Wie bewege ich meinen depressiven Partner zum Arztbesuch?

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neu-und-hilflos
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Registriert: 13. Mai 2017, 15:31

Wie bewege ich meinen depressiven Partner zum Arztbesuch?

Beitrag von neu-und-hilflos »

Guten Morgen!

Meine Frage ist ganz bestimmt nicht neu, aber für mich gerade brandaktuell, daher hoffe ich auf ein paar Erfahrungsberichte.

Mein Partner ist seit Pfingsten in einer depressiven Phase, mit der Einordnung tue ich mich schwer, allerdings als leichte Phase würde ich es nicht beschreiben. Auslöser war eine familiäre Differenz mit seiner Tochter.

Das ganze hat eine jahrelange Vorgeschichte (Trennung von der Kindsmutter und häufige Verhinderung des Vater-Kind-Kontakts durch die Mutter), durch die mein ohnehin erblich (durch seine eigene Mutter und Bruder) belasteter Partner immer mehr in eine chronische(?) Depression geraten ist. Ganz früher, als junger Erwachsener war er mal in Behandlung, Näheres erzählt er aber nicht darüber.

Heute wäre eine Behandlung dringend nötig. Aber wie überzeuge ich ihn davon? Er sagt die typischen Dinge wie es häbe doch alles keinen Sinn, er wolle einfach nicht mehr, ...
Was kann ich tun?
Bringt es was, einfach einen Termin zu vereinbaren? In der Hoffnung, dass er dann mitkommt?
Soll ich ihm die Pistole auf die Brust setzen à la "lass dich behandeln oder ich bin weg"?
Wie kam bei euch die Einsicht, dass ihr euch Hilfe suchen müsst?
Und wie/wer hat die Initiative ergriffen?

Danke und liebe Grüße
Frau_Wal
Beiträge: 134
Registriert: 6. Aug 2018, 19:18

Re: Wie bewege ich meinen depressiven Partner zum Arztbesuch

Beitrag von Frau_Wal »

Hallo neu-und-hilflos,

aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es nicht einfach ist, Hilfe zuzulassen, wenn man in einer Depression steckt. Ich war damals in einer Art "Funktionsmodus" und dachte, ich bin einfach nur zu blöd, weil mir alles so schwerfällt. Ich dachte nicht, dass mir irgendjemand helfen kann und war der Überzeugung, ich hätte auch keine Hilfe "verdient".

Meine Schwester hat mich dann überzeugt, trotzdem zum Arzt zu gehen. Sie hat mich gefragt: "Wann hast du dich zum letzten Mal über etwas gefreut, egal was es war?". Ich habe sehr lange nachgedacht und keine Antwort gefunden. Mir fiel absolut nichts ein. Da wurde mir klar, dass ich Hilfe brauche. Ich konnte noch selbst zum Hausarzt gehen, zum Glück ohne lange Wartezeit.

Ich fürchte, dass in deiner Situation Drohungen nichts bringen, sondern die Situation nur schlimmer machden. Hat dein Partner schon klar gesagt, dass er nicht zum Arzt will und warum?
Wenn sich dein Partner überfordert fühlt und sich nicht zutraut, zum Arzt zu gehen, kannst du ihm anbieten, ihn zu begleiten und das organisatorische zu übernehmen. Du kannst auch mal in der Praxis fragen, ob der Arzt einen Hausbesuch machen würde.

Ansonsten hilft es vielleicht, sich erst mal auf körperliche Beschwerden zu konzentrieren. Vielen fällt es leichter, damit zum Arzt zu gehen. Das umgeht erst mal die Angst, als "verrückt" abgestempelt zu werden, und die Peinlichkeit, eingestehen zu müssen, dass man sein Leben nicht mehr auf die Reihe bekommt.

Alles Gute für euch beide,
Frau_Wal
neu-und-hilflos
Beiträge: 23
Registriert: 13. Mai 2017, 15:31

Re: Wie bewege ich meinen depressiven Partner zum Arztbesuch

Beitrag von neu-und-hilflos »

Hallo Frau_Wal,

mein Partner ist in völliger Hoffnungslosigkeit versunken. Ich habe ihn gefragt, wann er sich das letzte Mal über etwas gefreut hat. Antwort: ist schon so lange her, das weiß ich gar nicht mehr. Und das war's dann. Die Erkenntnis der Hilfebedürftigkeit ist leider nicht daraus erwachsen.

