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Einsamkeit und Verzweiflung

Verfasst: 13. Aug 2018, 18:45
von Suboshi
Ich bin 43 Jahre alt, verheiratet, 2 Kinder, habe eine Frau die mich vielleicht liebt, wir haben zwei mal gebaut, bin beruflich selbständig als Berater weltweit unterwegs mit entsprechender Anerkennung durch meine Kunden, man könnte meinen dass es perfekt läuft, so zumindest war bis vor 3 Jahren unser Bild nach Außen.

Zeit meines Lebens trage ich ein Problem in mir, ich will auf die Details nicht weiter eingehen, aber dieses Problem quälte mich ewig, bis vor drei Jahren der Zusammenbruch kam. Mit schweren Suizidgedanken schaffte ich es in die Notambulanz einer psychiatrischen Klinik, und verweilte dort 3 Monate stationär. Einigermaßen stabil wurde ich entlassen, jedoch kam es 9 Monate später zu einem erfolgten schweren Suizidversuch, mit Intensivstationaufenthalt und folgender Einweisung in die Geschlossene. Relativ schnell wurde ich entlassen da mich dieser Holzhammer dazu ermutigte, mich endlich meinem Problem zu stellen, meine Ängste abzubauen und nach vorne zu blicken. Ich begann mich meinen wenigen Freunden und unseren vielen gemeinsamen Bekannten gegenüber zu öffnen, die intensive Auseinandersetzung mit meinem Thema half mir damit zurecht zu kommen, und alleine die Öffnung nach Aussen und die Offenlegung meiner Lebenslüge anderen Menschen gegenüber half mir selber mein Thema zu akzeptieren und besser damit umzugehen. Das funktionierte natürlich nicht von heute auf Morgen, es war ein Monate währender Kampf auch mit mir selber, der mich wiederum mehrere Male an den Abgrund brachte und unglaublich viel Mut erforderte sowie die Selbsterkenntnis, dass das Thema doch nicht so furchtbar ist wie ich es mir selber immer ausgemalt hatte.

Das eigentlich Thema tut hier nichts zur Sache. Mein Problem ist nun dass ich das Gefühl habe noch Einsamer zu sein als vorher. Echte Freunde habe ich keine, wir haben nur auf Grund der Familie und der Kinder gemeinsame Bekannte, die meine Frau gerne als Familienfreunde bezeichnet. Ich sehe diese Menschen allerdings nicht als Freunde, denn weder ich kenne sie noch kennen die mich wirklich, bis auf die kleine Tatsache dass ich mich ihnen anvertraut habe und mein Innerstes nach Außen gekehrt habe. Nicht nur bei diesen gemeinsamen Familienbekannten, sondern auch bei einigen meiner wenigen Bekannten erfolgte diese Offenbarung.

Ich fühle mich so furchtbar alleine. Die Ereignisse der letzten 3 Jahre haben anscheinend dazu geführt dass sich nun wirklich niemand mehr für mich interessiert. Dabei bin ich doch auf die Menschen zugegangen, zeigte mein Innerstes, stand quasi nackt vor ihnen, bot ihnen das Gespräch an und habe auch jedem, wirklich jedem gesagt dass ich weiterhin ich bin und die Menschen auf mich zugehen können, mich fragen können, und dass ich einfach da bin. Während der Gespräche, aber auch bereits schon früher habe ich oft selber meine Hilfe angeboten, denn teilweise erfuhr ich einen kleinen Einblick in den eigenen Abgrund eben dieser Menschen, nicht so sehr detailliert, aber mir wurde klar dass auch sie Probleme haben, und so bot ich mich auch als Gesprächspartner, Katalysator, oder was auch immer an, ohne nun zu viel zu erwarten. Ich habe den Menschen mitgeteilt dass sie eben nicht alleine sind. Aber anscheinend haben die Menschen Angst.

Nun sitze ich hier alleine in einer Stadt in den USA in einem Hotel, seit 3 Uhr wach, heulend. Wie jeden Morgen, egal wo auf dieser Welt. Ich fühle mich so furchtbar alleine. Das bin ich faktisch ja auch. Aber was ist mit Email, Anruf, Whatsapp, facebook,...? Niemand scheint sich in unserem heutigen Zeitalter der Kommunikation für mich zu interessieren. Auf meine Facebook Posts bekomme ich natürlich likes, aber niemand schreibt mir :”Wie geht es Dir?”. Absolut niemand.

Erwarte ich zu viel?

Ich beginne in Selbstmitleid aufzugehen. Ich bin so unzufrieden mit meinem Leben. Zwar habe ich mich mit meinem ursprünglichen Thema arrangiert und sehe es als abgeschlossen, aber ich fühle mich so bitter alleine. Am liebsten würde ich alles aufgeben wollen, irgendwo hinziehen wo mich niemand kennt. Um dort ein neues Leben zu beginnen, alles zurück lassen und meinem Leben eine neue Chance geben. Vielleicht schaffe ich irgendwann mal einen beruflichen Wechsel, der aufgrund meiner Qualifikation allerdings kaum vorstellbar ist, und ich muss nicht mehr jede Woche in einem anderen Hotel in einem anderen Land dieses Planeten verbringen. Insgesamt verbinge ich etwa 200 Nächte im Jahr in irgendwelchen Hotels, den Rest des Jahres bin ich zu Hause. Aber auch dort bin ich alleine, meine Familie führt ihr eigenes Leben, ich kann auch nicht erwarten dass sich alles um mich herum versammelt wenn ich mal da bin. Trotzdem habe ich niemandem mit dem ich wirklich reden kann. Mit meiner Frau geht das auch nicht.

Ich weiß nicht was ich tun soll. Ich habe mein Thema wirklich abgehakt. Ich habe mich damit arrangiert, akzeptiere mich, und will mich auch nicht mehr weiter damit beschäftigen, es hat mir wirklich genug Lebensenergie geraubt.
Das Problem ist nun dieses Gefühl des alleine seins, das Gefühl wirklich niemanden zu haben, keine tiefgründigen verständnisvollen Gespräche führen zu können, ich schlucke alles runter, in mich hinein.
Ich will nicht wieder in eine psychiatrische Behandlung, dort wird man neben Medikamentenverordnung wieder versuchen mich mit meinem Lebensthema zu konfrontieren. So komme ich aber noch weniger weiter. Die Einsamkeit würde sich noch mehr verstärken und mein Leben total aus dem Fugen geraten.

