Seite 1 von 1

Hat man sich so getäuscht

Verfasst: 11. Nov 2018, 10:04
von Petra2312
Guten Morgen,

ich hoffe es kann mir jemand helfen. Ich weiß gar nicht wo anfangen soll. Also vor fünf Jahren erkrankte unsere Tochter an Magersucht und in diesem Zusammenhang auch an Depressionen. Ich habe diese Zeit nur überstanden weil ich meinen Partner an meiner Seite hatte. Nun ist er vor zwei Jahren, nach dem Tod seiner Mutter in ein tiefes Loch gefallen. Er hat sich Hilfe bei einem Psychologen geholt, der der Meinung war es wäre für ihn besser alleine zu Leben. Er hat sich dann eine Wohnung auf Zeit für ein halbes Jahr gemietet. Er hat immer wieder gegenüber mir und den Kindern betont, dass er sich nicht von mir/uns trennen will. Wir wären das Wichtigste in seinem Leben. Nach drei Wochen Allein sein fiel er in eine tiefe Depression. Es folgte eine Einweisung in die Klinik für sechs Wochen. Ich war dort auch zum Partnergespräch, in dem die behandelnde Ärztin mich über seine Situation aufgeklärt hat, und auch immer wieder betont hat, dass er sich auf keinen Fall von mir trennen will, er aber noch Zeit braucht. Das letzte Jahr lief dann auch ganz gut, wir waren viel zusammen, sind auch in den Urlaub gefahren und danach waren wir beide guter Hoffnung, dass alles wieder gut wird. Doch wie das immer so ist bei Depressionen hält dieser Zustand nicht Lange an. Im Sommer wollte er noch mit mir in Urlaub fahren, ist dann aber allein weggefahren ohne mir ein Wort zu sagen. Auf meine Nachfrage warum er nichts gesagt hat, bekam ich die Antwort, er würde sein eigenes Leben führen und wenn ich damit nicht klar komme ist das mein Problem. Ich bin ganz ehrlich, ich komme damit auch nicht klar. Nachdem ich mich eine Zeit zurückgezogen habe, habe ich versucht mit ihm in Kontakt zu treten. Ans Telefon geht er nicht, auf meine WhatsApp Nachrichten antwortet er nicht. Er hatte mir seinerzeit angeboten mich finanziell zu unterstützen, da ich nicht Vollzeit arbeite. Auf meine Nachfrage ob sein Angebot noch steht, bekam ich keine Antwort. Ich werde auf Dauer das Haus nicht halten können, da mein Verdienst nicht so hoch ist. Eine Vollzeitstelle gibt mein Arbeitsplatz nicht her. Und nach 26 Jahren werde ich meinen Job auch nicht kündigen. Letzte Woche endlich ist er mal ans Telefon gegangen. Er teilte mir nur noch mit, dass es für uns keine Zukunft gibt und er ohne mich besser dran ist. Er müsste jetzt nur noch an sich denken. Was soll ich machen, einfach Aufgeben, ihn laufen lassen. Ich hab ja nicht aufgehört ihn zu lieben und bin auch nicht bereit unsere Partnerschaft nach 21 Jahren so enden zu lassen. Ich freue mich wenn jemand Rat weiß. Liebe Grüße

Re: Hat man sich so getäuscht

Verfasst: 12. Nov 2018, 11:33
von Candless
Liebe Petra2312,

was du erlebst ist absolut schlimm. Vieles kommt mir bekannt vor. Meine Partnerin, die ich vor einem halben Jahr zuletzt sah, hat sich ebenso verhalten, und mir erst ein paar Tage vor dem gemeinsamen Sommerurlaub mitgeteilt, dass der ausfällt und am Tag, wo der Urlaub begonnen hätte, per SMS Schluss gemacht. Vorher keine klaren Worte, Ausreden, Hinhalten.

Wir wohnten nicht zusammen, hatten aber gemeinsame Pläne. Ihr Kind ist zum Vater gezogen, auch da ein Bruch bei ihr.

Seitdem heisst es auch, sie muss ihr eigenes Leben führen, ist besser alleine, kann keine Beziehung führen. Man kann aber auch nicht über bereits gemachte Absprachen reden, das blockt sie auch völlig ab. Ihre Depression ist auch schon mehrere Jahre im Gange und da waren auch schon viele Zeiten Krankschreibung, Klinik, alles dabei.

