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Tochter hat Depressionen

Verfasst: 4. Jan 2019, 14:03
von Petra50
Hallo , ich bin neu hier, weil ich langsam nicht mehr weiter weiß. Meine Tochter 24 Jahre lebt noch bei mir (bin seit 6 Jahren geschieden). Vorletztes Jahr wollte sie schon ihre Fachhochschule hinschmeißen, riss sich dann aber doch zusammen und schaffte ihren Abschluss. Im Oktober hat sie ein Studium begonnen und sie hat sich so gefreut. Dann hat es im November angefangen :-( Sie hat sich abgekapselt. Nur noch in ihrem Zimmer. Seit Dezember ist es so schlimm sie geht nicht mehr zur Uni. Ihr ist alles egal, tagsüber schläft sie, nachts ist sie wach und trinkt einen Kaffee nach dem anderen. Ich konnte sie wenigstens überreden zum Nervenarzt zu gehen. Ich durfte aber nicht mit zum Gespräch. Sie bekam eine Einweisung für die Klinik, Diagnose ist eine mittelschwere Depression. Jetzt warten wir auf eine Antwort der Klinik. Das Zusammenleben ist sehr schwierig, denn sie lässt niemand an sich ran. Antworten auf Fragen bekomme ich von ihr, wenn ich Glück habe über whats up, reden tut sie gar nicht mehr. Kann mir jemand sagen wie ich mich verhalten soll? Es tut so weh als Mutter nur zusehen zu müssen und nicht helfen zu können.
LG Petra

Re: Tochter hat Depressionen

Verfasst: 5. Jan 2019, 08:54
von Candless
Liebe Petra,
das Allerwichtigste läuft schon, sie war beim Arzt und es gibt einen Plan, wie sie behandelt werden soll und das ist angeleiert.
Das ist meistens auch die größte Hürde! Denn viele Betroffene lehnen erstmal eine Behandlung ab. Daran sehe ich, deine Tochter weiss, wa los ist und will es ändern. Das wird viel Zeit in Anspruch nehmen, und die braucht sie jetzt auch.

Viel tun kann man nicht, nur ihr zu verstehen geben, dass man für sie da ist, wenn sie das will.

Antriebslosigkeit und verzerrte Tagesrhythmen sind nicht ungewöhnlich. Grund zur Sorge denke ich gibt es erstmal nicht, sie scheint nicht suizidal und Substanzmissbrauch scheint es ja auch nicht zu geben.

Es bringt nichts, in der Situation sie aktivieren zu wollen, oder die Situation zu reflektieren, denn dazu fehlt die Grundlage, derzeit. Helfen kannst du, indem du sie lässt, nicht verurteilst, ihr zu verstehen gibst, dass du weisst dass sie nicht anders kann, die Hoffnung behältst und ihr nicht die Schuld gibst.

Gut ist es auch, deine Emotionen nicht davon abhängig zu machen, locker bleiben, optimistisch und selbst nicht stimmungsmäßig abzurutschen. Denn dann geben sich die betroffenen häufig dafür die Schuld und nicht selten schränken sie dann den Kontakt ein, um den anderen zu schützen. Besser wäre, den Status Quo anzunehmen, deutlich zu machen, dass man selbst stabil ist und sein Leben weiterführt und auch, dass man stimmungsmäßig positiv ist. Das kann Halt geben.

Wahrscheinlich wäre es wichtig, dass sie sich an der Hochschule beurlauben lässt, das würde ich vielleicht anregen und bei Bedarf helfen.

Viel Kraft und ganz liebe Grüße!

Re: Tochter hat Depressionen

Verfasst: 11. Jan 2019, 19:06
von Petra50
Hallo Candless,
vielen Dank für Deine Rückmeldung. Man kann es überall im Forum lesen wie man sich als Angehöriger verhalten soll, doch dies umzusetzen fällt mir sehr schwer. Noch vor 3 Monaten war meine Tochter aufgeschlossen und fröhlich und jetzt das genaue Gegenteil. Ich fühle mich schlecht wenn ich beim Fernsehen schauen lachen muss oder wir am Tisch sitzen und ohne sie essen. Ich werde mich sehr anstrengen müssen und für sie mit stark bleiben und hoffen, dass ich bald wieder meine fröhliche Tochter habe.

