AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Littlelisto
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AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von Littlelisto »

Hallo liebes Forum,
ein Thema das ja aktuell immer mehr zu finden ist sind die erstaunlichen Durchbrüche in der Kombination von ADs / Medikamenten...

Bisher sind ja Monotherapien mit einem AD in den Leitlinien ausdrücklich empfohlen und die Psychatrie ansich ist ja total konservativ. Jetzt findet man ja häufig das eine Kombi plötzlich eine Wirkung zeigt die eines der Medikamente allein nie gebracht hätte. Man liest da erstaunliche Sachen! :geek: Ich habe bisher immer davor zurückgeschreckt mich so "Vollzupumpen" :| aber wage grade aktuell eine Kombination aus Tianeptin [Tianeurax] und Venlafaxin Retard.
Venlafaxin hatte auf mich immer eine Bumm! Wirkung, es hat mich wirklich mal gerettet aber die NW und das Absetzen war (für mich) schlimmer als der Benzoentzug den ich schon hatte...

Nachdem ich mich jetzt 6 Monate quäle und die körperlichen Symptome der Depression so stark sind das ich mehr überlebe als lebe [Erschöpfung, innere Anspannung und Unruhe, Kreislauf, Extrasystolen, immer Bauchschmerzen, Gliederschmerzen, Schwindel...] schleiche ich es wieder ein. Tianeptin nehme ich nun 2 Monate 2-4x täglich und es bringt eindeutig Ruhe und mehr Belastbarkeit, aber es "plastizitiert" Gefühle sehr stark. Gedanken und Emotionen sind sehr präsend, man fühlt intensiver! Und wenn man viele unverarbeitete Baustellen hat wird das zum echten Kraftakt. Solange ich also auf einen Therapieplatz warte, erneut, hoffe ich das Venla mich erneut etwas stabilisiert.
Zum Bedarf habe ich Diazepam Tropen oder Tavor Expedit. Da ich 2fach Benzoentzug kenne weiss ich: Sehr vorsichtig damit.

Meine Medikation aktuell:
3x täglich Tianeptin 12,5 mg alle 3-4 Std. vor dem Essen
Venlafaxin morgens 9 Uhr 37,5 mg: Ziel 75 mg [ich hatte bereits bis 175 mg vor 2 Jahren]

Wer hat schon durch eine Kombination einen Durchbruch erzielt? Eventuell nicht nur mehr Wirkung sondern auch weniger NW?
Arpeggio
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Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von Arpeggio »

Hallo Littlelisto,
mit aufmerksamen Interesse lese ich deinen Beitrag gerade.Und ich bin dankbar für deine Offenheit und präzise Beschreibung deiner Medikation
und den Auswirkungen bei dir.
Ich selber nehme seit 14 Jahren durchgehend Trimipramin (in einer Bandbreite von 75 - 125mg/abends) .jahrlang auch kombiniert mit einer jeweiligen! Beigabe von Solvex/Edronax( wurden ja 2011(?) verboten) zuletzt dann Amitryptilin.
Die Medikation , speziell das TZA (Trimipramin, Trizyklisches Amin) ermöglichen mir halbwegs das Aushalten der inneren Zustände.
Eine wirkliche Befreiiung ermöglicht sie mir nicht.Ist aber auf jeden Fall eine Hilfe!
Den abgelaufenen Sommer über ist es mir gelungen das Amitryptilin seit März abzusetzen.Die Absetzungsprobleme konnte ich spüren , aber einigermaßen balancieren.
Seit 3 Wochen ergänze ich die 125mg Trimipramin (abends) erneut mit 25mg Sertralin ( morgens).Kurzzeitig spürte ich einen positiven Effekt ( angenehmes Kribbeln im Kopf,weniger Schwere , Ängste) gepaart mit körperlichen NW‘s wie leicht erhöhte Unruhe , Schwitzen!!
Die Kombi läuft jetzt erstmal um die vollständige Anpassung abzuwarten.
Noch ein Hinweis:
Es gab bei mir vor vielen Jahren auch einmal einen Versuch einer Augmentationstherapie mit Valproinsäure.Dieser Versuch brachte bei mir nichts!

LG , Arpeggio
gvman
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Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von gvman »

Hallo litlelisto.
Welches Benzodiazepin hattest Du früher vor dem Entzug in welcher Dosierung genommen?
Hatte es denn geholfen oder die Wirkung verloren?
LG
Michael1967
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Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von Michael1967 »

