinnvolle Erklärung, wie für so vieles, was in der depressiven Episode so gesagt wird.... Ich habe auch Dinge gehört, die völlig absurd waren und es bis heute für mich geblieben sind.
Ich bin hier, weil ich mich mit anderen Angehörigen offen über alles austauschen möchte.
Aurelia Belinda
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Re: Am Boden zerstört...

Beitrag von Aurelia Belinda »

Hallo Ostfriesin,
Hallo Candless,

Ja das stimmt Candless.
Es ist oft verwirrend.
Weil in der Episode der betroffene selbst so ein Gedanken Wirr Warr im Kopf hat dass er selbst kaum weiß, wer bin ich momentan, wo will ich hin. ( Lebensweg, Zukunft ) und so arg mit seinem Dasein, seinen Gefühlen, beschäftigt ist, dass man gar keine Aussagen bezüglich wie es weiter geht, erwarten kann.

Therapie ist auf jeden Fall angebracht.
Er ist ja mehrfach erkrankt.
Hat vielleicht nie richtig über seine eigenen Sorgen reden können.

Du gibst ihm Zeit, Ostfriesin.
Das ist erst mal okay.

Alles gute für euch,
Grüße von Belinda
Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen
Ostfriesin
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Registriert: 23. Mär 2019, 18:13

Re: Am Boden zerstört...

Beitrag von Ostfriesin »

Verwirrend ist sein Verhalten momentan auf jeden Fall!!
Letzte Woche hatte ich ihn ja angeschrieben, da kam nur die knappe Antwort: Bin ein paar Tage weggefahren!!! Melde mich nächste Woche!!
Mittwoch hat er mir dann geschrieben wie es mir geht und ob er Samstag noch ein paar Sachen holen kann... Habe ihm dann geantwortet das es mir soweit ganz gut geht und gefragt wie es ihm geht... Habe bis jetzt keine Antwort bekommen!

Aber wenn man sich hier durch die Treads liest, scheint dieses Verhalten ja mehr oder weniger "normal" zu sein?!
Ich bin ja mal gespannt wie er Samstag mir gegenüber ist. Ob er einen auf super gut drauf macht oder mich sehen lässt wie es ihm wirklich geht...

Und ich gehe mal davon aus das er nie richtig über seinen "ganzen Scheiß" reden konnte und such das ein oder andere nicht richtig verarbeiten könnte! Er musste halt immer "funktionieren"
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