Neu. Ein Versuch auf meinem Weg.

Antworten
Wach
Beiträge: 44
Registriert: 4. Mai 2018, 16:06

Neu. Ein Versuch auf meinem Weg.

Beitrag von Wach »

Hallo, ich habe mich erst vor Kurzem hier angemeldet.
Ich hoffe, dass ich mithilfe dieses Forums besser mit verschiedenen mir so riesig vorkommenden Symptomen meiner Depression klarkomme.

Ganz kurz zu mir: Ich bin 23. Meine Mutter ist alkoholsüchtig und mein Vater depressiv. Sie haben sich getrennt, als ich so etwa 12 war. Seit ich 15 bin, habe ich zu meiner Mutter keinen Kontakt mehr, nach vielen Vetrauensbrüchen fasste ich in meiner Jugend den Entschluss, ohne ihren Einfluss in mein Leben weitermachen zu wollen. Mein Vater ist eher so der emotionale "Verlustangst"-Typ. Er hat mich schon früh benutzt, um mit seiner Krankheit besser umgehen zu können. Das führte auf lange Sicht dazu, dass ich ihm und seiner Krankheit gegenüber ablehnend, sogar aggressiv reagierte. Mittlerweile wohnen wir schon lange nicht mehr zusammen, alles hat sich etwas beruhigt. Ich bin vor etwas über einem Jahr, im Winter/Frühling 2017 aufgrund von akuter Depression in eine Psychiatrie gekommen. Ich wusste zu der Zeit, dass ich sterben wollte, habe viel Alkohol getrunken und mein Selbstwert war unglaublich winzig.
Durch den Klinikaufenthalt lernte ich so viel. Jetzt, ein Jahr später, habe ich mein Leben ziemlich stark verändert. Ich versuche, mich mit mir wirklich auseinanerzusetzen.

Meine Diagnose ist Depression und Angststörung; ich leide unter Verlustangst, die schrecklich viele Facetten hat, und sozialer Angst. Panikattacken habe ich schon etwa ein halbes Jahr nicht mehr; genau so auch meine Schlafstörungen, sie sind mittlerweile fast weg. Ich bin seit einem Jahr auf Therapeutensuche. Außerdem nehme ich Venlafaxin (jetzt 150mg, vorher 225mg) und L-Thyroxin, ein Schilddrüsenhormon.

Ich habe das Gefühl, auf "meinem" Weg zu sein - ich beende gerade erfolgreich mein Studium, habe einen Partner, der mir Rückhalt gibt, rauche und trinke nicht mehr, treibe gern und regelmäßig Sport, und ich habe eine wunderschöne Wohnung.
Doch gerade jetzt macht mir alles so sehr zu schaffen. Meine Verlustangst erreicht eine erschütternde Tiefe, und ich fühle mich unglaublich abhängig von meinem Partner.
Ich muss mich mehr denn je aufraffen, mich mit Menschen zu treffen. Einkaufen gehen versuche ich zu vermeiden, aber es gibt Tage, an denen ich es schaffe und dann auch merke, dass alles gut ist.

Ich beschäftige mich viel mit dem "inneren Kind", das bei mir der Auslöser für meine Ängste ist. Ich erkenne an, dass die Ängste und Befürchtungen nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben.
Aber trotzdem sind die Gefühle da, sie ziehen mich herunter, ich weine, werde zum Kind, obwohl ich sogar reflektieren und verbalisieren kann, was gerade mit mir passiert. Das ist anstrengend. Ich glaube, dass es gerade so viel anstrengender ist, weil ich dabei bin, die Angst jedes Mal zu konfrontieren mit der Realität. Das "innere Kind" bäumt sich auf.. oder so.

Vielleicht möchte irgendjemand etwas dazu schreiben, ich würde mich riesig über eine Reaktion freuen.

Liebe Grüße,

Wach
Peter1
Beiträge: 3399
Registriert: 15. Apr 2018, 12:06

Re: Neu. Ein Versuch auf meinem Weg.

