Was ist bloß los mit mir?

Antworten
Schuckche
Beiträge: 2
Registriert: 3. Dez 2017, 07:17

Was ist bloß los mit mir?

Beitrag von Schuckche »

Hallo ihr Lieben,
ich hoffe, ich finde hier offene Ohren und vielleicht auch Gleichgesinnte. Ich heiße Annika und bin 26 Jahre alt.
Vor ca. 15 Monaten kam unsere Tochter zur Welt. Sie ist ein absolutes Wunschkind, auch wenn es nicht geplant war, so schnell schwanger zu werden. Kurz nach der Geburt bin ich in eine Wochenbettdepression gefallen. Obwohl unsere Tochter sehr pflegeleicht war und auch noch ist, war ich mit meiner Rolle als Mutter total überfordert. Nach zwei Monaten habe ich mir dann Hilfe geholt bei einer Psychologin und ging einmal die Woche zu einer Gruppe für Frauen mit gleichem Leiden.
Schon nach mehreren Wochen ging es mir besser. Seit September 2017 arbeite ich wieder und mein Kind geht in die Krippe. Sie fühlt sich da wohl, wenn ich sie abhole ist sie immer super drauf und mag gar nicht gehen.
Leider geht es mir mit der gesamten Situation nicht gut. Mir tut immer noch das Herz weh, wenn ich sie tagtäglich in die Kita bringe. Die Arbeit macht mir keinen Spaß, sodass ich auch schon einige Tage krank war, weil ich nervlich nicht in der Lage war arbeiten zu gehen. Ich bin dauernd am heulen. Sobald meine Tochter mal motzig ist oder weint, bin ich völlig aufgelöst. Mein Verlobter leidet auch unter der Situation. Ich brauche im Moment viel Nähe von ihm, aber sobald es intim wird, blockiere ich. Ich kann zurzeit keine Intimität vertragen. In den Arm nehmen ja, alles weitere nein. Mir tut das so leid und ich verstehe selbst nicht warum. Dabei läuft doch alles gut. Wir bauen ein Haus, wir heiraten nächstes Jahr im September und mein Kind ist ein wundervolles Kind. Ich kann es einfach nicht verstehen, warum ich jetzt wieder so depressiv werde.
Liebe Grüße!
Gertrud Star
Beiträge: 3441
Registriert: 30. Jun 2014, 19:09

Re: Was ist bloß los mit mir?

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo Schucksche,

ich stelle mir das sehr schwer vor:
Mutter sein,
arbeiten (den Job nicht mögen),
Ehefrau sein,
ein Haus bauen.

Du meisterst sehr viel, wahrscheinlich zu viel.
Du bist unerwartet Mutter geworden, und gehst Geld verdienen mit etwas, was du nicht magst.
Dazu noch der Hausbau, der wohl auch Zeit und Geld kostet.
Möglichwerweise ist das zusammen etwas viel für dich.
Vielleicht hast du auch deshalb ein Bedürfnis nach Körperkontakt, aber zuviel Intimität könnte dir zu viel sein, nach dem Motto: "Jetzt kommt der auch noch an und will was", (obwohls ja eigentlich schön ist)

Ich erinnere mich noch genau an die Zeit, als ich etwa so alt war wie du. Da war ich aus finanziellen Gründen in einem Job gefangen, der mir überhaupt nicht lag. Dazu pendelte ich wöchentlich über 300km einfach und machte eine Wohnung bewohnbar, eine Baustelle. Ich war überschuldet. Es gab einige Situationen, wo es zum Sex kam. Rückblickend wunderte ich mich immer, warum ich es nicht genießen konnte. Ich war wohl überlastet, und das war einfach zu viel. Ich redete mir auch ein, ich hätte ein normales Leben. Doch die entscheidenden Punkte konnte ich nicht reflektieren, auch nicht die Überlastung.
Einen großen Einschnitt im Leben hatte ich auch. Nein, nicht das Muttersein, aber etwas was das Leben in ähnlichem Ausmaß veränderte, und dazu noch eine größere Veränderung in der persönlichen Situation.

Ein mir bekannter Mann erzählte mir einmal, dass auch er eine zeitlang (einige Jahre) einfach keinen Sex brauchte, als er ein Burnout hatte wegen Überlastung.

Meine eigene Mutter fällt mir auch ein: ständige Überlastung durch zu viel Arbeit und zuviel (berufsbedingte) Abwesenheit des Vaters, und keine Entlastung von außen. Bei ihr war auch immer alles ganz schlimm, sobald eins von uns Kindern quengelig oder so war. Ihr war alles zuviel, mit der Auswirkung, dass langfristig keins von uns Kindern (mittlerweile alle um die 50) gesund genug ist.

Wenn du vorher die Intimität genossen hast, und nur jetzt abblockst:
Das ist wahrscheinlich eher eine normale Reaktion auf die Veränderungen in deinem Leben, zusammen mit der momentan großen Belastung.
Und das macht biologisch sogar Sinn: Noch ein Kind zeugen wäre zuviel, denn die Mutter wird noch zur Pflege des anderen Kindes gebraucht, und um sich selbst anzupassen und zu auch als Arbeitskraft zu erhalten sowie als Person, die möglicherweise noch mehr Kind(er) zur Welt bringen zu können (Biologie, Arterhaltung).

Möglicherweise brauchst du Entlastung. Dass ich damals Entlastung gebraucht hätte, stellte ich erst viele Jahre später fest.

