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Rich
Beiträge: 45
Registriert: 15. Jan 2018, 23:04

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Beitrag von Rich »

Hallo zusammen,
Ich habe nach 2 Jahre meine Therapie abgebrochen, weil ich das Gefühl hatte, damit bin ich gescheitert, bzw., dass die mehr als 160 Therapiestunden mir nichts gebracht haben. Es war immer sehr mühsam dorthin zu gehen, die letzte zeit war es gar nicht mehr möglich.
Ob ich eine andere Therapiemöglichkeit finden soll wie ich beim abbrechen der ersten mir gedacht habe, weiß ich nicht … bin nicht überzeugt davon und habe Angst nochmal zu scheiten.
Es ist aber bekannt, dass wenn man depressiv ist (mir fällt immer noch schwer das Wort auszusprechen, oder zu schreiben), das nicht nur eine Belastung für sich selbst sondern auch für die angehörige … es war bei mir nicht anders.
Ich schaffe aber die letzte Zeit ganz gut es alles zu verdrängen … wenn jemand in meiner Nähe ist, zeige ich gar nicht wie es mir tatsächlich geht. Ich übe das so gut wie jeden Tag, bin meiner Meinung nach ziemlich gut in meiner Rolle.
Ist das ein Zeichen dafür, dass mir eigentlich besser geht und nur ich sehe das nicht so? Oder baue ich mir nur eine Zeitbombe die früher oder später explodieren wird?
Wenn jemand eine Meinung dazu hat, würde ich sehr gerne hören, ich rede seit lange mit niemanden darüber.
Liebe Grüße
Häschen76
Beiträge: 32
Registriert: 24. Mär 2018, 17:15

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Beitrag von Häschen76 »

Hallo Rich,

Ich kann dich ganz gut verstehen und kann dir sagen, dass ich auch Mal in einer ähnlichen Situation war. Ich selbst war in einer Therapie die mir anfangs sehr gut getan hat, aber bald empfand ich es auch mehr als Anstrengung hinzugehen, also brach ich ab. Danach ging es mir tatsächlich "besser" oder zumindest redete ich mir das ein, ich fing auch an allen anderen und bald auch mir selbst vorzuspielen das es mir doch gut geht und niemandem etwas zu genaueres zu sagen. Aber ganz tief in mir habe ich immer gespürt, dass es so nicht weitergehen kann und ich denke dir geht es da ähnlich.
Bei mir endete es dann mit weinkrämpfen und Panikattacken bei der Arbeit so daß ich dann absolut nicht mehr Arbeitsfähig war. Glaub mir diese Erkenntnis hat mich sehr sehr sehr viel Überwindung gekostet. Inzwischen habe ich eine Therapeutin und Therapieart gefunden die mir zusagt, ausserdem habe ich auch eine Psychiaterin dabei die mich mit Medikamenten und auch Krankschreibungen unterstützt.
Was ich damit sagen will: Bitte glaub nicht dass du ständig stark sein musst und alle anlügen was deine Gefühle angeht. Versuch dir helfen zu lassen, es ist sehr schwierig das weiss ich, aber auch für dich gibt es die Richtige Therapie und den oder die richtige Therapeut/in.
Ausserdem ist es schon ein sehr guter und richtiger Schritt dich hier anzumelden. Gleichgesinnte zu finden und andere Geschichten und Tipps zu lesen kann nämlich auch sehr aufbauend sein.

Alles Gute
Häschen76
Katerle
Beiträge: 11309
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

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Beitrag von Katerle »

Hallo Rich,

ganz am Anfang dachte ich damals auch, mir bringt das eh nichts, Therapie. Aber dann spürte ich, dass mir die Gespräche guttaten und machte weiter. Auch mich hatte das alles viel Überwindung gekostet.
Stimme da Häschen voll und ganz zu. Zu verdrängen und nicht zu zeigen, wie es dir wirklich geht und dich weiterhin stark zu fühlen, ist lebensgefährlich... Lass dir dringend helfen!

Alles Gute,
Katerle
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

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Beitrag von Bittchen »

Hallo Rich,

eine Therapie muss nicht unbedingt nur gut für den Klienten sein.
Ich habe zwei mal eine Therapie abgebrochen,weil es mir nicht mehr gut taten,aber ich hatte auch 80 Stunden "Kognitive Verhaltenstherapie ",da profitiere ich heute noch von.
160 Stunden Therapie ist eine Menge.
Wenn du es in der Zeit es nicht geschafft hast, zusammen mit dem Therapeuten zu akzeptieren,dass du an einer depressiven Störung erkrankt bist und offener dazu stehen kannst,dann ist da wohl was falsch gelaufen.
Das ist aber nicht dein Versagen,da hat die Therapie nicht richtig funktioniert,die Chemie nicht gestimmt usw.
Du schreibst nicht was die Ursache für deine Erkrankung sein könnte.
Wenn du hier etwas über dich erzählst,kann dir das schon Erleichterung bringen und ist ein Schritt dich etwas mehr zu öffnen.
Ich selbst laufe nicht mit einem Schild vor der Brust rum,dass ich psychische Probleme habe,aber ich kann schon darüber reden wenn ich einem Menschen vertraue.
Denn Krankheit ist keine Schande,und die Seele wird auch krank und gehört behandelt.
Weiter verbergen wie es dir wirklich geht,kann sich sehr negativ auswirken.
Von alleine geht ein Depression selten weg,aber du kannst sehr viel dazu beitragen dass es dir besser geht.
Lese und schreibe hier und suche dir wieder Hilfe.
Auch positive Aktivitäten können dir weiter helfen,um in ganz kleinen Schritten aus dem Loch raus zu kommen.
Selbsthilfebücher können da sehr viele Anregungen geben.

