Mitleid, Mitgefühl und Bewunderung
Verfasst: 15. Feb 2018, 00:48
Mitleid, Mitgefühl und Bewunderung
Hallo ihr Lieben,
mich beschäftigt seit einiger Zeit ein Thema, das ich immer nicht wirklich greifen konnte, aber in letzter Zeit hat sich der Gedankenwust etwas gelichtet, so dass ich mittlerweile zumindest weiß, um was es geht. Aber es ist trotzdem so widersprüchlich.
Und zwar geht es um Mitgefühl und Mitleid.
Immer wenn ich höre, dass jemand zu mir sagt, ich würde ihm leid tun wegen meiner Erkrankung/ nicht arbeiten können/etc. oder „es“ würde ihm leid tun, dann kriecht so eine leichte Wut in mir hoch. Ich will kein Mitleid!
Ich bemitleide andere auch nicht dafür, dass sie jeden Tag auf die Arbeit gehen und ihren Lebensunterhalt selber verdienen müssen, während ich mit meiner Rente finanziell abgesichert bin. Oder dass sie im heißen Büro arbeiten müssen, während ich im Sommer im Garten sitzen kann. Oder dass sie kleine Kinder haben, die nachts ständig aufwachen und schreien, während ich immer schön meine Ruhe habe. Für mich ist mein Leben mit der Krankheit mittlerweile so normal geworden, ich weiß schon gar nicht mehr, wie sich das anfühlt, wenn man wirklich „normal“ im Sinne von „gesund“ ist. Und ich will nicht für meine Normalität bemitleidet werden. Das zieht mich nur runter. Es zeigt mir jedes Mal, wie unnormal mein Leben ist im Vergleich zu anderen Leuten in meinem Alter.
Wenn man mich bemitleidet, dann fühlt sich das so an, als wenn der andere auf mich herabsieht. Der andere steht auf einer höheren Position, weil er sein Leben für besser hält und meines für schlechter, weil ich eben in einer Position bin, die er für schlimm hält, sonst würde er mich nicht bemitleiden. Ich komme im Normalfall gut klar mit meiner Situation, ich erkläre auch gerne anderen was oder erzähle was, bin offen, aber wenn andere Leute dann gleich so betroffen sind und mir sagen, wie leid ihnen das tut, was ich erleb, dann bildet sich zwischen ihnen und mir eine Kluft. Ich bin anders als sie und schlechter dran. Jedes Mal, wenn mir jemand sagt, wie leid ich ihm tue, hält er mir vor Augen, wie schlecht (und aussichtlos) meine Situation ist.
Ich erkläre gerne was und sage auch den Leuten klar, was meine Einschränkungen sind und wo ich Rücksichtnahme schön finden würde, aber ich hab manchmal das Gefühl, ich muss meine ganze Weltsicht erklären, weil sie so anders ist als die von „normalen“. Da frag ich mich schon, ob ich
wirklich so weit weg vom Leben anderer bin und es bloß nicht kapier oder mir was vormach. Ich will mich nicht ständig damit konfrontieren, wie beschissen meine Lage ist im Vergleich zu anderen. Und ich will das auch nicht von anderen hören, es reicht mir, wenn ich mich selber damit fertig mache.
Ich bin oft genug voll fertig, weil ich so vieles nicht (mehr) kann und wahrscheinlich nie können werde, und das tut echt weh, aber mir dann jedes mal noch „reindrücken“ lassen müssen, wie scheiße mein Leben aus der Sicht von anderen ist, zu spüren, dass ich irgendwie doch auf dem Abstellgleis steh und die anderen an mir vorbeirauschen und ein Leben leben, mit dem ich nicht viel zu tun hab… und dann halt mal kurz auf dem Abstellgleis vorbeischauen, betroffen gucken und das wars.
