Drei Zentimeter Hoffnung

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Lena21

Drei Zentimeter Hoffnung

Beitrag von Lena21 »

Hallo zusammen,

ich hätte euch hier eigentlich gerne ein Foto hochgeladen, aber irgendwie lässt das Eingabeding das nicht zu. Also nur mit Worten, wobei das Bild echt was hat.

Wir haben in der Klinik Anfang September einen Film geschaut, indem ein Mann in die Psychiatrie kam und das fanden wir als Psychiatriepatienten irgendwie interessant. Den Film an sich fand ich ziemlich schlecht, aber: Die Hauptperson hat in der ersten Klinikwoche einen Apfelkern in die Erde gelegt und den so lang gepflegt, bis er irgendwann einen kleinen Apfelbaum hatte. Und das fand ich irgendwie ziemlich cool.
Also habe ich das nach meiner Entlassung Mitte September auch versucht. Und es ist Monatelang nichts passiert. Irgendwann habe ich dann im Internet gelesen, dass Apfelkerne einige Frostnächte brauchen, bis sie keimen können (denn sonst würden ja die Bäumchen Ende Oktober schon keimen und beim ersten Frost kaputt gehen). Also habe ich es mit Kühlschrank versucht, mit Schnee, mit warten. Zeitweise sah die Vesperdose mit den Kernen echt eklig aus. Passiert ist nichts.

Letzte Woche habe ich das Experiment Apfelbaum abgebrochen und versucht, mich damit abzufinden, dass Filme nichts mit der Realität zu tun haben. Habe den Inhalt der gammligen Vesperdose im Topf einer Zimmerpflanze entsorgt und dort vergessen. Vor paar Tagen wollte ich diese Zimmerpflanze dann gießen, als mir plötzlich lauter kleine grüne Dinger in der Erde auffallen, die davor noch nicht drin waren. Apfelbaumsprösslinge!
Die kleinen Dinger stehen jetzt auf meiner Fensterbank und sind schon 3 Zentimeter groß! :D

Was mir die Sache mal wieder gezeigt hat:
1.) Wachstum braucht einfach Zeit.
2.) Man sollte sich auch dann um gute Dinge kümmern, wenn es scheinbar nichts bringt bzw. wenn man die Ergebnisse noch nicht sehen kann.
3.) Viellleicht braucht man manchmal einen emotionalen Winter voll Kälte und Dunkelheit, damit es danach besser werden kann. Wie bei dem Apfelkern, der erst anfängt zu treiben, wenn er weiß, dass er den Winter hinter sich hat. (Im Apfelkern ist ein Wachstumshemmer eingebaut, der erst durch anhaltende Kälte zerstört wird)
4.) Man sollte Hoffnung nicht unterschätzen.

Ich habe keine Ahnung, wie das mit dem Apfelbäumchen jetzt weiter geht. Wie schnell das wächst. Wann das Tomatensoßenglas, in dem es gerade wohnt, zu klein ist. Was ich machen soll, wenn ich tatsächlich irgendwann einen Baum in meinem Zimmer habe und und und. Und das Apfelbäumchen weiß das auch nicht. Aber es wächst. Trotzdem. :D

Liebe Grüße und euch eine gute Woche,
Lena

P.s.: Allgemein kann ich das Gärtnern auf der Fensterbank jedem empfehlen. Mir tut es gut zu sehen, wie die kleinen grünen Pflänzchen einfach wachsen. Wachsen. Wachsen. Ohne sich Stress deswegen zu machen. Ohne zu schauen: "Oh, die Planze im Nachbartopf ist ja schon fünf Millimeter größer als ich!". Einfach nur in ihrem Tempo der Sonne entgegen. :)
anna54
Beiträge: 3713
Registriert: 14. Sep 2010, 15:08

Re: Drei Zentimeter Hoffnung

Beitrag von anna54 »

Liebe Lena
wie wunderbar ist deine Geschichte,ich finde sie sehr sehr wertvoll!
Ich wohne mitten im Wald und habe so viel Freude an den winzigen Frühlingszeichen.
Jeder Zentimeter,den dein Bäumchen wächst ist ein Zeichen für den ewigen Neubeginn,den nur die Natur uns schenken kann.
Gerade in der Hoffnung befindet sich die Keimzelle für den Umschwung,an den nach schwerer Depression kaum noch zu glauben ist.
Dein Bild ist greifbar und wunderbar.
Ich wünsche dir gutes Gelingen und kann dir nur einen Platz auf meiner neuen Obstwiese anbieten.
anna54
Gertrud Star
Beiträge: 3441
Registriert: 30. Jun 2014, 19:09

Re: Drei Zentimeter Hoffnung

Beitrag von Gertrud Star »

Liebe Lena,
das klingt super, und auf die Idee kommt wohl niemand sonst.
Die Bäumchen könntest du in einzelne Töpfchen einsetzen und die "überzähligen" verschenken, zusammen mit den Worten, die du hier benutzt hast.
Ein Apfelbäumchen hat nicht jeder.
LG Gertrud
aikido_1987
Beiträge: 1133
Registriert: 24. Jul 2011, 20:43

Re: Drei Zentimeter Hoffnung

Beitrag von aikido_1987 »

Hallo Lena21,

was für ein schöner Beitrag! Wir haben als Kinder immer Mandarinenkerne auf der Fensterbank ausgesät. Sind sogar Pflanzen draus geworden. Aber keine Bäume mit Mandarinen.