Kombinationsbehandlungen sind bei mir seit 2 Jahren ein Thema. Grund: Ein Einzelmedikament mit erheblicher Wirkung habe ich nie gefunden. Ich musste also aufdoppeln, um einigermaßen Erfolge zu erzielen.
Allgemein: ich konnte feststellen, dass sich die meisten AD (Ausnahme: MAOI) kombinieren lassen. Dabei addieren sich NW, sodass sich keine Kombinationen empfehlen mit Medikamenten, für die man im Einzelnen schon Nachteile beobachten konnte.
Vereinzelt gibt es schon Broschüren oder Hinweise im Netz, die alle AD in sog. Wirkstoffklassen einteilen. Daraus ergeben sich Anhaltspunkte für sinnvolle Kombinationen. Sinnvollerweise wird man kein SSRI mit einem zweiten SSRI kombinieren, weil die Rezeptor-Wirkung mit einem AD bereits abgedeckt ist.
Kombinationen und Augmentationen (durch andere Neuropharmaka) gibt es viele, berühmt geworden ist Ende der Neunziger in den U.S.A. zum Beispiel die "California Rocket Fuel", das ist die Kombi Venlafaxin + Mirtazapin. Wer Mirtazapin nicht verträgt kann das natürlich nicht benutzen.
Unlängst ist im FORUM die Frage aufgetaucht, ob sich auch "Synergieeffekte" ergeben könnten. Gesichert ist in dieser Hinsicht noch gar nichts, aber ich konnte einige Forschungsansätze im Netz (hauptsächlich U.S.A.) finden, die sich damit beschäftigen. Dabei wird vorallem an die sog. Serotonin-Autorezeptoren gedacht, oder spezifische Rezeptoren wie den 5HT-2a oder den 5HT-2c. Die Forschungsansätze können mit den zugelassenen Medikamenten aber nur unzureichend nachvollzogen werden, weil eine hochspezifische Wirkung an dem EINEN Rezeptor (und nur diesem) normalerweise nicht vorliegt. Bestes Beispiel wieder Mirtazapin, es wirkt am Alpha2-Adrenozeptor, am 5HT2a und am 5HT2c sowie am Histamin H1-Rezeptor. Letzteres ist für die erwünschte oder unerwünschte Müdigkeit verantwortlich.
Ein großes Manko im Moment ist das Fehlen eines spezifisch noradrenergen Medikaments. Das ist im Moment die Baustelle, an der mich persönlich abarbeite. Die SSNRI kombinieren die Wirkung von Serotonin und Noradrenalin ja schon in einem festen Verhältnis. Für Venlafaxin lautet das Wirkungsverhältnis auf 1:30, zugunsten der serotonergen Wirkung. Wollte man jetzt dieses Verhältnis individuell auf den Patienten abstimmen, bräuchte man separat ein SSRI und ein NRI wie das besagte Reboxetin (Solvex/Edronax). Genau dieses Medikament ist aus der kassenärztlichen Zulassung gestrichen worden. Schade darum, denn damit ist dieser Behandlungsweg versperrt.
Zusammenfassung: Zu den beiden Wirkstoffklassen SSRI und SSNRI lassen sich im Moment folgende Kombinationen mit anderen AD finden...
SSRI/SSNRI kombiniert mit -->> Mirtazapin, Bupropion, Opipramol, Maprotillin, Trazodon, Tianeptin, Agomelatin, oder aber eines der alten TZA.

P.S.: ...mein medizinisches Wissen ist angelesen, bin aber Naturwissenschaftler (Physik)
Zuletzt geändert von Michael1967 am 5. Dez 2017, 16:49, insgesamt 1-mal geändert.
Arpeggio
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Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von Arpeggio »

Hallo Michael,
was für ein fundierter Beitrag! Kommst du aus der Medizin/Biologie/Chemie?
Ich bin beeindruckt.Und danke dass du deine wertvolle Recherche / Wissen hier zur Verfügung stellst!!

LG, Arpeggio

PS: 17:50h , Ich bin beruflich aus der Chemie (Techniker)
Zuletzt geändert von Arpeggio am 5. Dez 2017, 17:52, insgesamt 1-mal geändert.
Littlelisto
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Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von Littlelisto »

Danke für die Offenheit und guten Informationen!
California Rocket hatte ich noch nie gehört...
Es gibt einen Professor in Österreich der viel auf dem Kombi gebiet probiert und auch Fälle dazu im Internet publiziert, dort kommen meistens auch drei Präperate zum Einsatz. Die dann aber alles ändern.

In meiner Dosierung ist Venla ja eher SSRI als SNRI wobei wir doch ehrlich sagen müssen das die Hauptwirkung nicht nur im Serotonin liegen wird. Was immer diese Medikamente auch tun es muss mehr sein als nur Serotonin hemmen - die These ist ja nicht umsonst wiederlegt.

Tianeptin ist ja nochmal ne ganz andere Klasse als TZA - da gehört es am ehesten hin allein schon wegen des Alters aber vom Wirkprinzip her erstaunt es ich sehr. Ich vertrage nämlich sonst keine TZA und es hat auch null von deren NW.

Bzgl. der Benzofrage: Darauf gehe ich ungern ein oder gebe Tipps. Ich kann nur sagen ja, es gibt Tage und Zeiten da geht es nicht ohne Benzo, da sind sie ein segen und absolut gerechtfertigt. Aber diese Wirkung kehrt sich um und in einer Depri dann auch noch einen Benzo Rebound Effekt zu haben dem dann ein Entzug folgt - das rate ich niemand.
ßßßß

Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von ßßßß »

Zitat Littlelisto:
"... immer mehr zu finden ist sind die erstaunlichen Durchbrüche in der Kombination von ADs / Medikamenten..."
aber nicht generell immer nur individuell. Die Fallzahlen steigt nur, weil es mehr angewendet wird, weil die Ärzte mit machen also nix mit "total konservativ".

"Bisher sind ja Monotherapien mit einem AD in den Leitlinien ausdrücklich empfohlen"
ebenso wie Kombinationstherapien, wenn Mono nicht (ausreichend) funktioniert.

Zitat Michael1967: "... besagte Reboxetin (Solvex/Edronax). Genau dieses Medikament ist aus der kassenärztlichen Zulassung gestrichen worden. Schade darum,..."
eher nicht, es wirkt schlicht nicht. Zumindest als Mono und ich wüsste auch keine Studie die es als Kombi wirksam erscheinen lässt.

