Depressionen und Panikattacken überwinden ohne Antidepressiv

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Freudenbringer
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Re: Depressionen und Panikattacken überwinden ohne Antidepre

Beitrag von Freudenbringer »

Hallo 1409
Ich gehöre ja nun schon zur älteren Generation mit 71 Jahren u. mache mir so meine Gedanken über Depressionen und auch Panikattacken. Vor einigen Jahren hatte ich mit Sicherheit mal eine Panikattacke ohne genau benennen zu können, was ich da gerade erlebe- ich stieg gerade beim Diskounter aus dem Auto und fühlte mich wie auf einem Schiff, eine Angstwelle erfasste mich u. ich war sicher, jeden Augenbick hier auf dem Parkplatz zu sterben. Das Ganze hielt einige Minuten an u. war dann so schnell wie es kam auch wieder weg. Etwas kürzer kam es nach einiger Zeit nochmals, verschwand dann aber für immer. Ein Grund für diesen Zustand erschloss sich mir nicht.
- Zu Depressionen:
Bis 14 Jahre hatte ich dieses Wort noch nie gehört, ich glaube auch, dass die Menschen nach dem Krieg mit dem Aufbau beschäftigt waren, jedenfalls ackerte jeder an seiner Zukunft u. die Fleißigsten waren in meinen Augen auch die Fröhlichsten. Manchmal hörte man "ich hab heut meinen Melancholischen!" Dann wurde ein Bier getrunken u. die Sache war gegessen. Ja und es gab Zeitgenossen, die versonnener u. trauriger wirkten manchmal. Dann tauchte das Wort Depression auf u. jeder der gerade mal etwas traurig war, hatte plötzlich eine Depression.
Mit 14 Jahren kam ich auch mal zu meiner Mutter u. sagte ihr, ich hätte eine Depression. Sie drückte mir einen Spaten in die Hand und ließ mich den Garten hinterm Haus umschoren. Bis es dunkel wurde musste ich sprichwörtlich ackern. Aber oh Wunder- meine Depression war weg! d.h. ich hab es nie mehr Menschen gegenüber kommuniziert. Hin und wieder- gerade auch in der letzten Zeit fehlt mir Antrieb, Freude etwas zu unternehmen, Einladungen sage ich ab, ziehe mich zurück, sitze stundenlang mit dem Laptop auf der Couch- selbst zu Telefonaten oder Besuchen keine Lust. Schlaf funktioniert auch nicht mehr wie früher.
Frage mich gerade: Hab ich eine Depression oder muss man da erst unterm Tisch liegen ?
Suizidgedanken ?: Nein u. nochmals nein (viel zu feige),
Einen Rotwein ?: Joa vlt. aber der Schlaf wird dann noch schlechter u. auf der Hüfte landet der auch, was ich mir nicht leisten kann. Mein HA verschrieb mir mal Citalopram: Null Wirkung- bis auf vermehrtes Träumen in der Nacht.
Ich frage mich allen ernstes: Gibt es diese Krankheit überhaupt oder geht es uns nicht allen viel zu gut ?
Wir wollen wie ein Baby gehätschelt u. geliebt werden u. sind immer weniger in der Lage, der Härte des Lebens mit allen Herausforderungen u. Sorgen entgegen zu treten u. zu kämpfen, wie es Generationen vor uns einfach mussten um zu überleben.
Viele Künstler hätten ohne ihre Melancholie Meisterwerke nicht vollbringen können- sei es in der Musik, Malerei oder Schreiben. Sie wussten: Ohne Tiefe, keine Höhe- ohne Finsternis, kein Licht- ohne schwere Arbeit, kein lustvoller Feierabend. Wir sind eine verwöhnte Generation, wollen bespaßt werden, suchen ständig die Ablenkung und Lust.
Oder hab ich einen Denkfehler. Ich weiß es nicht. Das Leben ist eins vom Schwersten, eine Mischung aus Sorgen, Trauer und Freude, das gilt es als reifer Mensch einfach auszuhalten, oder ?
… Sehe schon die Steine fliegen....
Philosophin
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Re: Depressionen und Panikattacken überwinden ohne Antidepre

Beitrag von Philosophin »

Hallo Mitglied, Hallo Freudenbringer,

ja, ich denke, man kann Depressionen und Ängste ohne Medikamente überwinden. In vielen Fällen halte ich das auch für die angemessenere Entscheidung. Antidepressiva können den Gehirnstoffwechsel erst recht durcheinanderbringen und schaden auf Dauer dem Körper.