Ich wünsche mir einfach nur dass da jemand ist dem ich mich freundschaftlich anvertrauen kann, jemand der mich so akzeptiert wie ich bin, jemand der sich mir ohne Ängste gegenüber setzt, und mir zuhört. Niemand der mir sagt wie schlimm das alles ist, und wie schlimm das für andere ist, oder wie schlimm ich selber bin. Einfach jemanden dem ich vetrauen kann. Nein, kein Familienmitglied, denn das ist etwas anderes, da existiert immer eine Vorbelastung. Einen echten Freund, der mir aber auch mal den Kopf waschen kann und mir trotz allem Verständnis auch mal einen anderen Weg oder eine andere Richtung aufzeigen kann, sich trotz allen Verständnisses auch kritisch mit mir auseinander setzt.
Männerfreundschaften will ich keine, ich brauche keine Saufkumpanen, will mich nicht messen.
Warum fällt mir das so schwer, warum fühle ich mich so alleine….

Ich bin so verzweifelt und weiß nicht was ich tun soll...

Chris

Re: Einsamkeit und Verzweiflung

Verfasst: 13. Aug 2018, 19:05
von Cynthia
Hallo Chris,

es tut mir leid, dass es Dir so schlecht geht. Ich glaube nicht, dass es niemanden interessiert wie es Dir wirklich gibt, nur hast Du den bisher nicht gefunden. Ich denke auch, dass die Menschen Angst haben, Angst Dir nicht helfen zu können, sich vlt. überfordert fühlen. Die Welt ist sehr kalt und desinteressiert geworden. Ich empfinde die meisten Menschen auch als lieblos und ignorant. Was Du aber machen kannst , und das geht weltweit, mit einem kirchl. Seelsorger oder einem gescheiten Psychologen reden. Vlt. hälst Du das für einen miesen Vorschlag, mir fällt aber gerade nichts Besseres ein. Gib bitte nicht auf!

Re: Einsamkeit und Verzweiflung

Verfasst: 13. Aug 2018, 20:50
von Lavendel64
Hallo Chris,

doch, es gibt diese Menschen, die Dir zuhören. Hier im Forum wirst du sicher einige davon finden. In der Welt da draußen ... ist mehr Schein als Sein. Die sozialen Netzwerke tun mir persönlich gar nicht gut, wenn es mir schlecht geht, denn jeder postet tolle Sachen, strahlt und wirkt glücklich. Wenn jemand einen Schicksalsschlag zu verkraften hat oder sich schlecht fühlt, wird er das eher nicht posten. Insofern sind die Netzwerke nichts als Schein, an dem das echte Leben ... zu dem auch negative Dinge gehören ... vorbeigeht.

Leider kann man Freunde nicht herbeireden. Sie kommen ... bleiben oder gehen wieder. Und ich glaube, unter Männern ist das noch schwieriger als bei Frauen. Und es dauert, bis das Vertrauen soweit gewachsen ist, dass man sich öffnen kann.

Ich finde, die psychiatrische Hilfe kann durchaus gut tun. Denn du lenkst deinen Focus anders, Du veränderst deine Sichtweise und darauf reagiert auch dein Umfeld. Ich habe nicht so tiefe Täler durchschritten wie Du, aber in der Klinik habe ich einen Weg zu mir selbst gefunden. Sich selbst zu achten und sich so zu akzeptieren wie man nun einmal ist - das ist der erste Schritt. Der allein schon riesengroß ist.

LG Lavendel

Re: Einsamkeit und Verzweiflung

Verfasst: 13. Aug 2018, 22:20
von Lisa Marie
Hallo Chris,

tut mir leid, dass Du so allein in diesem Hotelzimmer sitzt und es Dir so schlecht geht.
Ich kann Dich gut verstehen. Ich bin noch nicht so weit, dass ich meinen Bekannten erzählt habe wie es mir wirklich geht. Sie wissen das ich zweimal wegen schwerer Depressionen in der Klinik war. Sie wissen aber nicht wie ich mich fühle und wie schlecht es mir immer wieder geht. Immer wenn ich ein klein wenig davon preisgebe habe ich das Gefühl, dass sie mich wortlos ansehen und überhaupt nicht wissen was sie sagen sollen oder sie geben einfach nur einen lockeren Spruch von sich. Und ich fühle mich anschließend als habe ich mich selbst bloßgestellt oder ich fühle mich beschämt. So kommt es ganz häufig vor, dass ich zwar etwas mit Freundinnen unternehme, mich dabei aber furchtbar einsam fühle und um damit klarzukommen oder es zu überspielen fange ich an mit Ironie oder trockenem Humor alles zu überspielen.
Da ich das Gefühl hatte, dass sowieso niemand versteht wie es mir geht habe ich mich jetzt einer Selbsthilfegruppe für Depressionen angeschlossen und habe festgestellt, dass auch andere die Erfahrung gemacht haben, dass sie häufig Verständnislosigkeit ernten wenn sie anderen Menschen berichten wie Depression ist. Das gibt mir ein Gefühl von Verständnis und die Einsamkeit nimmt in dem Moment ab.
Es ist auf Grund Deiner beruflichen Situation schwierig sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen. Aber dieses Forum oder auch andere Foren sind eine gute Möglichkeit mit anderen Menschen, die ähnliches erleben in Kontakt zu kommen und dadurch Verständnis und Mitgefühl zu bekommen.
Wenn es ganz schlimm kommt überlege ich manchmal die Telefonseelsorge anzurufen. Bisher habe ich das noch nicht gemacht. Aber es ist auf jeden Fall auch eine Möglichkeit.

Hier sind Menschen die Dir zuhören und sich für Dich interessieren.
Vielleicht hilft Dir das ein wenig.