"... Venlafaxin lautet das Wirkungsverhältnis auf 1:30 ... Wollte man jetzt dieses Verhältnis individuell auf den Patienten abstimmen, ..."
geht in begrenztem Aussmaß Seretonin:Noradrenalin Venlafaxin 30:1, Duloxetin 10:1, Milnacipran 1:1
Desvenlafaxin und Lovomilnacipran sind soweit ich weiß in Deutschland nicht zu gelassen


Fundiert sind die Kombi mit Mianserin, Mirtazapin, Trazodon, wenn auch nicht überwältigend hinsichtlich Remission.

vor der Kombi besser Berliner Stufenplan
stufe
Stufe 1 + 2
Absetzstufe / Schlafentzugsbehandlung
3–10 T.

Stufe 3
Antidepressiva-Monotherapie (Standarddosis)
2 Wo.

Stufe 4
Antidepressiva-Monotherapie (Hochdosis)
2 Wo.

Stufe 5
Lithiumaugmentation
4 Wo.

Stufe 6
AD-Auswaschphase (Lithium-Monotherapie)
2 Wo.

Stufe 7
MAO-Hemmer (+ Lithium)
2 Wo.

Stufe 8
MAO-Hemmer-Hochdosis (+ Lithium)
2 Wo.

Stufe 9
Absetzstufe
5 T.

Stufe 10 Elektrokrampftherapie (3 Anw./Woche)
4 Wo.

Damit kommt man auf eine Remissionsrate von ca 54% im Vergleich zu ca 40% bei 'normalen' vorgehen. Und auf ca 10% Nonresponder vs ca 30%.
Michael1967
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Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von Michael1967 »

Zitat Michael1967: "... besagte Reboxetin (Solvex/Edronax). Genau dieses Medikament ist aus der kassenärztlichen Zulassung gestrichen worden. Schade darum,..."
eher nicht, es wirkt schlicht nicht. Zumindest als Mono und ich wüsste auch keine Studie die es als Kombi wirksam erscheinen lässt.

Genau, es gibt keine Studie. Allerdings ist der noradrenerge Symptomkreis insgesamt stiefmütterlich in der Forschung behandelt worden. Ich kenne eine Studie aus Japan, da wird ein Zusammenhang der antidepressiven Wirkung von Milnacipran und dem Vorkommen eines Gen-Polymorphismus beim Noradrenalin-Transporter nachgewiesen.
(Titel: Prediction of antidepressant response to milnacipran by norepinephrine transporter gene polymorphisms. 2004)
Damit wird eigentlich eine Parallel-These zur bekannten Serotonin-Mangel-Hypothese eröffnet. Wäre also interessant, eine genetisch selektierte Gruppe von Patienten mit Reboxetin zu behandeln. Könnte sein, dass dann die Wirksamkeits-Ergebnisse in der Subgruppe positiv ausfallen.
Gertrud Star
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Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von Gertrud Star »

Erstaunlich, was für schlaue Köpfe sich hier tummeln.

Mit mir wurde keine Kombitherapie ausprobiert, eigentlich nur ADs verschiedener Wirkstoffklassen in niedriger, manchmal mittlerer Dosierung. Anfangs gabs mal für kurze Zeit ein Beruhigungsmittel dazu.

Mir berichtete aber eine Frau vor etwa 15 Jahren, sie würde mit 2 Medikamenten behandelt, und es helfe ihr sehr, nur in der Kombi, weil keine Monotherapie half. Sie war (da sehr dünn) auch dankbar für die Gewichtszunahme.

Dann wären ja auch noch diverse unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen) bei vielen Patienten auszuschließen. Bei mir wäre das Gewichstzunahme (Alterdiabetes, weil schon zuviel Gewicht), Ödeme und Mobilisierung des Verdauungstraktes.
Desweiterein, was muss man bei jungen und was bei älteren Menschen beachten.
Bei manchen spielt es eine Rolle, ob die Libido beeinflusst wird, anderen ist es zumindest vorübergehend wurscht.

Hm, haben die Ärzte wirklich so einen Supercomputer im Kopf, um das alles zu beachten?

Wann ist es endlich soweit mit der personalisierten Medizin, so wie beim Star Trek?

Bin Ingenieurin (Dipl.), aber nie im Beruf gearbeitet und danach nicht mehr wirklich wissenschaftlich und intellektuell gefordert, eher massiv unterfordert.

LG Gertrud
ßßßß

Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von ßßßß »

Hi Michael1967

"Ich kenne eine Studie aus Japan, da wird ein Zusammenhang der antidepressiven Wirkung von Milnacipran und dem Vorkommen eines Gen-Polymorphismus beim Noradrenalin-Transporter nachgewiesen."
Die ist durchaus interessant. Mit nachgewiesen wäre ich vorsichtig. Von 80 Leuten bei T-182-c 5 und G1287A 7 von den jeweils seltenen Varianten. Das ist statstisch gar nichts. Die haben sich zwar beholfen mit auszählen, aber wenn ich schon mehr Träger von T habe weden da auch mehr Träger von T positiv reagieren. Es seid dort läge eine eine negative Korrelation. Dann allerdings wäre das Mittel niemals entwickelt worden. Von dominat/rezessiv mal gar nicht erst zu reden.