Wer die Existenz einer Depressions-Erkrankung infrage stellt, der hat m.E. noch nie eine Depression erlebt oder hat sie überwunden und vergessen, wie es sich anfühlt. Würde mir jemand einen Spaten in die Hand drücken und mich auffordern, den gesamten Tag den Garten umzugraben, könnte ich das zwar tun, aber am nächsten Tag wäre ich psychisch völlig erledigt. Bewegung und Aktivität sind immer gut, heilt aber allein keine Depression und kann aus Erfahrung noch tiefer in die Erschöpfung und Depression führen, wenn es im Übermaß betrieben wird. Wahrscheinlich würde ich schon während des Garten Umgrabens in Tränen ausbrechen.

Depressionen sind eine schwere und ernstzunehmende seelische Erkrankung!

Meiner Meinung nach wird aber viel zu schnell zu Psychopharmaka gegriffen. Ich sehe die Depression eher als Folge unverarbeiteter traumatischer Erlebnisse oder als Ausdruck davon, dass man ein völlig unpassendes Leben lebt.

Meine Angststörung habe ich nach ein paar Jahren ganz ohne Medikamente in den Griff bekommen. Medikamente hätten die Ängste ja auch bloß unterdrückt und nicht davon befreien können. Als ich kaum noch von meinen Alltagsroutinen abweichen konnte, habe ich in meiner Verzweiflung angefangen, zu schreiben und zu reflektieren, was mir eigentlich Angst macht. Wenn ich Panikattacken in Situationen bekommen habe, in denen ich nicht genau wusste, was mich erwartet, habe ich mir klar gemacht, dass dahinter die Angst vor Kontrollverlust steht. Dann habe ich mich gefragt, warum ich Angst vor einem Kontrollverlust empfinde, wie genau das aussehen würde, welche Situationen es gab, in denen ich schon mal die Kontrolle verloren habe... usw. Irgendwann habe ich meine Angst bis ins Kleinste durchanalysiert und fand sie vor dem Hintergrund meiner Vergangenheit plötzlich ganz plausibel. Dadurch ist sie immer kleiner und unbedeutender geworden und ich konnte mich den angstmachenden Situationen zunehmend besser stellen. Der Rest war dann Trainingssache durch Konfrontation, ganz im verhaltenstherapeutischen Sinne. Meine letzte Panikattacke liegt über zwei Jahre zurück und ich freue mich jedes Mal, wenn ich mich ganz entspannt in Situationen begebe, die früher aufgrund der Angst undenkbar waren.
Da ist die Angst fast wie ein Rätsel, die in ihrer Botschaft entziffert werden will. Ich vermute, dass es mit Depressionen ähnlich ist.

Wenn ich Medikamente genommen hätte, hätte ich mich bestimmt nicht so intensiv mit meiner Angst befasst und würde wahrscheinlich heute noch darunter leiden.

Liebe Grüße
Philosophin
Widukind
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Re: Depressionen und Panikattacken überwinden ohne Antidepre

Beitrag von Widukind »

Mitglied_1409 hat geschrieben:Hallo Ihr Lieben,

könnt Ihr Euch vorstellen Depressionen und Panikattacken auch ohne Antidepressiva zu überwinden? Gibt es hier jemanden der dies geschafft hat? Für Antworten danke ich Euch sehr.

