Freund depressiv, habe keine Kraft mehr

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Däumelinchen
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Freund depressiv, habe keine Kraft mehr

Beitrag von Däumelinchen »

Hallo ihr Lieben,

mein Freund und ich kennen uns jetzt seit 1,5 Jahren und sind auch ungefähr solang ein Paar. Es war von Anfang an sehr sehr schwierig, doch mir liegt so viel an ihm, dass ich immer gekämpft habe und versucht habe alles zu tun, damit diese Beziehung funktioniert. Es ging ihm von Anfang an nicht gut, er weiß das auch und behandelt es.
Womit ich leider nicht gut klar komme ist, dass unsere Kommunikation so schlecht ist. Wenn ich ihm schreibe, kommt entweder gar nichts zurück oder Stunden später etwas Pampiges. Wenn ich anrufe geht er oft nicht dran, oder wenn, dann ziemlich genervt. Ich traue mich schon gar nicht mehr zu fragen was er so macht an den Tagen, an denen wir uns nicht sehen (was leider ziemlich oft ist, da er immer Zeit für sich braucht). Und diese Zeit versuche ich ihm auch zu geben. Was mich nur verletzt ist, dass ich dann im Nachhinein erfahre, dass er sich in dieser Zeit dann mit anderen trifft (v.a. bei alten Freundinnen von denen ich noch nie gehört habe trifft mich das immer sehr).
Wenn wir uns dann sehen ist er sehr abweisend zu mir, verdreht die Augen wenn ich ihn küssen will und bekommt nur selten ein Lächeln zustande. Wenn wir in Gesellschaft sind, ist er wie ausgewechselt, ist freundlich, lacht und macht Witze. Aber auch dann merke ich wie kühl er mir gegenüber bleibt.
Schluss machen will er aber auch nicht.
Ich lese meist Ratschläge wie: Kümmere dich um dich selbst, aber in der Zeit wo wir uns nicht sehen und ich nichts von ihm höre verkümmere ich förmlich. Ich habe dann Angst etwas falsch gemacht zu haben und ihn zu verlieren. Kann kaum essen oder mich ablenken.
Inzwischen bin ich einfach am Ende meiner Kräfte, kann es nicht mehr ertragen von anderen Frauen zu hören, zu sehen wir er nur für andere lächelt und mir das Gefühl gibt absolut unwichtig zu sein. Ich will ihn nicht im Stich lassen und ihn auch nicht verlieren und Schluss machen wäre furchtbar für mich, aber ich zerbreche gerade völlig daran und weiß einfach nicht mehr wie ich damit umgehen soll.

Falls irgendjemand Rat weiß, wäre ich sehr dankbar, ich weiß einfach nicht mehr weiter.

Liebe Grüße
Däumelinchen
Sybilix
Beiträge: 79
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Re: Freund depressiv, habe keine Kraft mehr

Beitrag von Sybilix »

Hallo Däumelinchen,

keine einfache Situation. Wenn ich darf, würde ich gerne auf diesen Thread verweisen:
Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Den Ratschlag - sich um sich selbst zu kümmern - habe ich auch oft gehört und erst spät verstanden. Ein anderer Hinweis hat mich erkennen lassen, worum es geht: "Depressionen sind ansteckend." D.h. mit "Kümmer Dich (auch) um Dich selbst" ist gemeint "Steck Dich nicht an". Kommt beides aufs Gleiche hinaus.

Auch wichtig zu wissen ist, dass Du wenig Einfluss auf ihn hast, insbesondere Du.
Ruf Dir immer wieder ins Gedächtnis: Große Teile seines Verhaltens sind nicht bewusst gesteuert, wie Du es für Dich selbst unterstellst.

Wenn man sich z.B. die Behandlungsleitlinien bei Depression durchliest, ist z.b. bei der Psychotherapie ein Ziel, aus der Depression heraus entstandenen, unmittelbaren Veränderungsdrang des Patienten zu verhindern / hinauszuzögern.

D.h. er spürt das etwas falsch ist, weiss sich aber nicht besser zu helfen als (willkürlich) Dinge zu verändern. Das ist alles andere als zielführend, ist aber leider eines der möglichen Symptome.

Versuche ihm oder durch Freunde/Familie die er ggf. zur Zeit anhört ihn zum Hausarzt zu bewegen. Ggf. den Hausarzt auch vorher auf deinen Verdacht hinweisen.

Bei leichten Depresssionen mag aussitzen helfen, alles darüber braucht professionelle Hilfe, insbesondere wenn es länger als 2-4 Wochen anhält.