Das mit Subtypen ist immer ein Problem, nur wird niemand für die selteneren Varianten größere Tests machen. Da liegt einfach kein Profit.
gvman
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Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von gvman »

Guten Morgen. Hier tummeln sich ja viele Naturwissenschaftler :hello: ...Ich bin Chemielaborant und war lange in der Pharmazie tätig. Medizin, auch unabhängig von der Erkrankung, interessierte mich schon immer. Nur wurde mein Wissen immer so ausgelegt, dass alle sagten “Du weisst zu viel, deshalb redest du dir die NW ein“ Dieser Satz versetzt mich heute noch in Wut, weil er schlichtweg nicht stimmt. Ich reagiere hochsensibel auf viele Medikamente, v.a auf Psychopharmaka. Meine einzige Kombination ist Sulpirid und BZD. Von Letztere komme ich wohl auf unabsehbare Zeit nicht mehr los...Andere Medikamente vetrage ich absolut gar nicht. Ob ich so wieder auf die Beine komme? Ich bezweifle es von Monat zu Monat und Jahr zu Jahr immer mehr...
@littlelisto
Was bedeutet Rebound mit anschließendem Entzug? Haben Benzos bei längerer Einnahme deine Depressionen verstärkt?
LG
Michael1967
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Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von Michael1967 »

Der Berliner Stufenplan ist kein anerkannter oder gar schon häufig praktizierter Algorithmus, das wollte ich nur mal eben noch ergänzen. Die Statistik steht ebenfalls auf wackeligen Beinen, wie so oft in dieser Forschung.
Ich kenne eine aus der S3-Leitlinie heraus entwickelte Planvariante, welche die Behandlung mit Augmentation bzw. Kombination (in der Stufe nach der Einzel-Medikation bzw. dem Wechsel des AD, also systematisch in der Stufe 3...) ausdrücklich vorsieht. Beim Berliner Plan wurde der Behandlung mit Lithium eine große Bedeutung beigemessen, die beispielsweise in Amerikanischen Behandlungsplänen kaum eine Rolle spielt. Deutlich wird wieder einmal die "europäische Fixierung" auf die Monotherapie bzw auf den Polymorphismus des Serotonin-Transporters.
Ich denke (ganz laienhaft aber nicht völlig unbedarft), das Krankheitsbild wird sich eines Tages als "überraschend komplex" herausstellen, und vermutlich gleich eine ganze Anzahl genetischer Dispositionen auf sich vereinigen. Der Serotonin-Transporter ist sicher eine davon... Und ich wage die Prognose, dass sich sogar innerhalb der Unipolaren Depression verschiedene Subtypen finden werden, die jetzt nur indirekt erkennbar sind, und sich beispielsweise als Therapie-Resistenzen bemerkbar machen. Im Hier und Jetzt kann man nur spekulieren, aber ich bin sicher, dass die Genetik eines Tages den Aufschluss über diese Subtypen erbringt. Auch ein prominenter Forscher (Pierre Blier, Toronto) spricht sich in diesem Sinne aus.

Ich halte die Kombinations-Therapie weiterhin hoch, weil sie mir deutliche Vorteile gebracht hat. Allerdings habe auch ich bei der Auswahl "meiner" Medikamente auf die Verträglichkeit achten müssen. Das ist eine allgemeine Einschränkung. Die Idee, dass sich verschiedene Subtypen der Unipolaren Depression mit verschiedenen Medikamenten-Kombinationen ansprechen lassen, erscheint vielleicht weit hergeholt,... sie stellt aber meine persönliche Behandlungs-Hypothese dar. Irgendwie muss ich dem Monnster ja beikommen.
Tatsächlich können wir von den Erfolgen der Medikamente nur sehr schlecht auf die physiologischen Grundlagen zurückschließen. Wenn das EINE Medikament gefunden ist, das alle heilt, ist das Rätsel so gut wie gelöst.
Gertrud Star
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Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von Gertrud Star »

Was, Michael, du träumst wirklich von dem einen Medikament für jede Depression? :?
Wo es doch für jeden Husten, jedes Kopfweh und jeden Krebs unterschiedliche Medikamente gibt, soll es ausgerechnet bei der Depression ein einziges sein, für den Kopf das komplizierteste Organ des Menschen? Dieser Kopf ist von Natur aus schon bei jedem Menschen unterschiedlich, und das Depressionsgeschehen nochmal sehr individuell.

Ich frage mich gerade, ob der Ansatz der individualisierten Medizin hier angebracht wäre. In Anbetracht dessen, dass von den Pharmafirmen seit Jahrzehnten nichts wesentlich Neues heraus gekommen ist, forschen die vielleicht schon daran.
Bis dahin muss man sich mit der Kombitherapie und langen Heilungsverläufen arrangieren, und einer großen Portion Glück manchmal auch.
(Meine Finger tippten erst "Heulungsverläufe", und zum Heulen ist das in meinen Augen schon)

Gruß Gertrud
Arpeggio
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Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von Arpeggio »

Hallo ForianerInnen,
ich möchte den Thread mal etwas erweitern um die Idee der gezielten Nahrungsergänzung!?
(Stichworte:L-Trythopan/5HTP , L-Tyrosine ,GABA, Folsre.,Vitamin B12 , Vitamin D).
Hat sich jemand hier damit einmal auseinandergesetzt, hat es ausprobiert?
HINWEIS:
Dazu ein sehr empfehlenswertes Buch aus GB Patrick Holford „Optimale Ernährung für die Psyche“
Leider ist das Buch in deutsch nur noch schwer zu bekommen.

LG Arpeggio
Storm
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Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von Storm »

Hallo Arpeggio, hallo zusammen,

ich habe mich vor einiger Zeit viel mit Nahrungsergänzung beschäftigt bzw. einen Arzt/Naturmediziner gefunden, der speziell bei BurnOut, Angst- oder Depressionserkrankung auf diese Schiene setzt.