Liebe Grüße
Cora

Hallo Cora,
ich bin mir nicht sicher, ob ich meine Depression/Angsterkrankung überwunden habe, aber ich weiß heute - ohne Medikamente - damit einigermaßen umzugehen. Ich habe Escitalopram ausprobiert, es hat mir nicht geholfen.
Mir hat das therapeutische Gespräch geholfen, mir hilft die Achtsamkeit im täglichen Leben. Einfach so weitermachen, wie bisher und Pillen draufzuwerfen, in der Hoffnung,es würde besser, erscheint mir einfach gedacht, aber funktioniert (bei mir) nicht. Ich wollte anfänglich nicht wahrhaben, dass es an mir - nur an mir - liegt, ob sich etwas ändert. Ich kann keine Änderung erwarten, wenn ich nicht bereit bin, mein Leben zu überprüfen.
Ich habe meine Firma verkauft, weil ich es nicht mehr geschafft habe und ich habe zu trinken aufgehört. Danach hat sich vieles bewegt, nicht alles zum Guten, aber das Meiste.

Sehr schön finde ich den vorangehenden Text der Philosophin, dem ich mich nur anschließen kann.

Liebe Grüße
Widukind
Du mußt das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.

Rainer Maria Rilke
Freudenbringer
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Re: Depressionen und Panikattacken überwinden ohne Antidepre

Beitrag von Freudenbringer »

Oh, das mit dem riesigen Berg kenne ich auch! Man schafft es fast bis oben, dann rutscht man wieder ab u. fängt von vorne an.
Dass Du das Citalopram ausschleichen möchtest, finde ich gut. Ich meine auch, Du schaffst das ohne.
Auch das Alleinsein mit Verantwortung kenne ich zur Genüge.
Mit 27 Jahren Witwe u. einem noch nicht vollends adoptierten Kind u. das am Ende der Welt.
Heiratete wieder u. geriet an einen Schläger; Nachdem ich ihm 2 Kinder geboren hatte, ließ ich mich wieder scheiden u. stand lange mit 2 leiblichen und einem Pflegekind da.
Nach Jahren heiratete ich einen Witwer mit 3 Kindern u. kaufte mit ihm ein Haus. Wegen der enormen Schulden arbeitete ich halbtags, d.h. wir gaben uns die Tür in die Hand. Mein Mann kam von der Arbeit u. ich arbeitete von nachmittags bis abends. Irgendwann waren alle Kinder groß (verheiratet, studierten usw), verkauften wir das Haus wieder u. bezogen eine Mietwohnung. Mit 65 ging ich in Rente u. 2 Jahre später pflegte ich meine Mutter 3 Jahre lang. Mit 70 Jahren war ich körperlich am Ende u. sie willigte ein, ins Pflegeheim zu gehen. Als einzige Tochter verkaufte ich das Elternhaus u. hoffe nun, dass meine leibl. Tochter mit Mann u. Kindern bald einen Bauplatz finden, wo dann ein Fertighaus mit dem Erlös erstellt wird u. wir mit 7 Personen zusammen leben können. Meine Mutter besuche ich ein WE jeden Monat, denn es sind 300 km zwischen uns (hin-u. zurück).
Mein leibl. Sohn ist mein Kummerkasten. Er ist psychisch/geistig krank und aggressiv wie sein Vater. Was ihn betrifft, könnte ich nur weinen! Ich denke oft- schlimmer kann`s nicht werden-
aber doch es kann... :o :shock:
- Hast Du Kontakt zu Deiner Familie oder Freunden ?
Habe Deine Antwort aufmerksam gelesen- ja, verstehe Deine Ängste- auch beruflich- vlt. fehlt Dir etwas Gelassenheit ? Aber das sagt sich leichter, ich weiß.
Habe Jahrzehnte in Krankenhäusern als medizinische Fach-/ bzw Schreibkraft gearbeitet. Gerade
Kolleginnen können einem das Leben schwer machen. Auch die Angst vor Entlassung kenne ich.
Aber glaub mir- es wird immer wieder hell im Leben.
Vlt. hast Du ja Lust ein bisschen aus Deinem Leben zu berichten.
Ich wünsche Dir auf jeden Fall die Kraft für diesen Tag.
Mit lieben Grüßen
Dein Freudenbringer :hello:
Anne Blume
Moderator
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Re: Depressionen und Panikattacken überwinden ohne Antidepre

Beitrag von Anne Blume »

Liebe Forianer,

den meisten gelingt es, auf die Frage nach eigenen Erfahrungen auch solche zu berichten. Und dann kommen doch wieder Statements wie dieses von Philosophin: "Antidepressiva können den Gehirnstoffwechsel erst recht durcheinanderbringen und schaden auf Dauer dem Körper."
Manno! Es kann doch nun nicht so schwer sein. Also entweder Sie berichten bitte Ihre eigenen Erfahrungen und kennzeichnen diese explizit oder aber Sie nennen Fakten und fügen Belege an.
Sorry, aber anders geht das nicht.