Re: Einsamkeit und Verzweiflung

Verfasst: 14. Aug 2018, 09:27
von Bittchen
Hallo lieber Suboshi,

herzlich willkommen hier.
Es ist die Depression,die zu dieser inneren Leere führt und
dich die negativen Gedanken denken lässt.
Da es dir ja dem äußeren Schein nach gut geht,werden auch Freunde nicht so viel Anteil nehmen.
Ich spreche schon lange nicht mehr über meine Gefühle oder wie es mir wirklich geht.
Obwohl ich schon lange sehr offen mit der depressiven Störung umgehe und mein Umfeld,auch Nachbarn usw. wissen,dass ich unter einer depressiven Störung leide.
Meine Familie merkt aber sofort, wenn es mir wieder schlechter geht .
Denn Menschen die mich lieben,interessieren sich noch dafür, wie es mir geht.
Aber das sind nur mein Mann und meine erwachsenen Kinder,die da Anteil nehmen.
Das ist sehr wichtig für mich, es war aber auch ein langer Weg,bis sie sich meine Familie mit der Krankheit Depression intensiv beschäftigt hat.
Verständnis und Unterstützung ist da auch da,aber es ist auch wichtig ,dass sie ihr Leben weiter leben.
Psychisch "gesunde"Außenstehende sind da ja schnell genervt und haben wenig Geduld.
Das ist ja auch bei schweren körperlichen Krankheiten oft so,was zu lange dauert nervt und wird eher gemieden.
Die Menschen sind leider so oberflächlich,aber GsD nicht alle.
Vielleicht findest du doch einen Weg für eine positive Lösung, mit professioneller Unterstützung geht das sehr viel besser,nach meiner Erfahrung.
Suche dir einen guten Psychotherapeuten oder gehe noch einmal in eine psychotherapeutische Klinik.
Medikamente meine ich da nicht ,die alleine heilen nicht.
Aber auch ein gutes Gespräch , mit einem Seelsorger o.d.G.kann dir helfen deine Probleme realistischer zu sehen.
Die Unzufriedenheit mit deinem momentanen Leben, tut dir nicht gut.
Den Kopf waschen?
Das hört sich für mich so an,als ob es an dir liegen würde,dass es dir immer noch nicht gut geht.
Du hast ja Alles und doch fühlst du dich schlecht,da bist du selber Schuld ?
Das empfindest du bei einer depressiven Krise leider so,es ist aber die Depression die dir das einredet.
Depressionen können jeden treffen,das hat mit Erfolg im Beruf oder Wohlstand nichts zu tun.
Aber zuviel Stress ist immer wieder ein Auslöser für eine erneute Episode.
Den hast du ja reichlich durch deine vielen Auslandaufenthalte .
Ein strukturiertes Leben ist bei einer depressiven Störung,nach meiner Ansicht,sehr wichtig.
Die Geborgenheit in deiner Familie könnte da sehr heilsam sein.
Wenn du heraus findest, an was es dir wirklich fehlt, können verständnisvolle Freunde hilfreich sein, ersetzen können sie aber deine innere Ausgeglichenheit nicht.
Die findest du nur in dir selbst und da übe ich noch immer,aber auch immer wieder mit professioneller Hilfe.
Weiterhin wünsche ich dir einen guten Austausch hier,es hilft dir vielleicht ,deine Gedanken aufzuschreiben und auch Anteil an anderen Betroffenen nehmen zu können.
Das ist ein kleiner Ersatz für eine Selbsthilfegruppe und verständnisvolle Kontakte im realen Leben.

Alles Gute für dich und liebe Grüße
Bittchen

Re: Einsamkeit und Verzweiflung

Verfasst: 14. Aug 2018, 09:38
von Howa
Hallo Chris,

hast du dich mal nach einer ambulanten Therapie erkundigt?
Ich weiß nicht, ob du je zwei Wochen unterwegs und dann wieder zwei Wochen daheim bist oder wie das bei dir arbeitstechnisch abläuft. Therapeuten stellen sich mittlerweile auch auf die Bedürfnisse der Patienten ein. Bei dir wäre es sehr sinnvoll, wenn du dann E-Mails schreiben kannst oder ihr falls notwendig telefonische Therapie macht.
Ich denke du brauchst diese fachliche Unterstützung wirklich dringend, denn du schreibst zwar dauernd, dass dieses alte Thema das du nicht ansprechen willst für dich erledigt ist, aber es erscheint mir so als ob es dich doch noch schwer belastet.

Es ist echt schwer richtige Freunde zu finden, vor allem wenn's einem eh nicht so gut geht.

Hier kannst du aber jederzeit schreiben was dich beschäftigt, dir Sorgen macht usw.

LG Howa

Re: Einsamkeit und Verzweiflung

Verfasst: 14. Aug 2018, 16:16
von Frau_Wal
Hallo Chris,

man kann durchaus den ganzen Tag von Menschen umgeben sein und sich trotzdem einsam fühlen. Das ist gerade dann der Fall, wenn - wie du es bereits beschrieben hast - die tiefe Verbindung zu anderen Menschen fehlt.

Nach meiner Erfahrung können wir Menschen diese tiefen Verbindungen in jedem Lebensalter aufbauen, aber wir brauchen dazu Zeit, Geduld und (zumindest am Anfang) regelmäßigen persönlichen Kontakt. Wenn die Verbindung erst einmal stabil ist, können wir sie auch zwischendurch über elektronische Hilfsmittel, Telefon oder Postkarten am Leben erhalten.

Gerade dieser längere intensive persönliche Kontakt zu anderen Menschen ist für dich natürlich schwierig, wenn du beruflich so viel unterwegs bist. Ich habe auch den Eindruck, dass du ein festes Zuhause vermisst und dich in deiner eigenen Familie eher wie ein Gast fühlst, weil du so selten dort bist.
Vielleicht musst du ja den Beruf gar nicht komplett wechseln, um mehr Zeit zu Hause zu verbringen. Kannst du deiner Arbeit eine etwas andere Ausrichtung oder einen anderen Schwerpunkt geben, damit du nicht mehr so viel reisen musst? Kannst du evtl. Dinge per Videokonferenz im Homeoffice erledigen?

Bei akuter Einsamkeit hilft es mir (wenn kein direkter Kontakt zu Vertrauenspersonen möglich ist), wenn ich es mir so richtig gemütlich mache: bequeme Kleidung anziehen (inkl. Flauschsocken), etwas Warmes trinken (z.B. Tee, Kakao), mich mit Kissen und Decke aufs Sofa oder ins Bett kuscheln (im Winter auch gerne mit einer Wärmflasche) oder ein heißes Bad nehmen. Oder all das in beliebiger Kombination und Reihenfolge. Alles, was mir Wärme und Geborgenheit vermittelt, hilft. Das ändert zwar nichts an der Einsamkeit an sich, aber ich fühle mich dann nicht mehr ganz so schutzlos und so verloren. Dann geht es mir zumindest ein bisschen besser, ich kann mich eher entspannen und finde leichter in den Schlaf.
Aus dem Grund nehme ich auf Reisen auch immer mindestens einen persönlichen Alltagsgegenstand mit (z.B. meine Tasse oder mein Kissen), um das anonyme Hotelzimmer zu "meinem" Zimmer zu machen. Mir fällt gerade auf, dass ich in Hotelzimmern auch schon Dekorationen oder Möbel umgeräumt habe, damit ich mich dort eher zu Hause fühle. :lol:

Alles Gute und viele Grüße,
Frau_Wal

Re: Einsamkeit und Verzweiflung

Verfasst: 14. Aug 2018, 22:15
von Gertrud Star
Hallo Suboshi,

schwer dir zu antworten, zumal du keinen Wink in die ungefähre Richtung gibst, wo ganz grob dein eigentliches Thema anzusiedeln ist. Du deutest nur familiäre Vorbelastung an, und das kann mehreres sein. Ganz allgemein gibt es ganz viele Themen, die für verschiedene Menschen wichtig sind. Spontan fällt mir ein: Umgang mit Krankheit, Behinderung, Sucht. Umgang mit Gewaltfolgen. Zugehörigkeit zu bestimmten Personengruppen wie Religionsgemeinschaften, Randgruppen (beispielsweise sexuelle Vorlieben/Identitäten), verschwiegene Herkunft im Sinne von Adoption oder ähnlichem, oder Opfer oder Täter im strafrechtlichen Sinne geworden sein, und was es noch geben könnte.
Mal so ganz allgemein gesagt.

Ja, eine Lebenslüge aufgeben macht sehr einsam. Das kennen hier sicher sehr viele. Viele tun sich mit Gleichgesinnten zusammen, heutzutage auch online und per Telefon, auch weltweit.
Da kann es um das eigentliche Thema gehen. Man fühlt sich mehr verbunden und weniger allein.

Ich selber bin mal 3 Jahre lang gependelt von einer Stadt aus, wo ich noch nicht daheim war. Es war langfristig betrachtet sehr einsamkeitsfördernd. Immer in Pensionen/Nebenwohnung mit sehr wenig Kontakt, damals noch die Zeit vor den Handys und den günstigen Tarifen und dem Internet.
Ich kann mir auch vorstellen, dass man sich mehr wie Gast daheim vorkommt, wenn man selten daheim ist. Die haben ihr eigenes Leben, an dem man sehr viel nicht teilhat. Es ist allerdings sehr gut, dass deine Frau sich um euer Sozialleben daheim kümmert. Ohne dem wäre es noch schwieriger. Manche Vielreisende finden sowas auch normal, sich darum nicht auch noch kümmern zu müssen, denk ich mal.
Ich jedenfalls hätte damals Unterstützung gebraucht, die ich nicht hatte.
Dass Kontakte dabei einschlafen, ist eher normal. Man ist immer die Ausnahme, die scheinbar nie da ist. Man muss sich oft in Erinnerung bringen und fragen, denke ich.

Um der Vereinsamung entgegen zu wirken, gehen manche Leute auf Reisen nicht in ein Hotel, sondern in eine neuartige Wohnform. Ist so eine Art Business-Wohnen. Da wohnen mehrere Leute solange sie da sind gemeinsam in einer Wohnung. Vermietung wochenweise oder auch nach Bedarf. Da scheinen öfters die gleichen da zu sein, so dass man sich kennt, was Beständigkeit, Sicherheit und Kontakte gibt.
Ich saß damals in einer Pension immer montags neben demselben Menschen am Stammtisch, etwas essen und ein Bierchen trinken. Das ergab sich so.

Vielleicht bist du momentan auch reisemüde, und brauchst Familienurlaub, oder Heimaturlaub.
Dann solltest du das angehen. Weniger reisen, mehr von daheim aus arbeiten lässt sich bestimmt organisieren.
Wenn es das ist, und nicht das Reisen die bessere Möglichkeit ist.

Falls allerdings das Reisen dir Krankheit oder Sucht einbringt, und das das eigentliche Thema sein sollte, wäre zu prüfen, was für eine Möglichkeit das Leben ohne oder mit sehr wenig Reisen es gibt.

Männerfreundschaften mit Saufen gleichzusetzen, stimmt wohl nicht so ganz.

LG Gertrud

Re: Einsamkeit und Verzweiflung

Verfasst: 15. Aug 2018, 15:30
von Suboshi
Hi und danke für die zahlreichen und auch langen Antworten,

die Erfahrung das Internetforen eine ideale Austauschplattform sind, um sich mitzuteilen, mache ich schon sehr lange und nutz(t)e sie auch intensiv. Das hat mir auch zur Verarbeitung meines Themas geholfen. Wie gesagt ich denke dass ich mein "altes" Thema abgeschlossen habe. Natürlich ist es nicht ganz weg, denn einen über Jahrzehnte belastenden Rucksack kann man nicht einfach so zur Seite stellen. Ich bin der Meinung dass ich einen Weg gefunden habe damit klar zu kommen, alleine die Aufarbeitung hat mir hier unglaublich geholfen. Ich möchte da nun auch nicht weiter herum stochern und die Diskussion nicht wieder in die Richtung steuern. Gertrud hat es aber schon ganz gut und allgemein erkannt, dabei möchte ich es aber auch belassen und hier kein Ratespiel starten.

Mein aktuelles Problem sind eben die Folgen eines sagen wir mal "Coming Outs", des Preisgebens eines sehr intimen oder persönlichen Themas, dass man so lange in sich getragen hat. Das betrifft viele von uns, die Depression ist nur die Spitze des Eisberges, doch alleine schon die Bekanntmachung dieser Erkrankung führt zur Isolation, da muss nicht erst noch der Rest des Eisberges freigelegt werden

Es ist tatsächlich so dass sich in dieser kalten Welt die meisten Menschen nur um sich selber sorgen. Sie begrüßen es wenn ihnen geholfen wird, nehmen die Hilfe auch gerne an, sind aber selten dazu bereit ihrerseits zu helfen. Ich habe dann so Sprüche gehört wie "von mir brauchst Du kein Mitleid zu erwarten", obwohl ich vor einiger Zeit in einer schweren Krise genau dieser Person beistand und meinerseits Hilfe angeboten habe.