Mein Blut wurde auf über 200 Lebensmittel untersucht, wir haben im weiteren einige Stoffwechsel-Tests gemacht. Auf Basis dieser Untersuchungen (zusätzlich auch Speichel, Urin, Stuhl) habe ich bestimmte Lebensmittel weggelassen, und meine Ernährung um hochwertige Produkte ergänzt. U.a. auch die von dir genannten, aber noch einige weitere (z. B. habe ich über diesen Arzt hochwertige Omega 3 Kapseln aus den Niederlanden bestellt, da es nicht möglich war, eine derart hohe Dosierung in Deutschland zu erhalten).

Mein Fazit, um es auf den Punkt zu bringen: nachhaltig geholfen hat es mir nicht. Weder akut in einer Episode, noch im Anschluss. Zudem ist dies alles auch ein wenig kostspielig gewesen.

Trotzdem möchte ich nicht ausschließen, dass jemand, der eher in den Wintermonaten zu Depressionen neigt, durch Vitamin D o.ä. Besserung erfährt. Oder jemand, der mit "nur" leichten Depressionen zu tun hat, durch eine gezielte und individuelle Nahrungsergänzung die Probleme in den Griff bekommen kann.

Dies alles ist sicherlich individuell und nur meine Meinung dazu. Gerne höre ich von Betroffenen, die so einen Weg sehr viel länger fahren als ich und dadurch evtl. Episoden oder andere langanhaltende negative Zustände abfedern oder dämpfen konnten.

Wir sind uns denke ich einig, dass eine grundsätzlich gesunde Ernährung für uns Betroffene schon sehr wichtig ist. Da ich auch immer wieder von Studien höre, die über den Zusammenhang von Darm und Psyche/Gehirn berichten, kann ich das Thema auch noch ich ganz ad acta legen. Derzeit beschäftige ich mich ein wenig mit dem Thema Heilfasten.

Seid gegrüßt, Storm
gvman
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Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von gvman »

Hallo Arpeggio.

Meine Erfahrungen:

L-Tryptophan: Ganz am Anfang meiner "Karriere" hab ich es abends zum Einschlafen probiert. Wirkte leicht beruhigend, aber den Durchbruch brachte es nicht. Es soll mit einer kohlenhydratreichen Speise und am besten mit B- Vitaminen zur besseren Verstoffwechslung eingenommen werden. Achtung! Serotonin-Vorstufe. Nicht mit SSRIs kombinieren! Ansonsten gut verträglich.

L-Tyrosin: Dopamin/Noradrenalin -Vorstufe. Putscht leicht . Ist für morgens gedacht.
Hab es selber nicht probiert.

GABA: Schwach beruhigend. Lässt sich mit allen AD kombinieren. Mir schlug es auf den Magen.

B-Vitamine (v.a Folat und B12): Verbesserung des Allgemeinbefindens. Am besten ein Kombipräparat mit ausreichend B12 und Folsäure wählen.

Vitamin D: Nehme ich regelmässig, da ein Mangel nachgewiesen wurde.
Fast jeder, der nicht im Freien arbeitet, hat hier in Mitteleuropa einen D3-Mangel.
Nicht mit einer willkürlichen Einnahme beginnen, sondern den Blutgehalt bestimmen und vom Arzt einstellen lassen. Kosten ca. 20-30€ pro Blutabnahme/Gehaltsbestimmung.
Die heute so oft probagierten Sollblutkonzentrationen sind sehr hoch und können einen gefährlichen, zu hohen Calciumspiegel im Blut bewirken. Ich nehme "nur" 1000 IE pro Tag.

Ergänzung: Omega-3- Fettsäuren (am besten Fisch-oder Algenöl wegen EPA und DPA) sollen sehr gut sein. Achtung Blutverdünnung!. Ich selber vertrage die vom Magen her nicht gut.

LG
Michael1967
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Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von Michael1967 »

Gertrud Star hat geschrieben:Was, Michael, du träumst wirklich von dem einen Medikament für jede Depression?

Ich frage mich gerade, ob der Ansatz der individualisierten Medizin hier angebracht wäre. In Anbetracht dessen, dass von den Pharmafirmen seit Jahrzehnten nichts wesentlich Neues heraus gekommen ist, forschen die vielleicht schon daran.
Bis dahin muss man sich mit der Kombitherapie und langen Heilungsverläufen arrangieren, und einer großen Portion Glück manchmal auch.
Ist ein Traum, mein One-Size-Fits-all Monopräparat, klar.
Realistisch betrachtet, ist der Ansatz der individualisierten Medizin zielführend. Ich sehe das genauso wie Du. Die Kombinationsbehandlungen sind vermutlich ein intuitiver Ansatz vieler Ärzte bei den hartnäckigen Verläufen. Es gibt leider noch kein diagnostisches Schema, das den jeweiligen Subtypus der Erkrankung erhellen könnte. Wenn ich die Erfolgsstatistiken richtig lese, dann fehlen auch noch ein paar Behandlungswege. Diese Lücke wird man nicht mit Kombinationen füllen können, da sind wir auf die pharmakologischen Fortschritte angewiesen. In der Pipeline, wie die Profis so schön sagen, sind jetzt einige NMDA-Antagonisten (die den Erfolg des Narkose-Mittels Ketamin nachahmen sollen). Bestimmt wird sich auch noch einiger Fortschritt im Umfeld der "neurotrophischen Faktoren" einstellen, welche das Wachstum und die Zelldifferenzierung bei den Nerven steuern. Und auch an der Arzneimittel-Barriere Blut-Hirn-Schranke wird gearbeitet. Es kommt nicht jedes Medikament da an, wo es wirken soll...
Für den Fortschritt heißt es Daumen drücken. Ich weiß nicht genau, wie die Policy der Pharmakonzerne im Moment ausgerichtet ist. Es gibt kritische Artikel, die mehr Engagement für die Anti-Depressiva einfordern. Aber schließlich sind Entwicklungen vom Reißbrett in dieser Sparte unüblich. Die letzten Neuerungen waren nur Re-Formulierungen, etwa das Desvenlafaxin, das Levomilnacipran, oder das Brexpiprazol. Die Namensähnlichkeit sagt schon, dass es sich eher um Scheininnovationen handelt. In 20 Jahren sind wir garantiert einen Schritt weiter...
ßßßß

Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von ßßßß »

@Michael1967
"Die letzten Neuerungen waren nur Re-Formulierungen, etwa das Desvenlafaxin, das Levomilnacipran, oder das Brexpiprazol. Die Namensähnlichkeit sagt schon, dass es sich eher um Scheininnovationen handelt"
Scheininnovation eher nicht. Ja es sind Abwandlungen alter Medis, Das sind aber fast alle. Schau dir nur mal die Strukturen an. Aber es ging dir doch um das Verhältnis Seretonin-Noradrenalin und darin unterscheiden die sich von Ihren 'Müttern'
Für die Mehrheit der Betroffenen ist die Unterschiedliche ansprache aber marginal. Daher gibt es auch keinen wirklichen Wirksamkeitsunterschied (Tochter-Mutter) in größeren Populationen.



@gvman
lass mal das Parathormon prüfen. Alleine das kann schon Depressionen auslösen. Es besteht auch ein Zusammenhang mit niedrigen Vitamin d.
gvman
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Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von gvman »

@storm/@arpeggio
Zum Thema Darm/Psyche lese ich auch sehr viel.
V.a. Probiotika (Lactobacillen) und B-Vitamine in Kombination sollen einen sehr positiven Einfluß
auf die Darmflora haben und zu einem verbesserten Allgemeinbefinden führen.
Ich weiss auch, dass gerade trizyklische AD die Darmflora schädigen und auch zur Versopfung führen.
Gerade hier wären Probiotika sehr von Nutzen.
Gruß
Michael1967
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Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von Michael1967 »

ßßßß hat geschrieben: Aber es ging dir doch um das Verhältnis Seretonin-Noradrenalin und darin unterscheiden die sich von Ihren 'Müttern'
Ja stimmt, aber diesen positiven Aspekt habe ich in der Kürze der Argumentation weggelassen. Es kam mir darauf an, das konservative Vorgehen der Pharma-Konzerne zu illustrieren.
In der Tat haben wir mit dem Desvenlafaxin und dem Levomilnacipran Medikamente vorliegen, die neue Verhältnisse in der Selektivität von Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmung aufweisen. Aber ein paar andere Fortschritte (s.o.) stehen noch aus.
In der Grundpopulation werden die neuen Medis wohl keine besseren Erfolgsraten erzielen, was übrigens ihre Zulassung in Deutschland fraglich macht, weil die Zulassungsregeln verschärft wurden. Das weißt du vermutlich: jetzt müssen Innovationen erkennbare Verbesserungen aufweisen, ansonsten fallen sie durch.
Die Verschärfung bei der Zulassung ist, wenn man so will, eine erneute indirekte Absage an Kombinationsbehandlungen, die weder im Vorfeld getestet werden (Aufwand zu hoch), noch im Praxis-Alltag versuchsweise offen stehen. Gesundheitspolitisch kann ich die Kostenkontrolle nachvollziehen, aber als "chronisch rezidivierender Depressiver" stehe ich grundsätzlich auf der Seite der Innovationen.
Gertrud Star
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Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo Michael,
verständlich, wenn man sich als Betroffener an jeden Strohhalm klammert, auch an die Hoffnung, dass ein neueres etwas besser wirksames Medikament einem helfen kann. Doch sollte man nicht vergessen, dass die Pharmafirmen mit solchen lediglich minimal besser wirksamen Medikamenten, die sich von den Vorgängern nicht wesentlich unterscheiden, einen Haufen Kohle verdienen.
Von daher hoffe ich eher auf neuere Vorgehensweisen, und träume von der individualisierten Medizin.
Gruß Gertrud
ßßßß

Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von ßßßß »

" weil die Zulassungsregeln verschärft wurden."

Nur um das mal klar zu stellen, nicht die Zulassungenvorschriften sondern die Regeln für die Kostenübernahme durch die GKK sind streng.
Ein Medikament muss für eine Zulassung lediglich eine medizinische Wirkung nachweisen und gleichzeitig nicht giftig sein. Darunter fallen bspw die vielen 'wirksamen' Grippemittel.
Damit die GKK aber die Kosten übernehmen muss ein Medikament/Behandlung den Nachweis bringen besser wirksam zu sein, als was bisher zur Verfügung steht. Wie genau man das messen will, ist durch aus umstritten.
In so fern könnten die Hersteller ja mit gezielten Unterguppentest eien Kostenübernahme erreichen, das aber ist denen nicht lukrativ genug. Somit bringt man die MIttel erst gar nicht auf den Markt bzw zieht sie wieder zurück.
Übrigens die hochgelobten PKK gehen auch nicht anders vor. Die sind teilweise noch strenger. Ich bin mir ziemlich sicher 1 MIO für eine einmalige Dosis bekommt man da nicht. Eine der deutschen GKK hat das aber gemacht.
Michael1967
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Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von Michael1967 »

