Einer dieser Tage

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RedDot
Beiträge: 2
Registriert: 2. Jun 2018, 12:20

Einer dieser Tage

Beitrag von RedDot »

Hallo,

ich bin neu hier und habe mich in diesem Forum registriert weil ich meinen Kram irgendwo loswerden muss und sonst nicht weiß wohin mit mir. Ich habe mittlerweile keine Freunde mehr, will nicht mit meiner Familie darüber sprechen und empfinde das für anderweitig Bekannte als doch unpassend und/oder zu negativ.

Ein bisschen was zu mir:
Ich bin 29 und lebe nun seit etwa 10 Jahren mit Depressionen. Es war nichts was boom einfach da war sondern etwas, das sich so entwickelt hat und mit den Jahren schlimmer wurde. Aber ich lebe noch.
Am Anfang dachte ich, das gehört nun mal so zur Pubertät, andere gehen jedes Wochenende feiern und besaufen sich, fangen Beziehungen an und beenden diese wieder und ja, ich war der Meinung das ist nichts für mich und verarbeite meine Hormonumstellung lieber mit Stimmungsschwankungen und depressiven Verstimmungen. Nur leider gingen diese nie weg..

Ich war über die Jahre bei einigen Psychologen und anderen Ärzten, bin oft einige Male umgezogen und dachte jedesmal mal sehen ob der Arzt hier besser ist. Ich habe mit jedem neuen Arzt ein bisschen mehr die Hoffnung verloren, dass mir irgendjemand helfen kann und war stattdessen verstärkt der Meinung, dass ich gar keine Depressionen hab, dass irgendwas anderes nicht mit mir stimmt, mir aber keiner sagen kann was. Dass es einfach so viel einfacher ist zu sagen "Sie haben Depressionen", dann muss man sich nicht mehr weiter damit beschäftigen.
Das ist übrigens auch mein aktueller Stand.

Ich habe seit etwa 2 Jahren einen neuen Job und bin seit nun einpaar Monaten krank geschrieben. Grund: Das hatte auf der Arbeit so keinen Sinn, ich konnte mich einfach nicht mehr konzentrieren, war total überfordert, ständig müde trotz mehr als genug Schlaf, unglücklich und irgendwie ein bisschen nutzlos. Tat mir auch leid. Mein Chef meinte aber, ich soll mir keine Sorgen machen und mich krank schreiben lassen. Habe ich getan. Nun warte ich auf das Krankengeld, hab heute nochmal mit der Kasse telefoniert, da kann mir keiner sagen wo meine Krankmeldung ist, die ich persönlich vorbei gebracht habe. Der Herr wurde nicht unfreundlich aber es hilft mir eben nicht, ich muss Miete zahlen und irgendwas essen. Ist schwer ohne Geld.

Und so kommen wir zum eigentlich Titel dieses Beitrags:
Habt ihr nicht auch manchmal einen dieser Tage? Irgendwie klappt mal wieder nichts, im Fernsehn läuft nichts, es ist niemand da mit dem man reden kann/will, man ist hungrig und eine vernünftige Person würde sagen "dann geh doch mal raus, Sport tut gut und kostet nichts".
Mir fehlt aber jeder Elan auch nur das Bett zu verlassen, ich fühle mich kraftlos und bin stolz auf mich, wenn ich 3 Teller spüle oder es schaffe zu duschen.
Ich verbringe den halben Tag damit zu schlafen, mir Videos anzuschauen oder irgendwas zu lesen.
Ich habe auch schon einige der Beiträge hier gelesen und kenne das Problem.
Weiß aber nicht was man dagegen tun kann.

Ich warte gerade auf einen Platz in der Tagesklinik. Mein letzer Arzt wollte mich lieber stationär einweisen aber ich habe ihm gesagt, dass das nicht geht. Ich habe zwei Katzen und die beiden bedeuten mir alles. Ich werde sie nicht weggeben oder alleine lassen. Also darf ich auf einen Tagesklinikplatz warten.