Viele Grüße
Anne Blume
Philosophin
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Re: Depressionen und Panikattacken überwinden ohne Antidepre

Beitrag von Philosophin »

Quellenangaben zu meiner von Fr. Blume zitierten Aussage:

"Prozac backlash- Overcoming the dangers of Prozac, Zoloft, Paxil, and other antidepressants with safe, effective alternatives." Joseph Grenmullen

In dem Buch finden sich auf mehreren Seiten Bildern von Nervenzellen unter dem Mikroskop, die kurze oder längere Zeit mit Antidepressiva "gefüttert" wurden. Ziemlich erschreckend! Körperliche (langzeit-) Schäden werden auch ausführlich anhand von Fallschilderungen und Studien aufgeführt.

Liebe Grüße
Philosophin
Anne Blume
Moderator
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Re: Depressionen und Panikattacken überwinden ohne Antidepre

Beitrag von Anne Blume »

Liebe Philosophin,

wissen Sie was ich daran schwierig finde? Solche Aussagen können dazu führen, dass sich schwer erkrankte Menschen (die vielleicht hier im Forum Rat suchen) erst recht vor einer Behandlung scheuen.
Vertreter dieser Denkrichtung, wie der hier Angeführte, raten häufig zu Veränderungen in Ernährung, Lebensstil etc. Kann auch ein Weg sein, auch wenn es sich in der Realität häufig um einen Teil des Bewältigungsprozesses handelt. Vom "Du musst Dich einfach mal zusammenreißen" ist das in meinen Augen nicht ganz so weit entfernt, wenn man derartige Maßnahmen als einzigen Weg betrachtet.
Ich bitte Sie deshalb noch einmal hier nicht zu pauschalisieren.

Viele Grüße
Anne Blume
Christiane1
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Re: Depressionen und Panikattacken überwinden ohne Antidepre

Beitrag von Christiane1 »

Hallo Cora,

ja sicher geht das.
Es kommt wohl auf die Schwere, die Dauer, die Ursachen und Einschränkung des eigenen Lebens an, ob man schwere Depressionen und/oder Angstzustände überleben kann oder nicht etc..
Klar kann man das alles ohne Hilfe versuchen, aber wozu?

LG Christiane
riverflow
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Re: Depressionen und Panikattacken überwinden ohne Antidepre

Beitrag von riverflow »

@ Frau Blume,

"Seit Jahren wird erklärt, dass die Psychia­trie immense Fortschritte im biologischen Verständnis psychischer Erkrankungen gemacht habe und dass diese Erkrankungen nun effizient behandelbar seien. Mit der Folge, dass heute bereits jeder achte ­Amerikaner regelmässig Psychopharmaka schluckt. So richtig zu nützen scheinen sie aber nicht. Sämtliche epidemiologischen Zahlen zeigen nämlich, dass es uns psychisch immer schlechter und nicht besser geht. Wäre es gar möglich, dass der unkri­tische Einsatz von Psychopharmaka selbst zur Epidemie psychiatrischer Erkrankungen beigetragen hat?

Dies behauptet unter anderem der US-Wissenschaftsjournalist Robert Whitaker in seinem Buch «Anatomy of an Epidemic». Whitakers These in Kurzfassung: ­Viele Patienten werden wegen ursprünglich geringfügiger Beschwerden ohne Notwendigkeit mit Psychopharmaka behandelt, insbesondere mit SSRIs. Das führt kurzfristig zu einer Symptombesserung. Mit zunehmender Behandlungsdauer aber steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die biochemischen Prozesse des Gehirns nachhaltig aus dem Takt geraten. Mit der Zeit treten Wirkungsverlust und Gewöhnung auf. Symptome kehren zurück, häufig stärker als vor der Behandlung. Oder es kommen in Form von Nebenwirkungen andere Symptome hinzu. Die Pharmaspirale kommt in Schwung. Im Psychiatriejargon: Der Pa­tient muss «neu eingestellt» werden.