Ich fühle mich ausgeschlossen, weil ich gefühlt nicht wirklich dabei sein kann, weil ich ja die mit dem „schlimmen Schicksal“ bin. Ich möchte einfach nur dabei sein und möchte, dass meine Normalität einfach akzeptiert wird und nicht gleich jedesmal jeder betroffen ist, wenn ich was sag. Ich habe nicht den Eindruck, dass ich rumjammer, zumindest bemühe ich mich. Manchmal hab ich das Gefühl, dass ich die anderen dann wieder „aufpäppeln“ muss, damit sie nicht betroffen sein müssen. Vielleicht kennt ihr ja den Film „Sein letztes Rennen“ mit Dieter Hallervorden. Da gibt es in dem Altenheim auch eine Pflegerin/Therapeutin, die immer auf die alten Leute eingehen will und ihnen sagt, wie schwer das doch ist, ins Altenheim zu kommen, so trostlos, den Tod vor Augen, Abschied nehmen, man hat Angst, ist traurig blabla. Da gibt es eine Szene, wo sie zu Didi ganz ernst sagt „Das Ende, das macht Angst.“ Daraufhin antwortet er „Sie müssen keine Angst haben“, tätschelt ihr die Wange und meint aufmunternd „Geht immer gut aus.“ An das erinnert es mich manchmal.
Andererseits bin ich aber natürlich auch froh, wenn die Leute Verständnis haben und mir ist es lieber, sie haben Mitleid, als dass sie schlecht über mich reden oder mich für nen Schwächling/verrückt/faul etc. halten usw. Also kann ich den Leuten ja nicht pauschal sagen, sie sollen aufhören, mit mir Mitleid zu haben, bzw. mir das zu sagen, weil dann wissen sie erst recht nicht, wie sie mit mir umgehen sollen. So umgehen wie mit jedem geht ja auch nicht.
Es haben auch schon Leute zu mir (oder zu anderen, die es dann mir erzählt haben) gesagt, dass sie mich bewundern, wie ich mich durchkämpfe, was für ein Durchhaltevermögen ich habe, dass ich immer wieder aufstehe, dass ich so stark bin, dass ich nicht aufgebe etc. Das hat mich immer gefreut, dass sie mich so sehen und ich für sie nicht die Schwache bin, die nichts auf die Reihe kriegt. Bzw. ich dachte (oder denke?) immer, die anderen halten mich für „die kleine DieNeue, die nichts auf die Reihe kriegt“, vllt denken sie ja auch, ich hab nichts auf die Reihe gekriegt und jetzt kämpf ich mich halt da raus, und ich bin doch die, die nichts auf die Reihe kriegt, keine Ahnung…
Aber mittlerweile regt es mich manchmal auch auf, weil ich mir (v.a. bei manchen bestimmten Leuten) denke „Schön, dass du mich bewunderst, weil ich mich so durchgekämpft habe. Hättest mir ja helfen können, dann hätte ich nicht so kämpfen müssen!“ Außerdem mach ich nichts Besonderes, ich mach nur das, was ich eben machen muss. Und in der Vergangenheit auch: Was hätte ich denn machen sollen, wenn ich Hartz 4 beantragen muss, mich mit sämtlichen Ämtern und Versicherungen rumschlagen und mich durch die ganze Bürokratie kämpfen muss, damit ich nicht meine ganze Existenz verliere? Und mir leider keiner hilft, weil sich ja leider niemand auskennt und sich leider auch keiner damit auseinandersetzen will? Wenn ich es nicht selber gemacht hätte, wäre meine Situation jetzt um einiges schlechter. Aber dadurch, dass ich immer wieder aufgestanden bin und immer weitergekämpft hab, hab ich mich zum Teil auch selber kaputt gemacht. Und dafür bewundert man mich dann?
Andererseits ist es ja aber auch schön, wenn ich merke, andere Leute sehen auch, was ich geleistet und geschafft habe und tun das nicht als Kleinigkeit ab. Für manche von euch, die kein Verständnis bekommen, ist das wahrscheinlich auch Jammern auf hohem Niveau, aber ich weiß nicht gerade wirklich, wie ich damit umgehen soll.
Das Thema ist irgendwie so komplex… deshalb hab ich mal gegoogelt, was der Unterschied zwischen Mitleid und Mitgefühl ist. (z.B. hier: https://www.zeitzuleben.de/warum-mitlei ... -solltest/" onclick="window.open(this.href);return false;
Irgendwie wäre mir Mitgefühl lieber als Mitleid, aber das kann man ja auch nicht jedem jedesmal verklickern und ist vielleicht auch zu viel verlangt.