Bis dahin beschäftige ich mich damit irgendwie klar zu kommen. Die kein Geld Sache macht das nicht unbedingt einfacher. Aber ich habe damit angefangen mich damit zu beschäftigen wie es überhaupt dazu kommen konnte.
Für alle, denen es bis hierhin schon zuviel geworden ist:
Ihr dürft den Rest skippen.

Ich bin auf so Dinge gestoßen wie Dysfunktionale Familien, war dann der Meinung, dass meine auch so eine ist und eigentlich, dass beinahe jede Familie, die ich so kenne nicht richtig funktioniert was aber bedeuten würde, dass die Mehrheit der Menschen krank ist (manchmal wirkt die Mehrheit der Menschen tatsächlich ziemlich kaputt auf mich), aber die scheinen ja irgendwie klar zu kommen, warum ich nicht?
Dann habe ich Dinge über die Nebennierenschwäche gelesen, die mir passen würden und bin zu meinem Arzt, der hat, um das zu prüfen, Blut abgenommen (ein mal), ich hab gelesen, dass das nicht besonders aussagekräftig ist und halte seitdem nicht mehr so viel von diesem Arzt. Man kann selbst Tagesprofile anfertigen, das kostet aber um die 100€, das Geld hab ich nicht, also hab ich da wohl auch Pech gehabt.
Vielleicht ist es auch einfach eine Kombination? Ich hab auch gelesen, dass Hypersensibilität depressiv machen kann. Das finde ich aber auch wieder so, naja, weil.. ja, ich hab einen sehr empfindlichen Magen, schon einige Magenspiegelungen hinter mir, kann nichts aufgewärmtes oder kalt gewordenes (nicht frisch) essen, führt zu Speedshit. Und ich kann mich nicht von den Gefühlen anderer Menschen abgrenzen, was eins meiner größten Probleme ist, würde ich behaupten. Andere Menschen streiten sich und sind wütend und dann beruhigen sie sich wieder und es ist wieder gut. Ich kann das nicht, wenn ich sowas mitbekomme, dass jemand wütend ist, dann trau ich diesem Menschen für den Rest meines Lebens nicht mehr. Er könnte ja wieder so ausflippen wegen.. nichts oder allem. Also lieber meiden. Wut ist mir selbst eh irgendwie fremd.
Ich bin gestresst aber niemals wütend.

Ich finde übrigens auch, dass die 55min bei so einem Psychologen bei weiten nicht reichen um ihm alles zu erzählen. Da stellt er einpaar falsche Fragen, ich antworte und habe am Ende der Sitzung das Gefühl der Herr/die Frau hat keine Ahnung weil er einfach die falschen Fragen stellt.

Jetzt gerade geht es mir tatsächlich besser, weil ich das hier niederschreiben konnte.
Wenn ihr Lust habt über eure Erfahrungen zu sprechen und was ihr so denkt wie Depressionen so zustande kommen (mal abgesehen von dem "in deinem Kopf stimmt etwas nicht, deshalb kannst du nicht glücklich sein, Antidepressive helfen da" Ding), dann nur zu.
Würde mich interessieren wie ihr so damit umgeht, vor allem mit solchen Tagen.

:hello:
Where is my mind?
Lavendel64
Beiträge: 543
Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Einer dieser Tage

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo,
in der Tagesklinik sagte mir eine Therapeutin: "Es gibt Tage, die muss man einfach nur überstehen". Der Satz hat sich eingeprägt und er hilft mir tatsächlich manchmal. Nur wenn sich diese Tage aneinanderreihen, ist er wenig hilfreich.
In dunklen Phasen hilft es mir, ganz bewusst auf positive Dinge zu achten, die ich abends vor dem Einschlafen aufschreibe (positiver Eindruck bleibt im Kopf - geht mit in den Schlaf). Etwas, das meinen Blick auf sich gezogen hat ... können ganz kleine Dinge sein. Heute hüpfte mir ein Eichhörnchen über den Weg ... so etwas.