Das Positive, er möchte sich (bisher) nicht von Dir trennen. Da bist Du schon weiter als viele andere Angehörige.

Viel Erfolg und Kraft,
Sybilix
Columbia
Beiträge: 72
Registriert: 3. Mär 2018, 15:08

Re: Freund depressiv, habe keine Kraft mehr

Beitrag von Columbia »

Hallo Däumelinchen,

ich kann Deine Situation sehr gut nachvollziehen. Als sich mein depressiver Partner vor ca. acht Wochen von mir getrennt hat, weil er für mich eine Zumutung sei und mit mir keine Partnerschaft mehr führen könne, ging es mir genau so. Ich fühlte mich wie erschlagen und wusste erst gar nichts mit mir anzufangen. Auch den Rat "Tu Dir etwas Gutes" konnte ich nur mit großer Mühe umsetzen. Ablenkung fiel mir schwer, ich hatte große Stimmungsschwankungen (zum Teil habe ich die jetzt auch noch), nichts hat mir mehr geschmeckt und ich habe miserabel geschlafen, weil sich das Gedankenkarussel kaum anhalten lässt. An manchen Tagen war ich richtig verzweifelt und habe natürlich immer wieder die Schuld bei mir gesucht: Was habe ich falsch gemacht, dass er mit mir keine Beziehung mehr führen kann? - Ich bin dabei zu keinem echten Ergebnis gekommen, habe mich aber auf diese Weise selbst gequält. Auch hat mich sehr verletzt, dass mein Partner zwar mit allen möglichen Leuten reden konnte, nur nicht mit mir ... Deinen Zeilen entnehme ich, dass auch Dir das besonders zu schaffen macht.
Was ich dann gemacht habe, war, dass ich mich selbst zurückgezogen habe, so schwer mir das auch fiel. Dieses Schweigen seinerseits hat mich fertig gemacht. Aber es blieb mir nichts anderes übrig, da er mich aus seiner Welt ausgeschlossen hat. Ganz wollte ich den Kontakt aber nicht abbrechen lassen, weswegen ich so alle 8 - 10 Tage eine harmlose Kurznachricht (z.B. Was machst Du?) geschickt habe. Ich habe gänzlich darauf verzichtet, über meine Befindlichkeit (Trauer, Wut, Sehnsucht ...) zu schreiben, um keinen Druck auf ihn auszuüben. Auf diese Kurznachrichten kamen dann tatsächlich kurze (unverbindliche) Antworten, bis er vor zwei Wochen überraschenderweise von sich aus mir frohe Ostern gewünscht hat.
Du schreibst, dass Dein Freund auf Anrufe bzw. Nachrichten gar nicht oder pampig reagiert. Es ist immer schwierig, einen Rat zu erteilen, jede Situation ist etwas anders, auch wenn die Strukturen ähnlich sind. Vielleicht kannst Du versuchen, Dich erst einmal gänzlich zurückzuhalten. Ich weiß, wie schwer das ist, weil es einen innerlich fast zerreißt. Aber so wie Du die Reaktionen Deines Freundes beschreibst, scheint er unter Druck zu stehen. Wir Angehörige können das kaum nachvollziehen, weil wir uns denken: "So schwierig kann das doch nicht sein, eine kurze Nachricht zu schreiben." Aus seiner Sicht sieht das vielleicht ganz anders aus. Auch ist ein an Depressionen Erkrankter so sehr mit sich beschäftigt, dass er gar nicht wahrnehmen kann, wenn er andere zurückweist und verletzt. Auch das ist mir in den letzten Wochen klar geworden. Vor anderen, die ihm nicht so nahe stehen wie der Partner/die Partnerin, wird die Fassade aufrechterhalten, weswegen Dein Freund vor seinen Bekannten lachen kann, aber ein anderes Gesicht zeigt, wenn er mit Dir alleine ist. Das ist wohl Teil des Krankheitsbildes.

Ich wünsche Dir alles Gute, viel Kraft und vor allem Geduld, die in besonderem Maße gefordert ist. Bitte achte auf Dich selbst so gut Du das kannst.

Liebe Grüße
Columbia
Däumelinchen
Beiträge: 4
Registriert: 5. Apr 2018, 22:05

Re: Freund depressiv, habe keine Kraft mehr

Beitrag von Däumelinchen »

Hallo!

Erstmal vielen lieben Dank für die schnellen Antworten!