Was denkt ihr zu diesem Thema? Erlebt ihr das auch so?
Liebe Grüße,
DieNeue
Hallo ihr Lieben,
mich beschäftigt seit einiger Zeit ein Thema, das ich immer nicht wirklich greifen konnte, aber in letzter Zeit hat sich der Gedankenwust etwas gelichtet, so dass ich mittlerweile zumindest weiß, um was es geht. Aber es ist trotzdem so widersprüchlich.
Und zwar geht es um Mitgefühl und Mitleid.
Immer wenn ich höre, dass jemand zu mir sagt, ich würde ihm leid tun wegen meiner Erkrankung/ nicht arbeiten können/etc. oder „es“ würde ihm leid tun, dann kriecht so eine leichte Wut in mir hoch. Ich will kein Mitleid!
Ich bemitleide andere auch nicht dafür, dass sie jeden Tag auf die Arbeit gehen und ihren Lebensunterhalt selber verdienen müssen, während ich mit meiner Rente finanziell abgesichert bin. Oder dass sie im heißen Büro arbeiten müssen, während ich im Sommer im Garten sitzen kann. Oder dass sie kleine Kinder haben, die nachts ständig aufwachen und schreien, während ich immer schön meine Ruhe habe. Für mich ist mein Leben mit der Krankheit mittlerweile so normal geworden, ich weiß schon gar nicht mehr, wie sich das anfühlt, wenn man wirklich „normal“ im Sinne von „gesund“ ist. Und ich will nicht für meine Normalität bemitleidet werden. Das zieht mich nur runter. Es zeigt mir jedes Mal, wie unnormal mein Leben ist im Vergleich zu anderen Leuten in meinem Alter.
Wenn man mich bemitleidet, dann fühlt sich das so an, als wenn der andere auf mich herabsieht. Der andere steht auf einer höheren Position, weil er sein Leben für besser hält und meines für schlechter, weil ich eben in einer Position bin, die er für schlimm hält, sonst würde er mich nicht bemitleiden. Ich komme im Normalfall gut klar mit meiner Situation, ich erkläre auch gerne anderen was oder erzähle was, bin offen, aber wenn andere Leute dann gleich so betroffen sind und mir sagen, wie leid ihnen das tut, was ich erleb, dann bildet sich zwischen ihnen und mir eine Kluft. Ich bin anders als sie und schlechter dran. Jedes Mal, wenn mir jemand sagt, wie leid ich ihm tue, hält er mir vor Augen, wie schlecht (und aussichtlos) meine Situation ist.
Ich erkläre gerne was und sage auch den Leuten klar, was meine Einschränkungen sind und wo ich Rücksichtnahme schön finden würde, aber ich hab manchmal das Gefühl, ich muss meine ganze Weltsicht erklären, weil sie so anders ist als die von „normalen“. Da frag ich mich schon, ob ich
wirklich so weit weg vom Leben anderer bin und es bloß nicht kapier oder mir was vormach. Ich will mich nicht ständig damit konfrontieren, wie beschissen meine Lage ist im Vergleich zu anderen. Und ich will das auch nicht von anderen hören, es reicht mir, wenn ich mich selber damit fertig mache.
Ich bin oft genug voll fertig, weil ich so vieles nicht (mehr) kann und wahrscheinlich nie können werde, und das tut echt weh, aber mir dann jedes mal noch „reindrücken“ lassen müssen, wie scheiße mein Leben aus der Sicht von anderen ist, zu spüren, dass ich irgendwie doch auf dem Abstellgleis steh und die anderen an mir vorbeirauschen und ein Leben leben, mit dem ich nicht viel zu tun hab… und dann halt mal kurz auf dem Abstellgleis vorbeischauen, betroffen gucken und das wars.