Daher kann ich deine Situation gut verstehen. Was tun? Das ist sehr schwierig. Ich glaube, dein Mann befindet sich tief in der Krise, in der keine Zukunft und oft ja auch keine Gegenwart zu sehen ist. Ein geliebter Mensch ist emotional so weit weg, da alles beim Depressiven blockiert sein kann, dass man keinerlei Zugang mehr findet und ihn nur noch wegstossen kann. Und das tun unsere Partner ja dann auch mit Vehemenz.

Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass er sich dann meldet, wenn die Krise abklingt. Nur wie lange das dauert kann man nicht absehen. Er ist scheinbar ja zwischendurch sogar mal besser dran, dann geht es wieder bergab und in die völlige Isolation, die er wahrscheinlich als einen Schutzraum betrachtet. Meine Partnerin sieht das so, und ist auch der Meinung, sie ist nicht gesellschaftsfähig, kann sich niemandem zumuten. Das könnte bei deinem Mann auch so sein. Er sieht nur sich und seine Blockade, und kommt nicht heraus.

Ich würde ihn noch nicht aufgeben, aber versuchen, mein Leben so zu organisieren, dass da keine Abhängigkeit ist. Das Finanzielle ist sicher gerade ein schwieriges Thema. Ich denke, auf einen Depressiven kann man finanziell nicht bauen, da es immer sein kann, dass Zeiten von Krankentagegeld bis hin zur EU-Rente alles vorkommt.

Er kann sicher jetzt keine Stütze sein, und wird das auch als zusätzlichen Druck empfinden, der ihn weiter weg treiben könnte.

Ich würde, falls das Haus nicht allein zu finanzieren ist, es versuchen, zu vermieten? Und in eine Mietwohnung ziehen? Keine Ahnung, aber in jedem Fall würde ich nicht auf ihn bauen. Hier würde ich wahrscheinlich versuchen, umzudenken.

Ihn als geliebten Mensch würde ich noch nicht abschreiben, sondern mein Leben neu ordnen und versuchen, glücklich zu sein, und für ihn offen bleiben.

Ich weiss nicht, ob man mehr tun kann.... das ist wahrscheinlich jetzt nicht so positiv, wie es schön wäre, aber ich habe selbst zuviel Erfahrung mit der Depression meiner Partnerin gesammelt, um es anders sagen zu können.

Sie sprach kurz vor unserem letzten Treffen sogar noch von Heirat.... und jetzt ist alles hinfällig. Nun ja, was soll man noch sagen. Den Mut nicht verlieren, den Glauben an ihn behalten, aber auch alleine für sich planen, könnte ich zusammenfassen.

Ganz liebe Grüsse!

Re: Hat man sich so getäuscht

Verfasst: 12. Nov 2018, 12:17
von Petra2312
Hallo Candless,

ich freu mich sehr über deine Nachricht. Das macht ein wenig Mut.

Ich denke auch, dass er alles was seine Familie betrifft als zusätzliche Belastung empfindet. Er möchte eigentlich auch gerne in Kontakt bleiben, schafft es aber nicht. Auch der Kontakt zu den Kindern ist fast komplett abgebrochen. Schlimm ist für mich, dass er damals in unsere Nachbarschaft gezogen ist. Er bräuchte uns in seiner Nähe usw. Ich fahre jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit und zurück bei ihm vorbei. Wenn ich abends mit dem Hund gehe, hab ich immer Angst ihn zu treffen. Ich bin dazu im Moment nicht bereit.

Es ist schon schwer, dieses finanzielle Desaster in den Griff zu bekommen. Da ich zur Miete wohne, kann ich leider nicht anderweitig vermieten. Ich bin auf der Suche nach etwas kleinerem, doch dann nehme ich meinen Kindern die Möglichkeit an den Wochenenden nach Hause zu kommen. Die Leiden schon genug. Und eine Wohnung zu finden, wo der Hund mit kann ist auch nicht grad einfach. Leider sind auch die Mieten hier vor Ort sehr hoch. Da bin ich mit meiner Doppelhaushälfte noch relativ günstig dran.

Ich versuche weiter am Ball zu bleiben. Schreibe kurze Nachrichten und hab ihm auch immer wieder gesagt, wie wichtig er mir ist.

Viele liebe Grüße