Soziale Netzwerke sind für mich eigentlich die einzige Möglichkeit, wenigstens mit Bekannten in Kontakt zu bleiben. Außerdem ist Social Media Teil meines Berufes, ich arbeite in der Nachrichtenwelt und reise von Sender zu Sender. Das ist immer sehr kurzlebig, genau so wie News es sind. Ich lerne dabei unglaublich viele Leute kennen, habe heute erst eine Einladung auf eine Hochzeit in Texas im Oktober erhalten, oder letzten Monat auf einen 50. Geburtstag in England, oder eine andere Hochzeit vor einiger Zeit in Jordanien. Das ist alles nett und freut mich auch, wenngleich es in der Regel nicht realisierbar ist, und wie schon berichtet wurde fehlt es an tiefer Verbindung, die zwangsläufig in der Kürze der Zeit nicht wachsen kann.

In meinem Job geht es vor allem um Kommunikation und die kann mitunter sehr lebhaft sein, so dass ich viel rede. Die Menschen fragen mich Dinge die eben auch über das berufliche hinaus gehen. Heute hat mir einer seinen Reiseplan für seine 3-wöchige Kreuzfahrt in Nordeuropa in die Hand gedrückt, ich habe dann meine Anmerkungen gemacht und Tipps gegeben. Ich in meiner Arbeit auf, das lenkt mich ab, anscheinend kommt das gut an. Aber sobald ich im Auto sitze, oder im Taxi, und im Hotel ankomme, holt mich meine Welt wieder ein. Vor drei Jahren bin ich jedoch bei einem Kunden zusammengebrochen und in der Notfallambulanz gelandet. Wie so viele andere schaffe auch ich es mein Leiden zu überspielen, aber eben nur so lange bis das Kartenhaus in sich zusammenbricht.

Es sind die Folgen aus meiner Geschichte, die Folgen vor denen ich so furchtbare Angst hatte welche mich in den Abgrund trieb. Ich lernte damit umzugehen, verstand dass die Ängste nur in meinem Kopf lebten, aber lernte auch dass einige Ängste berechtigt waren und real sind. Der Umgang damit war dann der Schlüssel um meines Problems Herr zu werden. Das lernte ich vor allem auch in einer Selbsthilfegruppe, in der ich es bis zu einem Vorstandsposten gebracht hatte, sowie durch Internetbekanntschaften. Zunächst hatte es mir auch wirklich geholfen meine Probleme und damit auch die Depression zu bewältigen. Mir war klar dass die Menschen Zeit brauchen, das war auch für sie alles ein bisschen viel. Aber anscheinend kam ich wie ein Alien rüber, vor allem die Themen Depression, Psychiatrie sowie Suizidversuch hat bei den meisten wohl einen Gehirnknoten verursacht. Sie fühlten sich wohl überfordert und schalteten dann ab. Und daraus folgt die Distanz.

Die Auswirkungen sind eben noch spürbar.

Ich versuche auf meinen Reisen drei Hotelketten treu zu bleiben. Das hat den Vorteil dass man weiß was einen erwartet, oftmals sind die Hotels dann tatsächlich ähnlich ausgestattet, die Loyalty Programme führen dann eben zu weiteren Annehmlichkeiten wie Zimmer-Upgrade oder Loungezugang. Die Lounge ist dann mein Wohnzimmer, und ja es reduziert dann die Anonymität auf Reisen. Trotzdem folgt oft die Bettflucht. Laptop auf dem Schoß, und Musik laufen lassen. Früher hatte ich noch eine kleine Gitarre dabei, zum Zusammenbauen, jetzt schaffe ich es noch nicht mal mehr zu lesen. Das habe ich seit einigen Jahren aufgegeben.

Meine ambulante Therapie hatte ich letztes Jahr beendet. Meine Frau und ich sind noch in einer Paartherapie, allerdings habe ich seit zwei Monaten alle Termine abgesagt.

Ich bin ab Donnerstag für 4 Tage zu Hause bevor es wieder weiter geht, drei Wochen Irland stehen an, die haben wenigstens gutes Guinness. Danach nach Brüssel, das ist dann nicht mehr so weit weg. Vielleicht fahre ich dort mit dem Auto hin, das gibt mir mehr Geborgenheit und nicht die Anonymität wie am Flughafen, aber weitere Fernreisen stehen wieder an.

Jedenfalls konnte ich nun per Email einen ambulanten Termin vereinbaren, ich fliege heute zurück, lande am Donnerstag gegen 12 und habe dann direkt den Termin in der Klinik um 15 Uhr. Die nächste Möglichkeit wäre erst wieder Ende September.

Ausserdem habe ich mir vorgenommen am Wochenende ein Acrylgemälde fertig zu stellen welches ich letztes Jahr begonnen habe. Das Malen und Zeichnen habe ich aus der Ergotherapie mitgenommen. Ich habe Gefallen an großen Bildern mit Strukturen, folge aber Anleitungen damit ich hier ein Erfolgserlebnis habe. Meinem jüngsten Sohn macht das auch Spaß. Wir malen dann zusammen.

Mal sehen was nun passiert. Ich habe den Kontakt nach Hause seit 2 Wochen nur noch auf das Wesentlichste beschränkt. Per Whatsapp, aber keine Telefonate mehr, denn die haben mich noch weiter herunter gezogen. Weitere Dinge die mich wirklich fertig gemacht haben waren hier einmal verschlafen an unserem einzigen sehr frühen Morgen Termin sowie das Verschütten eines Kaffees im Hotelzimmer... Ich hätte heulen können.

Liebe Grüße
Chris

Re: Einsamkeit und Verzweiflung

Verfasst: 15. Aug 2018, 16:11
von Lavendel64
Hallo Chris,

Dein Leben hört sich nach viel Hektik und wenig echten Ruhephasen an. Kannst du Stille und Ruhe aushalten? Ich frage, weil ich das erst mühsam lernen musste, hatte zwei Jobs plus Familie, Hund und Garten und war immer aktiv. Bis irgendwann von einem Tag auf den anderen der Zusammenbruch kam und mich zur Ruhe zwang.

Ist zwar anders als bei dir, aber mir kam wirklich dieser Gedanke, ob du dir vielleicht einfach zu wenig Auszeiten gönnst.

LG Lavendel

Re: Einsamkeit und Verzweiflung

Verfasst: 15. Aug 2018, 18:14
von Katerle
Hallo Chris,

leider erlebe ich das auch so, dass sich in der heutigen Zeit die Menschen nur um sich selber sorgen. Ganz schlimm empfand ich das, als ich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten konnte. Es lag auch nicht daran, dass ich nicht rausging (trotz Ängsten). Aber irgendwie hatte auch niemand mal Zeit für mich, wonach ich mich eigentlich mal gesehnt hatte. Dann kam bei mir auch die Frage, warum ich eigentlich zum Therapeuten ginge? Liegt es wirklich daran, dass einfach keiner mehr Zeit hat und nur mit sich selbst beschäftigt ist? Ich hatte mich auch einer SHG angeschlossen, um der Einsamkeit zu entkommen. Soll das denn die Lösung sein, dass aus dem Familien- oder Freundeskreis keiner mehr Zeit hat?