ßßßß hat geschrieben: Nur um das mal klar zu stellen, nicht die Zulassungenvorschriften sondern die Regeln für die Kostenübernahme durch die GKK sind streng.
Ein Medikament muss für eine Zulassung lediglich eine medizinische Wirkung nachweisen und gleichzeitig nicht giftig sein. Darunter fallen bspw die vielen 'wirksamen' Grippemittel.
Damit die GKK aber die Kosten übernehmen muss ein Medikament/Behandlung den Nachweis bringen besser wirksam zu sein, als was bisher zur Verfügung steht. Wie genau man das messen will, ist durch aus umstritten.
Das stimmt, die Regeln für die Kostenübernahme sind das eigentliche Kriterium. So viel Genauigkeit muss sein. Das ändert aber nichts an meinem Argument: die Erstattungsvorschriften (gilt für ganz Westeuropa) bilden den Markt-Mechanismus, sie entscheiden über die Zukunft eines Medikaments bzw. beeinflussen prospektiv schon die Entwicklung.
Es ist und bleibt eine ökonomische Zwickmühle: die Produzenten haben keine direkten Anlass, Kombinationstest bei den Vorstudien zu machen, und die Zulassungsbehörde (der mächtige G-BA) pocht auf die Faktenlage, und befestigt mit ihren Vorgaben die "ärztliche Meinung" vom Primat der Monotherapie.
Darüber reden wir doch: warum kriegt man als Langzeitpatient keine Vorschläge für die Kombinationstherapie?! Wäre schön, mal von einer Umfrage zu erfahren, wie der Praxis-Alltag für die Unipolare Depression in Dtld. wirklich ausschaut. Habe bislang leider keine solche Befragung gefunden. Vielleicht habe ich ja Unrecht, und die Praxis geht bei den Therapie-Resistenzen intuitiv vor, und probiert "öfter mal was aus", indem sie mehrere Medikamente verordnet. Fragen wir die Ärzte!
retrochallenge1
Beiträge: 71
Registriert: 14. Feb 2015, 14:35

Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von retrochallenge1 »

Hallo Ihr Lieben,
aktuell nehme ich als Kombination Tianeurax 12,5 dreimal täglich plus morgens Elontril 150 mg Das aber erst den vierten Tag.
Abends Amitryptillin, aber nur 10 mg.
Ich muss sagen, wenn hier nicht so ein toller Austausch wäre, von Menschen, die sich auch bei vielen Wirkungsweisen der Ads auskennen, ich wäre immer noch am Rumdümpeln.
Endlich nach 6! Monaten gehts bergauf.
Ich habe tatsächlich gewagt meiner Ärztin zu sagen, dass ich zusäztlich noch Elontril nehmen will.
Das ging wirklich nur wg. der guten Recherche hier im Forum.
Mein besonderer Dank geht auch an Michael1967.
Endlich vetstehe ich mal Einiges.Vielen Dank dafür.Mein Symptom *Beklemmung* ist seit Sonntag spürbar weniger geworden.
Liebe Grüße
RETROCHALLENGE

Retrochallenge
Tyche03
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Registriert: 7. Nov 2017, 22:56

Re: AD´s Kombinationsbehandlung? Wer hat Erfahrungen...

Beitrag von Tyche03 »

Hallo liebe Foris,

ich bin relativ neu hier und angenehm davon überrascht, welches Fachwissen hier versammelt ist. Ich möchte euch kurz meine „Leidensgeschichte“ beschreiben, in der Hoffnung vielleicht neue Ideen, Anregungen oder einfach „nur“ Reaktionen zu bekommen. Es ist für mich immer wieder tröstlich andere Lebensgeschichten zu lesen und zu spüren, dass ich nicht der Einzige auf der ganzen Welt bin, der diese TEUFLISCHE Krankheit in sich trägt…

Kurze Beschreibung meines Krankheitsverlaufs:

Ich bin 50 Jahre alt und leide seit meinem 26. Lebensjahr an rezidivierenden Depressionen. Manchmal schließen sich schwach ausgeprägte hypomanische Phasen an (Diagnose: Bipolar II). Die depressiven Phasen stehen jedoch absolut im Vordergrund.
Ich bin seit 22 Jahren selbstständig und habe einen (für mein Empfinden) sehr stressigen Job. Ich habe einen sehr hohen Leistungsanspruch, verzeihe mir keine Fehler, will alles alleine managen und „leide“ unter einem ausgeprägten Perfektionismus. Meine Ängste drehen sich fast ausschließlich um berufliches Versagen, Berufsunfähigkeit, wirtschaftlichen Ruin, Verarmungsangst…