Beitrag von Peter1 »

Hallo Wach !
Möchtest du nicht deinen Frieden mit deiner Mutter schließen?
Sie ist die "einzige Mutter", die du je haben wirst !
Auch ich habe durch meine depressiven Episoden Ängste bekommen. Nur hab ich Angst vor anderen, fremden Menschen. Ob in der U-Bahn, bus oder Fußgängerzone, kommen mir andere Menschen zu nahe, werde ich unsicher, bleibe stehen, und swchaue mir die Schaufenster an. In Wahrheit träume ich mich in eine andere, schönere Welt, und schöpfe daraus die Kraft, weiter zu gehen.
Ich wünsch dir, das du deinen Weg findest.

Ps Und denke bitte an deine Mutter, denn heute ist Muttertag !
Entschuldige bitte die grausame Rechtschreibung, denn darin war ich noch nie eine große Leuchte !

VlG Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
Wach
Beiträge: 44
Registriert: 4. Mai 2018, 16:06

Re: Neu. Ein Versuch auf meinem Weg.

Beitrag von Wach »

Hallo Peter, danke für deinen Beitrag.
Mir wurde von so vielen Außenstehenden schon geraten, "Frieden" mit ihr zu schließen. Ich habe auch selbst schon so oft darüber nachgedacht und sogar ein schlechtes Gewissen bekommen und das Gefühl, zickig und egoistisch zu sein.
Aber ich bin sehr stark davon überzeugt. Es tut zu sehr weh, was sie mir angetan und was sie für Narben bei mir hinterlassen hat. Vielleicht irgendwann mal. Im Moment denke ich, dass es nicht gut wäre und mich zu sehr beeinflussen könnte.

Hast du bei dir denn das Gefühl, "Fortschritte" zu machen?

Danke, liebe Grüße.
Peter1
Beiträge: 3399
Registriert: 15. Apr 2018, 12:06

Re: Neu. Ein Versuch auf meinem Weg.

Beitrag von Peter1 »

Hallo Wach !
Selbstverständlich mache ich jeden Tag Fortschritte. Leider folgen auf einen Schritt vor, zwei in die andere Richtung. Wie ich schon in einigen anderen Berichten geschrieben habe, unterstützt mich die Betreuerin, die mir vom Betreuungsgericht zugewiesen wurde, wie eine große Schwester, die dem Kleinen zeigt, wie die Welt funktioniert. Dafür bin ich ihr unendlich dankbar.

VlG Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
cinder89

Re: Neu. Ein Versuch auf meinem Weg.

Beitrag von cinder89 »

Hallo Wach,
Danke für deine Offenheit und das Teilen deiner Gefühle und Erfahrungen.
In vielem was du schreibst, finde ich mich wieder.
Du scheinst schon große Fortschritte in die richtige Richtung gemacht zu haben - und darauf kannst du sehr stolz sein. In so kurzer Zeit ohne Therapie, das ist super. Ich drücke dir die Daumen bei der Therapeutensuche, es ist leider sehr schwer.
Ich war auch während des Studiums in der Psychiatrie, ich war sehr lange krank geschrieben und musste dann noch die Master Arbeit schreiben. Alles andere habe ich zum Glück schon geschafft. Ich wünsche dir viel Erfolg beim Studium.

Das du dich mit deinem inneren Kind auseinander setzt, klingt logisch und ist zwar schwierig, aber auf lange Sicht sicherlich hilfreich. Schließlich kommen diese ganzen negativen Gefühle und Probleme oft daher, dass wir als Kind nicht das bekommen haben, was wir brauchen. Und das muss unserer inneres Kind heute aushalten.

Ich finde nicht, dass du deiner Mutter vergeben musst.
Ich habe meiner Mutter auch nicht vergeben für ihre Misshandlungen. Vielleicht kann ich das irgendwann, vielleicht auch nicht. Das muss jeder für sich selbst entscheiden, und manchmal muss auch der richtige Zeitpunkt kommen.

Ich wünsche dir für deinen weiteren Weg viel Kraft und Mut und alles Gute.
Viele Grüße
Cinder
Wach
Beiträge: 44
Registriert: 4. Mai 2018, 16:06

Re: Neu. Ein Versuch auf meinem Weg.

Beitrag von Wach »

Hallo Cinder,
danke für deine Worte. Es ist natürlich immer ein schönes Gefühl, von jemandem zu hören, dass er ähnliche Erfahrungen gemacht hat.
Danke auch für deine Offenheit..
Wie ist es bei dir, setzt du dich auch so viel damit auseinander, wie ich?
Oder kennst du das Gefühl, Rückschritte zu machen?