@ Sybilix:
Danke, den Thread habe ich mir schon durchgelesen und finde ihn super! Endlich mal Ratschläge hinter denen auch wirklich etwas steckt. Ich werde versuchen solche Situationen weniger persönlich zu nehmen, neige eh dazu mir die Dinge zu sehr zu Herzen zu nehmen.
Hm ja, das mit den 2-4 Wochen ist bei uns ein wenig anders. Ich habe nicht wirklich das Gefühl, dass es bei ihm in Schüben bzw. Phasen kommt. Es ist eher ein permanenter Zustand und das nun auch wirklich seit ich ihn kenne. Seitdem hat er zum Glück auch schon Hilfe.


@Columbia:
Oh man, da machst du ja gerade das durch wovor ich mich seit Monaten panisch fürchte. Das mit dem spärlichen Kontakt wäre ganz bestimmt auch bei mir ein guter Weg, ihn von sich aus kommen lassen würde den Druck rausnehmen für ihn. Das hatte ich auch schon versucht, aber dann zum Teil eine Woche nichts von ihm gehört, bevor ich es dann nicht mehr ausgehalten habe und mich gemeldet hab. Um dann eben zu erfahren dass er schon gern Zeit mit anderen verbringt, nur eben mit mir anscheinend nicht :(

Mein Vorsatz für die nächsten Tage/Wochen wird auf jeden Fall sein, den Druck rauszunehmen und das mit dem Zurückhalten durchzuziehen, ich hoffe ich halte es durch und melde mich nicht wieder. Man malt sich ja dann doch aus was der Partner wohl gerade macht und mit meinen Verlustängsten bin ich leider auch ziemlich eifersüchtig (zeige ich ihm aber natürlich nicht, kann er ja nichts dafür).
Was die Sache auch kompliziert macht ist, dass ich in 3 Wochen 500 km weit wegziehen werde für 6 Monate. Ein bisschen habe ich die Hoffnung dass dieser Abstand eben Freiraum für ihn bedeuten kann. Das wird sich zeigen in der nächsten Zeit.

Ich bin auf jeden Fall wirklich froh mich mit Leuten austauschen zu können, die nachvollziehen können wie es einem Angehörigen geht. Denn von außen hört man immer nur Dinge wie "Lass dich doch so nicht behandeln!".
Sybilix
Beiträge: 79
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Re: Freund depressiv, habe keine Kraft mehr

Beitrag von Sybilix »

Hallo Däumelinchen,

zum Thema Angst vor der Trennung. Das ist letztlich deine Trennungsangst... die wird zwar durch ihn ausgelöst, aber genaugenommen ist das dein "Problem". So blöd das klingen mag, so positiv ist es: Du kannst Dich damit auseinandersetzen. Du kannst das verbessern.

Sollte der "worst-case" eintreten, d.h. Trennung (ausgesprochen, nicht nur räumlich gelebt), so sind mir nun schon einige Fälle beim lesen als auch im "realen" Bekanntenkreis untergekommen, wo sich beide zu einem späteren Zeitpunkt wieder zusammengefunden haben. D.h. es muss dann noch lange nicht endgültig sein.

Was mir zuletzt (diese Woche) sehr geholfen hat, der Rat einer Therapeutin: "Verliere Dich nicht in der negativen Vergangenheit, verliere Dich nicht in der negativen Zukunft. Nichts davon ist real. Bleibe im jetzt."
Auf die Trennungsangst "Es ist nicht real, es ist nicht zu spät." So salopp das klingen mag, mantraartig vorm geistigen Auge wiederholt, konnte ich meine Verfassung binnen Stunden wiederherstellen.
Ich hätte sowas früher selbst nicht für möglich gehalten.

Grüße,
Sybilix
Columbia
Beiträge: 72
Registriert: 3. Mär 2018, 15:08

Re: Freund depressiv, habe keine Kraft mehr

Beitrag von Columbia »

Hallo Däumelinchen,

ja, es ist schlimm, wenn einem von heute auf morgen die Beziehung wegen einer Krankheit aufgekündigt wird und die Bereitschaft, dem anderen beizustehen, einfach zurückgewiesen wird, und zwar mit der Begründundung, ich solle keine Gefühle in ihn investieren, die er nicht erwidern kann. Da fragt man sich natürlich: Wann und wohin sind diese Gefühle verschwunden? Kommen sie wieder oder sind sie ausgelöscht? Darauf habe ich leider keine Antwort.
Ich habe für mich entschieden, dass ich jetzt nur noch reagieren, aber nicht mehr agieren werde - aus Selbstschutz. Meine große Angst bleibt, dass ich in naher Zukunft durch eine andere Frau ersetzt werde. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass ich dies nicht verhindern kann, wie sehr ich mich auch anstrengen würde. Also werde ich mich jetzt nicht mehr anstrengen, da mir das jegliche Energie raubt, die ich für andere Dinge benötige. Deine Ängste gepaart mit Eifersucht kann ich gut verstehen. Diese entstehen, wenn man so wenige Informationen hat und erfahren muss, dass der andere sich mit irgendwelchen Freundinnen anscheinend austauschen kann. Aber wie gesagt: Wenn sich der eigene Partner in eine andere Frau verlieben sollte, können wir das nicht verhindern, so schlimm die Vorstellung ist. Für mich persönlich wäre das dann allerdings das Ende der Geschichte.
Ich wünsche Dir, dass Du Deine eigenen Vorsätze umsetzen kannst. Wenn Du bald für ein halbes Jahr wegziehst, sollte das eigentlich genug Distanz für ihn sein. Und wenn ihm noch etwas an Dir gelegen ist, sollte er sich melden. Auch das wünsche ich Dir.