Mein Rat ist,
in dich hineinzuhorchen was du brauchsts und was dir zuviel ist,
mit deinem Verlobten zu reden wie es dir geht, und
dir Entlastung im Alltag zu gönnen,
vielleicht auch den Job wechseln (oder wenn es geht, reduzieren oder aufgeben).

Gruß Gertrud
Arpeggio
Beiträge: 78
Registriert: 30. Okt 2017, 17:34

Re: Was ist bloß los mit mir?

Beitrag von Arpeggio »

Hallo Annika,
ich bin ein Mann der schon lange mit Depressionen lebt,meist auch kämpft.Insofern kann ich nicht
wirklich nachvollziehen, was die Geburt deiner Tochter an körperlicher Umstellung für dich mit sich bringt.
Trotzdem möchte ich eine Buchempfehlung an dich weitergeben:
„David Servan-Schreiber“ , „Die neue Medizin der Emotionen“ ,2004
Ein französischer Psychiater und Neurologe............
Dieses Buch ist im gesamten sehr lesenswert.Für dich dürfte das Kapitel ( Kapitel 9 , ab S.155 Taschenbuch Ausgabe 20.Auflage Feb.2006)über die OM3 Fettsäuren am Fallbeispiel
einer Frau, die ebenfalls nach 2 Geburten in relativ engem Zeitraum depressiv wurde , interessant sein!!
Im genannten Fallbeispiel half dieser Frau erst die Gabe von hochwertigen OM3 Fettsäure Präparaten.
Das könnte eine wirkliche Option für dich sein..............ich hoffe dieser Tipp bringt dich weiter!

LG , Arpeggio (Jürgen)
Philipp88
Beiträge: 20
Registriert: 6. Nov 2017, 10:58

Re: Was ist bloß los mit mir?

Beitrag von Philipp88 »

Hallo Annika
Es berührt mich sehr, was du schreibst. Danke dass du so offen bist. Viele mögen denken: die hat es doch so gut, ein Wunschkind, einen festen Partner, einen Job, baut ein haus, also alles wunderschön und Sonnenschein.
meine Meinung: du bist offensichtlich ein sensibler mensch, du empfindest stark, und das ist gut so. Vollpfosten gibt es genug in der Welt. aber all das zusammen überlastet dich.
Deine Situation, Baby, Job, Hausbau, bald heirat, das ist schlicht und einfach zuviel. Viele Emotionen, Verantwortung, druck, dauernde Belastung. Schlicht gesagt: da kann es einem nicht gutgehen.
Ich wünsche dir, dass du, zusammen mit deinem Partner, Belastung aus deinem leben nehmen kannst. Entweder Hausbau, oder Job, oder ev. Kinderbetreuung muss stark reduziert werden. du brauchst zeit zum Entspannung, runterkommen, um eindrücke zu verarbeiten. und zeit für dich. und hey Annika: das ist nicht schwäche nicht versagen. das ist, zu dir selbst stehen, für dich selbst sorgen, Verantwortung für dich und andere wahrnehmen. wenn du schaden nimmst nützt es...überhaut niemandem.
ich wünsche dir dass du Entlastung für dich finden kannst und all die schönen Sachen wieder geniessen kannst. bitte nimm ernst, es kann sonst böse schiefgehen.
mit den besten wünschen: Philipp
Schuckche
Beiträge: 2
Registriert: 3. Dez 2017, 07:17

Re: Was ist bloß los mit mir?

Beitrag von Schuckche »

Hallo ihr Lieben,
ich danke euch sehr für eure Antworten. Es hat mich sehr berührt, so viel Verständnis zu erfahren.
Es macht mir große Angst, dass meine Tochter vielleicht mehr darunter leidet, als wir es merken.
Ich habe schon oft mit meinem Partner drüber gesprochen, dass ich Entlastung brauche. Leider meint er, er helfe mir, in dem er mir unsere Tochter abnimmt. Natürlich hilft das auch mal, damit ich entspannen kann, aber genau da benötige ich die Hilfe nicht. Er versteht leider nicht, dass ich mehr Hilfe im Haushalt brauche, oder er mir mal Termine abnimmt.
Über eine Reduzierung der Arbeitsstunden habe ich auch schon oft nachgedacht, aber leider benötigen wir mein Gehalt, so wie es jetzt ist. Weniger Arbeit bedeutet ja leider auch weniger Geld. Ich habe aber angeboten bekommen, in eine andere Gruppe zu kommen. Dazu muss ich vielleicht erwähnen, dass ich Erzieherin bin. Ich bin sehr dankbar für diese Änderung und hoffe, dass es mir dort besser gefällt.
Ich hätte nie gedacht, dass es so schwer ist, alles unter einen Hut zu bekommen und sich dabei nicht zu vergessen. Ich habe mich auch mit meiner Mutter unterhalten, als die Wochenbettdepression angefangen hat. Erst da habe ich von ihr erfahren, wie schwer sie daran litt, als sie das erste Kind bekommen hat. Solche Dinge erzählt natürlich keiner einer Schwangeren.
Ich danke euch wirklich sehr für die verständnisvollen Worte und den Buch-Tipp. Ich werde versuchen, mir mehr Unterstützung zu holen. Schade, dass nicht alle Menschen so verständnisvoll sind. Im kinderlosen Freundeskreis höre ich mir Sätze wie: „Du hast so ein Glück“, „Dein Leben hätte ich gerne, halbtags arbeiten...“. Der schlimmste Satz war mal: „Warum bist du denn so genervt? Hat dein Kind gepupst oder was? Deine Probleme hätte ich gerne.“
Habt ihr mal Schüßler-Salze oder andere Homöopathie ausprobiert für die Nerven?
Antworten