Mein Mann hatte wenig Zeit für mich und auch jetzt ist er noch weiterhin viel beschäftigt. Ich hatte angefangen, alleine mal was essen zu gehen, später mit Freundinnen. Oder auch manchmal mit meinen Kindern.

Gestern schrieb mir mein Sohn eine ganz liebe Nachricht. Mein Mann arbeitet auswärts und kommt nicht heim. Daraufhin schreib mein Sohn (er wohnt in ner anderen Stadt), also wenn ich mich einsam fühle, wäre kein Problem, dass er vorbeikommt. Und so haben wir vereinbart, dass er nachher noch kommt und wir zusammen was essen und er auch bei uns übernachtet. Ich dachte echt, wie lieb ist das denn? Bin ich denn wirklich noch jemanden wichtig? Gestern waren ja meine anderen Kinder und Enkel wieder gefahren. Unser Enkel war ne ganze Woche bei uns alleine. Aber es hatte alles gut geklappt, auch wenn ich meine Medis brauchte. Mich hatte es echt gewundert, dass er trotz Hitze so gut geschlafen hatte nachts, ich natürlich nicht...

Ich meine, ist ja auch schön, dass meine Tochter mir soviel Vertrauen schenkt, den Kleinen ne Woche zu beaufsichtigen und das schöne, es hatte ihm gefallen und er sagte auch wieder, dass er mich ganz doll lieb hat, nachdem ich es ihm auch gesagt hatte.

Oh, jetzt bin ich wohl ein Stück vom Thema abgekommen, aber macht ja nichts.

Jedenfalls ist es traurig, dass man zum Therapeuten geht, um mal ein Gespräch mit einer kompetenten Person zu bekommen. Ist eben schade, dass keiner mal Zeit hat oder sich auch mal für seine Mitmenschen interessiert, erlebe ich auch in der Nachbarschaft manchmal...

Wünsche einen angenehmen Abend,
Liebe Grüße
Katerle

Re: Einsamkeit und Verzweiflung

Verfasst: 17. Aug 2018, 18:11
von Laura7
:hello: Hallo Chris,

Du schreibst wirklich sehr gut. Dein Leben scheint perfekt: Beruflich, finanziell, familiär und jedenfalls körperlich scheinst Du gesund zu sein.
Während ich das las, wurde ich neidisch. Warum kann ich das alles nicht haben? Ich bin überzeugt davon, dass es mir dann besser gehen würde, lach.
Mein Leben ist derart heftig - ich denke eigentlich, niemand hätte eine andere Chance, als depressiv zu sein.

Und doch sehe ich im TV manchmal Menschen, die trotz schwerer physischer Krankheiten jedenfalls nicht depressiv wirken. Aber sicher wissen kann man es natürlich nicht. Es könnte eine Momentaufnahme sein oder Medikamente im Spiel sein.

Du hast wunderbare Antworten erhalten. Wild fremde Menschen haben sich Zeit genommen, um Dir zu schreiben.

Der Teil über Selbstmord bzw. Klinikeinweisungen hat hat mich erstaunt. Wie kann ein Mensch, der fast alles hat, so unglücklich sein?
Ich spürte auch meine Angst davor, dass mir so etwas mal passiert. Mein Vertrauen in Ärzte ist mir (aufgrund körperlicher Krankheiten) bereits abhanden gekommen. Es wäre ein Albtraum für mich, zwangseingewiesen zu werden.
Ich denke auch, dass tabuisiert wird, dass Aufenthalte in der Psychiatrie als solche zu schweren Traumata führen können. Auf Youtube habe ich mir viele Dokus dazu angeschaut. Grob in Erinnerung geblieben ist mir eine völlig atypische Psychiatrie-Einrichtung. Das Innere wirkte wie in einem privaten, schönen Haus.

Ich denke leider auch, dass Menschen mit seelischen Krankheiten in unserer Gesellschaft stigmatisiert werden. Obwohl ich denke, dass es - dank TV und Internet - besser geworden ist.

Ich erinnere mich an eine Diskussionsrunde, in der eine junge Psychiaterin saß, die selber erkrankt ist/war - und gerade deshalb später diesen Facharzt wählte.

Allerdings empfinde ich diese Diskussionsrunden für sehr unkritisch. "There's good and bad in everything." Und in der Psychiatrie geht sicherlich vieles schief. Und leider richten Psychopharmaka sehr viel Unheil an.
Gerade letzte Woche schaute ich auf der Webseite adfd vorbei, ein junger Mann berichtete, nach dem (leider abrupten) Absetzen eines SSRI (Serotoninwiederaufnahmehemmer) - nach nur ca. 8 tägiger vorangegangener Einnahme - unter erektiler Dysfunktion zu leiden. Und das schon einige Monate.
Er ist natürlich schwer depressiv - und sehr wahrscheinlich viel schwerer als vor der Einnahme.

Aber es ist ein anderes Thema...

Du erwähnst ein Problem der Vergangenheit, dass Du entweder gelöst hast oder über das Du nicht mir schreiben willst.
Dies - also die fehlende Info - verunsichert mich etwas in Bezug auf Dein aktuelles Problem.
Ich habe den Eindruck, es ist vor allem das Gefühl von Einsamkeit.
Und ich denke, dieser Spur solltest Du folgen.

Ich fühle mich auch oft extrem einsam. Dieses Gefühl, völlig alleine auf dem Planeten zu sein, ist fürchterlich. Allerdings bin ich wirklich ganz allein.
In Zeitabständen recherchiere ich mit dem Stichwort im Internet. Oft ist die Recherche auf Englisch nützlich.
Ich erinnere mich, recherchiert zu haben, ob Einsamkeit mit Depression gleichzusetzen ist.
Es gibt eine wichtige zeitliche Komponente.

Ich fragte mich, wodurch das Gefühl behoben wird/werden kann.
Ich tröstete mich dann mit dem Gedanken an Illusionen: Wir werden (außer Mehrlinge) alleine geboren und sterben oftmals auch alleine - und in der Zwischenzeit sind wir oft alleine.
Ist die Abwesenheit des Gefühls von Einsamkeit also sowieso nur eine Illusion?