Bei mir fühlt es sich im Moment so an, als ob ich schon wieder in einer seichten depressiven Episode bin. Ich habe das Gefühl, da nicht herauszukommen.
Im Moment weine ich viel schneller, als sonst eh schon. Ich bin hypersensibel, was Worte meines Partners anbelangt. Und ich habe starke Zukunftsängste.
cinder89

Re: Neu. Ein Versuch auf meinem Weg.

Beitrag von cinder89 »

Hallo Wach,

Ja, ich beschäftige mich auch viel damit. Die Beziehung zu meiner Familie belastet mich sehr und ich suche ständig nach Wegen, um mit der Vergangenheit besser umzugehen.
Meine Mutter war auch einmal mit bei meinem Therapeuten, aber das hat nur kurzfristig geholfen. Aber die Suche geht weiter.

Mit den Rückschritten kenne ich leider auch nur zu gut. Ich denke, es ist leider ein Teil der Erkrankung, mit Rückschritten umgehen zu müssen. Jeder hat sie.
Aber ich finde es auch sehr schwer, Rückschritten auszuhalten und kämpfe, damit das ganze als normal zu akzeptieren.
Es tut mir Leid, dass du wieder das Gefühl hast, in einer depressiven Episode zu stecken. Ich drücke dir die Daumen, dass sie bald vorbei ist.
Was du schreibst mit Zukunftsängsten und "zu" sensibel dem Partner gegenüber kenne ich auch.
Kannst du denn mit deinem Freund über alles reden?
Liebe Grüße
Wach
Beiträge: 44
Registriert: 4. Mai 2018, 16:06

Re: Neu. Ein Versuch auf meinem Weg.

Beitrag von Wach »

Zum Glück kann ich mit ihm über alles reden. Er selbst ist bipolar und kennt die meisten Erfahrungen, die ich mache, auch von sich.
heffalumb
Beiträge: 11
Registriert: 16. Mai 2018, 14:02

Re: Neu. Ein Versuch auf meinem Weg.

Beitrag von heffalumb »

Hallo Wach :hello:

Habe mich selbst gerade erst hier angemeldet und warte auf eine Therapie. Habe deinen Beitrag gelesen und das Gefühl, was dazu sagen zu können. Weiß nicht so recht, ob ich das sollte, aber ich versuchs mal.

Meine Mutter ist auch alkoholikerin und meine Eltern geschieden, seit ich drei bin. Mein Vater interessiert sich nicht für mich, wir haben mindestens schon 15 Jahre keinen Kontakt mehr.
Meine Mutter lädt immer ihren Probleme bei mir ab, wenn sie betrunken ist. Sie trinkt, seid ich denken kann und ich weiß, das meine Depression etwas mit dem Leben mit ihr zu tun haben wird. Und ich werde dann auch wütend, angewidert, ekel mich...aber ich weiß auch, dass sie genau wie ich, Erfahrungen machen musste, die zu ihrer Krankheit geführt haben. Ihr inneres Kind ist so verletzt und sie ist in einer Generation aufgewachsen, in der es noch nicht so "ok" war, zu einem Psychologen zu gehen. Da hat man nicht drüber gesprochen, sich keine Hilfe gesucht, lass das bloß die Leute nicht erfahren, komm alleine klar, nimm keine Hilfe an. Und so ist es soweit gekommen. Ich habe mich auch zwei mal mit der Suchthilfe unterhalten und lange mit einem Freund gesprochen, der selber starke Suchtprobleme hatte. Die haben mir erklärt, wie suchtkranke ticken. Und auch, dass, wenn man damit nicht zurecht kommt, man den Kontakt abbrechen sollte. Ich kann noch Kontakt zu ihr haben, weil sie, wenn sie nüchtern ist, immer noch meine Mutter ist, die sich um mich kümmert.
Aber ich bewundere, dass du in so jungen Jahren, die Kraft hattest, dich zu lösen. Ich stelle mir das unheimlich schwierig vor. Wenn das der richtige weg für dich ist und war, dann ist das gut so. Ich weiß nicht, was sie dir angetan hat, aber ich weiß ganz genau, was meine Mutter mir angetan hat. Und ich kann dir sagen, das es nicht egoistisch von dir ist und du kein schlechtes Gewissen haben musst. Du musst gar nichts. Frieden mit ihr zu schließen, bedeutet auch nicht, mir ihr Kontakt aufnehmen zu müssen.
Vielleicht kannst du versuchen, ihr zu verzeihen. Nur für dich. Weil ihr selbst vielleicht etwas angetan wurde und es ihr auch mal ging, wie dir. Weswegen sie zur Flasche gegriffen hat, weil es damals noch keine Depressionsforen gab und früher nicht offen darüber gesprochen wurde. Tut mir leid, falls ich mich hier zu weit aus dem Fenster lehne, ich weiß ja nicht, was vorgefallen ist. Vielleicht kannst du auch versuchen, ihr dankbar zu sein. Dankbar, dass sie dir ein Bild von einer Frau mit auf dem Weg gegeben hat, die du niemals sein willst. Ein Bild, das dir hilft, Hilfe anzunehmen, auf deinem Weg zurück zu kommen und eben nicht zu trinken.
Und wenn du nicht dankbar sein oder ihr verzeihen möchtest, ist das auch ok. Du musst dich zu nichts zwingen, wenn du das Gefühl hast, dass es dir nicht gut tut. Das ist nicht egoistisch.