Grüße Petra

Re: Tochter hat Depressionen

Verfasst: 11. Jan 2019, 19:48
von Herz1234
Das ist wirklich furchtbar mit den Depressionen .
Aber wie Candless schon gesagt hat , ihr seid doch schon einen ganz geoßen Schritt weiter !
Sie hat eingesehen , dass was nicht stimmt . Sie war beim Arzt . Die Diagnose steht und auch der weitere Behandlungsweg . Das ist doch schon richtig richtig toll . Jetzt kann es doch nur bergauf gehen .
Dass mit dem „ in Ruhe lassen „ finde ich auch sooooo schwer . Man fühlt sich hin und hergerissen . Möchte man doch so gerne helfen - aber man ist machtlos

Re: Tochter hat Depressionen

Verfasst: 13. Jan 2019, 11:39
von Bittchen
Liebe Petra,

wenn das eigene Kind erkrankt,ist das noch Mal eine andere Sache und ich verstehe dich sehr gut.
Aber man ist als Mutter nicht nur machtlos.
Ich habe meine Tochter immer wieder"gestört" und war sehr achtsam.
Immer wieder auffordern doch kleine Dinge zu erledigen z,B. die Körperpflege oder genug zu essen und zu trinken, ist schon wichtig.
In eine Klinik zu gehen ist der richtige Weg,da wird sie lernen besser auf sich zu achten und sich keinen Druck zu machen um zu funktionieren.
"Zusammenreißen" ist ein Unwort im Zusammenhang mit einer depressiven Störung,auch wenn dadurch ein Ziel erreicht wurde,kann das schnell zur Überforderung führen !!!
Das rächt sich dann irgendwann,weil die ersten Symptome ignoriert wurden.

Alles Gute für deine Tochter und für dich.
Liebe Grüße
Bittchen

Re: Tochter hat Depressionen

Verfasst: 23. Jan 2019, 19:29
von Petra50
Hallo Bittchen,
wie hast Du Dich Deiner Tochter sonst gegenüber verhalten? Wir waren letzte Woche in der Klinik zum Vorgespräch. Ich durfte nicht mit zum Gespräch und bekam auf nachfragen dann nur die Antwort, dass die Ärztin eine ambulante Therapie vorschlägt. Außerdem würde sie sich einen Job suchen und ausziehen. Anscheinend würde sie dann vom Hausarzt Tabletten bekommen. Die 2 Stunden Heimfahrt im Auto verbrachte sie wie auf der Hinfahrt schlafend auf der Rückbank. Zuhause wieder nur im Zimmer. Zumindest hat sie sich nach einem Termin für die Therapie geschaut. Ein Hoffnungsschimmer. Doch heute wieder der Rückschlag. Ich habe ihr vor 2 Wochen das Buch "Mein schwarzer Hund" gekauft und es nur auf dem Tisch liegen gelassen (wie empfohlen). Entweder sie schaut sich das Buch von alleine an oder nicht. Also zu nichts zwingen. Heute Mittag kam sie heulend zu mir was ich mir dabei gedacht habe mit dem Buch. Ob ich überhaupt wüßte was ich da angerichtet habe? Sie ging heulend ins Bad und schloss sich ein. Ich hörte sie nur noch schluchzen. Kann mir jemand sagen was man noch alles falsch machen kann? Ich glaube ich kann nichts richtig machen. Es ist so zum verzweifeln.
Petra

Re: Tochter hat Depressionen

Verfasst: 23. Jan 2019, 19:56
von Candless
Liebe Petra,

ich glaube, das einzige, das ihr helfen kann, ist, sie ihren Weg finden zu lassen. Alles, was wir als Angehörige tun, weil mir meinen, zu wissen, was gut ist, kann völlig verkehrt sein und den Betroffenen noch tiefer in die Depression stürzen.