Die Therapiestunden machen in dieser Länge durchaus ihren Sinn. Mit der Zeit kennt dich dein Therapeut und man kann sich auf die Dinge konzentrieren, die dich beschäftigen. Zu Anfang ist es natürlich schwierig, weil thematisch zu viel da ist. Dennoch musst du das, was in der Therapiestunde erarbeitet wird, ja auch verarbeiten. Das braucht schon mal Zeit.

Nach deinem Beitrag könnte ich mir vorstellen, dass die Tagesklinik dir sehr viel Hilfestellung geben kann. Es geht nicht darum, die Depression wegzutherapieren (das kann in der relativ kurzen Zeit nicht geleistet werden), sondern -auch- darum, dir Möglichkeiten aufzuzeigen, dir selbst zu helfen, wenn du in überlastung oder in einen dunkle Phase gerätst. Mir hat die Zeit dort enorm geholfen, mit Krisen anders umzugehen.

Deine Antriebslosigkeit ist für eine Depression ja normal. Drei Teller spülen kann tatsächlich eine Höchstleistung sein. Es gilt, das als Symptom für sich zu akzeptieren und sich da nicht wuschig zu machen. Die meisten von uns sind "Macher", denen das Nichtstun schwer fällt.

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
Simone80
Beiträge: 121
Registriert: 1. Apr 2018, 20:54

Re: Einer dieser Tage

Beitrag von Simone80 »

Hallo Red Dot,

diese schlechten Tage kenne ich auch. Ich habe zwei kleine Kinder und mir geht es oft dann besonders schlecht, wenn die Nacht unruhig oder kurz war und ich mich dann todmüde durch den Tag schleppe. Obwohl ich dann weiss, dass die Müdigkeit mich fertigmacht, sind dann meine Gedanken noch düsterer und trostloser. Und dann versuche ich trotz der Müdigkeit mich mit Aktivität abzulenken um den Tag einfach schnell rumzukriegen. Und das ist auch ein Punkt, den ich erst lernen musste. Dass solch ein Tag kein verlorener Tag ist, sondern das Leben aus vielen solcher Tage besteht, bei allen Leuten. Dafür gibt es besondere Momente im Leben, an denen man zehren kann. Und in meinem Fall natürlich die Kinder. Der Satz "Dein Alltag ist die Kindheit eines Anderen" ist momentan mein Leitspruch.

Die Ursachen einer Depression sind auch so vielfältig. Ich hatte schon immer einen Hang zur Melancholie aber dachte, dass ich damit gut leben kann und dass ich meine Kindheit vollständig verarbeitet habe. Dann bin ich Mutter geworden und andere Dinge sind passiert und meine Welt stand plötzlich Kopf. Mir persönlich hilft die Kombination aus Aufarbeitung mit meiner Therapeutin und Selbsthilfetechniken bzw. der Versuch, mein Denken und Handeln umzustellen. Ist aber nicht so einfach und es ist wohl so, dass ich mein Leben lang anfällig für Depression sein werde. Aber wenn man die Beiträge im Forum hier liest hat man auch das Gefühl, dass viele immer wieder aus Krisen gestärkt hervorgehen. Das wünsche ich Dir auch und einen guten Austausch hier im Forum!

VG Simone
Wach
Beiträge: 44
Registriert: 4. Mai 2018, 16:06

Re: Einer dieser Tage

Beitrag von Wach »

Hallo und willkommen im Forum, Red Dot!
Ich bin auch relativ neu hier, und mir hat es auch geholfen, einfach nur mal runterzuschreiben, was gerade in meinem Kopf los ist.
Mir fällt dabei immer so schnell auf, dass ich zu viel denke, zu viel rekonstruiere, die "was wäre, wenn"s durchgehe und mich in eine Grübelspirale hineinreflektiere.
Hier einfach mal rumzustöbern, hilft mir, zu sehen, dass es, wie Simone schon beschrieben hat, Menschen gibt, die aus Krisen, aus ganz, ganz schrecklichen Sachen, trotzdem noch Kraft schöpfen können. Das finde ich total beachtlich.