In der Meinung, die Krankheit habe sich als «stärker als das Medikament» erwiesen, wird die Dosis erhöht, das Medikament gewechselt oder ein zusätzliches verabreicht. Tritt als Nebenwirkung der SSRI-Behandlung eine hypomanische oder manische Phase auf – was bei bis zu sechs Prozent der Patienten gar nicht selten ist –, eröffnen sich neue Möglichkeiten. Aus dem ursprünglich depressiven Patienten ist technisch gesehen ein bipolarer Patient geworden. Also einer, der in seiner Stimmung zwischen Depression und Zuständen überbordender Energie und übersteigertem Antrieb pendelt."

https://www.beobachter.ch/gesundheit/me ... fen-pillen" onclick="window.open(this.href);return false;

Der Autor, Felix Hasler, ist Pharmakologe. Sein Buch, Neuromythologie, sehr lesenswert.
riverflow
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Re: Depressionen und Panikattacken überwinden ohne Antidepre

Beitrag von riverflow »

Zu der Befürchtung, dass solche Aussagen dazu führen können, dass sich Betroffene keine medizinische Hilfe suchen:
Mir ist es hier genau andersherum gegangen: Dieses Forum habe ich vor ziemlich langer Zeit entdeckt, ich weiß nicht, ob vor 20 oder 15 Jahren und ich bin DIREKT darauf angesprochen worden, ob ich nicht Medikamente nehmen, in eine Klinik gehen möchte.
DAS! hat mich total erschreckt und befremdet! Nein, wollte ich nicht und habe ich bis heute nicht - trotz mitunter schwerer Phasen.

Ich denke, ein solches Forum hat auch immer die Aufgabe, andere Wege als den medikamentösen aufzuzeigen. Zu schnell stecken sich die Mitglieder nämlich an und plötzlich nehmen ganz viele Medikamente, nur weil der nette Kollege das auch tut und so empfohlen hat.
Es gibt immer aktuelle Diskurse der Behandlung, die dann überwiegend zum Einsatz kommen. Vor langer Zeit, während des Reflexzonenparadigmas, wurden den Frauen die Eierstöcke oder die Klitoris entfernt und zwar in dem Maße, dass sich ein Gynäkologe besorgt geäußert hat, ob es irgendwann überhaupt noch Frauen gäbe, die über eine Klitoris verfügen. Wie das immer so ist mit Behandlungswegen gab es natürlich auch Frauen, denen eine solche Entfernung gegen ihre psychische Störung geholfen hat und so kam es dazu, dass viele Frauen diese Operation, die oft einer Verstümmelung gleichkam und an der nicht wenige verstorben sind, sogar ausdrücklich verlangt haben (zu finden in "Moderne Leiden" von Edward Shorter).

Sind wir heute weiter?
Wenn Medikamente verabreicht werden, die den Neurotransmitterhaushalt verändern, obwohl die Serotoninmangelhypothese nie bestätigt werden konnte?

Allen Frances, der die Federführung für das DSM III innehatte, sagt, wir sind heute nicht weiter, als es die Griechen mit ihrer 4-Säfte-Lehre waren.

Heute soll alles biologisch erklärt werden. Zudem haben die Psychiater das Problem, ihren Kollegen, wie z.B. einem Kardiologen, oder HNO-Arzt zu erklären, wie sie eigentlich behandeln, um mit ihnen gleichziehen zu können.
Da kommt ihnen das biologische Modell doch sehr entgegen.