Ich würde ihr keine Bücher kaufen, die sie nicht selbst haben möchte und auch sonst nichts "für sie" tun, das sie sich nicht gewünscht hat.

Die meisten Betroffenen wollen in Ruhe gelassen werden und ich glaube, das wollen sie, weil sie sich dadurch schützen. Auch vor gut gemeinten Interventionen von Angehörigen.

Ich denke, der Vorfall mit dem Buch zeigt deutlich, dass sie die Ruhe und Distanz dringend braucht und dass nichts über ihren Kopf hinweg "für sie" getan werden darf.

So lese ich es und es kommt mir bekannt vor. Diese Erfahrung habe ich mit meiner Ex-Partnerin auch gemacht.

Ganz liebe Grüsse!

Re: Tochter hat Depressionen

Verfasst: 23. Jan 2019, 20:05
von Petra50
Hallo Candless,
danke für Deine Worte. Da versucht man als Angehöriger sich überall zu informieren wie man sich verhalten soll und ich suche mir gerade das Falsche raus. Man ist so machtlos. Ich sehe auch immer wieder Blutflecken an ihrer Kleidung und im Bett. Hoffentlich bekommt sie vom Arzt bald die Tabletten und ihr geht es dadurch besser. Wie bist Du mit Deiner Partnerin umgegangen?

LG Petra

Re: Tochter hat Depressionen

Verfasst: 23. Jan 2019, 20:24
von Candless
Tja, ich habe sie in Ruhe gelassen, so wie sie das wollte. Irgendwann kam sie dann wieder auf mich zu. Je weniger man erwartet, auch an Besserung, desto geringer ist der Druck, den wir aufbauen und das ist für unsere erkrankten Angehörigen gut, musste ich lernen.

Das mit den Selbstverletzungen ist natürlich schwer zu ertragen, aber ich denke, deine Tochter kann im Moment nicht anders. Und selbst mit Medikamenten gibt es keine Garantie auf baldige Besserung, es kann trotzdem sehr lange dauern und vielleicht merkt man von Aussen sogar keine Veränderung, wenn sie Tabletten bekommt.

Wenn dich die Selbstverletzungen unsicher machen, würde ich mit ihr versuchen, etwas abzusprechen. Ich habe meine Ex-Partnerin auf solche Dinge angesprochen, ganz direkt, und ihr das Versprechen abgerungen, dass sie offen sagt, wenn sie konkrete Suizid- oder grössere Selbstschädigungsgedanken hat. Ich habe ihr gesagt, dass das meine Grenze ist, dass ich nicht in ständiger Sorge leben kann und dann ein Kontakt erstmal nicht aufrecht erhalten werden kann, von meiner Seite aus. Ich hätte das von mir aus nie gesagt, habe aber psychologische Unterstützung eingeholt in dieser Frage und mich beraten lassen und musste einsehen, dass es bei mir eine Grenze gibt und ich sie auch aussprechen muss. Das habe ich getan und war auch gut. Denn meine Ex hält sich daran und ich habe gesehen, dass doch auf einem ganz niedrigen Niveau eine Absprache möglich ist.

Jedoch glaube ich, das geht nur, weil ich da für mich handele, nicht in erster Linie für sie. Sobald sie das Gefühl hat, ich tue etwas für sie, das sie nicht will, fällt die Klappe. Vielleicht hat es damit zu tun, dass unsere Angehörigen dann das Gefühl bekommen, noch weniger gleichberechtigt und selbstverantwortlich gesehen zu werden, als sie sich eh schon fühlen.... nur so ein Verdacht!

Ganz liebe Grüsse! Wir kennen das hier wohl alle und wissen, was du derzeit durchmachst!