Zu diesen Tagen.. JAA, ich kenne sie! Manchmal scheinen sie Überhand zu nehmen.. Ich nehme mir immer öfter das Recht heraus, an diesen Tagen ein kleines Kind sein zu dürfen. Ich habe nicht die Kraft, rauszugehen und Essen zu besorgen. Also mache ich mir Notgerichte aus dem kleinen Kram, der noch da ist. Ich lenke mich ab mit Filmen und Serien, mit allem Möglichen, was das Internet so hergibt. Und ich liege im Bett und weine und fühle mich scheiße und denke, ich bin schon wieder am Abgrund. Aber mein innerer Erwachsener ist im Hintergrund, streichelt meinem inneren Kind gedanklich den Kopf und gibt mir das Vertrauen, dass es mir nur jetzt gerade so ausweglos vorkommt. Und daran, nur an diesen kleinen Gedanken, halte ich mich fest und akzeptiere das Jetzt.
Mit dem Wissen, dass ich vielleicht morgen auf einmal sogar Lust haben könnte, irgend etwas Verrücktes zu machen, wie zum Beispiel rausgehen und in einen Laden zu gehen, nur um mir eine Limo zu kaufen. Oder auch einfach noch mal in meinem Nest liegend alles zu hinterfragen. Dann gibt es Kakao und Schoki. Und Nudeln.

Liebe Grüße, Wach
Septembre
Beiträge: 82
Registriert: 12. Mär 2018, 07:51

Re: Einer dieser Tage

Beitrag von Septembre »

Guten Morgen zusammen,

" einer dieser Tage" was für ein toller Titel!!!

Wir alle hier kennen sie wohl sehr gut und entwickeln Strategien um sie irgendwie zu überstehen.

Ich wache dann schon mit dem Gefühl auf, dass ich am liebsten den ganzen Tag im Bett verbringen würde. Mir hilft es erst mal hier im Forum zu lesen, zu erkennen, dass ich nicht alleine bin.

Irgendwann schaffe ich es dann doch aus dem Bett und versuche erst mal eine Runde spazieren zu gehen. Bewegung bringt etwas in mir in Bewegung!

Manchmal ist das so ziemlich alles was ich an einem dieser Tage schaffe, den Rest verbringe ich dann damit am PC zu spielen und TV zu schauen.

Manchmal kann ich dann aber auch später am Schreibtisch arbeiten oder Termine wahrnehmen.

Das Wichtigste für mich ist, an "einem dieser Tage" zu akzeptieren, dass es so ist wie es ist und keine Schuldgefühle zu bekommen weil ich gerade nicht so funktioniere wie ich es mir wünsche.

Allen, die heute auch " einen dieser Tage" haben wünsche ich, dass sie den Tag einfach annehmen können!

Einen lieben Gruß Septembre
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Einer dieser Tage

Beitrag von Bittchen »

Hallo,

hier hat eine, mir sehr liebe Betroffene, Mal geschrieben"An manchen Tagen reicht meine Kraft gerade noch dazu ein Bonbon Papier aufzuheben,aber das kann ich dann auch akzeptieren."
Dieser Satz ist mir unvergesslich,aber es wird ja auch immer wieder anders oder auch besser.

Liebe Grüße
Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
RedDot
Beiträge: 2
Registriert: 2. Jun 2018, 12:20

Re: Einer dieser Tage

Beitrag von RedDot »

Also mache ich mir Notgerichte aus dem kleinen Kram, der noch da ist
Ja, genau, da gibt es dann auch schon mal Dampfnudeln aus der Mikrowelle mit Tiefkühlhühnchen.

Spazieren gehen hab ich mir auch schon sooo oft vorgenommen aber mein Hauptproblem ist dann meistens, dass ich mich dafür entsprechend anziehen müsste und das kann dann schon mal zuviel werden.

Mir helfen meine Katzen. Die eine der beiden weckt mich jeden morgen mit ihrer feuchten Nase. Ich würde mich vernachlässigen aber niemals die beiden.
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