Aber geht es den Betroffenen seit dem massiven Einsatz der SSRI, also seit den 1980ern besser?
Robert Whitaker sagt: "Nein!" und in seinem Buch "Anatomy of an Epidemic" belegt er das auch, für mein Empfinden, schlüssig.
Katerle
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Re: Depressionen und Panikattacken überwinden ohne Antidepre

Beitrag von Katerle »

Hallo an alle,

was Medikamente betrifft, hatte ich zu Beginn meiner Erkrankung welche, wo ich auch bestrebt war, sie mit Hilfe meines Arztes wieder abzusetzen. Mir half damals eine stationäre Psychotherapie später ohne Medikamente auszukommen. Ich machte Sport und Bewegung, erlernte Entspannungsübungen, Spaziergänge. Bis es mir dann irgendwann seelisch und körperlich schlechter ging und ich erneut auf Medikamente angewiesen war. Wieder wollte ich ohne Medis auskommen und als es mir besser ging, besprach ich das zusammen mit meinem Arzt, ohne Medis auszukommen. Dann bekam ich einen schweren Rückfall und musste erneut in die Klinik und wurde wieder auf Medikamente eingestellt. Seitdem geht es mir besser insgesamt, natürlich wäre es mir lieber ohne Medis, aber da ist nun die Angst, dass ich wieder einen Rückfall bekomme. Finde, in manchen Fällen empfiehlt sich eine medikamentöse Behandlung, was sich je nach Art und Ausprägung der Erkrankung richtet. Grundsätzlich bin ich aber nicht für eine dauerhafte Einnahme, da dies nicht die Ursache bekämpft. Liebe Grüße Katerle
Zuletzt geändert von Katerle am 3. Sep 2018, 18:36, insgesamt 1-mal geändert.
riverflow
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Re: Depressionen und Panikattacken überwinden ohne Antidepre

Beitrag von riverflow »

Der Link ist sehr verkürzt. Ich habe gedacht, das reicht, um zu demonstrieren, dass etwas mit dem Gehirn geschieht. Sowohl Felix Hasler als auch Robert Whitaker setzen sich in ihrem jeweiligem Buch sehr intensiv und auf wissenschaftlicher Basis mit der Problematik auseinander.
Bei Whitaker kommen auch Betroffene zu Wort.
Jemand, dessen einziges Problem es war, nur als Skinny Bitch richtig leben zu können, war leider nicht dabei.
Das findet man wohl eher in Boulevard Magazinen.
silkesilke
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Registriert: 17. Jul 2015, 17:34

Re: Depressionen und Panikattacken überwinden ohne Antidepre

Beitrag von silkesilke »

Hallo!

Ich möchte nicht meine persönlichen Erfahrungen sprechen lassen, sondern die Leitlinien für Depression.

Zitate

In der Wahrnehmung der (Fach-) Öffentlichkeit wird die Wirksamkeit von Antidepressiva eher überschätzt, da Studien, in denen das Antidepressivum besser als Placebo abschnitt, sehr viel häufiger in Fachjournalen publiziert werden, als solche, in denen das Antidepressivum Placebo nicht überlegen war

Bei leichten Depressionen ist ein Unterschied zwischen Placebo und Antidepressiva statistisch nicht nachweisbar, so dass nur sehr wenige Patienten von einer Behandlung mit Antidepressiva profitieren dürften

Bei mittelschweren bis schweren Depressionen ist hingegen der Wirkunterschied zwischen Antidepressiva und Placebo ausgeprägter, da bei den schwersten Formen bis zu 30 % der behandelten Patienten über die Placeborate hinaus von Antidepressiva profitieren. So ist mit Scores in der HDRS von > 24 der konsistenteste Unterschied zwischen dem Ansprechen auf Verum und Placebo verbunden, wobei diese Unterschiede in Richtung des aktiven Antidepressivums auch klinisch signifikant sind [448]. Erhebliche Unterschiede zwischen den Substanzklassen bestehen jedoch bezüglich Toxizität und bezüglich der Nebenwirkungen. Letzteres ist von erheblicher klinischer Relevanz, da mehr als die Hälfte der mit Antidepressiva behandelten Patienten über unerwünschte Nebenwirkungen klagt.