Mit Verlustängsten kenne ich mich nicht aus. Ich fühle aber auch eine gewisse Abhängigkeit von meinem Freund. Wenn ich mir vorstelle, er wäre nicht mehr da....ist es, als wäre das einzige weg, was mich am "Leben" hält. Aber ich verliere mich dann nie in solche Gedanken, sondern schaffe es immer wieder, eine tiefe Dankbarkeit zu spüren, dass er da ist und mich unterstützt.
Ich kann mir daher leider nicht annähernd vorstellen, wie es sein muss. Wenn man sich so viel allein aufbauen musste und immer fürchtet, das es einem weggenommen wird bzw man es einfach verliert, obwohl man doch so hart dafür gekämpft hat, sich zu befreien und glücklich zu werden.

Vielleicht hängt deine depressive Episode mit dem Abschluss deines Studiums zusammen? Immerhin beginnt ein ganz neuer Lebensabschnitt, man muss wieder seine Komfortzone verlassen, alt bekanntes hinter sich lassen. Irgendwo wieder neu Anschluss finden. Ein Ziel, dass du vor Augen hattest, ist endlich erreicht. Das reißt einem manchmal auch den Boden unter den Füßen weg, weil man nichts hat, vorauf man sich fokussieren kann. Was einen "oben" hält. Und das alles ist ja auch irgendwie eine Form, des "Verlustes" - die Phase ist beendet und wird nicht wieder kommen.

Und ich beschäftige mich auch mit dem "inneren Kind", habe auch erst das Buch "Das Kind in dir muss Heimat finden" gelesen. Ich kann mich auch selbst sehr gut reflektieren oft. Und genau wie bei dir, ist es einfach anstrengend. Und ich musste jetzt leider auch einsehen, dass ich da alleine nicht weiter komme, trotz der ganzen Erkenntnisse über mich selbst. Es ist sehr frustrierend, so viel an sich zu arbeiten und keine richtigen Erfolge zu erzielen. Und das zieht einen dann noch mehr runter.

Ich hoffe, du findest bald einen geeigneten Therapeuten. Hast du schon einen Job in Aussicht? Kannst du dir vlt auch nach dem Studium eine kleine Auszeit nehmen?
Wach
Beiträge: 44
Registriert: 4. Mai 2018, 16:06

Re: Neu. Ein Versuch auf meinem Weg.

Beitrag von Wach »

Hallo heffalumb!
Wow.. erstmal danke auch für deine Offenheit. Wir scheinen ja echt einige Ähnlichkeiten in unserer Biografie zu haben..
Du erscheinst mir auch wirklich stark und selbstrefektiert.. Darf ich fragen, wie du zu deiner Diagnose "Depression" gekommen bist?
Genau dieses Buch lese ich übrigens auch! Bis jetzt hat es mir viele Erkenntnisse gebracht.

