Depressiv und jede Hilfe verweigern

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meersehen
Beiträge: 1
Registriert: 28. Dez 2017, 01:50

Depressiv und jede Hilfe verweigern

Beitrag von meersehen »

Hallo!

Ich würde gerne wissen (sowohl von Angehörigen als vielleicht auch von Betroffenen), was man tun kann, wenn jemand, der offensichtlich depressiv ist, dies abstreitet und jegliche Hilfe verweigert.

Ich habe mich mit der Krankheit gezwungenermaßen sehr viel und über Jahre in Form von Literatur & Websites informiert, da ein Elternteil von mir (in meinen Augen offensichtlich) seit Jahren depressiv ist. Es ist mittlerweile ein "offenes Geheimnis", doch die Person, die am meisten betroffen ist, streitet es ab und unternimmt nichts. Neben Mitleid und Angst um die Person verspüre ich mittlerweile ehrlich gesagt ein hohes Maß an Wut, da die gesamte Familie unter der Situation leidet.

Wir haben die Person bereits damit konfrontiert und sie gebeten, endlich etwas zu unternehmen – die Bitte ist eiskalt abgeschmettert worden mit der Aussage, die Person sei nicht depressiv und dass wir sie loswerden wollen würden (was absolut nicht der Fall ist, wie sich jeder hier denken kann – zumal Hilfe holen bei Weitem nicht gleich stationär stattfinden muss ...).

Problem 2: Ich bin sehr unsicher, wie ernst "lebensverneinende" Aussagen (ich sage bewusst nicht "lebensmüde") genommen werden sollten und was vielleicht auch nur provozieren soll. Die Person hat noch nie geäußert, sie wolle sich umbringen, aber beispielsweise folgende Aussage getätigt: "Wenn das und das passiert*, bringt mich das um." *es steht gerade eine größere Veränderung ins Haus, deren Ausgang noch ungewiss ist
Also nicht: "Wenn das passiert, bringe ICH MICH um", sondern indirekt "BRINGT mich das um." Wie gefährlich ist eine solche Aussage?
Auch ging es um einmal um eine gute Freundin der Person, die an einer Krankheit verstorben ist, als sie in dem Alter war, in der die betroffene Person zu dem Zeitpunkt jetzt ist. Jemand anderes sagte zu ihr: "Zum Glück bist du gesund!", worauf die Person nur mit den Schultern zuckte und ins Nichts guckte.
Ich hoffe, ihr versteht, was ich meine – es sind keine konkreten Ankündigungen oder Drohungen, aber je mehr ich darüber nachdenke, umso unsicherer bin ich, ob es sich nicht doch um "Drohungen" handelt??

Das Hautproblem ist jedoch: Die Person weigert sich strikt, einen Arzt aufzusuchen (von Psychotherapie ist gar nicht die Rede, ich wäre schon froh, wenn wenigstens mal ein Gespräch mit der Hausärztin stattfände). Zudem ist es so, dass die Person vor anderen (selbst engen Verwandten/langjährigen Freunden der Familie) so tut, als sei alles in Ordnung. Für das Alter normale Check-ups beim Arzt fanden in der Vergangenheit statt, aber da auf die Frage, wie es der Person geht, stets mit "Gut!" geantwortet wird, hat die Ärztin weder etwas erkannt noch etwas unternommen. Es gab unsererseits sogar bereits die Bitte an die Sprechstundenhilfe, dass während des Check-ups "zufällig" auf das Thema gelenkt werden soll, aber auch diese meinte, solange der Patient selbst sagt, es ginge ihm gut, könne man nichts machen. :?

Ich freue mich über jeglichen Input und Tipps und bedanke mich bereits jetzt! Ich würde mich freuen, wenn mein Beitrag nicht zitiert werden würde, um ggfs. wieder etwas zu löschen, dass zu sehr Rückschlüsse auf die Person zulässt. Herzlichen Dank!
Bebsi
Beiträge: 7
Registriert: 1. Jan 2018, 12:30

Re: Depressiv und jede Hilfe verweigern

Beitrag von Bebsi »

Hallo meersehen,

da du noch keine Antwort bekommen hast, möchte ich dies mal übernehmen.

Zunächst ganz kurz zu meiner Person, damit du meine Aussagen besser einordnen kannst: Ich bin 29 Jahre alt und leide seit 14 Jahren an einer rezidivierenden depressiven Störung.

Nun zum eigentlichen Thema: So lange die betroffene Person sich die mögliche Erkrankung nicht selbst eingesteht, ist es eigentlich kaum möglich wirksame Hilfe zu leisten. Denn wie du bereits in deinen Ausführungen beschrieben hast, wird die Hilfe dann aufgrund einer nicht empfundenen Notwendigkeit einfach abgelehnt.

Eine Konfrontation der Person mit der vermuteten Erkrankung - besonders in einem größeren Personenkreis - ist völlig destruktiv. Die betroffene Person fühlt sich dann unweigerlich in die Enge gedrängt und angegriffen, was ganz automatisch eine Schutzreaktion im Sinne von Abstreiten hervorruft.

Die Bitte an die Person "endlich etwas zu unternehmen" ist ebenfalls völlig sinnfrei. Das Wort "endlich" baut einen unglaublichen Druck auf und erzeugt zudem einen schrecklichen Vorwurf, beides lässt die Person ebenfalls in eine schützende Verweigerungshaltung gehen. Des Weiteren ist es Personen in einer akuten depressiven Phase in der Regel gar nicht oder nur sehr schwer möglich, sich selbst entsprechende Hilfe zu suchen.

Die Einschätzung von Aussagen einer betroffenen Person ist generell sehr schwierig. Ich würde deine widergegebene Aussage "Wenn das und das passiert, bringt mich das um." erstmal nicht als akut gefährlich einschätzen. Allerdings kenne ich weder die Person noch die Umstände, sodass eine wirkliche Wertung nicht möglich ist.

Die Gleichgültigkeit gegenüber dem eigenem Tod kenne ich von mir selbst, ist aber zumindest bei mir kein Idikator für ein mögliches selbstschädigendes Verhalten.

Aussagen im Bezug auf eine mögliche Selbstverletzung oder Selbstmord als "Drohung" zu bezeichnen, ist der völlig falsche Ansatz. Die Personen treffen diese Aussagen nicht, um ihrem Umfeld zu "drohen"! Es handelt sich um Hilferufe!

Mein "Lösungsansatz": Höre auf die Person ständig mit dieser Krankheit bzw. deiner selbst gestellen Diagnose zu "stigmatisieren" oder zu bedrängen. Höre ihr stattdessen aufmerksam und ohne Wertung zu, wenn sie von Problemen oder Gefühlen berichtet. Ratschläge sind oft Schläge! Biete wenn nötig Hilfe bei alltäglichen Aufgaben an, vermeide es aber ihr das Gefühl zu vermitteln, dass du sie für überfordert oder hilflos hältst. Die Person wird sich dir und einer professionellen Hilfe wohl nur öffnen, wenn sie ein entsprechendes Vertrauen zu dir fasst.

Liebe Grüße

Bebsi
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