Ich fühle mich ausgeschlossen, weil ich gefühlt nicht wirklich dabei sein kann, weil ich ja die mit dem „schlimmen Schicksal“ bin. Ich möchte einfach nur dabei sein und möchte, dass meine Normalität einfach akzeptiert wird und nicht gleich jedesmal jeder betroffen ist, wenn ich was sag. Ich habe nicht den Eindruck, dass ich rumjammer, zumindest bemühe ich mich. Manchmal hab ich das Gefühl, dass ich die anderen dann wieder „aufpäppeln“ muss, damit sie nicht betroffen sein müssen. Vielleicht kennt ihr ja den Film „Sein letztes Rennen“ mit Dieter Hallervorden. Da gibt es in dem Altenheim auch eine Pflegerin/Therapeutin, die immer auf die alten Leute eingehen will und ihnen sagt, wie schwer das doch ist, ins Altenheim zu kommen, so trostlos, den Tod vor Augen, Abschied nehmen, man hat Angst, ist traurig blabla. Da gibt es eine Szene, wo sie zu Didi ganz ernst sagt „Das Ende, das macht Angst.“ Daraufhin antwortet er „Sie müssen keine Angst haben“, tätschelt ihr die Wange und meint aufmunternd „Geht immer gut aus.“ An das erinnert es mich manchmal.
Andererseits bin ich aber natürlich auch froh, wenn die Leute Verständnis haben und mir ist es lieber, sie haben Mitleid, als dass sie schlecht über mich reden oder mich für nen Schwächling/verrückt/faul etc. halten usw. Also kann ich den Leuten ja nicht pauschal sagen, sie sollen aufhören, mit mir Mitleid zu haben, bzw. mir das zu sagen, weil dann wissen sie erst recht nicht, wie sie mit mir umgehen sollen. So umgehen wie mit jedem geht ja auch nicht.
Es haben auch schon Leute zu mir (oder zu anderen, die es dann mir erzählt haben) gesagt, dass sie mich bewundern, wie ich mich durchkämpfe, was für ein Durchhaltevermögen ich habe, dass ich immer wieder aufstehe, dass ich so stark bin, dass ich nicht aufgebe etc. Das hat mich immer gefreut, dass sie mich so sehen und ich für sie nicht die Schwache bin, die nichts auf die Reihe kriegt. Bzw. ich dachte (oder denke?) immer, die anderen halten mich für „die kleine DieNeue, die nichts auf die Reihe kriegt“, vllt denken sie ja auch, ich hab nichts auf die Reihe gekriegt und jetzt kämpf ich mich halt da raus, und ich bin doch die, die nichts auf die Reihe kriegt, keine Ahnung…
Aber mittlerweile regt es mich manchmal auch auf, weil ich mir (v.a. bei manchen bestimmten Leuten) denke „Schön, dass du mich bewunderst, weil ich mich so durchgekämpft habe. Hättest mir ja helfen können, dann hätte ich nicht so kämpfen müssen!“ Außerdem mach ich nichts Besonderes, ich mach nur das, was ich eben machen muss. Und in der Vergangenheit auch: Was hätte ich denn machen sollen, wenn ich Hartz 4 beantragen muss, mich mit sämtlichen Ämtern und Versicherungen rumschlagen und mich durch die ganze Bürokratie kämpfen muss, damit ich nicht meine ganze Existenz verliere? Und mir leider keiner hilft, weil sich ja leider niemand auskennt und sich leider auch keiner damit auseinandersetzen will? Wenn ich es nicht selber gemacht hätte, wäre meine Situation jetzt um einiges schlechter. Aber dadurch, dass ich immer wieder aufgestanden bin und immer weitergekämpft hab, hab ich mich zum Teil auch selber kaputt gemacht. Und dafür bewundert man mich dann?
Andererseits ist es ja aber auch schön, wenn ich merke, andere Leute sehen auch, was ich geleistet und geschafft habe und tun das nicht als Kleinigkeit ab. Für manche von euch, die kein Verständnis bekommen, ist das wahrscheinlich auch Jammern auf hohem Niveau, aber ich weiß nicht gerade wirklich, wie ich damit umgehen soll.
Das Thema ist irgendwie so komplex… deshalb hab ich mal gegoogelt, was der Unterschied zwischen Mitleid und Mitgefühl ist. (z.B. hier: https://www.zeitzuleben.de/warum-mitlei ... -solltest/" onclick="window.open(this.href);return false;
Irgendwie wäre mir Mitgefühl lieber als Mitleid, aber das kann man ja auch nicht jedem jedesmal verklickern und ist vielleicht auch zu viel verlangt.
Was denkt ihr zu diesem Thema? Erlebt ihr das auch so?
Liebe Grüße,
DieNeue