LG Columbia
Däumelinchen
Beiträge: 4
Registriert: 5. Apr 2018, 22:05

Re: Freund depressiv, habe keine Kraft mehr

Beitrag von Däumelinchen »

Hallo Sybilix,

da muss ich dir absolut Recht geben. Dann kratze ich mal meinen letzten Rest Energie zusammen und arbeite erstmal an mir. Wenn ich gelassener auf solche Situationen reagieren kann, nimmt das Druck für uns beide raus. Ich hoffe nur dass das klappt, ist ja immer leichter gesagt als getan.. Dass eine Trennung dann nicht unbedingt endgültig sein muss, finde ich einen schönen aber auch schwierigen Gedanken. Nicht, dass man sich daran klammert, aber so dass es einen tröstet, bis es entweder wirklich einen Weg gibt, wieder zusammen zu sein oder bis genug Zeit vergangen ist, dass es nicht mehr so weh tut und man immer seltener daran denkt.
Sich immer wieder klar machen, dass die Angst und Verzweiflung erstmal Kopfsache ist, ist auch ein guter Tipp, vielen Dank!

Hallo Columbia,

ich kann so gut nachfühlen was du meinst mit dem ersetzt werden. Das wäre auch meine größte Angst. Aber auch wenn es jetzt vielleicht noch entsetzlich weh tut, wird es mit der Zeit doch immer besser werden, egal welches Ende es jetzt nehmen wird. Sollten dann tatsächlich Gefühle für eine andere Frau ins Spiel kommen stimme ich dir absolut zu: Dann ist es an der Zeit auszusteigen. Wahrscheinlich ist es wirklich am besten einfach ein bisschen loszulassen. Sowohl vom Partner und ihn nicht zu erdrücken (wie du es ja schon vorbildlich hinbekommst) und von der eigenen Verzweiflung. Aber wenn dein Partner dich mit seiner Krankheit nicht belasten wollte, klingt das für mich nicht so als seien alle Gefühle weg. Ich denke eher, dass er einfach keinen Zugriff darauf hat momentan. Das betrifft ja vermutlich auch nicht nur die Gefühle zu dir, sondern alle Gefühle. Vielleicht auch ein kleiner Trost: er ist sicherlich mit seinen Gedanken eher bei sich selbst, als bei der Suche nach einer neuen Partnerin.

In meinem Fall muss ich glaube ich einsehen, dass mein Verhalten und meine Reaktionen die Beziehung schneller in Gefahr bringen können, als eine andere Frau.

Ich danke euch beiden, eure Antworten haben mich wieder ein bisschen auf den Boden zurück geholt und neuen Mut gegeben.

Liebe Grüße
Däumelinchen
Columbia
Beiträge: 72
Registriert: 3. Mär 2018, 15:08

Re: Freund depressiv, habe keine Kraft mehr

Beitrag von Columbia »

Hallo Däumelinchen,

auch ich danke Dir für Deine Antwort. Gerade heute habe ich wieder einmal einen miesen Tag, an dem ich mir alle möglichen Schreckensszenarien ausmale. Leider lassen sich die eigenen Gefühle so schlecht lenken und man muss jeden Tag an sich arbeiten. Ich hoffe, dass es bald wieder besser wird. Allein Deine Bemerkung, dass Depressive so sehr mit sich selbst beschäftigt sind (eigentlich ist mir das auch bewusst), dass sie vielleicht gar nicht den Gedanken an eine neue Beziehung haben können, hat mich wieder ein bisschen geerdet. Also vielen Dank für Deine aufmunternden Worte. Genau das habe ich gebraucht.