Es ist spät, ich habe deinen Kommentar zwar aufmerksam gelesen, aber es gibt noch Fragen, die ich dir stellen möchte, die ich im Moment nicht formulieren kann. Ich schreibe morgen nochmal.

Danke auf jeden Fall, und übrigens willkommen im Forum!
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Neu. Ein Versuch auf meinem Weg.

Beitrag von Bittchen »

Hallo liebe Wach,

es erschüttert mich immer wieder,was alkoholkranke Eltern ihren Kindern antun können.
Ich kann nur aus der Sicht einer trockenen Alkoholikerin schreiben.
Das Schlimmste für mich wäre, wenn ich keinen Kontakt zu meine Kindern hätte,daran würde ich zu Grunde gehen.
Die sind heute aber sehr stolz auf mich.
Sehr dankbar bin ich ,dass ich schon viele Jahre trocken bin.

In der kritischen Phase habe ich aufhören dürfen, ich musste noch nicht jeden Tag trinken um zu funktionieren.
Aber wenn ich getrunken habe,dann war es meist zuviel und ich habe mich danach furchtbar geschämt.
Meine älteren Töchter haben das natürlich mit bekommen und auch zugedeckt.
Meine Jüngste kann sich angeblich nicht mehr an diese Zeit erinnern,sie war auch noch klein.
Ich bin so dankbar,dass ich nie gewalttätig wurde,sondern immer nur das heulende Elend bekam.
Irgendwie konnte ich immer noch meine Familie versorgen und arbeiten gehen.
Aber ich habe gemerkt,wenn ich so weiter mache ,verliere ich das zweite Mal meine Familie.
Dann habe ich,ohne Entzug in der Klinik oder Therapie aufhören dürfen und konnte das erste Glas stehen lassen.
Mein Fass war voll ,es ging nichts mehr rein,da hatte ich Glück.
Allerdings brauchte ich die Begleitung von den AA Freunden,(Anonymen Alkoholikern),das waren meine Therapeuten..
Noch heute bin ich mit den Freunden da sehr eng verbunden.
Bei AA habe ich gelernt mich zu öffnen und darüber zu sprechen ,"Was ich nur im Suff ertragen konnte."
Der Suchtkranke muss selber aufhören wollen,sonst funktioniert das nicht.
Er muss lernen das Leben nüchtern zu regeln und auch ohne Stoff wieder Freude zu empfinden..
Dies dauert ein ganzes ein Leben lang.
Trocken werden ist leicht,die Herausforderung ist ,nüchtern zu bleiben und das in jeder noch so schweren Situation!!!!
Auch die Depression wird unter Alkohol leichter,aber der nächste Tag war bei mir dann noch viel schwerer.
Aber es gibt auch einen Zusammenhang zwischen beiden Erkrankungen" Was war eher da,das Huhn oder das Ei ?"
Ein Teufelskreis,den ich Gott sei Dank,durchbrechen durfte.
Die Veranlagung Schmerz ,Trauer,Verletzungen weg machen zu wollen,durch irgendwelche Persönlichkeit verändernde Substanzen, kann vererbt werden.
Aber die Kinder müssen nicht zwangsläufig süchtig werden,ich selbst glaube, es ist eine Frage der Mentalität.

Meine jüngste Tochter hatte auch sehr lange Probleme, sie ist jetzt clean und ein wunderbarer Mensch geblieben.
Wir haben sie auf ihrem Weg in ein Sucht freies Leben , als Familie begleiten.
Sie ist aber ganz freiwillig in den Entzug und zur langen Therapie in die Klinik gegangen.
Wieder ganz anders wie bei mir aber für sie das Richtige.
Dass wir immer für sie da waren,hat ihr das Leben gerettet,sagt sie heute.
Es gibt keinen Königsweg,die Angehörigen müssen in erster Linie gut für sich selber sorgen,das ist das Wichtigste.
Da geht jeder anders mit um ,wenn der Kontaktabbruch sich besser anfühlt ,dann ist dies zu akzeptieren,ohne Wenn und Aber.
Es kann ja immer wieder anders entschieden werden.
Die Zeit ist auch da ein wichtiger Faktor.
Es kann keiner von außen urteilen was ist gut und richtig ist.
Selbst Suchttherapeuten halten sich sehr zurück da Empfehlungen auszusprechen.
Früher hieß es immer keine Hilfestellung geben,da ist man lange von weg.
Leicht ist es nie,egal wie man sich als Angehöriger entscheidet.
Leider habe ich in AA auch ganz viele Schicksale mit bekommen,die auch sehr tragisch waren. Da haben Familien nicht wieder zusammen gefunden.
Es liegt am Erkrankten wieder gut zu machen,was er angerichtet hat in den Seelen von seinen Angehörigen,besonders wenn es Eltern sind, die suchtkrank sind.
Mir hat da das 12 Schritte Programm sehr geholfen.
Aber auch das passt nicht für jeden,für mich war es das Beste was mir damals passieren konnte.