Über die Mechanismen, durch welche die Wirkung der Antidepressiva zustande kommt, besteht weiterhin Unklarheit. Daher ist es bis heute nicht möglich, verlässlich vorauszusagen, ob und wann ein bestimmter Patient auf ein bestimmtes Antidepressivum ansprechen wird. Es ist also nicht möglich, die Antidepressivabehandlung auf solche Patienten zu beschränken, die auch "tatsächlich" von der Behandlung profitieren. Insbesondere scheinen Antidepressiva in einer Untergruppe von Patienten einen Heilungsprozess anzustoßen, der ohne Medikamente nicht zustande kommen würde. Circa zwei Drittel der mit Antidepressiva behandelten Patienten respondieren. Allerdings zeigt sich bei ungefähr der Hälfte dieser Responder nur eine Partialresponse und keine wirkliche Remission [449].

https://www.leitlinien.de/nvl/html/depr ... section-23" onclick="window.open(this.href);return false;

Grüße in die Runde! Silke
Gertrud Star
Beiträge: 3441
Registriert: 30. Jun 2014, 19:09

Re: Depressionen und Panikattacken überwinden ohne Antidepre

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo Mitglied 1409,
das kann dir leider keiner sagen, wie das wird in ein paar Tagen.
Bei allem, was man so gehört hat, könnte dann, falls es größere Probleme gibt, das (zeitweilige) Aufdosieren helfen, also wieder soviel nehmen wie vor der letzten Dosisreduzierung.
Hm, so wirklich Erfahrung kann ich da leider nicht beisteuern.

Zur Wissenschaftlichkeit:
Bei allem was mir da in letzter Zeit untergekommen ist, ist Wissenschaft immer gut beraten wenn sie:
- beachtet, dass sie nicht alles und jeden erfasst,
- beachtet, dass es verschiedene Strömungen in der Wissenschaft gibt,
- sowie auch einen Zeitgeist.
- beachtet, dass sie nicht fehlerfrei ist.
Ganz frei ist sie wahrscheinlich auch nicht von dem Einfluss ihrer Geldgeber.

Wissenschaftliche Erkenntnis, (Lebens-)Erfahrung, Meinung, Vermutung, These sollte man schon halbwegs ausesinander halten können. Doch wer bringt das einem bei?

Zum Latinohintern: Den hätt ich lieber als meinen Kugelbauch. :)
Das fällt unter die Rubrik persönlicher Geschmack.
Cynthia
Beiträge: 445
Registriert: 29. Dez 2014, 17:04

Re: Depressionen und Panikattacken überwinden ohne Antidepre

Beitrag von Cynthia »

Ich lehne Psychpharmaka rigoros ab. Je nach Studie verkürzen diese bei Langzeiteinnahme die Lebenszeit um 20 bis 32 Jahre (s. Zeitung Lautsprecher, Zeitung für Psychiatrie-Erfahrene in NRW), Heft 58, Juli 2018. Ich arbeite mit einer Aktivitätenliste bei Depressionen, stehe morgens nach einem Schema auf (1. Weckerklingeln, aufstehen, Fenster öffnen, 20 min. hinlegen, Fenster schließen, 20 min. hinlegen, endgültig aufstehen) und nehme nur ein Naturheilmittel ( 2 mal je eine Neurodoron, Weleda). Ich wurstel mich halt so durch und habe auch eine Skillstasche.
Widukind
Beiträge: 16
Registriert: 27. Aug 2018, 16:22

Re: Depressionen und Panikattacken überwinden ohne Antidepre

Beitrag von Widukind »

Liebes Mitglied 1409

Vielleicht hilft es dir, wenn du hier im Forum liest, dass du mit deinen Problemen und Beschwerden nicht allein bist.
Wenn dir die Kraft fehlt, dann ist das eben so.

Es gibt immer einen großen Unterschied in der Wahrnehmung von Krankheiten:
Habe ich eine Grippe, sind alle, ich incl. damit einverstanden, dass ich mich schonen darf.
Habe ich einen Depressiven Schub (und sehe dabei blendend und braungebrannt aus) wird es schwierig, Anderen (und auch mir selbst) zu vermitteln, dass ich nicht malochen kann. Das hat nichts, aber rein gar nichts mit versagen zu tun.