Liebe Grüße
Columbia
Sybilix
Beiträge: 79
Registriert: 11. Mär 2018, 23:58

Re: Freund depressiv, habe keine Kraft mehr

Beitrag von Sybilix »

Hallo ihr Beiden,

mal was eher emotionales: Ich habe neulich nach Liebeszitaten gesucht und bin über ganz was anderes gestolpert, als ich ursprünglich beabsichtigt hatte. Ein paar davon passen hier sehr gut:
Liebe mich dann, wenn ich es am wenigsten verdient habe, denn dann brauche ich es am meisten. - Unbekannt
Liebe ist nicht das was man erwartet zu bekommen, sondern das was man bereit ist zu geben - Katharine Hepburn
Es gibt nichts Schöneres als geliebt zu werden, geliebt um seiner selbst willen oder vielmehr trotz seiner selbst. - Victor Hugo
Wenn du damit beginnst, dich denen aufzuopfern, die du liebst, wirst du damit enden, die zu hassen, denen du dich aufgeopfert hast. - George Bernard Shaw
Zum wirken und grübeln lassen.

Einen schönen Abend,
Sybilix
Kayra
Beiträge: 36
Registriert: 28. Jan 2018, 12:13

Re: Freund depressiv, habe keine Kraft mehr

Beitrag von Kayra »

Hallo, ihr Lieben,

das kann ich leider so nicht bestätigen, dass Depressive sich überwiegend mit sich selbst beschäftigen, mein Ex Partner beschäftigt sich offensichtlich so gut wie gar nicht mit seiner Erkrankung, er ignoriert sie und tut alles, damit auch keiner was davon mitbekommt.
Wir hatten eine wirklich schöne und liebevolle Beziehung, fast 7 Jahre, wohnten 30 km auseinander und konnten viel Zeit miteinander verbringen. In dieser Zeit hatte er zwei depressive Phasen, die erste ca 6 Wochen, die zweite 2 1/2 Monate, wobei ich aber nicht wusste, dass es Depressionen waren. Er hat sich mit den Worten verabschiedet, es ist aus...es hat nichts mit Dir zu tun, er kommt mit sich nicht klar und er will mich nicht verletzen...und weg war er...
Wir hatten wenig bis zeitweise keinen Kontakt, aber ich habe gelitten und um ihn gekämpft, wofür er im nachhinein sehr dankbar war und bereute, dass er einfach gegangen ist und die Beziehung beendet hat. Danach war alles wieder schön, wie vorher, ohne ein weiteres Wort über das Geschehene zu verlieren.

Eine ganze Zeit nach der zweiten Phase habe ich dann versucht, das Geschehene nochmal anzusprechen. Ich habe ihn gebeten, wenn es ihm nicht gut geht und er eine Auszeit für sich braucht, dann soll er doch bitte mit mir darüber reden und dann wäre das doch kein Problem, wenn er sich mal eine Weile zurückziehen will, ich bin doch da, wenn er mich braucht.
Er hat es versprochen, aber mich nicht über seine depressiven Phasen aufgeklärt.

Vergangenen November kam dann für mich die dritte Phase und wieder von jetzt auf gleich, mit den gleichen Worten die Beziehung beendet und alles war wieder so unfassbar und schmerzhaft, wie bei den ersten beiden Phasen.
Aus Angst, Unwissenheit und Enttäuschung habe ich dann zu ihm gesagt, dass auch für mich die Beziehung beendet ist.
Er sagte nur zu mir, ja und, dann suche ich mir eine neue Frau, die er dann auch im Januar im Internet gefunden hat.
Als ich ihm noch seine Sachen und seinen Schlüssel brachte und mich verabschiedet, sagte er noch, er hätte mit mir die schönste Zeit seines Lebens mit mir verbracht und er schaute mich ziemlich traurig an.

Danach ging es mir ziemlich dreckig und ich musste zum Arzt, der auch meinen Ex Partner schon behandelt hat, der klärte mich dann über Depression auf und dann wusste ich erst, dass mein Partner an Depressionen leidet.
Ich habe ihm dann in einem Brief erklärt, warum ich die Beziehung beendet habe und versucht, es wieder rückgängig zu machen, dass ich ihn niemals verlassen hätte, wenn ich das gewusst hätte und dass ich immer für ihn da bin, wenn er mich braucht. Zu spät...jetzt gibt es eine neue Frau.

Jetzt gehe ich zum Psychologen und nehme Medikamente.
Inzwischen telefonieren wir ab und an, aber ich weiß nicht, ob ich noch eine Chance habe, dass er zurück kommt.
Es ist die Hölle für mich...