Manchmal sind die Verletzungen bei den Angehörigen so stark ,das Verzeihen nicht mehr geht.
Auch damit kann der Alkoholiker,wenn er trocken ist, nur lernen umzugehen und dies zu akzeptieren.
Für mich war dann als Angehörige ein Satz ganz wichtig "Loslassen,aber nicht fallen lassen."

Gute 24 Stunden und liebe Grüße

Bittchen

PS Es gibt Gruppen für Angehörige Alanon und Alateen ,
manche Angehörigen konnten das Programm gut für sich annehmen.
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
Lavendel64
Beiträge: 549
Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Neu. Ein Versuch auf meinem Weg.

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo Wach,
Dein Beitrag hört sich ermutigend und positiv an. Manchmal ist man sich selber dessen gar nicht so bewusst.

Die Verlustängste und das Abhängigkeitsgefühl kenne ich sehr gut. Ich kann schlecht allein sein, wenn es mir nicht gut geht - ist so eine Art Gradmesser bei mir. Wenn es mir gut geht, macht es mir nichts aus, wenn die Familie in alle Himmelsrichtungen ausgeflogen ist - geht es mir schlecht, werde ich zur Glucke muss wissen, wer wo ist, wann zurück kommt und irgendwer muss immer bei mir sein. Ich versuche, das auszuhalten. Leider kann ich dir keinen Tipp geben, sondern nur sagen: du bist nicht allein, andere kämpfen ähnliche Kämpfe.

Hast du mal daran gedacht, eine Reha zu machen oder in eine Tagesklinik zu gehen, um das Gelernte aufzufrischen und zu vertiefen? Du bist einen weiten Weg gegangen, hast Hilfe angenommen. Dennoch hörst du dich an, als wärst du in einer Situation in der du dich einer weiteren Aufarbeitung stellen könntest. Nur so als Idee und vielleicht als Übergang in eine ambulante Therapie.

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
Wach
Beiträge: 44
Registriert: 4. Mai 2018, 16:06

Re: Neu. Ein Versuch auf meinem Weg.

Beitrag von Wach »

Hallo Bittchen, Hallo Lavendel! Danke für eure Antworten!

Bittchen, dein Beitrag hat mich sehr emotional werden lassen.. Danke für deine Worte. Ich bin wirklich dankbar, dass hier in diesem Forum so mitfühlend miteinander geschrieben wird.
Dass die Arbeit, das "Aushalten ohne", in jeder Situation, ein ganzes Leben dauert, hat mich sehr berührt. Ich glaube, dass das mit Depressionen ganz ähnlich ist..
Ich frage mich oft, ob ich nicht wieder in die Suizidalität rutschen würde bei einem Schicksalsschlag. Ich möchte es nicht, aber ich befürchte es. Und so ist das bei meinem Partner auch, nur eben mit seiner Droge. Verrückt. Und jetzt arbeiten wir anscheinend jeden Tag unseres Lebens damit..

Lavendel, über Reha habe ich noch gar nicht nachgedacht.. Ich wusste gar nicht, dass das eine Möglichkeit ist? ..Tagesklinik..darüber habe ich schon nachgedacht. Aber in meiner Stadt arbeiten viele meiner Bekannten in der Klinik, in die ich dann müsste. Und die übrigen Bekannten sind wahrscheinlich gerade Klienten dort.. ;) (Mein Klinikaufenthalt war in einer anderen Stadt, beabsichtigt).

Wie sieht es bei euch beiden denn mit Therapie aus, was habt ihr da für einen "Werdegang", wenn ich fragen darf? Natürlich müsst ihr mir nicht antworten! Nur soweit, wie ihr ausführlich werden möchtet.