Ich stelle mir das so vor: Meine Depression denkt mich schlecht, minderwertig und bringt mich irgendwann dazu, diesen Gedanken Glauben zu schenken.
Aber das bin ich nicht. Das ist die depressive Denke.
Es gibt Möglichkeiten aus dieser Denkspirale rauszukommen.
Das Miteinander in einer SHG, das therapeutische Gespräch.

Zu Medikamenten wurde ja jetzt schon einiges geschrieben.
Ich habe als persönliche Therapie den Alkohol mißbraucht, ich lege im weiteren meines Lebensweges keinen Wert auf irgendeine chemische Veränderung meiner Hirnstruktur.
Das ist Meins!

Lass dir Zeit, triff keine übereilten Entscheidungen, wenn du dich krank meldest, wirst du vermutlich auch nicht zu Vorstellungsgesprächen eingeladen.

Du hast geschrieben, dass in deiner Geschichte einiges aufzuarbeiten ist. Das ist gut, das solltest du tun. Das dauert. Da wirst du nicht in 3 Wochen mit fertig sein.

Ich habe gelernt (und dazu brauchte ich einige Anläufe!!), dass ich unendlich viel Geduld mit mir haben muß/darf.

Liebe Grüße
Widukind
Du mußt das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.

Rainer Maria Rilke
Bittchen
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Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Depressionen und Panikattacken überwinden ohne Antidepre

Beitrag von Bittchen »

Liebe Cora ,

nach meiner Erfahrung sind deine Beschwerden Absetzsymptome,auch wenn es die angeblich in Fachkreisen so nicht geben soll.
Du schleichst zu schnell aus,die Schritte sind viel zu schnell und zu hoch.
Leider kann ich dir nur sehr wenig raten, nur ich habe sehr viel kleinere Schritte gemacht.
Es hat 4 Monate gedauert bis ich auf null war.
Selbst dieser Zeitraum war nach 7 Jahren 20 mg Es-Citalopram(entspricht 40 mg Citalopram) zu schnell.
Die letzten 5 mg habe ich mit Tropfen ausgeschlichen.
Lasse aber Sicherheitshalber bei deinem Hausarzt noch ein großes Blutbild machen.
Ob wirklich körperlich alles OK ist, mit Schilddrüse usw. und auch kein Vitaminmangel besteht.
Ich kann dich nur wieder auf das Forum ADFD aufmerksam machen.
Die würden dir empfehlen wieder hoch zu gehen und langsamer vor zu gehen.
Mir ging es auch, wie ich endlich auf null war, noch lange danach schlecht.
In dem Forum ADFD bin ich aber sehr gut aufgenommen worden und ich wurde mit meinen Beschwerden sehr ernst genommen.
Der Stoffwechsel im Gehirn muss sich erst wieder regenerieren.
Auch ich hatte starke körperliche Beschwerden,genauso wie du sie schilderst.
Sollte es dir zu schlecht gehen und du zusätzlich noch dunkle Gedanken bekommen ,kann ich dir nur raten in eine Klinik zu gehen.
Es hilft nichts ,du musst für deine eigene Sicherheit sorgen,alles Andere ist zu gefährlich.
Auch der Block "My Free Mind " auch im Internet zu finden,hat mir weiter geholfen und ich kam mir nicht mehr wie ein Alien vor.
Das Buch"Unglück auf Rezept"schildert auch die Spätschäden von Psychopharmaka und auch die Problem die entstehen können, wenn die Medikamente ausgeschlichen werden.
Es muss nichts Gravierendes passieren,aber es kann auch sehr schwierig werden.
Da reagiert jeder Körper anders.
Von ganzem Herzen wünsche ich dir gute Besserung und passe gut auf dich auf.

Liebe Grüße
Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
Peter1
Beiträge: 3399
Registriert: 15. Apr 2018, 12:06

Re: Depressionen und Panikattacken überwinden ohne Antidepre

Beitrag von Peter1 »

Hallo Manu
Wenn du nicht schlafen kannst, versuche es doch mal mit progressiver Muskelentspannung nach Jacobson. Wirkt bei mir wie eine Schlaftablette. Frag Google (TKK Jacobson)

VlG Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
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