Liebe Grüsse Kayra
Columbia
Beiträge: 72
Registriert: 3. Mär 2018, 15:08

Re: Freund depressiv, habe keine Kraft mehr

Beitrag von Columbia »

Hallo Sybilix,

im Folgenden ein literarischer Beitrag meinerseits, der sehr schön beschreibt, was Liebe ist:

Was es ist

Es ist Unsinn sagt die Vernunft
Es ist was es ist sagt die Liebe

Es ist Unglück sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz sagt die Angst
Es ist aussichtslos sagt die Einsicht
Es ist was es ist sagt die Liebe

Es ist lächerlich sagt der Szolz
Es ist leichtsinnig sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich sagt die Erfahrung

Es ist was es ist sagt die Liebe
(Erich Fried)

Viele Grüße
Columbia
Columbia
Beiträge: 72
Registriert: 3. Mär 2018, 15:08

Re: Freund depressiv, habe keine Kraft mehr

Beitrag von Columbia »

Hallo Kayra,

ich habe beim Lesen Deiner Zeilen mitgelitten und bedauere Deine Situation. Es ist gut, dass Du Dir bereits Hilfe gesucht hast. Dass Du durch die Hölle gehst, kann ich verstehen.

Deinen Zeilen entnehme ich, dass die Tatsache, dass Du die Beziehung vor einigen Monaten beendet hast, ohne zu wissen, woran Dein Partner leidet, sehr an Dir nagt. Ich glaube, Kayra, Du solltest Dir das selbst verzeihen. Stell Dir vor, Deine beste Freundin erzählt Dir, dass sie das gemacht hat. Würdest Du ihr Vorwürfe machen? Vermutlich nicht, weil Du auch die Vorgeschichte kennst und Du Deine Freundin nicht infrage stellst. Und jetzt stell Dir vor, Du selbst bist Deine beste Freundin ... Auch ihr brauchst Du keine Vorwürfe zu machen.

Weiß eigentlich die neue Frau von den Depressionen Deines Freundes? Auch sie hat keine Garantie, dass diese Beziehung gelingen wird, vor allem, wenn sich Dein Freund nicht ernsthaft mit seiner Depression auseinandersetzen will. Dass er sich gleich eine neue Frau gesucht hat, erscheint mir fast wie eine Trotzreaktion.

Ich wünsche Dir alles Gute
Columbia
Däumelinchen
Beiträge: 4
Registriert: 5. Apr 2018, 22:05

Re: Freund depressiv, habe keine Kraft mehr

Beitrag von Däumelinchen »

Guten Abend ihr alle,

an diesen schönen Zitaten sieht man ja ganz gut, dass Beziehungen und Gefühle wohl nie einfach waren.

Liebe Kayra, ich hatte deine Geschichte schon in einem anderen Thread gelesen und das tut mir ganz unendlich leid, wie sehr du darunter leiden musst! Ich stimme Columbia zu, sich sofort "Ersatz" zu suchen scheint mir auch keine durchdachte Entscheidung. Vor allem nicht auf der Gefühlsebene. Ich wünsche mir für dich, dass du es schaffst loszulassen. Einfach damit es nicht immer weiter so weh tun muss. Dass es ihn eines Tages vielleicht wieder zu dir führt, musst du ja nicht komplett ausschließen, aber sich daran festzuklammern macht das wohl alles nur noch schmerzhafter.
Vielleicht eine merkwürdige Idee, aber versuch es doch mal mit Meditation. Da gibt es viele Techniken die darauf abzielen den Kopf einfach mal zum Schweigen zu bringen und zur Ruhe kommen zu lassen. Dann hast du zumindest eine kleine Zeit am Tag mal eine Auszeit davon.

Versuch dich mit dem Gedanken zu trösten, dass du für einen Menschen, der dir sehr wichtig ist eine lange Zeit da warst und ihm Halt gegeben hast. Auch wenn bei euch kein "happy end" kam, hast du ihn ja in einer schweren Zeit begleitet (in den zwei ersten Phasen) und wolltest es auch weiterhin. Du kannst also dir als Mensch absolut nichts vorwerfen. Manche Situationen sind eben Einbahnstraßen, in denen man gibt, und wenig oder sogar nichts zurück bekommt. Das ist deswegen aber nicht unbedingt etwas schlechtes. Sondern einfach nur eine andere Situation als die meisten. Mir hilft es immer, Dinge einfach hinzunehmen als das was sie sind und versuchen, keine Bewertung einfließen zu lassen.
(Klappt aber bei mir ja auch nicht immer wie man ja an meinem Eröffnungstext sieht.)