Danke, Wach.
Wach
Beiträge: 44
Registriert: 4. Mai 2018, 16:06

Re: Neu. Ein Versuch auf meinem Weg.

Beitrag von Wach »

Und um nochmal auf heffalumb zurückzukommen:

Wie ist denn der Kontakt zu deiner Mutter so genau? Es hört sich auch irgendwie oberflächlich und.. "unvertraut" an.
Und wie hast du es geschafft, nicht abzurutschen mit den Gedanken?

Liebe Grüße, Wach.
Lavendel64
Beiträge: 549
Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Neu. Ein Versuch auf meinem Weg.

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo Wach,
ich kann dir da leider wenig sagen, da ich momentan selber nicht weiß, wo ich stehe. Ich hatte mich in den letzten vier Jahren gut stabilisiert, bin zwar immer noch zur Therapie gegangen, wir hatten aber einen 4wöchigen Abstand, das galt mehr meiner persönlichen Sicherheit. Mit dem Wissen aus der tagesklinik damals konnte ich kleine Tiefs gut abfangen.
Leider kam im März ein Tiefschlag, den ich nicht mehr abfangen konnte. Mein Vater erkrankte schwer und konnte nicht mehr nach Hause zurück, lebt jetzt im Heim zusammen mit meiner Mutter die dort aber unglücklich ist. Ich bin die einzige Tochter und musste organisieren und mir alle Klagen anhören. Das war zuviel Belastung, so dass ich jetzt krank geschrieben bin.

Die ambulante Therapie wurde auf wöchentlich geändert, ich nehme Medikamente und habe morgen wieder einen Termin in der Klinikambulanz. Ich habe keine Ahnung, wo ich stehe, ob ich nochmal in die Tagesklinik gehen sollte oder ob die ambulanten Therapien ausreichend sind. Will das morgen mal ansprechen.

Insofern ... sehe ich das mit Schicksalsschlägen so: Ich bin schon einen guten Weg gegangen, weiß mehr als vor vier Jahren. Somit konnte ich mir schnell Hilfe organisieren und lebe mit dem guten Gefühl, einmal aus einem noch tieferen Loch heraus gekommen zu sein. Es folgte eine schöne Zeit, die ich nicht missen möchte. Wäre ich damals, wie beabsichtigt, gegen den Baum gefahren, ich hätte so viel Tolles verpasst. Die Zeit jetzt ist schwierig, es wird sich wieder ändern und aus dieser Zeit nehme ich viel Kraft und neue Erfahrungen mit.

Wie sagte die Therapeutin: Sie haben einen großen Vorteil: der "Feind" ist bekannt.
LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
Wach
Beiträge: 44
Registriert: 4. Mai 2018, 16:06

Re: Neu. Ein Versuch auf meinem Weg.

Beitrag von Wach »

Liebe Lavendel, ..hast du Depressionen? Also, entschuldige, wenn ich so forsch frage: Wie sieht denn deine Diagnose aus?
Und da du ja anscheinend mit dem Thema Suizidalität auch ähnlich vertraut bist, wie ich, noch eine Frage:
Ich habe seit meiner "schlimmsten Phase" ja auch wunderbare Erfahrungen gemacht. Nicht nur, dass ich meinen "richtigen" Partner gefunden habe. Ich lerne mich gerade selbst neu kennen. Und das sind Erfahrungen, die ich natürlich nicht gemacht hätte, wenn ich mir das Leben genommen hätte. Aber.. halten mich diese tollen Erfahrungen davon ab, mir bei einem Schicksalsschlag etwas anzutun? Das frage ich mich. Nur, weil ich weiß, dass es immer wieder wundervolle, unglaublich schöne Erfahrungen geben kann, die ich verpasse, wenn ich nicht mehr lebe.. Verstehst du, was ich meine?

Ganz kurze Notiz: Das hört sich sehr instabil an; aber ich habe nicht vor, mir etwas anzutun. Ich setze mich im Moment sehr, sehr intensiv mit alten Mustern und Schutzmechanismen auseinander. Deswegen schreibe ich so direkt über dieses Thema. (Nicht, dass hier jemand schlafende Hunde weckt..)

Liebe Grüße, Wach.
Antworten