Ich verliere das Gefühl oft durch richtig gute, tiefe, seelische, sehr ehrliche, ausreichend lange Gespräche.
Das Internet befriedigt mich nicht wirklich. Ich fühle mich durch die Langsamkeit des Schreibens schon behindert. Und es ist anstrengend, wenig spontan. Reden gibt ein anderes Gefühl als Schreiben. Telefonate finde ich fast so gut wie die zusätzliche körperliche Anwesenheit.

Klar ist, dass die Katze mir dieses Gefühl nicht nehmen kann.

Ich bin fast immer alleine und so verschwindet das Gefühl von Einsamkeit dann schon mal allein dadurch, dass ich einkaufen gehe, einen Arzttermin wahrnehme. Gerade gestern beim Allergologen sprach ich kurz mit einer Patientin im Warteraum. Ich hatte den Eindruck, sie freute sich.

Immerhin kann ich das Gefühl von Einsamkeit so kurzzeitig verbannen.


Auf Reisen, Hotelzimmer - das dürfte das Gefühl von Einsamkeit enorm triggern. Man kann sich nicht viel Einsameres vorstellen. Ich habe mal überlegt, was meine extremste Vorstellung von Einsamkeit sein könnte. Mir kam in den Sinn: Alleine, in relativer Dunkelheit schwerelos durch den Weltall zu schweben.

Hinzu kommt, dass Du ja noch eine Familie hast. Das dürfte ein Gefühl von Ausgeschlossenheit/Abgeschlossenheit hervorrufen.

Ich muss an einen Kinofilm mit George Clooney "Up in the Air".
Hast Du ihn gesehen? So in etwa stelle ich mir Deine Situation vor. Er ist jedenfalls sehenswert!

Ich weiß nicht, ob Dir mein Post weiterhilft. Ich kann Dir nur versichern, dass ich das Gefühl sehr gut - viel zu gut - kenne. Es ist derart belastend, dass ich mich frage, wie ich die vielen Jahre, die ich statistisch gesehen noch vor mir habe, überstehen kann. Als seelisches Siechtum bezeichne ich diesen Zustand oft.

Wie froh ich wäre, Kinder zu haben oder wenigstens noch meine Mutter - oder richtig gute Freunde. Menschen zum Reden...

Ich kenne Dich nicht persönlich und habe nur diesen Post von Dir. Dem Post zufolge, ist Einsamkeit jedenfalls Dein Hauptproblem.

Vlt würde Dir ja wirklich schon ein Jobwechsel helfen.
Wie fühlst Du Dich, wenn Du länger zuhause bist? Eine - funktionale - Familie dürfte einen über die teilweise vorhandene gesellschaftliche Stigmatisierung doch etwas hinweg trösten...

Ganz sicher kann es einem auch gelingen, Menschen zu finden, die sich ähnlich fühlen und die Kontakt suchen.
Ich hatte mittels lokaler Online-Zeitung öfters Versuche unternommen, die leider fehlgeschlagen sind. Man findet ja nicht jeden Menschen sympathisch - trotz Einsamkeitsgefühle.

Re: Einsamkeit und Verzweiflung

Verfasst: 18. Aug 2018, 20:15
von Aida1
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Re: Einsamkeit und Verzweiflung

Verfasst: 18. Aug 2018, 23:42
von knurr
hallo, chris

ich bin alleinstehend, des öfteren umgezogen (allerdings nur innerhalb deutschlands) und habe für mich diese lösung gefunden:
wenn ich mal wieder umgezogen war, bin ich in einen verein oder eine gemeinschaft gegangen. aber nicht nur, um dran teilzunehmen, sondern um "zu liefern". z.b. habe ich sportstunden im verein als assistentin eines ü-leiters übernommen. als teilnehmerin war ich unbedeutend - ob ich da war oder nicht = egal. aber als assi war ich für die leiter-kollegen wichtig und ich war in die gruppe integriert.
ein bekannter macht z.b. die essensausgabe bei einer sozialen hilfsorganisation und ist dort super-gern gersehen.
ist natürlich blöd bei deinen vielen reisen. aber bei 3 monaten irland gibt es bestimmt irgendeine möglichkeit, irgendwo als "helfer" einzuspringen und dadurch integriert zu sein

und falls du süchtler bist - die anonymen xyz nehmen einen überall herzlich auf, auch als fremden. ich bin z.b. trockener alkoholiker und gehe in fremden städten sehr gerne zu aa-treffen. dort bin ich wirklich herzlich willkommen. und gerade die aa's gibt es weltweit. und zumindest in deutschland gibt es auch oa's, ea's, arbeitssüchtige, sexsüchtige usw

wünsch dir alles gute - knurr

Re: Einsamkeit und Verzweiflung

Verfasst: 5. Sep 2018, 23:52
von Suboshi
Ich danke Euch wieder für die zahlreichen Antworten. Mittlerweile ist auch etwas Zeit vergangen.

Ich war also direkt nach meiner Rückkehr aus den USA in der Ambulanz, und 4 Tage später noch einmal. Mein Arzt meinte dass ich keine typischen Anzeichen einer Depression habe, aber durchaus auf Grund meiner Einsamkeit eine Psychotherapie brauche. Er versucht einen Kollegen oder eine Kollegin zu finden die auch bereit wäre mit mir zu skypen. Er hatte mir schon einmal einen Therapeuten vermittelt, daher vertraue ich ihm.
Alleine das Gespräch mit ihm hat gut getan.