Alles Liebe
Däumelinchen
rebju
Beiträge: 2
Registriert: 18. Apr 2017, 04:47

Re: Freund depressiv, habe keine Kraft mehr

Beitrag von rebju »

Hallo @Kayra,
ich kenne es auch eher so, dass der Partner sich nicht um seine Depression kümmert, bzw. sie einfach ignoriert soweit möglich. Wir haben 6 Jahre Beziehung hinter uns, die insgesamt sehr schwer waren. Mein Freund (Exfreund wohl eher... :( ) hat einen Hirntumor. Dieser kam zum 2. Mal kurz nachdem wir uns kennenlernten. In den Jahren kam der Tumor noch einmal wieder und dann, als wir unser Haus gebaut haben und es eigentlich bergauf gehen sollte, kam er pünktlich zum Einzug nach Jahren erneut.
Der Tumor ist aber wohl gar nicht das Hauptproblem, sondern diverse psychische Altlasten, die er immer verdrängt hat, seit Jahren. Trennung von Frau+Kindern und anderes. Es war wie gesagt oft generell nicht einfach, auch sein Job ist sehr hart. Ich habe immer unterstützt und versucht ihm zu helfen, dass es ihm gut geht, dass es uns gut geht. Habe mich immer mehr davon abhängig gemacht, wie es ihm geht - wenn er nicht glücklich war, war ich es auch nicht. Er wurde mit den Jahren immer gereizter, da auch die Lasten+der Druck auf ihn von vielen Seiten immer mehr wurden. Er tat mir immer nur leid. Er ist unter all diesen Paketen so ein toller liebevoller Mensch, aber die Last erdrückt das alles. Bei mir blieb irgendwann hauptsächlich seine Gereiztheit, sein Stöhnen unter den Lasten und seine andauernde Erschöpfung hängen. Mein Verständnis war voll da - er hat es WIRKLICH nicht leicht. Ich dachte immer, ich kann das ausgleichen, denn ich habe es immer recht leicht im Leben gehabt und bin ein fröhlicher, offener Mensch. Sehe immer eher das positive. Nur bei unserer Beziehung konnte ich es irgendwann nicht mehr. Er sprach nicht über seine Depression. Man merkte es ihm aber natürlich immer mehr an. Er sprach auch kaum über seinen Tumor. Ich durfte nicht mit zum Arzt, musste ihm alle Infos aus der Nase ziehen, bekam aber nur wenige Antworten. Gereiztheit stand oft auf dem Plan. Ein halbes Jahr nach unserem Einzug konnte ich nicht mehr.. ich war völlig am Ende, ständig am heulen, absolut unglücklich, da er sich halt immer mehr zurückgezogen hatte aber doch nicht so richtig anerkennen wollte, was los war. Therapie wollte er nicht, Paartherapie auch nicht.
Mein Faß lief über und ich sagte, es gehe so nicht weiter, ich müsse sonst gehen. Danach hatten wir ein sehr anstrengendes Jahr und haben uns noch mehr gequält. Wir wollten uns nicht aufgeben, er beschäftigte sich ein wenig mehr mit sich selbst. Dann wieder gar nicht.. Therapie etc. waren immer noch keine Lösung für ihn. Ich kroch immer mehr auf dem Zahnfleisch, war traurig und auch immer mehr gereizt.
Er spielte mit Selbstmordgedanken gerade in den Momenten wo ich glaubte, es gehe ihm besser. Diese Achterbahnfahrt der Gefühle war so furchtbar anstrengend, dass ich irgendwann gar nichts mehr fühlen konnte. Irgendwann ging er dann doch mal in eine Klinik aber nur an den Wochenenden, wo mal Zeit dafür war und die Klinik zufällig Platz hatte. Er ging dann in die Klinik, wenn die einzige Zeit für uns gewesen wäre, etwas Zeit zusammen zu genießen, mal wieder was zu unternehmen, positive Energie zu tanken. Ich hatte gehofft, er würde sich bald ganz einweisen lassen und deshalb auch hier weiter unterstützt. Leider kam dann vor 2 Monaten heraus, dass er mit dem Gedanken gar nicht spiele. Dass er Platz brauche, um sich um seine Probleme zu kümmern, und er weder Job noch Kinder aufgeben könne. Aber Kinder, Job und Beziehung ihm diesen Raum nicht geben würden.
Ich wollte, dass er seine Probleme angeht und es ihm und damit uns besser gehe. Wir steckten in einer Pat-Situation..
Wir haben uns weiter gequält und versucht, eine Lösung zu finden. Therapie, Paartherapie war weiterhin für ihn nicht drin. Ich sah keinen anderen Weg mehr, als auszuziehen. Wir quälten uns so lange mit dieser Entscheidung, da wir uns wirklich sehr mögen. Wir sind quasi sehr gute Freunde unter der Haube der Beziehung und haben immer gedacht, dass wir sehr gut miteinander "alt" werden könnten. Deshalb fiel uns das so unendlich schwer.