Gute Besserung und liebe Grüße
Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
lowrider

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Beitrag von lowrider »

Rich hat geschrieben:Ich schaffe aber die letzte Zeit ganz gut es alles zu verdrängen … Oder baue ich mir nur eine Zeitbombe die früher oder später explodieren wird?
Hallo Rich,
ich hab das jahrzehntelang so geschafft, zu verdrängen, vorzuspielen, zu funktionieren - bis meine Kräfte dann doch nachliessen und ich zusammengeklappt bin. Hiess für mich EU-Rente und jahrelanger Rückzug von der Aussenwelt, von den Mitmenschen.

Bin vor ein paar Jahren dann in eine niederfrequente Therapie sozusagen hineingestolpert, über meinen Psychiater. Ist gerade z.Zt. sehr schwierig. Ich beiss sehr die Zähne zusammen, täglich, und sag mein Mantra "Ich will nicht aufgeben, ich will nicht aufgeben...".

Für mich wäre es auch ein Scheitern. Schon, weil ich davon ausgehe, dass mein Therapeut seelisch gesünder ist als ich. Und weil es für mich nicht nur um den Aufbau, sondern um das (Aus-) Halten einer (therap.) Beziehung geht.

Ich würd mich vielleicht an deiner Stelle ausgiebig besinnen und befragen und dann auf die sorgfältige Suche nach einem Therapeuten machen, mit dem Vorsatz, unbedingt dran zu bleiben.

Kümmer dich um deine Seele, solange du noch handlungsfähig bist.
Frau_Wal
Beiträge: 134
Registriert: 6. Aug 2018, 19:18

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Beitrag von Frau_Wal »

Hallo Rich,

die Fähigkeit zu schauspielern kann manchmal nützlich sein. Man muss ja, wie Bittchen schon geschrieben hat, nicht jedem gleich auf die Nase binden, welche Probleme man hat.

Wenn du aber gar niemanden hast, mit dem du ehrlich über deine Situation sprechen kannst und bei dem du mal deine Maske fallen lassen kannst, wird das auf Dauer sehr anstrengend und das kann tatsächlich zur "Zeitbombe" werden. :?

Es ist schade, dass deine erste Therapie nicht den gewünschten Effekt hatte. Aber auch wenn eine Therapie sehr anstrengend sein kann, sollte sie dich nicht mehr belasten als dein ursprüngliches Problem. Insofern war es sicher gut, dass du die Therapie abgebrochen hast. Das bedeutet aber nicht, dass du komplett gescheitert bist. Du hast nur eine Methode gefunden, die in deiner Situation für dich nicht funktioniert. Aber nur weil die erste Therapie nicht den gewünschten Effekt hatte, heißt das nicht, dass auch der zweite Versuch scheitern wird. Vielleicht kannst du eine andere Art von Therapie ausprobieren, es gibt ja verschiedene Sorten. Du kannst ja mal versuchen, einzugrenzen, was an deiner ersten Therapie gut war und was dich belastet hat. Was war für dich hilfreich und was nicht? So kannst du besser einschätzen, welche Art von Therapie du beim nächsten Mal ausprobieren möchtest.

Mit Selbsthilfebüchern habe ich auch gute Erfahrungen gemacht. Ich mag besonders die Bücher mit Übungen, die man auch im Alltag ausprobieren kann und Bücher, die offene Fragen stellen, die man individuell für sich beantworten kann. Dadurch bin ich schon auf gute Ideen gekommen.

Hier im Forum bist du ja schon. Vielleicht kannst du dich zusätzlich auch einer Selbsthilfegruppe anschließen. Ich mache das seit einigen Wochen und finde es sehr hilfreich. Der Austausch ist dort noch persönlicher als im Forum, weil man die anderen tatsächlich "live" sieht.

Alles Gute für dich,
Frau_Wal
Rich
Beiträge: 45
Registriert: 15. Jan 2018, 23:04

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Beitrag von Rich »

Danke euch alle für die Antworten…
Hab mich sehr gefreut und gar nicht damit gerechnet. Komm kaum hinterher, alles zu lesen.
Tatsächlich ging es mir gar nicht gut die letzten Tage, ich habe also selber eine Antwort auf meine Frage direkt auf die Haut bekommen… nach dem ich sehr viel zu tun hatte, geht mir jetzt die Puste aus, ich denke nur an weg gehen.
Hat jemanden auch solche Gedanken? Einfach alles hinter sich zu lassen?
Kann das vielleicht von Vorteil sein? Die anderen die man kennt und liebt nicht mehr damit stören und sich die Chance zu geben, etwas zu ändern?
Leider kaum umsetzbar …irgendwo habe ich gelesen, „ man kann nicht in der Umgebung wo man krank geworden wieder gesund werden.“. Sehr wahrscheinlich war es mit anderen Wörtern, aber die Botschaft ist bei mir so geblieben. Keine Ahnung wer das geschrieben hat, ob es Aufmerksamkeit würdig ist, mach mich aber nachdenklich.
Würde mich nochmal freuen, Meinungen zu hören.
Schönen Abend an alle,
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