Ich mache seit Jahren Therapie (tiefenpsychologische Gesprächstherapie, Einzel). Viele „wertvolle“, „verschüttete“ Dinge sind ans Tageslicht getreten und konnten betrauert werden. Sehr wertvoll waren dabei Zusammenhänge aus der Familienkonstellation und –geschichte. Viele Gespräche mit meinen „therapieerfahrenen“ Schwestern (habe 3 Schwestern u. 2 Brüder) waren und sind „Gold wert“.
Allgemein ist anzumerken, dass bei mir sicherlich ein entscheidender endogener Anteil vorhanden ist. Meine Mutter durchlebte im Laufe ihres Lebens zahlreiche schwere depressive Episoden. Gelegentliche hypomanische Phasen sind auch wahrscheinlich.
Bei meiner Tante (mütterlicherseits) stellte sich das sehr ähnlich dar. Ihr konnte durch eine langjährige Lithiumprophylaxe einigermaßen geholfen werden.
Mein Onkel (mütterlicherseits) litt immer wieder an schweren Depressionen. Verschiedene Behandlungsansätze blieben erfolglos. Er nahm im Alter von 65 das Leben. Die „Depressionsleiden“ lassen sich bis weit in die mütterliche Linie zurückverfolgen.
Die Länge der depressiven Phasen und auch der beschwerdefreien Intervalle haben sich im Laufe der Zeit sehr verändert und scheinen nicht vorhersagbar zu sein.
Die frühen Jahre (95-97) waren durch längere (3-4 Monte) Phasen geprägt. Es schlossen sich 6-8 monatige („gute“, evtl. leicht hypomanische) Phasen an. 1997 war die Krise so heftig, dass ich seit Mitte Juli nicht mehr arbeiten konnte und ich entschied mich schließlich (aufgrund latenter Suizidalität) zu einem stationären Aufenthalt in der Psychosomatischen Klinik Kinzigtal in Gengenbach (Sept. – Ende Okt., 7 Wochen).
Die Depression verschwand aber erst Ende November nach schrittweiser Arbeitswiederaufnahme. Vor dem stationären Aufenthalt wurde ich auf eine Lithiumprophylaxe (Hypnorex) eingestellt, die ich allerdings nach ca. 1 Jahr wieder beendete.
Es folgte eine lange (5 Jahre), relativ stabile Phase bis zum Sommer 2003.
Berufliche Turbulenzen stürzten mich Ende 2003 in eine erneute Depression. In dieser Zeit begann ich wieder mit der Lithiumprophylaxe (Quilonum ret. 450 mg), die ich bis heute Aufrecht erhalte. Nach dieser schweren Krise schloss sich wieder eine lange (5 Jahre), relativ stabile Phase mit teilweise hypomanischen Zügen an.

Ende 2009 - Anfang 2011 kam es dann erneut zu mehreren kürzeren depressiven Einbrüchen. 2011 und 2012 waren dann wieder relativ stabile Jahre.
Im Sommer 2013 kam es dann zu einem erneuten Einbruch (Auslöser: Trennung von meinem damaligen Geschäftspartner) von dem ich mich erst im Herbst langsam erholte.
Mitte April 2014 rutschte ich dann erneut in eine Depression, die bis in den Spätsommer anhielt.
In Abstimmung mit meinem Psychiater versuchten wir zunächst, zusätzlich zum Lithium, Venlafaxin. Dies hatte ich auch 2013 genommen, doch diesmal schien ich es nicht zu vertragen (Unruhe/Panik, Schlafstörungen).
Wir stellten auf Valdoxan um. In der Vergangenheit habe ich schon sehr viele Antidepressiva „ausprobiert“ (nat. immer in Absprache mit dem behandelden Arzt):

Aponal (Doxepin), Saroten (Amitryptilin), Anafranil (Clomipramin), Noveril (Dibenzepin), Fluctin (Fluoxetin), Aurorix (Moclobemid), Remergil (Mirtazapin), Ludiomil (Maprotilin), Ednorax (Reboxetin) – Horror!, Citalopram, Venlafaxin, Valdoxan…und das sind noch nicht alle.
Ihr seht: nach meinem Ableben muss ich als Sondermüll entsorgt werden ;-)

Seit 2-3 Jahren scheint sich meine Erkrankung zu wandeln: Die Phasenlängen werden kürzer und häufiger.
Seit Jahresanfang erlebe ich alle 4-6 Wochen heftige „Kurzabstürze“ (4-6 Tage). Ab Jahresmitte kommt es zur erneuten „Verdichtung“: alle 2 Wochen Kurzabstürze (4-6 Tage). Ich befinde mich im „rapid cycling“ bzw. „ultra rapid cycling“.

Im September habe ich eine „Ketaminkur“ versucht: innerhalb von 2 Wochen 6 Ketamininfusionen (40-70 mg). War eine irre Erfahrung! Das mögliche Problem war: es ging mir in dieser Zeit gut. Eine weitere Ketamininfusion folgte während eines Kurzabsturzes…diese hat mich tatsächlich da rausgeholt, leider nicht nachhaltig.

Zurzeit bin auf eine Medikation (Phasenprophylaxe, „Moodstabilizer“) von Lithium (Quilonum ret.) und Lamotrigin eingestellt.
Seit 6 Wochen nehme ich zusätzlich Tianeurax (Tianeptin). Hatte große Hoffnungen in das „exotische“ AD gesetzt, aber seit Einnahme 2 Kurzabstürze durchlebt.

Tja, wenn ich das so schreibe und wieder lese, denke ich: Oh mein Gott, was habe ich nicht schon alles versucht, ertragen, gelitten, gekämpft, gehofft…
Aber es ist ja auch eine Aufzählung der Krisen, dunklen Wolken, Tränen, Verzweiflungen, tiefen Löchern, Schatten…
Dazwischen gab es auch viel Licht, Lachen, Freude, einfach Leben…
So hat wohl jeder SEIN „Päckchen“ (oder „Paket“) zu tragen und es ist die Aufgabe, es anzunehmen, mit ihm zu leben, es zu integrieren und vielleicht zu überwinden…

Ganz liebe Grüße,

Tyche03
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