Jetzt wohne ich seit 2 Monaten in einer Übergangs-Wohnung von Freunden. Habe es hier weder gemütlich noch möchte ich hier auf Dauer bleiben. Mein Freund (ich kann mich immer noch nicht mit dem Ex-Gedanken abfinden) wohnt im Haus - es gehört eh ihm. Er fühlt sich furchtbar einsam und wird immer depressiver.
Wir wollten in den ersten Wochen sofort wieder zusammenziehen, so sehr gab uns die Trennung einen positiven Schubs. Was hatten wir getan? Sind wir verrückt?? Unsere Beziehung hat so viel Potential...
Dann verfiel er wieder in eine depressive Phase und schon war alles wieder wie früher :( Ich konnte es gar nicht ertragen. Seine Gereiztheit, obwohl er sich sichtlich Mühe gab, gut drauf zu kommen.
Trotzdem noch kein Therapieplatz... :(
Eigentlich sollte mein Auszug nur temporär sein, wenn möglich, nur für ein paar Monate. So dass er sich fangen kann und wir beide wissen, was wir wollen.
Nun haben wir uns so verfahren in der Situation und es ist durch die lange Zeit und vielen offenen Gespräche SO viel Erde verbrannt... außerdem ist er wie gesagt sehr depressiv gerade aber versteht trotzdem immer noch nicht, wieso es mir geht, wie es mir geht. An anderen Tagen ist er voll verständlich und wünscht mir einen Mann, mit dem ich es einfacher habe - was natürlich super traurig für uns beide ist.
Ich sag euch, alle die eine Trennung hinter sich haben: seid froh, wenn eure Trennung einfacher verlief und habt KEIN schlechtes Gewissen. Mir fällt es auch sooo schwer. Ich habe teilweise echt gute Laune und genieße sogar langsam die Freiheit, genieße es, nicht die Depression hautnah mitzuerleben und nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, weil ich eine genervte Reaktion befürchte. Ich bin so sensibel inzwischen auf Genervtheit, dass ich total verkrampft bin und mich nicht einfach mal locker machen kann.
Macht euch klar, dass es niemals einfacher werden würde, solange der Partner nicht seine Probleme wirklich angeht. Dadurch, dass der Partner, auch bei mir, nicht so richtig versteht, wie sehr man sich da mit reinziehen lassen hat und wie viel Energie man aufgewendet hat, damit es dem anderen besser geht, fühlt man sich immer mies. Man hat den anderen Verlassen, weil es ihm schlecht geht. NEIN, immer wieder daran denken, dass man sich selbst schützen musste, dass eine längere Zeit zusammen auch nicht geholfen hätte...
Wir schaffen es inzwischen kaum noch, ohne Diskussionen miteinander zu reden :( Was uns beide furchtbar mitnimmt. Seine Kinder und ich haben eine sehr sehr enge Bindung und wir haben einen gemeinsamen Hund, der jetzt bei mir ist. Irgendwie müssen wir es hinbekommen, dass zumindest Kinder und Hund nicht total von den jeweils anderen abgeschnitten werden.. das macht es extra kompliziert.
Wir haben uns jetzt erst einmal eine Funkstille auferlegt für ein paar Wochen, da wir nur noch streiten. Ich habe keine Energie mehr und mag auch gar nicht mehr drüber nachdenken. Passiert natürlich trotzdem. Ich bin nur noch müde und alle. Aber ich muss auch ständig an ihn denken und an die schönen Zeiten und an das, was wir eigentlich sein könnten :(
Und wir sind im Moment ja immer noch in der "Trennung auf Zeit" Phase, ich in der Übergangswohnung. Aber ich weiß gar nicht, wie wir in dieser Lage überhaupt wieder zusammenfinden sollen :( Ich bin so mutlos und er scheint sich weiterhin nicht um eine Therapie zu kümmern. Auch hat er erneut eine Paartherapie abgelehnt. Ich weiß nicht, wo ich in ein paar Monaten wohne, denn mein Mietvertrag hier ist nur begrenzt. Die Situation ist so verfahren, wenn so viel dranhängt.. :(
Ich kann nur empfehlen "Wenn Frauen zu sehr lieben" zu lesen. Das hilft ungemein, sich selbst und die Situation zu verstehen.
Ganz viel Kraft wünsch ich euch!
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