Re: Tochter hat Depressionen

Verfasst: 24. Jan 2019, 14:01
von Petra2312
Liebe Petra, auch ich habe das was du durchmachst mit meiner Tochter erlebt. Nur war sie vor 5 Jahren noch minderjährig, so dass wir anders handeln konnten. Wichtig ist, dass kein Hausarzt ihr Antidepressiva verschreiben kann, da muss ein Facharzt konsultiert werden. Bei uns war es so, dass die Hausärztin eine Überweisung zum Psychologen ausgestellt hat und dieser uns dann erst mal zu einem Neurologen geschickt hat. Das mit den Selbstverletzungen kenne ich nur zu gut. Meine Tochter hat mir irgendwann mal erklärt warum sie das gemacht hat. Sie hat sich selbst nicht mehr gespürt, alles war wie tot. Durch das Selbstverletzen hat sie Schmerz empfunden und so gemerkt, dass sie noch lebt. Ich kann dir den Rat geben, gutes Verbandsmaterial zu kaufen und schwarze Salbe. Wir haben damals abgemacht, wenn sie nicht anders kann und sich verletzt muss sie es sagen, damit ich mir die Wunden anschauen kann und eventuell ein Arzt aufgesucht werden muss. Ich war mehr als einmal in der Klinik um die Wunden nähen zu lassen. Auf das Thema Auszug würde ich gar nicht reagieren. Wichtig ist, dass du ihr zu verstehen gibst, dass egal was auch passiert du für sie da bist. Ratschläge bringen dich nicht weiter. Sie sollte schnellstmöglich einen guten Therapeuten finden. Man ist ziemlich machtlos. Jede Selbstverletzung die sich meine Tochter zugefügt hat schnitt mir direkt ins Herz. Ich wünsche dir ganz viel Kraft für die nächste Zeit. Liebe Grüße Petra

Re: Tochter hat Depressionen

Verfasst: 25. Jan 2019, 14:53
von foreverfree
Liebe Petra,
auch ich kann Dich leider gut verstehen. Leider nur zu gut. Unsere Tochter ist so alt, wie Deine und steckt in einer tiefen Depression. Nach außen sehr sichtbar seit dem Tod ihres Bruders und der Trennung von uns Eltern- laut ihrer Beschreibung war sie aber schon immer da. Studienabbruch, neues Studium, gar keine Freude, Dunkelheit, Verschlossenheit, totaler Rückzug .... Depression, Trauer, noch mehr. Nach mehreren kurzen Anläufen verweigert sie jede Hilfe. Auch professionelle. Ihr Hausarzt (!) hat ihr starke Antidepresssiva verschrieben. Die lehnt sie aber ab.
Sehr sehr schwer. Du fragst, was kann man tun... Auch ich scheine alles falsch zu machen, fast egal, was es ist. Sie reagiert wie ein extrem verletzer Tiger. Dem fast das ganze Fell abgezogen wurde. Von aggressiv bis total passiv. Da geht von außen gar nichts. Als Vater macht mich das total fertig und verändert auch mich und mein Leben. Es lähmt. Obwohl ich eigentlich ein ziemlich aktiver Mensch bin.
Für meine Tochter müssen die extremen Phasen die absolute Hölle sein. Ich habe sie auf Suizidalität angesprochen, sie sagt das wäre kein Thema für sie. Schwierig damit um zu gehen, nachdem ihr Bruder so gestorben ist.
Hier im Forum lese ich, dass Angehörige nur begleiten können. Wenn überhaupt. Mehr nicht. Kaum auszuhalten, aber es scheint genau so zu sein. Ich selber war nach dem Tod unseres Sohnes viele Jahre in Therapie, jetzt bin ich wieder bei mir. Allerdings merke ich, wie diese Situation mich verändert. Langsam, aber sicher. Selbstschutz ist da ganz wichtig, schreibt Candless oben. Oh ja. Nur ist das eben ein Balanceakt... Wo ist die Grenze, Verantwortungsgefühle... Wir kennen das wohl alle. Mir hilft gerade das Konzept vom inneren Kind sehr.
Viel Kraft Dir! Herzliche Grüße, Thomas