Körperliche Beschwerden liegen nicht so richtig vor. Etwas Rückenschmerzen, könnte theoretisch aber auch vom vielen Liegen kommen, und scheidet somit als Grund für einen Arztbesuch aus. Zumal er sicher nicht berichten würde, dass er viel liegt, weil es ihm schlecht geht.

Ich bin jetzt am überlegen, ob ich einfach einen Termin ausmache. Und zwar nicht beim Hausarzt, sondern gleich bei einem Therapeuten.

Was meint ihr?

Viele Grüße und danke!
Katerle
Beiträge: 11309
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Wie bewege ich meinen depressiven Partner zum Arztbesuch

Beitrag von Katerle »

Hallo neu-und hilflos,

verstehe sehr gut deine Sorge um deinen Partner...

Also ich sage mal so. Als es mir damals sehr schlecht ging, nach einem Zusammenbruch, war mir nicht bewusst, wie es wirklich um mich stand. Dennoch wollte ich Hilfe, wenn auch auf Umwegen, aber ich bekam sie dann und das war auch nicht nur mit einem Klinikaufenthalt abgetan.

Ich hatte mal jemanden in meinem Bekanntenkreis, dem ging es auch sehr schlecht und ich konnte da auch nur telefonisch für ihn da sein. Jedenfalls schaffte ich es, dass er zum Arzt ging. Ein weiteres Mal ging es ihm erneut schlecht und ich zögerte nicht, ihm zu helfen. Ich ging vorbei und kontaktierte den Hausarzt. Der emphahl, in die Praxis zu kommen, wo ich ihn auch dorthin begleitete. Später half ich ihm, einen Psychologen zu finden und begleitete ihn auch das Erstemal dorthin.

Das muss aber nicht immer hilfreich sein, jemanden dazu zu bringen, Hilfe anzunehmen. Ich schreibe jetzt nur von meinen Erfahrungen. Dann hatte ich mal jemanden, der hatte totale Vorurteile gegenüber von Psychologen und behandelte auch seine Partnerin dementsprechend. Doch es kam dann so, dass er selbst zum Psychologen ging und die Partnerin fühlte sich nicht mehr "allein verrückt"... Sorry, dass ich diesen Begriff so wähle.

Ein weiteres Mal war ein Bekannter, der wollte keine Hilfe. Der war auch nicht dazu zu bringen, professionelle Hilfe anzunehmen. Das ist auch ne sehr schwierige Situation für alle Beteiligten. Da halte ich es auch nicht für sinnvoll, einen Termin zu vereinbaren. Es kann gut gehen, aber auch manchmal ins Auge gehen...

Liebe Grüße
Katerle
Frau_Wal
Beiträge: 134
Registriert: 6. Aug 2018, 19:18

Re: Wie bewege ich meinen depressiven Partner zum Arztbesuch

Beitrag von Frau_Wal »

Hallo neu-und-hilflos,

das klingt für mich so, dass dein Partner zwar Hilfe braucht, das aktuell aber nicht selbst in die Wege leiten kann. In diesem Fall würde ich den Hausarzt anrufen, die Situation schildern und um einen Hausbesuch bitten. Dabei kann der Arzt zumindest mal einige Ursachen für Müdigkeit, Antriebsschwäche und Ähnliches überprüfen und ihr bekommt eine unabhängige Einschätzung der Lage.

Viele Grüße,
Frau_Wal
neu-und-hilflos
Beiträge: 23
Registriert: 13. Mai 2017, 15:31

Re: Wie bewege ich meinen depressiven Partner zum Arztbesuch

Beitrag von neu-und-hilflos »

Guten Morgen!
Nachdem wir gestern ein nicht besonders schönes Telefonat hatten und ich den ganzen Abend geweint habe, werde ich morgen nun die Initiative ergreifen.
Rufe ich zuerst beim sozialpsychologischen Dienst an oder direkt bei einem Therapeuten? Hausarzt würde ich lieber auslassen, rumdoktern an Rückenschmerzen und Schlaflosigkeit können wir uns sparen.
Bin für alle Ratschläge offen und vor allem dankbar!
LG
Katerle
Beiträge: 11309
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Wie bewege ich meinen depressiven Partner zum Arztbesuch

Beitrag von Katerle »

Nun, bei meiner S. ging der Weg zum Therapeuten auch über den Hausarzt.