Das Malen mit meinem Sohn war sehr schön. Ich habe an meinem Bild weiter gearbeitet und mein Jüngster durfte sich nach Anleitung kreativ austoben. Mit fehlen noch zwei Materialien bevor ich weiter machen kann, die besorge ich mir online und werde es Ende September beenden.
Ich habe auch in den Tagen zu Hause gekocht und gegrillt und dabei immer wieder neues ausprobiert. Auch Kochen ist für mich eine Leidenschaft, ich liebe es Dinge ganz klein zu hacken. Vorgestern war Familie zum Essen eingeladen. Schwierig war es allerdings auch. Es liegt eine Spannung in der Luft, die Erwartungshaltungen sind nach wie vor präsent und hoch, aber keiner weiß wie er sich verhalten soll. Und das wegen mir...
Ich habe oft das Gefühl dass ich an vielen Dingen schuld bin. Dinge die auch offensichtlich sind. Wir haben eine Einladung zu Silvester mit Familienfreunden nach Prag erhalten, ich habe abgelehnt. Für Anfang Dezember haben wir eine Einladung zu einem runden Geburtstag. Das letzte was ich von denen allerdings hörte war nur ein Lästern über mich. Warum mit denen feiern? Auch hier werde ich absagen.
Ich bin nun seit drei Wochen unter der Woche in Dublin, nächste Woche in Brüssel, dann wieder Dublin. Ende September habe ich dann sozusagen zwei Wochen Urlaub. Ich habe zwei Kurztrips mit meiner Frau geplant. Ein Actiontrip ins Trentino und ein Wellnesstrip in den Bayerischen Wald. Das gibt Zeit für uns, mit Spannung und Entspannung.
Trotzdem ist da diese Leere. Meine Aktivitäten beschränken sich hier auf Abends in Pubs zu gehen. Ich habe einen Zeichenblock dabei, zwei Zeitschriften, sogar meinen alten ebook-reader reanimiert, will an meiner Homepage arbeiten oder zumindest Abends noch ein wenig arbeiten zwecks Fortbildung. Das funktioniert überhaupt nicht. Ich benutze die App Stimmungstagebuch und sehe meinen Aktivitätsindex sinken.
Am liebsten würde ich nur schlafen.
Zu Hause habe ich Programm, der Garten verlangt immer nach Arbeit, mein Hobby verlangt Pflege, und für die Party unseres Großen zum 15. Geburtstag habe ich einen Partykeller eingerichtet, mit Diskokugel, Lichtorgel und Nebelmaschine. All das macht mir Spaß, da kann ich mich ablenken, aber ich falle auch sofort wieder in diese Leere.
Ich habe nur meine Familie um mich herum. Sie gibt mir Kraft. Meine Frau zweifelt aber insgeheim an mir. Auch hier besteht eine gewisse Spannung. Und von Freunden höre ich gar nichts.
Ich will mich Ende September mit zwei Freundinnen treffen. Eine war eine Mitpatientin in der Klinik, sie hat ihren Weg gefunden, die Diagnose war Bipolar aber ich kenne sie nur manisch. Vielleicht hört sie mir auch zu. Die andere ist quasi eine Bekannte die bei einem Kunden arbeitet. Sie sorgte ich in den letzten drei Jahren sehr um mich, kämpft aber auch sehr mit eigenen Problemen. Ihr möchte ich zuhören. Es handelt sich also um Freundschaften die aus meiner Depression entstanden sind.

Nach nochmaligem Lesen meines Textes fällt mir auf dass er voll gespickt ist mit Aktivitäten. Ich merke dass ich das brauche. Und das kann ich auch. Direkt vor meinem Suizidversuch malte ich noch ein Bild und montierte im Bad unseres neuen Hauses einen Sternenhimmel. Ich hatte mich etwas verkalkuliert mit der Zeit, aber das wollte ich unbedingt noch zu Ende bringen. Ich kann aber genauso gut einfach auf der Couch liegen und nichts tun, die Zeit totschlagen und hoffen dass bald wieder Abend und der Tag vorbei ist.

Meine Frau weiß dass es mir nicht gut geht. Sie motiviert mich auch zu Aktivitäten. Was diesen Punkt angeht unterstützt sie mich und weiß wie sie mir helfen kann. Allerdings hatte ich in den Tagen in denen ich zu Hause war zwei mal einen ziemlich tiefen Punkt an dem ich alles habe sein lassen. Ich lag heulend im Bett. Da bricht dann alles über mich hinein und brauche Stunden um da wieder heraus zu kommen. Da holt mich alles ein und ich beginne wieder stark zu zweifeln.

Das Wichtigste ist jedoch dass ich da wieder heraus komme und nicht komplett in der Spirale herab rutsche.

liebe Grüße
Chris

Re: Einsamkeit und Verzweiflung

Verfasst: 6. Sep 2018, 01:03
von Gertrud Star
Hallo Chris,
das klingt danach, dass du mit deiner Frau dich aussprechen sollst.
Und dass du mehr Zeit mit deiner Familie einplanen sollst,
aber auch mal alle Viere grad sein lassen.
LG Gertrud

Re: Einsamkeit und Verzweiflung

Verfasst: 6. Sep 2018, 08:50
von Suboshi
Hallo Gertrud

du hast definitiv recht, ich muss mehr Zeit mit meiner Familie verbringen. Das sieht für kommendes Wochenende aber so aus:
Freitag Abend bin ich erst gegen 23:00 zu Hause. Der kleine schläft dann, der große ist auf einer Party und feiert dort auch in seinen Geburtstag, meine Frau ist noch wach. Couch und Gespräch, meine Frau schläft ein.
Samstag vormittag Geburtstagsvorbereitung, dekorieren, um 12 den Großen wecken, gemeinsam frühstücken, dann einkaufen, Familie zu Kaffee und Kuchen, um 17 Uhr räumen wir das Feld damit der Große die Party feiern kann. Wir flüchten zu Bekannten zum Abendessen (Zitat dort gegenüber meiner Frau: Wie hälst Du das nur aus, du Arme). Wie ich das dort aushalte?
Sonntag aufräumen, noch später frühstücken, der Große und seine Freunde schlafen bis Mittag, um 19 Uhr fahre ich wieder zum Flughafen.
Zur Ruhe kommen wir nicht dieses Wochenende, die Ruhe habe ich ja ohne Ende morgens und Abends im Hotel. Hier kommen aber die Gedanken, ich fühle mich einsam. Und dann verschwindet die Motivation von ganz alleine...

Liebe Grüße
Chris

Re: Einsamkeit und Verzweiflung

Verfasst: 6. Sep 2018, 09:15
von Sonne
Hallo Chris

Ich denke, hier braucht es Gespräche. Gespräche mit deiner Familie, wie sie sich dir gegenüber verhalten sollen. Einfach mal ansprechen. Dasselbe gilt mit den Bekannten, die über dich gelästert haben. Das kannst du ruhig ansprechen und ihnen sagen, dass sie das bitte lassen sollen.

Re: Einsamkeit und Verzweiflung

Verfasst: 1. Okt 2018, 13:10
von Sonne
Hallo Chris

Wie geht es dir? Schlägt die Skype-Therapie an? Würde mich freuen von dir zu lesen.

Liebe Grüsse Sonne