Viel Erfolg weiterhin mit dem Apfelbäumchen!
aikido
aikido_1987
Beiträge: 1133
Registriert: 24. Jul 2011, 20:43

Re: Drei Zentimeter Hoffnung

Beitrag von aikido_1987 »

Nachtrag:

Als ich den Titel deines Beitrages las, dachte ich, da ist jemand schwanger...*schmunzel*
Emma52
Beiträge: 331
Registriert: 4. Nov 2016, 00:01

Re: Drei Zentimeter Hoffnung

Beitrag von Emma52 »

Ich auch. Schöne Geschichte. Was für eine riesen Hoffnung. Alles, alles Gute, Emma
Lena21

Re: Drei Zentimeter Hoffnung

Beitrag von Lena21 »

Hallo zusammen,

Fotos kann man hier leider immernoch nicht hochladen... Der Apfelbaum ist jetzt schon 8,5 cm groß. Und er wartet darauf, dass endlich Frühling/Sommer wird und er nach draußen kommt. Und obwohl er so klein ist und noch nie einen Sommer erlebt hat, vertraut er doch irgendwie darauf, dass es diesen "Sommer" gibt. Dass diese runde helle Kugel immer häufiger durch die Wolken scheinen und ihn wärmen wird. :D

Und jedes Mal, wenn ich in den letzten Wochen und Monaten dachte, dass ich keine Kraft mehr habe zu kämpfen. Wenn ich einfach müde war und erschöpft, hat er mir gezeigt, dass es weiter geht. Und wie gut es tun kann, nichts unmögliches von sich zu erwarten. Nur jeden Tag ein kleines bisschen.

Ich finde es einfach irgendwie tröstlich, wie unbeirrbar der kleine Baum vor sich hinwächst. Dass er nicht denkt: "O Gott, in sieben Jahren muss ich Äpfel tragen." Oder: "Scheiße, wie soll denn das werden, wenn ich irgendwann umgetopft werde." Oder: "Hilfe, wie funktioniert denn das im Herbst?" Nein. Er denkt nicht. Er grübelt nicht. Er wächst einfach. Und vertraut darauf, dass trotzdem alles gut werden wird.

Und wenn schon der kleine Sätzling das schafft, dann können wir das vielleicht auch. :)

Viele Grüße und euch alles Gute,
Lena
Aurelia Belinda
Beiträge: 7981
Registriert: 23. Aug 2018, 20:03
Wohnort: Mittelfranken

Re: Drei Zentimeter Hoffnung

Beitrag von Aurelia Belinda »

Das hast du schön formuliert Lena,
Ja. Wir Menschen sollten weniger grübeln. Wir sind halt eine Gattung die viel mit Gedanken verbindet.
Wir fordern oft zu viel von uns.
Wundern uns dann wenn wir enttäuscht sind weil es nicht hinhaut.
Andere Lebewesen machen das nicht.
Haben auch nicht ständig Angst.
Aber wir. Wir haben Angst zu versagen,
Angst vor Veränderung und und.
Wir sollten wirklich mehr vertrauen haben, der Natur ihren Lauf lassen wie das Aofelbäumchen.
Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Drei Zentimeter Hoffnung

Beitrag von Bittchen »

Liebe Lena,

hege und pflege deinen Körper und deine Seele,
genauso wie du das mit dem kleinen Apfelbäumchen machst.

Dir alles Liebe und herzlich Grüße
Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
Aurelia Belinda
Beiträge: 7981
Registriert: 23. Aug 2018, 20:03
Wohnort: Mittelfranken

Re: Drei Zentimeter Hoffnung

Beitrag von Aurelia Belinda »

Lustig, Bittchen.
Das sagt mein Mann öfter.
Er muss seinen “ Acker, gegen u. Pflegen “ damit er gutes ernten kann am Ende.
Er hat aber keinen Acker. Nur so in Gedanken ( zwinker ).

Ja, wir sollten sehr behutsam mit uns umgehen. Danke für eure Zeilen.
Es macht mir wieder deutlich wie wichtig das ist.

Schönen Abend
Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen
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