Also den sozialpsychiatrischen Dienst kannst du sehr wohl kontaktieren, wie es denn weitergeht. LG
Lavendel64
Beiträge: 549
Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Wie bewege ich meinen depressiven Partner zum Arztbesuch

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo,

Du kannst diese Unterstützung natürlich anbieten, aber erwarte bitte nicht zuviel. Es kann auch sein, dass er sich weigert, den Termin wahrzunehmen. Ich vergleiche das gern mit Alkoholikern - solange sie selber nicht erkannt haben, dass ein Problem vorliegt, kann man von außen sehr wenig machen. Der eigene Antrieb ist ein erster und ganz wichtiger Schritt.

Auf jeden Fall würde ich die Terminvereinbarung mit ihm abstimmen. Ich fände es an seiner Stelle nicht gut, übergangen zu werden. Vielleicht könnt ihr auch gemeinsam gehen - sozusagen als Paartherapie "getarnt".

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
Laura7
Beiträge: 22
Registriert: 30. Jul 2018, 22:38

Re: Wie bewege ich meinen depressiven Partner zum Arztbesuch

Beitrag von Laura7 »

Hallo,
ein Psychotherapie zu machen, obwohl man das ablehnt, macht nur wenig Sinn.
Aber auch das wäre einen Versuch wert. Du könntest ihm vorschlagen, mitzugehen zum ersten Termin.
Aber meines Wissens gibt es sehr lange Wartezeiten. Psychotherapeuten erreicht man telefonisch kaum. Wichtig wäre, wenigstens mal auf einer Warteliste zu landen.
Wer die Überweisung ausstellen muss, weiß ich nicht. Vlt. der Hausarzt.

Vor dem Gang zum Psychiater hingegen, würde ich immer warnen.
Du schreibst wenig. Insbes. nicht, ob es noch ein Intimleben gibt.

Normalerweise werden einem blindlings SSRI verschrieben - sie erhöhen den Serotoninspiegel. Manche Männer bekommen schon nach der 1. Tablette nie wieder eine Erektion. (PSSD)

Insofern sollte man als Mann erst recht anregen, dass eine andere Gruppe von Psychopharmaka gewählt wird. Spontan fällt mir Bupropion und Tianeptin ein.

Nach wie vor ist umstritten, ob sie überhaupt wirksamer als Plazebo sind.
Immer noch weiß man nicht, was genau Depris auslöst.
Nach der Gießkannen-Methode einfach mal Neurotransmitterspiegel zu erhöhen, ist sehr riskant.

Ich gehe mal zum Arzt und mir wird geholfen - so einfach ist das leider nicht.
Für Männer stellt viel auf dem Spiel: Ihre Sexualität
Es wäre anständig, wenn er dieses Risiko vorher kennen würde.

Habt ihr alles versucht? Mal einen Urlaub, einen Kurztrip. Woran denkt er denn den ganzen Tag? Was beschäftigt ihn? Man kann auch als Partner versuchen, heilsame Gespräche zu führen, lang und tief.

So wie Du schreibst, scheinst Du eine gute Partnerin zu sein...
Du musst Dir im Klaren sein, dass Du erheblichen Druck ausübst.

Einen klaren Rat traue ich mich nicht, zu geben. Ich wüßte nicht, was ich täte - bei dem Wissen über Psychopharmaka, dass ich mir angelesen habe.

Alles Gute!
Laura7
Beiträge: 22
Registriert: 30. Jul 2018, 22:38

Re: Wie bewege ich meinen depressiven Partner zum Arztbesuch

Beitrag von Laura7 »

Man könnte beim Urologen den Testosteronspiegel messen lassen. Ob Hausärzte das machen, weiß ich nicht.
Man sollte alles Körperliche ausschließen. Auch Schilddrüsenprobleme etc.

ADFD.org: Forum - Infos über das Absetzen von Medikamenten
PSSD: Sexualfunktionsstörungen durch SSRI und SNRI
ABCB1 Gentest: Schneller das richtige AD finden
Peter1
Beiträge: 3399
Registriert: 15. Apr 2018, 12:06

Re: Wie bewege ich meinen depressiven Partner zum Arztbesuch

Beitrag von Peter1 »

Hallo Laura 7
Vor dem Gang zum Psychiater zu warnen, ist einfach nur Dumm!
Psychiater sind Fachärzte, wie die Berufsbezeichnung schon sagt, für die Psyche. Nicht jeder Psychiater kommt gleich mit der chemischen Keule, aber manche Störungen lassen sich nur medikamentös behandeln. Da würde ich eher dem Facharzt als dem Allgemeinmediziner (Hausarzt) vertrauen. Ganz nebenbei bemerkt, zählt Impotenz auch zu den Symptomen einer Depression.

VlG Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
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